Hitman 208.11.2018, Michael Krosta

Im Test: Kreative Killermaschine

Trotz der Trennung von Square Enix haben IO Interactive und Hitman überlebt – zum Glück! Denn dank der Unterstützung des neuen Publishers Warner Bros Interactive darf Agent 47 weiterhin auf die Pirsch gehen und Zielpersonen auf möglichst kreative sowie unauffällige Weise ausschalten. Im Test klären wir, ob es der glatzköpfige Auftragskiller immer noch drauf hat oder ihm in Hitman 2 (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) langsam die Ideen ausgehen...

Providence versus Schattenklient

Hinsichtlich der Story knüpft Hitman 2 nahtlos an die Geschehnisse des Vorgängers an, der nach der sechsten Episode bekanntlich viele Fragen offen ließ. Im Mittelpunkt steht weiter der mysteriöse Schattenklient, der die ICA mit Attentaten auf hochrangige Mitglieder der Geheimorganisation „Providence“ beauftragt hat. Sie befinden sich in wichtigen Positionen und formen mit ihrer Macht die Weltgeschichte nach ihren eigenen Regeln. Während die Geschichte im ersten Teil immer nur leicht angerissen wurde, fügen sich die Mosaik-Teilchen hier langsam zusammen. Entsprechend können Vorkenntnisse nicht schaden, die man sich entweder mit dem Spielen des Vorgängers oder dem Legacy DLC Pack aneignet, in dem die vorangegangenen Episoden technisch und mechanisch modernisiert werden. Generell gefällt die Storyentwicklung hier besser als im ersten Teil. Schade nur, dass man in den Zwischensequenzen nur auf leicht animierte Standbilder setzt anstatt sie klassisch zu inszenieren. Auch die Beschränkung auf eine englische Sprachausgabe und deutsche Untertitel hat trotz der

Das Strandhaus dient eher als Aufwärmübung an einem überschaubaren Schauplatz.

guten Sprecher wieder einen etwas faden Beigeschmack – vor allem angesichts der durchaus gelungenen Komplett-Lokalisierung von Hitman: Absolution.

Zwar hält IOI im Prinzip weiter am Episodenformat des Vorgängers fest, doch hat man sich jetzt dazu entschlossen, die Inhalte nicht länger häppchenweise, sondern gleich komplett zu veröffentlichen. Nutzte man früher die Wartezeit zwischen den Episoden zum Experimentieren mit alternativen Tötungsmethoden und Wegen, kann man hier also gleich zum nächsten Schauplatz weiterziehen. Um dem entgegenzuwirken, schlägt man dem Spieler nach Abschluss eines Levels umgehend weitere Variationen vor, wie man die Zielpersonen ausschalten könnte. Das funktioniert jedoch nur bedingt, da man eigentlich wissen will, wie es weiter geht und was der nächste Schauplatz zu bieten hat. Von daher ist die sofortige Veröffentlichung aller Episoden und der direkte Zugriff auf alle Inhalte ein zweischneidiges Schwert. Früher war der Reiz einfach größer, sich aufgrund der Wartezeit auf die nächste Episode intensiver mit den einzelnen Schauplätzen und all ihren Möglichkeiten zu beschäftigen. Auch hier sollte man sich eigentlich wieder die Zeit nehmen und versuchen, die Missionen auf unterschiedliche Art abzuschließen.

Riesige Spielplätze für Killer

Denn die sechs neuen Schauplätze zählen zu den großen Stärken von Hitman 2: IO hat einmal mehr riesige, verwinkelte und abwechslungsreiche Spielplätze erschaffen, auf denen man sich als Killer so richtig austoben kann. Immer wieder entdeckt man neue Winkel, lauscht weiteren Gesprächen und stößt auf neue Möglichkeiten, wie man sich seinen Zielen nähern und sie im Idealfall möglichst unauffällig ausschalten kann. Sei es auf einer Rennstrecke in Miami, im kolumbianischen Dschungel, den verwinkelten Gassen in Mumbai, einer idyllischen Vorstadt in den USA oder einer fiktiven Insel im Nirgendwo: Die Schauplätze laden zum ausgiebigen Erkunden ein und begeistern nicht nur durch ihre variantenreiche Architektur und kontrastreichen Bereiche, sondern sehen dank der optimierten Grafikengine auch klasse aus. Besonders beeindruckt einmal mehr die schiere

Agent 47 weiß, wie man keine unnötige Aufmerksamkeit erregt.

Anzahl an Figuren, mit denen vor allem urbane Umgebungen wie Mumbai oder die gut besuchte Rennpiste mit Leben gefüllt werden. Aber auch was die Qualität bei Texturen und Beleuchtung angeht, hat man spürbar zugelegt.

Hinsichtlich der Spielmechanik fühlt sich Hitman 2 vertraut an – kein Wunder, denn angefangen bei Verkleidungen über Ablenkungsmanöver bis hin zum Vergiften und Verstecken von Körpern hat man viele Elemente direkt aus dem Vorgänger übernommen. Selbst ein Großteil der Objekte, die man einsammeln oder mit denen man interagieren kann, sind komplett identisch. Gleiches gilt für das Tutorial, in dem man einmal mehr die Yacht von Kalvin Ritter infiltriert und bei der Abschlussprüfung das Training mit dem rekapitulierten Attentat auf Jasper Knight abschließt. Spätestens dann weiß man, wie der Hase läuft. Möchte man all seine Spuren verwischen, begibt man sich auch hier wieder auf die Suche nach der Überwachungszentrale und zerstört fleißig die Aufzeichnungen der Kameras. Zudem sorgt man mit Gegenständen wie Radioweckern, Staubsaugern, geworfenen Münzen oder zur Not auch mit einem übergelaufenen Waschbecken für die gewünschte Aufmerksamkeit, um sich an besonders misstrauischen Gegnern vorbei zu schleichen, die erneut mit einem Punkt über ihrem Kopf markiert werden. Man kennt es ja.

Untertauchen in der Menge

Alternativ taucht man in einer Menschenmenge oder vermehrt auch in Gebüschen unter, um sich ihrem Blick zu entziehen. In solchen Momenten wird ein Ring um Agent 47 eingeblendet: Bleiben Gegner außerhalb dieser Begrenzung, bleibt man unsichtbar. Dringen sie auf ihren Patrouillen dagegen in den Ring ein, kann man selbst in diesem Versteck entdeckt werden. Dank der neuen Bild-in-Bild-Funktion verfolgt man jetzt sogar live, wie die Personen auf Ablenkungsmanöver reagieren und darf das Geschehen auch aus der sicheren Deckung heraus verfolgen. Optional verschafft man sich auch mit der übernatürlichen Instinkt-Anzeige einen Überblick über Routen von Wachen oder den momentanen Aufenthaltsort der rot markierten Zielpersonen. Genau wie die Hinweise auf Story-Aktionen, bei denen man schrittweise zum erfolgreichen Abschluss der Mission geleitet wird, lassen sich all diese Komfortfunktionen in den Optionen auf Wunsch deaktivieren, falls man es etwas anspruchsvoller und realistischer haben möchte. Zudem hat man bei jedem Schauplatz die Wahl zwischen drei Schwierigkeitsgraden, die Einfluss auf das Ausmaß der geleiteten Unterstützung, die Anzahl und Aufmerksamkeit der KI-Gegner sowie die Speicheroptionen nehmen.

Allerdings bleiben alte Probleme der KI bestehen: Sie ist zwar generell recht aufmerksam und erweist sich bei der Suche ähnlich hartnäckig wie in Feuergefechten, leidet aber hin und wieder dennoch an Aussetzern, wenn sie einem z.B. in der direkten Konfrontation einfach den Rücken zuwendet oder selbst bei einem Mord auf kurze Distanz nicht reagiert. Zudem trifft man hin und wieder auf kleinere Bugs wie Tonaussetzer bei der Dialogspur oder Skripts, die nicht ausgelöst werden. Dank der fairen Speicherfunktion, die neben der manuellen Sicherung den Spielstand auch automatisch in regelmäßigen Abständen festhält, kann man nach Problemen oder dem vorzeitigen Ableben schnell wieder zurückkehren. Wobei „schnell“ in

Dank zahlreicher Figuren wirken die Schauplätze sehr lebendig.

diesem Zusammenhang ein relativer Begriff ist: Vor allem auf den Konsolen erfordert das erneute Laden der Spielstände viel Geduld.  

Mehr als nur Attentate

Das möglichst kreative Ausschalten der Zielpersonen steht zwar weiterhin im Mittelpunkt, doch haben die Entwickler den Spielverlauf mit ein paar schönen Ideen aufgepeppt. So muss man mitunter sogar erst nach Hinweisen suchen, um ein Phantom überhaupt erst zu identifizieren und ihm ein Gesicht zu geben, das man ins Fadenkreuz nehmen kann. Auch muss man mit manchen Verkleidungen erst bestimmte Aufgaben erfüllen, bevor man seinen Zielen wieder einen Schritt näher kommt. Insgesamt hat man sich wieder viel einfallen lassen und glänzt mit einigen tollen Ideen, um das Leben als Auftragskiller und die Attentate möglichst unterhaltsam zu gestalten. Auch die mitunter ironischen Dialoge zwischen Killer und Opfern tragen ihren Teil dazu bei.

Etwas störend ist dagegen wieder die Tatsache, dass die mitunter spektakulären Geschehnisse keinen direkten Einfluss auf das Verhalten der anderen Zielpersonen nehmen, von denen man pro Karte meist drei eliminieren muss. In Miami kann man z.B. dafür sorgen, dass ein Ziel durch einen manipulativen Eingriff in einem spektakulären Rennunfall ums Leben kommt. Dennoch geht ihr Vater und damit Zielperson Nr. 2 im Bürogebäude gleich nebenan weiterhin seinem ganz normalen Alltag nach als wäre nichts geschehen. Solche Momente nagen einfach an der Glaubwürdigkeit des Szenarios. Und davon gibt es einige: So z.B. auch, wenn man eine wertvolle Halskette stibitzt, die NPCs im Nachhinein aber immer noch fasziniert in dem mittlerweile leeren Schaukasten bewundern. Das passt einfach nicht zusammen und stört die Immersion.

Experimenteller Mehrspielermodus

Schon die Kampagne hat mit ihren zahlreichen Variationen und kleinen Mini-Herausforderungen enorm viel zu bieten. Dabei sorgt nicht nur die Suche nach möglichst kreativen Meuchel-Methoden für Motivation, sondern auch ein Punkte-System, das alle erdenklichen Aktionen belohnt – sei es der Fund von Hinweis-Dokumenten, das Verstecken von Körpern, die Nutzung verschiedener Verkleidungen oder das Entdecken neuer Bereiche. Am erfolgreichsten erweist sich die Kombination aus Schnelligkeit, Effektivität und Unauffälligkeit: Wer seine Ziele innerhalb kürzester Zeit ausschaltet, dabei keine Spuren in Form von Leichen oder Videoaufzeichnungen hinterlässt und zudem weitere Verluste abseits der Zielpersonen vermeidet, kann mit Top-Bewertungen und einem entsprechend schnellen Aufstieg beim Online-Rang rechnen.

Abseits der Kampagne warten nicht nur zahlreiche weitere Aufträge, die man wieder selbst erstellen und mit der Community teilen darf. Auch die schwer zu fassenden Ziele sind wieder mit von der Partie und starten schon bald mit der Jagd auf den virtuellen Sean Bean. Darüber hinaus hat man außerdem den Spielmodus Sniper Assassin hinzugefügt, in dem man aus sicherer Entfernung alleine oder im Koop mit einem anderen Scharfschützen eine Hochzeit aufmischt. In Form einer Beta bietet man außerdem ein experimentelles Eins-gegen-eins-Duell an, bei dem zwei Spieler gleichzeitig losziehen und dabei versuchen müssen, die zufällig markierten Zielpersonen vor ihrem Konkurrenten zu identifizieren und um die Ecke zu bringen. Der Clou: Jeder der beiden Spieler bewegt sich dabei in einer eigenen Realität. Die Aktionen von Spieler Eins wirken sich also nicht auf die Spielwelt von Spieler Zwei aus. Herrscht bei einem Spieler nach einer wilden Schießerei das Chaos, bleibt an gleicher Stelle alles ruhig, wenn sich der andere Spieler lieber für den unauffälligen Weg entschieden hat. Entsprechend kann

Der ehemalige Bond-Bösewicht Sean Bean schlüpft in die Rolle für das erste schwer zu fassende Ziel. Ob er das wohl überleben wird?

man auch nicht einfach hingehen und sich seinen Konkurrenten durch ein kleines Mordkomplott vom Hals schaffen, denn er ist quasi ein Geist aus einer Paralleldimension. Interessant wird es, wenn einer der beiden Spieler sein erstes von fünf Zielen erfolgreich eliminiert. In diesem Fall startet für den Konkurrent ein Countdown und ihm bleibt nur noch eine begrenzte Zeit, um ebenfalls sein erstes Ziel zur Strecke zu bringen und wieder aufzuschließen. Leider konnten wir den Modus mangels Mitspieler und Server-Wartungen seitens IO noch nicht selbst ausprobieren, aber das Konzept klingt auf jeden Fall sehr spannend und interessant.

Fazit

Hitman 2 macht genau dort weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat: IO Interactive liefert einmal mehr liebevoll gestaltete und abwechslungsreiche Spielplätze für ambitionierte Killer, die sich mit Agent 47 kreativ austoben wollen. Und man kann teilweise nur den Hut davor ziehen, welche verrückten und mitunter sogar amüsanten Attentats-Methoden und Verkleidungen sich die Dänen ausgedacht haben. Und auch hinsichtlich der Technik hat das Studio mit seiner überarbeiteten Grafik-Engine spürbar zugelegt, selbst wenn das Niveau von Schwergewichten wie Battlefield, Uncharted & Co nicht erreicht wird. Stagnation herrscht dagegen bei der Spielmechanik, was sich als Fluch und Segen erweist: Es ist immer noch cool, mit wie vielen Objekten man für Ablenkungsmanöver interagieren und wie viele Alltagsgegenstände man als Waffe umfunktionieren oder manipulieren kann. Aber abseits der erfrischenden Mord-Pläne wird mechanisch nicht viel Neues geboten. Dem setzt man immerhin ein paar frische Akzente beim Spieldesign entgegen, wo man auch vermehrt nach Hinweisen suchen und eine Zielperson sogar erst nach Recherchen identifizieren muss, bevor man sie endlich aufspürt und ins Fadenkreuz nehmen kann. Auch der kompetitive Mehrspielermodus klingt konzeptionell sehr interessant und dürfte sich als sinnvolle Ergänzung zu den Community-Aufträgen und schwer zu fassenden Zielen erweisen. Die Scharfschützen-Mission empfinde ich dagegen nur als nette Dreingabe. Schade auch, dass die Story zwar deutlich an Fahrt aufnimmt und interessanter ist als im Vorgänger, aber nur mäßig inszeniert wird. Zudem endet die Kampagne wieder mit offenen Fragen, auf die hoffentlich eine bereits abgesegnete Fortsetzung die nötigen Antworten liefert. Denn wenn IO weiterhin so toll designte Schauplätze abliefert und in Zukunft noch die eine oder andere KI- und Skript-Macke beseitigt, darf Hitman 3 gerne kommen.

Pro

viele Möglichkeiten für (kreative) Eliminierungen, Ablenkungen und Verstecke
enorm große, sehr weitläufige und abwechslungsreiche Areale mit vielen Routen
Verkleidungen als wichtiges Spielelement
gelungenes Tutorial...
Gelegenheiten liefern wertvolle Hinweise auf alternative Anschlag-Methoden
gute Auswahl an konventionellen und ausgefallenen Mordwerkzeugen
angenehme Schleichmechanik
mehr Aufgaben abseits der Attentate
KI agiert meist aufmerksam bei verdächtigen Aktionen
neue Bild-in-Bild-Anzeigen sorgen für bessere Übersicht
überzeugende (englische) Sprecher
Instinkt- und Verdachtsanzeigen abschaltbar
mehrstufige Escalation-Aufträge und zeitlich begrenzte Jagd auf Zielpersonen
motivierende Online-Herausforderungen zum Selbsterstellen und Teilen
experimentelle Online-Duelle für zwei Spieler
ansehnliche Kulisse
zusätzlicher Scharfschützenmodus (für ein oder zwei Spieler)
interessante Story

Kontra

vereinzelte KI-Aussetzer
Körper hängen manchmal fest und lassen sich nicht mehr ziehen
lange Ladezeiten (Konsolen)
...das 1:1 aus Vorgänger recycelt wurde
Tötungen wirken sich nicht auf das Verhalten anderer Zielpersonen aus
nur deutsche Untertitel
Cliffhanger-Ende
nur leicht animierte Standbilder statt echte Zwischensequenzen
mitunter unglaubwürdiges Verhalten der NPCs
vereinzelte Bugs (Skripts hängen)
Spielelemente nutzen sich spürbar ab

Wertung

PC

Agent 47 bleibt in Hitman 2 seiner Linie treu: Auf den großen Spielplätzen können sich Killer herrlich kreativ austoben, auch wenn sich das Konzept abnutzt und Schwächen bei der KI bestehen bleiben.

PlayStation4

Agent 47 bleibt in Hitman 2 seiner Linie treu: Auf den großen Spielplätzen können sich Killer herrlich kreativ austoben, auch wenn sich das Konzept abnutzt und Schwächen bei der KI bestehen bleiben.

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  • Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
  • Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
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