NBA Live 1908.09.2018, Mathias Oertel
NBA Live 19

Im Test: Die Welt ist mein Court

Nachdem EAs NBA-Live-Serie vor einigen Jahren beinahe kollabierte, hat sie mit der letztjährigen Ausgabe und der neuen Ausrichtung einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Kann Electronic Arts mit NBA Live 19 (ab 29,99€ bei kaufen) die Mankos des Vorgängers ausmerzen und sich zu einer vollwertigen Alternative zum Basketball-Primus aus dem Hause 2K entwickeln? Im Test geben wir die Antwort.

Verfeinerungen

Auf den ersten Blick hat sich bei NBA Live 19 auf dem Court nicht all zu viel getan – was in diesem Fall aber durchaus positiv zu werten ist. Die mechanische Entwicklung, die NBA Live 18 genommen hat und die es in vielen Bereichen angenehm von der 2K-Konkurrenz unterscheidet, wurde hier konzeptionell nahezu unverändert übernommen: Per rechtem Stick werden in der Offensive Dribbelbewegungen initiiert, deren Effizienz hier etwas geschwächt wurde bzw. nicht mehr ganz so häufig mit einem Zug zum Korb belohnt wird wie letztes Jahr. Mit den Schultertasten kann man sprinten (rechts), aufposten (links) bzw. sein Passzuspiel genauestens koordinieren (LB/L1) oder einen Screen anfordern. Wie bei der Konkurrenz wird per X bzw. Kreis der Dunk bzw. der Wurfversuch gestartet, der in Abhängigkeit von den Fähigkeitswerten sowie der sich mitunter erstaunlich schnell auffüllenden Anzeige bei Distanzwürfen erfolgreich ist oder im schlimmsten Fall als Airball versackt. Beim Passspiel jedoch gibt es leichte Unterschiede: die drei noch freien Tasten sind mit unterschiedlichen Passarten belegt – direkt, als Lob oder als Bodenpass. So hat man über das Zuspiel eine größere Entscheidungsfreiheit. Und im Gegensatz zum Vorgänger hat man jetzt das Gefühl, dass die KI besser auf diesen oder jenen Versuch reagiert, so dass man nicht mehr wahllos eine Passtaste drücken kann, sondern überlegen sollte, ob ein Lob tatsächlich mehr Erfolg verspricht als ein direktes Anwerfen.

Der Spielmodus "The One" wurde an den richtigen Stellen optimiert, bietet haufenweise Personalisierungs-Optionen und macht mit seinen unterschiedlichen Ausrichtungen (Liga, Streetball, Online, Court Battles) einen Heidenspaß.
Auch die Vorzüge der Verteidigungsmöglichkeiten haben sich schadlos gehalten. Für eigentlich jede Angriffsaktion gibt es eine entsprechende Defensiv-Option, die mitunter zwar gutes Timing oder Reaktionsfähigkeit verlangt, wenn man z.B. versucht, Laufwege der Angreifer zuzustellen. Im Falle von Blocks und vor allem Steals hat man aber weiterhin häufiger Erfolg als es zumindest letztes Jahr bei 2K der Fall war – dieses Jahr können wir die Basketballer von Visual Concepts erst nach denen von Tiburon unter die Lupe nehmen. Diese Verteidigungsreaktionen mögen vielleicht nicht immer realistisch erscheinen. Doch im Rahmen der auf dem Court entstehenden Dynamik und dem daraus resultierenden Hin und Her kann ich darüber hinwegsehen, dass Live auch dieses Jahr auf dem schmalen Grat zwischen Arcade und Simulation eher Richtung Arcade tendiert – ohne jedoch zu einem 5-gegen-5-NBA-Jam zu werden. Dafür ist die Spielgeschwindigkeit zu niedrig, während die plausibel umgesetzte Trägheit auf dem Platz auch das eine oder andere Mal das Tempo aus den Spielzügen nehmen kann, wenn der Passempfänger erst ein, zwei Schritte machen muss, bevor er sich wieder zum Korb drehen kann und dadurch die Chance auf einen ungefährdeten Korbleger passé ist. Bei den Automatismen, die vor allem vor ein paar Jahren NBA Live plagten, hat man erneut angenehm zurückgeschraubt, diese aber immer noch nicht komplett ausradiert. Sprich: Beim Geschehen auf dem Court geht man den gleichen Weg, den auch die meisten anderen Sportspiele gehen. Verfeinerungen basierend auf bewährten Konzepten, die letztlich im Idealfall (und möglicherweise nur subtil oder in einer tieferen Ebene) für ein angenehmeres Spielgefühl sorgen – wie es bei NBA Live 19 der Fall ist. Zusätzlich hat man sowohl bei der allgemeinen Kulisse, den Animationen im Besonderen (hier gibt es aber immer noch ab und an Aussetzer) sowie der Akustik Fortschritte gemacht. Doch diese reichen immer noch nicht, um die enorm hohe Produktionsqualität zu egalisieren, die Visual Concepts seit Jahren auszeichnet. Der Abstand wird aber geringer.

Was darf‘s denn sein?

Auch die Damen der WNBA sind wieder vertreten. Im Franchise-Modus kann man aber keine Frauenmannschaften übernehmen.
Auch hinsichtlich der Modi scheint sich auf den ersten Blick wenig getan zu haben. Man kann sich klassisch im Franchise-Modus um sein Team kümmern, muss dabei aber auch z.B. die Weiterentwicklung seiner Spieler, den Draft sowie finanzielle Beschränkungen einkalkulieren. Für die erneut integrierten Mannschaften der WNBA gibt es allerdings keine Franchise-Option. Diese kann man nur in „normalen“ Matches spielen, die natürlich auch für Mannschaften der NBA zur Verfügung stehen. Wer sich online messen möchte, wird sich nicht nur über die minimalen Lags freuen, sondern auch darüber, dass man mehr als nur Ranglisten-Matches bestreiten darf. Man kann jetzt nämlich auch seine Freunde zu einer Matchserie des Formats „Best-of-Seven“ herausfordern. Sprich: Wer zuerst vier Spiele gewonnen hat, hat das Duell gewonnen.

Und selbstverständlich darf in einem Sportspiel von Electronic Arts auch der Sammelkarten-Modus „Ultimate Team“ nicht fehlen. LUT („L“ für „Live“) setzt auf das gleiche Konzept wie seine Kollegen von FIFA oder Madden NFL: Man bekommt zu Beginn ein paar zufällige Spieler, Coaches etc., aus denen man trotz ihrer niedrigen Gesamtwerte ein schlagkräftiges Team formen muss. Dieses schickt man nun entweder online oder in Standard-Matches gegen andere Teams, um Münzen zu gewinnen, die man wiederum für neue Karten-Pakete mit frischen sowie hoffentlich besseren Spielern einsetzt. Alternativ kann man natürlich auch Echtgeld investieren, um sich Pakete zu kaufen, wobei die Preise in etwa denen entsprechen, die auch beim Fußball oder American Football von EA abgerufen werden. Für 100 Punkte zahlt man etwa 1,00 Euro, in weiteren Rabatt-Staffelungen geht es bis 12.000 Punkte für etwa 100 Euro, wobei auf der One Abonennten von EA Access nochmals etwa 10 Prozent sparen. Für ein Karten-Pack werden 150 Punkte abgerufen bzw. 7.500 Münzen verlangt, die man durch Spielen des LUT-Modus im Allgemeinen kassiert. Die Ausschüttung könnte naturgemäß etwas höher ausfallen. Doch vor allem dank der abwechslungsreichen Fantasy Challenges, die sich vor allem an Solisten richten, die auf kompetitive Matches verzichten können und daher so gut wie gar nicht zum Echtgeld-Einsatz gelockt werden, kann man sich verhältnismäßig schnell genug Münzen für neue Pakete erspielen. Anfänglich war ich diesen Herausforderungen gegenüber skeptisch, doch nach kurzer Zeit konnten diese eine ähnliche Motivation bei mir aufbauen wie die Draft-Matches in Madden Ultimate Team. Bei aller relativer Fairness hinsichtlich der Preisgestaltung bleibt aber auch festzuhalten, dass es gibt allerdings spezielle Angebote mit Hamsterkäfen (40, 60 oder 95 Pakete) sowie jeweils einem namentlich genannten Spieler, die nur den Punkt-Käufern zur Verfügung stehen.

Mein Court, dein Court, mein Court

Nicht nur die Street Courts machen visuell einiges her. Im Modus "Court Battle" kann man seinen eigenen Basketball-Platz entwerfen und muss ihn im asynchronen Wettbewerb gegen Angriffe anderer Teams verteidigen.
Wenn es nur die erwähnten Standard-Modi und Ultimate Team gäbe, hätte NBA Live 19 trotz der spielmechanischen Fortschritte nur wenig Chancen, mich längerfristig ans Pad zu locken. Doch zum Glück hat EA die durchaus als Story-Modus auslegbare Spielvariante „The One“ erneut integriert – und massiv ausgebaut. Wie letztes Jahr darf man mit einer in einem passablen Editor erstellten Figur versuchen, sich zum größten Basketballstar aller Zeiten aufzuschwingen – alternativ kann man sein Konterfei per Begleiter-App scannen und mit durchaus ansehnlichen Ergebnissen importieren, auch wenn man hinsichtlich Lichtverhältnissen etc. etwas Geduld aufbringen muss. Und wie letztes Jahr kann man stets zwischen Streetball auf weltweiten Courts und einer NBA-Karriere wechseln. Letztere hakt zwar erneut an einer nicht in jedem Bereich überzeugenden KI. Doch unter dem Strich wird man als Rookie intensiver ins Spiel eingebunden, während die Kameraden häufiger erfolgreich zum Korb ziehen, ohne einen zu beachten. Und wie letztes Jahr gibt es einen wettbewerbsübergreifenden Fortschritt für die Figur, bei der man nach und nach die Fähigkeiten verbessert, die als Schlüsselelemente für die gewählte Position darstellen und viel kosmetisches Zeug freischaltet. Die weitreichende, aber leicht zu bedienende Individualisierung wird bei NBA Live 19 allerdings durch die Einbindung von Ikonen zusätzlich aufgewertet. Entscheidet man sich als „Playmaker“ z.B. für „Magic“ Johnson als Idol, dem man nacheifert, bekommt man nicht nur eine mit ihm verbundene Fähigkeit, die aufgewertet werden darf – in diesem Fall den „Steal“. Zusätzlich werden bestimmte passive Werte ebenfalls mit einem kleinen Boost versehen. Dass man die Ikone ebenso austauschen darf wie freigespielte „Traits“ à la höhere Chancen, bei einem Dribbling durchzukommen, die wiederum durch Nutzung neue Stufen oder gar weitere Traits freischalten, hat ebenfalls dafür gesorgt, dass ich unverschämt viel Zeit mit „The One“ zugebracht habe. Denn man hat nicht nur die Streetcourt-Korbjagden ausgebaut sowie interessante Online-Modi zur Verfügung gestellt, die zusätzlich zu den ständig aktualisierten Online-Herausforderungen locken.

Mechanisch hat NBA Live 19 zugelegt und schafft einen weitgehend gelungenen Spagat zwischen Arcade und Simulation.
Mit den „Court Battle“ wiederum hat man ein ausgesprochen gelungenes Metaspiel entwickelt, das sehr geschickt und nahezu unbemerkt mit The One verbunden wurde. Hier baut man an einem Ort seiner Wahl einen ganz persönlichen Court, bestimmt u.a. die Farbgebung, das Parkett auf dem gespielt wird und vieles mehr. Der Clou: Jeder Spieler von NBA Live 19 hat einen solchen Court zur Verfügung. Und jeden Spieler bzw. jede Mannschaft, die der jeweilige Gegner zur Verteidigung seines Spielplatzes abgestellt hat, darf man als KI-Team herausfordern, wobei einem immer Mannschaften angeboten werden, die in etwa das gleiche Stärkeniveau haben wie die eigene. Das Team kann sich übrigens sowohl aus weiblichen wie männlichen Spielern zusammensetzen, die entweder über Bonuskisten oder aber den Einsatz der in The One verdienten Punkte akquiriert werden – hier gibt es keine Option, sich über Echtgeld einen Vorteil zu verschaffen. Der Clou: Auf jedem Court herrschen andere, personalisierte Spiel- und Siegbedingungen. Hier wird in zwei Halbzeiten gespielt. Dort bis 11 Punkte, an anderer Stelle bis 21. Man kann auf individuelle Punktabstufungen von einem für einen eigentlichen Drei-Punkte-Wurf bis vier für einen Dunk treffen. Dann wiederum kann es passieren, dass Fehlwürfe quasi als „Im Sinn“ festgehalten werden, bis ein Korb geworfen wird und der jeweilige Spieler auch das „Sparkonto“ für sich einheimst. Man kann nie sicher sein, was einen erwartet. Und selbstverständlich kann es auch passieren, dass man am nächsten Tag das Spiel startet und feststellt, dass der eigene Court eingenommen wurde. Also hin, das verteidigende Team aus dem Wohnzimmer schmeißen und dafür sorgen, dass es das nächste Mal schwerer wird. Entweder durch andere Siegbedingungen oder aber durch neue Mitspieler. Die Motivationsschleife, die die Court Battles aufbauen, ist enorm effektiv und könnte sich bei NBA Live 19 zum Zeitfresser Deluxe entwickeln. Vor allem, da natürlich auch hier die mechanischen Verbesserungen zu spüren sind und man durch zeitlich limitierte Herausforderungen samt Belohnungen nahezu unbemerkt ein Match nach dem anderen startet.

Fazit

Wer hätte das gedacht? Es erscheint ein NBA-Spiel aus dem Hause EA, das mir Dutzende Stunden raubt und bei dem ich weiß, dass ich auch nach dem Test noch lange dabei bleiben werde. Nicht wegen der Standardmodi wie Franchise oder Ultimate Team – obwohl Letzteres mit den „Fantasy Challenges“ durchaus reizvolle Inhalte bietet, für die man nicht zwangsläufig ins Echtgeld-Portemonnaie langen muss. Auch die behutsam, aber sinnvoll erweiterten Streetball- oder Liga-Spiele des „The-One“-Modus haben eher wenig Anteil daran, dass ich mit NBA Live 19 so viel Spaß mit einem Korbleger aus dem Hause Electronic Arts habe wie schon lange nicht mehr – dazu erinnern sie zu sehr an letztes Jahr. Doch wer sich das Konzept der „Court Battles“ ausgedacht hat, verdient mindestens zwei Fleißsternchen. Die asynchronen Kämpfe um personalisierte Courts samt abwechslungsreicher individueller Regeln sind immer wieder für eine Überraschung gut, hinsichtlich der Balance (zumindest in der Phase vor Release) nahezu perfekt und fressen mehr Zeit, als man zugeben möchte. Und das, obwohl Kulisse und Akustik zwar ebenfalls Fortschritte gemacht haben, aber zu großen Teilen immer noch „nur“ die zweite Geige hinter den Produktionsstandards der Konkurrenz von Visual Concepts darstellen. Mechanisch geht man konsequent den Weg weiter, den man mit der letztjährigen Ausgabe eingeleitet hat und bietet sowohl in der Offensive als auch vor allem in der Defensive viele Optionen, die aus den Korbjagden dynamische, hin und her wogende Duelle machen. Dass diese einen Spagat zwischen Arcade und Simulation versuchen, der zwar größtenteils passt, aber manchmal noch Luft nach oben hat und immer noch mit Altlasten in Form von Automatismen kämpft, die jedoch reduziert wurden, wird Puristen sicherlich stören und nicht von NBA 2K weglocken können. Doch mit NBA Live 19 hat sich Electronic Arts endlich zu dem Konkurrenten gemausert, den Visual Concepts benötigt.

Pro

passable Kulisse...
Court Battles ein konzeptionell simpler, aber enorm motivierender Modus
Figurenentwicklung in The One über alle Spielformen hinweg
gute Steuerung
umfangreiche Angriffs- und Verteidigungsoptionen
voll lizenzierte Teams, Spieler aus NBA und WNBA
abwechslungsreiche Nebenaufgaben, täglich neue Herausforderungen
passabler Spielereditor
gelungene Einbindung des eigenen Konterfeis (über mobile App)
Mikrotransaktionen auf Ultimate Team beschränkt
umfangreiche Personalisierung
Franchise-Modus umfangreich konfigurierbar
gute Steuerung mit Fokus auf Pass-Optionen
umfangreiche Defensivoptionen
Ultimate Team mit haufenweise Fantasy Challenges

Kontra

... die im Detail noch Schwächen zeigt
kein Franchise-Modus für WNBA
im Detail immer noch KI-Schwächen
mechanisch nur Detailverbesserungen, immer noch Automatismen vorhanden
spröde inszenierte Dialoge in der Karriere (Messenger-Nachrichten)
Atmosphäre und damit Immersion nicht so hoch wie bei NBA 2K
schwankende Wiedererkennung der NBA-Stars

Wertung

PlayStation4

EA ist auf einem guten Weg: Mechanisch wurde an den richtigen Schrauben gedreht, während technisch noch Luft nach oben ist. Der spielerische Spagat zwischen Arcade und Simulation geht auf und der neue Modus "Court Battles" ist ein richtig unterhaltsames Konzept.

XboxOne

EA ist auf einem guten Weg: Mechanisch wurde an den richtigen Schrauben gedreht, während technisch noch Luft nach oben ist. Der spielerische Spagat zwischen Arcade und Simulation geht auf und der neue Modus "Court Battles" ist ein richtig unterhaltsames Konzept.

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  • Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
  • Man kann sich Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, Pay-to-win.
  • Käufe können durch Zufallsfaktoren zum Glücksspiel werden.
  • Käufe wirken sich nur in speziellen Spielmodi wie Ultimate Team oder GTA Online aus.
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