Resident Evil 4 (2005)09.09.2016, Mathias Oertel
Resident Evil 4 (2005)

Im Test: Ein Meilenstein des Survival-Horrors

Mit Resident Evil 4 hat Shinji Mikami ein Meisterwerk des Survival-Horrors geschaffen. Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 2005 auf Nintendos GameCube wurde der Titel von Capcom auf nahezu allen gängigen Systemen in aufgefrischten Versionen veröffentlicht. Jetzt sind auch PlayStation 4 und Xbox One an der Reihe. Im Test klären wir, ob der moderne Klassiker immer noch überzeugen kann oder sich mittlerweile eine gewisse Altersschwäche bemerkbar macht.

Die ultimative Version?

Zuerst wurde mit Resident Evil 4 Anfang 2005 auf dem GameCube ums Überleben gekämpft. Noch im gleichen Jahr durfte man auch auf der PlayStation 2 (!) mit Leon Kennedy in den Kampf gegen die Infizierten ziehen, während man im spanischen Hinterland nach der Tochter des amerikanischen Präsidenten suchte. Die wiederum zwei Jahre später veröffentlichte PC-Version war denkbar schlecht. Und das in jeglicher Hinsicht: Die Kulisse wurde der Hardware überhaupt nicht gerecht, die Steuerung wurde vermurkst. Erst 2014 konnte man mit der "Ultimate HD Edition" auch auf dem Rechner überzeugen.

Leon Kennedy: Seit fast zwölf Jahren widersteht er auf zig Systemen dem Zahn der Zeit.
Doch vorher wurde 2007 mit der Wii-Version eine Bewegungssteuerung implementiert, die den Überlebenskampf merklich auffrischte. 2011 wiederum konnten die Spieler mit PlayStation 3 und Xbox 360 die Waffen zücken, sich über die wie in Code Veronica in Echtzeit berechnete Kulisse freuen und die Diskussion ob der Schussmechanik aufnehmen, die keinen Seitwärtsschritt erlaubte, sobald man angelegt hatte. Zudem wurde in der letzten Konsolengeneration ein merklicher grafischer Fortschritt erzielt: Waren die Ur-Versionen noch auf ein SD-Erlebnis ausgelegt, durfte man hier in einer aufbereiteten 720p-Kulisse durch die düsteren, aber weitgehend linearen Abschnitte wandern, die Kämpfe gegen bedrohliche Gegnermassen und noch bedrohlichere, häufig denkwürdige Bosse bestreiten, sich an den harmonisch integrierten Reaktionstests versuchen und die kinoreife Inszenierung genießen. Sprich: Mit eigentlich jedem neuen System (die ursprüngliche PC-Version ist die unrühmliche Ausnahme) wurde Resident Evil 4 entweder mechanisch, inhaltlich oder visuell aufgewertet.

Vergangenheit und Gegenwart

Nach heutigen Maßstäben wirkt der weniger auf subtile Spannung oder Schreckmomente, sondern vielmehr auf Panik und atemlos inszenierte Action ausgelegte Horror vor allem technisch nicht mehr zeitgemäß. Zwar wurde für die neuen Systeme die Auflösung auf 1080p geschraubt, doch im Gegenzug wurde vergessen, sowohl viele Texturen als auch die Kantenglättung im gleichen Maße anzupassen. Da Resident Evil 4 aber seinerzeit schon richtig gut aussah und im Laufe der diversen Systemumsetzungen optimiert wurde, ist die Kulisse unter dem Strich nicht so schlecht, wie man sie bei einem gut zwölf Jahre alten Titel erwarten würde. Andererseits hat Capcom aber auch die Chance verstreichen lassen, hier die „Definitive Edition“ anzubieten. Viele Texturen sind so schwammig wie in der SD-Ära, die seltenen Videosequenzen wie z.B. das Intro wurden ebenfalls nicht auf 1080p konvertiert, so dass hier auch nicht alles so sauber läuft wie die Bildrate im Spiel, die bei festen 60 Bildern liegt. Die Sichtweite scheint im Vergleich zu 360 und PS3 erhöht worden zu sein, wodurch aber einerseits das Problem mit deutlicher Treppchenbildung schon in mittlerer Entfernung

Action, Spannung und Intensität haben nichts an Reiz verloren. Der Kulisse merkt man das Alter des Spiels trotz einiger Optimierungen dennoch an.
zunimmt und andererseits die Atmosphäre leichte Einbrüche hinnehmen muss. Auf eine Option, per Knopfdruck zwischen der ursprünglichen und der aktuellen Kulisse umzuschalten wie es z.B. Teile der  Master Chief Collection von Halo bieten, wurde übrigens verzichtet.

Mechanisch hingegen ist der Eindruck, den das Spiel seinerzeit hinterlassen hat und der unter anderem auch Cliff Blezsynski bei der Entwicklung von Gears of War beeinflusst hat, bis heute spürbar. Vor allem von den gelungenen Tempovariationen innerhalb der kinoreifen Inszenierung können sich moderne Spiele eine gewaltige Scheibe abschneiden. Ruhige Momente wechseln sich ab mit brachialen Feuergefechten, Reaktionstests oder intelligenten Umgebungsrätseln, nur um etwas später in Spannung überzugehen, die sich in einem der im Vergleich mit den Vorläufern raren Schreckmomente entlädt. Nach heutigen Maßstäben ist die Entscheidung, Seitwärtsschritte beim Zielen zu verwehren, noch genauso diskussionswürdig wie damals.  Doch in einem Spiel, das innerhalb der Serienhistorie so viele alte Zöpfe abschneidet und mit frischen, größtenteils sehr gut verbauten Elementen ersetzt, dabei aber die starre Schussmechanik als viel situative Spannung erzeugenden Brückenschlag zu den „alten“ Serienablegern beibehält, passt diese Entscheidung nach wie vor. Immerhin kann man mittlerweile zwischen diversen Steuerungsschemata wählen, bei denen modernere „Shooter-Knopfkonfigurationen“ ebenso zu finden sind wie die Original-Steuerung. Allerdings ist die sehr empfindliche Kameraführung mittlerweile eine Optimierung wert. Möchte man sich nur ein wenig umschauen, findet häufig ein zu harter Schwenk statt, der einen unnötig unruhig werden lässt.

Die W-Frage

Mit Resident Evil 4 wurden Reaktionstests nicht nur salonfähig, sie wurden hier sehr intuitiv eingebunden.
Bleibt natürlich die Frage, für wen die Anschaffung von Resident Evil 4 sinnvoll ist? Wer es schon einmal auf einem anderen System gespielt  hat, kann getrost von dem Download absehen. Oder aber man sollte vielleicht auf die physische Version warten, die Ende des Jahres im Paket mit den Teilen 5 und 6 veröffentlicht wird – alles natürlich unter der Voraussetzung, dass man diese letzten Episoden noch nicht kennt. Denn nur wegen der leichten visuellen Aufhübschung lohnen sich die knapp 20 Euro nicht. Wer hingegen noch nicht mit diesem modernen Klassiker Bekanntschaft gemacht haben sollte, ist trotz der visuellen Abstriche, die man im Vergleich zu den Remakes von Resident Evil 5 oder Resident Evil 6 in Kauf nehmen muss, hier an der richtigen Adresse: Spannungsaufbau, Action und Panik angesichts des blanken Überlebenskampfes sind auch noch nach heutigen Maßstäben gelungen und zeigen, wieso Resident Evil 4 zurecht als einer der Meilensteine des Survival-Horrors im Allgemeinen sowie von vielen als bester Teil der Serie im Speziellen gehandelt wird.

Fazit

Über die inhaltliche Qualität von Resident Evil 4 muss man kaum diskutieren. Nahezu alle Elemente dieses beinahe zwölf Jahre alten Titels vom Spannungsbogen über die Tempowechsel bis hin zu den gewaltigen Feuergefechten, den intensiven Bosskämpfen oder intuitiven Reaktionstests, konnten dem Zahn der Zeit widerstehen. Bei der Kulisse hingegen, die auf der Ultimate-HD-Version für den PC fußt, deren Basis wiederum die PS3-/360-Versionen sind, ist das Alter deutlich spürbar. Während die Figuren sich noch relativ schadlos halten, aber bereits die Mimik erste Beweise ablegt, dass Leon Kennedys Rettungsaktion schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, sind viele Texturen so schwammig wie eh und je, während das Kantenflimmern immer wieder auf sich aufmerksam macht. Dies fällt bei einem Titel, der seine Ursprünge in der SD-Ära hat, natürlich umso stärker auf. Dessen ungeachtet kann jedoch jeder Action-Fan zugreifen, der noch nicht mit diesem modernen Klassiker die Panik gespürt hat, wenn zig Gegner auf einen einstürmen, die Munition knapp wird und man im Genick den Mann mit der Kettensäge wähnt. Als Einstimmung auf das nächstes Jahr erscheinende Resident Evil 7 war es von Capcom in jedem Fall clever, den wohl besten Teil der Survival-Horror-Serie im Rahmen der PS4-/One-Remakes zum Schluss zu veröffentlichen.

Pro

weitgehend saubere Umsetzung eines modernen Klassikers
Steuerung bietet mehrere Konfigurationen
sehr gute Soundeffekte
intuitive Reaktionstests
fulminante Zwischensequenzen
riesiges aufrüstbares Waffenarsenal
nahezu perfektes Level-Design
sehr straffer Spannungsbogen
unglaublich intensive Bosskämpfe
über 20 Stunden intensiver Spielspaß
interaktives, höhenrelevantes Gelände
gelungene Tempowechsel

Kontra

visuell nicht auf der Höhe der Zeit
häufig störendes Kantenflimmern
neue Spielmodi erst nach Durchspielen
wankelmütige Kameraarbeit

Wertung

PlayStation4

Während der Survival-Horror mechanisch auch gut zwölf Jahre nach seiner Premiere kaum etwas seiner Faszination verloren hat, ist das Alter bei der visuellen Umsetzung deutlicher zu spüren.

XboxOne

Während der Survival-Horror mechanisch auch gut zwölf Jahre nach seiner Premiere kaum etwas seiner Faszination verloren hat, ist das Alter bei der visuellen Umsetzung deutlicher zu spüren.

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