Madden NFL 0908.09.2008, Mathias Oertel
Madden NFL 09

Im Test:

Zum 20-jährigen Jubiläum der Madden-Serie hat EA auf HD-Konsolen endlich das längst überfällige visuelle Update aus dem Hut gezaubert und dazu das Spielgefühl wieder einmal verfeinert. Auf Wii geht der American Football-Vorreiter ebenfalls in die dritte Runde. Worauf können sich Remote-Quarterbacks freuen? Und steckt hinter "All-Play" mehr als nur der Versuch, sich dem Gelegenheitsspieler anzubiedern?

Freundlich statt sportlich?

Während das Madden NFL 09 (ab 19,95€ bei kaufen)-Cover allerorten Star-Quarterback Brett Favre in hochkonzentrierter Aktion zeigt, ist auf Wii alles ein bisschen anders: Statt ernst und fokussiert wird Favre gelöst lächelnd, freundlich und man könnte fast sagen, "verspielt" gezeigt.

Liegt es vielleicht daran, dass EA dieses Jahr mit den Sportspielen auf Wii einen anderen, so genannten "All-Play"-Weg geht? Bedeutet das evtl. sogar, dass man die Kernspieler, die ein Remote-Madden wie in den letzten Jahren erwarten, vor den Kopf stößt und sich nur noch auf Einsteiger und Familienspaß konzentriert?

Lasst euch vom auf Gelegenheitsspieler gemünzten Comic-Look und den großen Köpfen im "5-gegen-5" nicht abschrecken...
Wer wie ich Angst hatte, dass die Mannen um Peter Moore sich genau dieses Konzept für Wii-Football auf die Fahnen geschrieben haben, kann erfreut aufatmen: Wer will, kann Madden NFL 09 wie gehabt mit Remote und Nunchuk spielen und sich damit wie in den letzten Jahren auf ein gelungenes Steuerungserlebnis freuen, das den Spieler so stark in das Geschehen auf dem (Kunst-)Rasen einbezieht, wie es nur auf Wii möglich zu sein scheint.

Allerdings hat EA auch die Zeichen der Zeit erkannt und festgestellt, dass viele der neuen Wii-Besitzer unter Umständen als Anfänger weder mit American Football noch mit Spielen an sich besonders viel am Hut hatten. Und die bekommen mit der stark vereinfachten und sich pur auf die Remote konzentrierenden "All-Play"-Steuerung die Möglichkeit, sich an Regelwerk und Tempo von American Football zu gewöhnen.

Dass es zusätzlich möglich ist, als "All-Play"-Spieler gegen einen mit klassischer Steuerung agierenden Footballer anzutreten, ohne dass der Leistungsunterschied all zu sehr in die Waagschale fällt, muss man EA hoch anrechnen.

Dennoch wird im Normalfall der erfahrene Spieler gewinnen. Nicht nur, weil dieser einfach mehr Möglichkeiten an der Hand hat, sondern auch weil sich die All-Play-Gestenerkennung ab und an einen Aussetzer leistet.

Dennoch: Der Ansatz, auch Anfänger und Wii-Neueinsteiger nicht zu verschrecken, ist gelungen und stellt eine sinnvolle Evolution der "Familiensteuerung" der letzten Teile dar.

Kindisch statt ernsthaft?

Dass bei dem einzigen neuen Spielmodus, einem 5-gegen-5-Spiel mit vereinfachten Regeln, großköpfigen Spielern und extrem reduzierter Spielzugauswahl, allerdings selbst die "All-Play"-Zielgruppe schnell die Laune verlieren dürfte, scheint EA entgangen zu sein. 

... denn natürlich gibt es weiterhin die realistische Darstellung in den übrigen Modi - die man allerdings nahezu 1:1 aus den Vorgängern übernommen hat.
Ansonsten hätten die Designer sich vermutlich auf die Verbesserung der bekannten Spielmodi aus den letzten Jahren gestürzt. Doch hier bekommen die Wii-Football-Veteranen nur einschlägig bekannte Kost. Superstar, Franchise, Mini-Games: Alles kennt man bereits. Das Recyceln der alten Inhalte geht sogar so weit, dass man es scheinbar nicht einmal für nötig hielt, die Sprecher für eine neue Sitzung ins Tonstudio zu zerren, um so den zugegeben guten, aber mittlerweile eben auch bekannten Kommentar aufzuwerten.

Da hilft es auch nicht, dass die Kulisse im Detail verbessert wurde und die Spielermodelle sowie Animationen und KI-Verhalten einen Fortschritt gemacht haben. Denn im Gegenzug bleibt das Drumherum mit seinen hässlichen Zuschauer-Kolonnen weiterhin unnötig spröde. Auch die Möglichkeit, nach einem Touchdown interaktive Jubelorgien zu starten, die bei positiver Publikumsreaktion sogar den Athleten auf dem Schirm zu Höchstleistung anspornen, klingt nur auf dem Papier gut. Denn in der Realität macht es zwar anfänglich Spaß, vor dem TV herumzutanzen, zu hüpfen usw. Doch letztlich steht man irgendwann nur noch da und rudert wie verrückt mit den Armen, um das Publikum auf seine Seite zu ziehen...

   

Lohnenswert hingegen sind die Online-Duelle, die in der Lage sind, die Zornesfalten ob der quasi nicht vorhandenen Modi-Überarbeitung zu glätten. Die Internet-Auseinandersetzungen um das Schweineleder sind zwar nicht immer lagfrei, doch die Verzögerungen halten sich zum einen in Grenzen und sind nur in Ausnahmefällen störend oder gar Spiel beeinflussend.

Und letztlich nehme ich dies gerne in Kauf, wenn ich im Gegenzug auf Wii eine gut funktionierende Online-Lobby finde, für die ich auch keinen unnötig komplizierten Freundescode-Tausch brauche.

Umfangreiche Statistiken bekomme ich hier zwar nur, wenn ich mich über ein EA-Konto anmelde, doch auch als Gast (und damit ohne Bedenken) kann ich das Online-Spiel genießen. Für das nächste Jahr sollte EA aber noch über seinen (oder vielmehr über Nintendos) Schatten springen und einen freien Chat anbieten. Derzeit läuft es mit einem Mario Kart'schen vorgefertigten Nachrichten-System, das nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.

Das absolute Highlight der diesjährigen Madden-Serie: Das Call-Your-Shots-Feature, mit dem ihr die Laufrouten für die Passempfänger selber festlegen könnt.
Grenzgenial und nicht durchdacht?

Bis zu diesem Moment wäre der richtig gute Online-Modus der einzige Grund, den wir Besitzern der 08-Version ans Herz legen könnten, sich auch die aktuelle Variante zuzulegen. Der Rest ist zu sehr auf Allgemein-Spaß getrimmt oder altbekannt und nur kosmetisch verbessert - wenn überhaupt.

Doch mit dem so genannten "Call your Shots" (CYS) hat sich EAs Kreativ-Abteilung nicht nur übertroffen und die systemübergreifend sinnvollste Verbesserung der Madden-Franchise seit gut zehn Jahren eingebaut, sondern auch ein eindeutiges Statement abgegeben, dass man die wahren Football-Fans nicht vernachlässigt.

Was mich so in Jubelstürme ausbrechen lässt? Eine einfache Idee: Was passiert, wenn man dem Wii-Quarterback die Möglichkeit gibt, die Laufwege seiner Ballfänger vor dem Spiel manuell auf den Platz zu zeichnen und sogar Wegpunkte für Richtungsänderungen angeben kann, die von der KI abgelaufen werden? Die Antwort: Pure Begeisterung. Zusammen mit den ohnehin guten Steuerungsmustern für Laufspiele, Blocks etc. bin ich auf dem Platz. Ich habe die Illusion, nicht nur vor einem flimmernden Schirm zu sitzen, sondern bin mittendrin und live dabei - der Wahnsinn!

Doch dann kommt die umso stärker wirkende Ernüchterung: Wieso gibt es CYS nicht für Laufspiele oder für spontane Abwehraktionen, wenn ich sehe, dass meine gewählte Taktik vermutlich nicht aufgehen wird? Wieso verschenkt EA an dieser Stelle das Potenzial, das in CYS steckt? Um nächstes Jahr die fehlenden Elemente nachzuliefern? Als ob es nicht genug zu tun gäbe, um z.B. die Spielmodi auf Vordermann zu bringen.  

Fazit

Das herausragendste Feature im neuen Remote-Madden ist nicht die optionale All-Play-Steuerung. Die macht zwar sowohl für Wii- als auch für American Football-Neulinge den Einstieg sehr einfach, hat aber unter dem Strich auch mit leichten Problemen in der Gesten-Erkennung zu kämpfen. Die guten und weitestgehend lagfreien Online-Matches ohne Freundescode sind eine Bereicherung, aber ebenso wie die zumindest auf dem Spielfeld verbesserte Kulisse sowie die bekannt gute Kontrolle per Remote-/Nunchuk-Kombo gleichsam chancenlos auf den Feature-Preis. Denn was für Begeisterung sorgt und für mich die beste Ergänzung der Spielmechanik seit Jahren in der Madden-Serie darstellt, ist "Call your Shots": Die Möglichkeit, seine eigenen Pass-Spiele auf das Feld zu zeichnen und dann ausgeführt zu sehen, ist schlichtweg genial und war schon lange überfällig. Wieso man sich allerdings auf Pass-Spiele beschränkt hat und weder Laufspiele noch Verteidigungsaktionen mit diesem einfach zu bedienenden Komfortpaket ausgestattet hat, entzieht sich meiner Vorstellungskraft und sollte im nächsten Jahr schleunigst nachgeholt werden. Allerdings nur dann, wenn man gleichzeitig auch an den Modi feilt: Der neue 5-gegen-5-Modus hält nicht lange bei der Stange und sämtliche anderen Spielmöglichkeiten sind nahezu unverändert aus den Vorjahren übernommen worden. Und so beraubt sich EA des sicher geglaubten Awards. Denn so ausgefeilt die Steuerung auch ist, so sehr sie den Spieler auf den Rasen zieht und so grenzgenial "Call your Shots" sich präsentiert: Das alles kann nicht verhehlen, dass inhaltlich nur ein müder Aufguss geboten wird, bei dem nicht einmal neue Sprachsamples für die Kommentatoren aufgenommen wurden...

Pro

offizielle Lizenz
gute Remote-/Nunchuk-Steuerung
passable Soundkulisse...
eigene Pass-Spiele "zeichenbar"
All-Play-Steuerung auch für Neueinsteiger interessant
Online-Spiel über EA-Server benötigt keinen Freundescode
umfangreiche Statistiken
solide KI
nahezu lagfreies Online-Spiel
feine Animationen

Kontra

Superstar-/Franchise-Modi inhaltlich unverändert
All-Play-Steuerung mit Gestenerkennungs-Problemen
...die aber nur alte Sprachsamples recycelt
5-gegen-5-Modus nutzt sich sehr schnell ab
keine eigenen Laufspiele oder Abwehraktionen möglich

Wertung

Wii

Grenzgeniale Neuerungen und ein cooler Online-Modus treffen auf biedere Recycling-Kost.

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