H.A.W.X.09.03.2009, Paul Kautz
H.A.W.X.

Im Test:

Das Tom Clancy-Universum kannte bislang keine Berührungsängste: Von Ghost Recon bis Endwar ging es bislang immer bodenständig zur Sache, Flugzeuge kamen nur als durchschlagende Sondereinheiten ins Spiel. Zeit, die Perspektive zu wechseln: In HAWX kümmert man sich vom Cockpit aus selbst um das Grobe, während sich die Einheiten am Boden um die Detailarbeit sorgen können.

Es brennt wie Feuer

Gerade aus großer Höhe sieht HAWX fabelhaft aus - im Tiefflug geht's aber sowohl mit Detailgrad als auch Geschwindigkeit bergab.
Wir erinnern uns an Ace Combat 6 : Die Story war behämmert, aber hübsch inszeniert. Schnitt zu HAWX: Die Story ist behämmert, aber hässlich inszeniert. In den Jahren zwischen 2014 und 2021 fliegt David Crenshaw (den man nie zu Gesicht bekommt) Einsätze rund um die Welt, zuerst auf Seiten der privaten Söldnerfirma Artemis, dann für die US Air Force. Clancy-typisch mit viel patriotischem Tamtam, Atombomben sowie militärischem Zack, aber nicht nur in der Erzählweise sehr belanglos, sondern auch über staubtrockene Briefings mit Rendergesichtern auf dem Stand von 1998 bemerkenswert unansehnlich dargeboten.

Gut, diese Besprechungen lassen sich auch auf Knopfdruck überspringen, viel verpassen wird man ohnehin nicht: Ein Großteil der 19 Missionen folgt dem »Verteidige dies«- oder »Zerstöre das«-Prinzip: Mal muss man eine Ölraffinerie beschützen, mal einen flüchtenden Warlord abfangen, mal am Boden kämpfende Ghost-Einheiten unterstützen, mal die Air Force One davor bewahren, entführt zu werden, mal ein startendes Space Shuttle verteidigen, mal einen Angriff auf Chicago vereiteln. Nur ab und zu bricht man aus dem bewährten Schema aus - etwa wenn man unter einer bestimmten Höhe bleiben muss, um EMP-Türme auszuschalten, oder wenn man durch einen virtuellen Tunnel fliegen muss, um heil durch ein Flugabwehr-verseuchtes Gelände zu kommen. Die Aufträge, die teilweise unter Zeitdruck ausgeführt werden müssen, beginnen und enden immer in der Luft, nie muss man sich selbst um Start oder Landung kümmern. Und die Missionen selbst sind

Karriere leicht gemacht: Für jeden Abschuss gibt es Erfahrungspunkte, was neue Maschinen und Bewaffnung für selbige bedeutet.
sehr kurz: Sehr viel mehr als 15 Minuten dauert kaum ein Auftrag, was schlussendlich dafür sorgt, dass man nach spätestens sechs Stunden den Abspann zu sehen bekommt. Moment, das war gelogen - es gibt nämlich keinen. Die letzte Mission ist ein ultrakurzer Epilog, danach geht's schnurstracks wieder zurück ins Hauptmenü.

Ein todsicheres System

In den ersten Missionen muss man sich mit flugtauglichem Alteisen wie der Su-25, der Mig-25 oder der Mig-21 zufrieden geben, aber damit ist schnell Schluss. Denn mit jedem Abschuss und mit jeder erfüllten Herausforderung wandern Erfahrungspunkte aufs Pilotenkonto, die nicht nur für geschmeidig klingende neue Ränge, sondern auch für freigeschaltete Extras sorgen: Neue Maschinen, neue Lackierungen für selbige, neue Levels, neue Waffensets. Mit der Zeit beherbergt der Hangar damit gut 50 Flugzeuge aus den letzten 50 Jahren - ein Großteil davon realen Modellen wie der Mig-29, der F-22 oder der A-10 nachgebildet. Allerdings ist nicht jedes Modell auch sinnvoll; was zum Beispiel eine YF-12 hier verloren hat, eine reine Aufklärungsmaschine, ist schwer zu verstehen. Der größte Teil des freispielbaren Kontingents dient nur Ausprobier-Zwecken: Das Spiel schlägt für jede Mission eine optimale Maschine vor, mit der man grundsätzlich auch am besten fährt - ist zwar schön, dass man so viel freischalten kann, aber die Mehrheit davon braucht man schlicht nicht. Wer trotzdem Wert darauf legt, kann sich für jeden Auftrag seine Wunschkombination aus Flugzeug und Bewaffnung selbst zusammenstellen, allerdings nur im groben Rahmen: Die Wahl der Waffen erfolgt paketweise, nicht separat.

Das optionale ERS erleichtert das Fliegerleben erheblich: Einmal aktiviert weist es einem zuverlässig den Weg zum nächsten Abschuss oder von einer bedrohlichen Rakete weg.
Das alles passt allerdings wie der Feuerknopf auf den Joystick, denn HAWX ist so arcadig, wie es nur geht: Dutzende Raketen und Bomben unter den Tragflächen sind Standard, das Flugmodell kennt keine G-Kräfte, die Maschinen unterscheiden sich abgesehen vom Äußeren nur in wenigen Punkten - dass eine A-10 langsamer unterwegs ist als eine F-22 ist auch schon das wesentliche Alleinstellungsmerkmal. Wer trotzdem auf keinem der drei Schwierigkeitsgrade Land sieht, kann noch jederzeit das ERS aktivieren. Das »Enhanced Reality System« hat hauptsächlich zwei Funktionen: Die Anzeige einer optimalen Abfangroute und eines Ausweichkurses. Ersteres projiziert mittels eines blauen Dreiecktunnels einen todsicheren Abfangkurs auf den gerade gewählten Gegner, an dessen Ende man nur abdrücken muss, um einen Treffer zu landen. Letzteres hilft im gegenteiligen Fall; falls man von einer Rakete verfolgt wird, aktiviert man das ERS, welches jetzt einen orangen Tunnel ins Bild blendet, der dafür sorgt, dass man auf keinen Fall getroffen wird. Klingt billig? Ist es auch.                

Die Missionen beschränken sich meist auf simple Aufgaben wie hier die Verteidigung eines startenden Space Shuttles - nur selten gibt es kreative Ausnahmen.
Piloten, die Wert auf etwas mehr Herausforderung legen, können jederzeit durch Doppeldruck auf einen der Schulterbuttons den standardmäßig aktivierten »Assistenz-Modus« (der u.a. einen Strömungsabriss verhindert) abschalten. Daraufhin sind nicht nur gewagtere Manöver (wie enge Kurven) möglich, auch wird die Kamera in eine weite Außenansicht geschwenkt. Was zwar Vorteile wie etwas mehr Übersicht hat, aber auch starke Nachteile: So ist es z.B. in dieser Ansicht sehr knifflig, einen richtigen Fokuspunkt zu finden - warum man wie einen Gegner anvisiert (oder eben auch nicht) lässt sich mangels eines Fadenkreuzes sehr schlecht abschätzen. Immerhin ist man nur selten allein: Gegner anvisieren, auf dem Digipad nach links drücken und schon stürzen sich die Flügelmänner begeistert auf das Ziel - Druck nach rechts, und schon stehen sie wieder zur Verteidigung bereit; mehr Kommandos sind nicht möglich. Falls man gerade mit einem Daumenkrampf zu kämpfen hat, wird man dankbar dafür sein, dass man einen Großteil der Anweisungen auch stimmlich geben darf: Via Headset kann man, einigermaßen klare und ungenuschelte Sprache vorausgesetzt, Ziele und Waffen wechseln, die Flügelmänner kommandieren, Raketen abfeuern oder die Übersichtskarte einblenden - ganz ohne benötigtes Kommandotraining, aber auch nicht immer zuverlässig. Wenn man nicht gerade selbst spricht, ist HAWX kontinuierlich am Plappern: Es gibt jede Menge gut verständlichen Funkverkehr, wahlweise auf Deutsch oder Englisch. Viel besser als die Stimmen ist jedoch der Soundtrack, der mächtig gewaltig aus den Boxen hämmert - unterkühlt-ruhig in gemütlichen Momenten, dramatisch-pompös während hitziger Gefechte!

Ein Herz für Teamspieler

Jede Mission der Kampagne kann zu viert gespielt werden: Im Auswahlbildschirm wird automatisch nach laufenden Online-Partien gesucht, sofern man mit dem Internet verbunden ist. Man kann jederzeit in bereits laufende Aufträge einsteigen oder selbst eine Lobby eröffnen, loslegen und darauf hoffen, dass befreundete Mitspieler dazukommen. Das Einsteige-System funktioniert ganz wunderbar, was man von den Online-Partien selbst allerdings nicht behaupten kann: Wenn man Glück hat, funktioniert alles reibungslos, aber beim Test 

Vier Spieler können sämtliche Missionen kooperativ erledigen, zusätzliche Piloten dürfen jederzeit einsteigen - allerdings gibt es unschöne Lag-Probleme.
hatte ich mehrmals das Problem, dass Treffer aufgrund von Lags entweder gar nicht oder erst sehr spät erkannt wurden - teilweise sah ich sogar Flugzeuge, die kontinuierlich Loopings im Boden drehten!

Neben der kooperativen Variante gibt es auch noch eine weitere Mehrspielermöglichkeit: Team Deathmatch, vier gegen vier, unter Einsatz von Support-Items wie EMP-Schlägen, der kurzzeitigen Beschränkung gegnerischer Raketen auf ungelenkte Flugkörper, Reparatur-Drohnen oder Radar-Tarnung - unterhaltsam, aber nicht abendfüllend. Sehr praktisch ist allerdings, dass man auch hier, wie im Einzelspielermodus, Erfahrungspunkte kassiert, um weitere Goodies freizuschalten. Sehr unschön dagegen, dass gerade im Mehrspielermodus die Framerate öfter in die Knie geht als in der Solo-Variante.

In großer Höhe ist grundsätzlich alles in Ordnung: Das Spiel läuft mit vollen 60 Frames pro Sekunde, die scharfen Bodentexturen sehen toll aus. Geht man allerdings in den Tiefflug, ist das Bild schon anders - hier offenbaren sich grobe, simpel texturierte 3D-Objekte (besonders gut sichtbar in den Städten) und besonders im Zusammenspiel mit Explosionen deutliche Geschwindigkeitsprobleme. Zwar gerät das Spiel nie ins Ruckeln, aber die Framerate geht deutlich in die Knie. Davon abgesehen sieht HAWX gut aus: Die Flugzeuge sind schön designt, der Blick über das weite Land erfreut das Auge. Allerdings hat das anderthalb Jahre alte Ace Combat 6 in jeder Hinsicht die Nase vorn, gerade bei hitzigen Luftgefechten ist an der Namco-Front weitaus mehr los als hier - ganz zu schweigen davon, dass HAWX weitaus länger lädt.

PC-Flieger ahoi!

Die zwei Wochen nach den anderen Fassungen erschienene PC-Version von HAWX ist zu seinen Konsolen-Brüdern identisch - falls ein 360-Pad am USB-Port baumelt. In diesem Fall entspricht die Steuerung zu 100% der 360-Fassung, das Spielgefühl bleibt gleich. Falls man dagegen auf Tastatur und Maus angewiesen ist, empfiehlt sich lieber

Habt ihr feurige Hardware unterm Gehäuse, sieht HAWX auf dem PC besser aus denn je.
der Griff zur GRAW-Serie: HAWX macht damit keinen Spaß, die Maschinen hängen zappelig in der Luft, eine saubere Kontrolle ist nicht möglich. Ein Flightstick löst dieses Problem, ist aber eigentlich zu viel des Guten, denn auch auf dem PC bleibt HAWX ein Arcade-Flieger ohne Simulationsanspruch.

Mit vollem Anti-Aliasing sieht das Spiel besser aus denn je, allerdings haben es in diesem Falle die Hardwarevoraussetzungen in sich - die ohnehin nicht immer flüssige Grafik gerät auf dem PC öfter ins Stocken als auf 360 und PS3. Besitzer von Vista und aktueller Grafikkarten haben darüber hinaus Zugriff auf fortgeschrittene DX10-Effekte (u.a. realistischerer Schattenwurf und schönere Sonnenstrahlen), die allerdings mit einem weiteren Performance-Minus erkauft werden. Apropos: Der Online-Modus kämpft gegenwärtig noch mit Zuverlässigkeits-Problemen. Mal funktioniert das Koop- und Gegeneinander-Spiel wunderbar, mal wird man schon beim Laden der Partie wieder ins Hauptmenü geschmissen, mal verabschiedet sich das Spiel komplett und man landet auf dem Desktop.

Fazit

»Flugsimulation«? Hahaha! Nein, ernsthaft: Mit einer Simulation hat HAWX etwa so viel zu tun wie ein Schnabeltier mit Gehirnchirurgie. Okay, man befindet sich in einem Cockpit, hoch über den Wolken, aber der spielerische Anspruch wäre derselbe, wenn man keinen Steuerknüppel, sondern ein Schrotgewehr in den Händen hätte. HAWX ist ein unterhaltsamer, spaßiger und sehr unkomplizierter Arcade-Shootout mit schnellen Erfolgen und dank gigantischem Raketen-Kontingent gut krachender Action. Allerdings geht mir der Mangel an Anspruch gegen den Strich; das ERS ist das hiesige Äquivalent zu Prince of Persias Elika: Es macht das Spiel irre leicht, jeder untrainierte Schimpanse kriegt damit perfekte Abschüsse und effiziente Ausweichmanöver hin. Und was der aufgezwungene Perspektivenwechsel im OFF-Modus soll, hat sich mir auch nach dem Durchspielen (was sehr schnell geht) nicht erschlossen - die Fokussierung auf das Ziel hat in Blazing Angels weitaus besser funktioniert, die nicht verstellbare Außenansicht macht es hier schwer, sich auf ein Ziel auszurichten. Und so ansehnlich die Satellitenbilder auch sind, gerade in Sachen Schlachtfeld-Inszenierung hat HAWX keine Chance gegen Ace Combat 6 - von der öde präsentierten Story ganz zu schweigen. Schlussendlich bleibt ein Spiel, das einige großartige Momente hat. Ein Großteil der Zeit verliert sich jedoch in unterhaltsamen, aber dennoch generischen »Hole soundso viele Gegner aus der Luft!«-Aufträgen, die man immerhin auch kooperativ angehen kann.

Pro

gute Grafik
einfache Steuerung
spaßiger Koop-Modus...
auch für Einsteiger problemlos kontrollierbar
exzellenter Soundtrack

Kontra

nicht immer ruckelfrei
übertrieben vereinfacht
...aber teilweise sehr Lag-verseucht und ruckelnd
öde Geschichte
sehr kurzer Story-Modus
ideenarmes Missionsdesign

Wertung

360

Unterhaltsamer, aber sehr kurzer und übertrieben vereinfachter Arcade-Shootout.

PlayStation3

Unterhaltsamer, aber sehr kurzer und übertrieben vereinfachter Arcade-Shootout.

PC

Spielerisch identisch zu den Konsolen-Versionen, technisch etwas besser - macht mit Tastatur und Maus allerdings keinen Spaß.

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