Castlevania: Judgment27.03.2009, Paul Kautz
Castlevania: Judgment

Im Test:

Dass sich Jump-n-Run-Helden grundsätzlich nicht zu schade sind, sich gegenseitig aufs Maul zu hauen, wurde schon mehr als ein Mal bewiesen - man denke dabei an die Super Smash Bros., Sonic Battle oder Sonic The Fighters. Allerdings hätte ich in der Tat nie erwartet, den Peitschen schwingenden Vampirkillerclan der Belmonts jemals in einem 3D-Ring zu treffen. Und im Nachhinein wünschte ich mir, es wäre auch nie passiert.

Castlevania Calibur

Ein edles Intro lässt immer Gutes hoffen, selbst wenn sich der Inhalt desselben einem nicht erschließen sollte: Okay, da stiefelt also ein Weißbrot mit Monokel durchs Bild, danach kommen vertraut wirkende, aber irgendwie stark Anime-überzeichnete Figuren ins Bild, die offenbar starke feindliche Gefühle gegeneinander hegen.

Ein neues Soul Calibur? Castlevania Judgment geht in die Richtung, steht sich aber mit eklatanten Mängeln konstant selbst im Weg.
Mir soll's recht sein, gut sieht's aus, das danach lockende Hauptmenü erschlägt mich mit Auswahlmöglichkeiten. Der Übersicht halber mache ich's aber kurz: Die interessantesten Modi sind »Geschichte«, »Schloss« und »Zweikampf«, auf die ich jetzt im Detail eingehen werde.

Geschichten wurden im Castlevaniaversum schon viele erzählt, hier kommt allerdings keine neue hinzu. Stattdessen werden Figuren aus allen Spielen in einen Topf geschmissen, einem Zeitriss sei gedankt, um sich gegenseitig die Hucke vollzuhauen. Am Anfang gibt es ein paar Textzeilen, am Ende einen schlauen Spruch der Marke »Ich werde nicht ruhen, bis ich Frieden gefunden habe« - und dazwischen warten obskure Kampfeinleitungen wie bei Maria Renard, die anderen weiblichen Kämpfern die Größe der Brüste neidet. Oder anders: Der Story-Modus ist nett inszeniert, aber so hohl wie die Birne von Paris Hilton. Viel interessanter ist da schon der Punkt »Schloss«, denn dahinter verbirgt sich ein astreiner Klon vom »Weapon Master«-Modus aus Soul Calibur. Mit einem freigespielten Fighter kämpft man sich durch Draculas Zuhause, um der Obersaufnase persönlich die Eckzähne zu verbeulen. Dazu zieht man von Zimmer zu Zimmer, was aber letzten Endes nur neue Kämpfe bedeutet. Die allerdings haben unterschiedliche Siegesbedingungen: Mal muss man die Gegner erledigen, mal nur Objekte einsammeln. Mal eine bestimmte Zeit lang überleben, mal eine 5er Kombo schlagen. Mal einen Fight nur mit Spezialwaffe, mal per Ring Out beenden. Diese Bedingungen sind abwechslungs- und zahlreich, dazu kommen noch unterschiedliche Handicaps, aufgrund derer man zu Kampfbeginn schwächer ist oder sich ein Gegner regeneriert. Und da hier auch noch diverse Kleidungsstücke freigeschaltet werden, mit denen man seinen Fighter verzieren kann, bleibt das Schloss am längsten in Erinnerung. Allerdings nicht nur in positiver, denn das Speichersystem ist höchst mistig: Vermasselt man einen

Den Kämpferkader kennt man zum größten Teil aus vorherigen Castlevania-Teilen.
Kampf, geht's zur letzten Speichertür zurück - das kann schon mal bedeuten, dass man eine Handvoll Fights durch Schusseligkeit nochmal machen muss. »Zweikampf« schließlich ist die Basis jedes Prügelspiels, im Falle von Castlevania Judgment (CJ) nicht nur lokal, sondern auch online möglich - allerdings war zum Testzeitpunkt auf den Servern exakt gar nichts los, so dass wir zur Verlässlichkeit des Online-Gekloppes keine Aussagen machen können.

Von blinden Kameramännern

Auf den ersten Blick scheint CJ ein Klon von Soul Calibur zu sein: Die 3D-Figuren stehen sich in prachtvollen Levels gegenüber, es werden diverse Waffe von der Peitsche über das Schwert bis hin zu Gevatter Tods Sense geschwungen. Der zweite Blick offenbart, dass der erste nicht völlig daneben lag, aber den Einfluss von 3D-Prüglern wie Powerstone übersehen hat. Denn die Kämpfer können frei durch die Arenen laufen, um a.) den darin enthaltenen Fallen aus dem Weg zu gehen und b.) die herumstehenden Objekte zu zerstören, und die verborgenen Boni zu erhalten. Diese dienen entweder dazu, die Lebensenergie wieder aufzufrischen oder den Vorrat an Sekundärwaffen aufzustocken: Castlevania-typisch sind das u.a. Wurf-Kruzifixe, Weihwasser, Fledermausschwärme oder Zeit-Verlangsamer.        

Prinzipiell ist die freie Nutzung des Raumes eine prima Idee, zumal sich die Fighter auch automatisch aufeinander ausrichten, sofern man nicht aktiv dagegen steuert (um z.B. ein Item aufzusammeln). Jedoch haben die

Die Special Moves snd pompös inszeniert, aber viel zu leicht anzuwenden - und teilweise ausufernd lang.
Entwickler einen fatalen Fehler gemacht: Sie haben die Kameraführung sich selbst überlassen. Es ist eine Pein, mitansehen zu müssen, wie z.B. das Bild auf die Mitte des Raumes zentriert bleibt, während der eigene Recke im Hintergrund herumläuft. Oder wie auf einmal ein übergroßer Kristall groß und breit und funkelnd im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, während man dadurch vom Kampfgeschehen nichts mehr mitbekommt. Statt die Kamera bei weiterem Abstand der Fighter einfach ein wenig heraus zu zoomen, passiert einfach... gar nichts. Wieso, Komani, wieso?

Die nächste große Frage, die sich der Beat-em-Up-Kenner stellt, ist »Was zum Henker haben die sich bei der Standard-Steuerung gedacht?« Um es kurz zu machen: Wenn ihr weder Classic Controller noch GameCube Pad im Haus habt, dann solltet ihr die Finger von Castlevania Judgment lassen. Wirklich! Die Fuchtelsteuerung, die immergleiche Kombos startet, ist ebenso enervierend wie belastend und macht nicht den geringsten Spaß! Mit einem Pad in der Hand sieht die Sache schon anders aus: Zwar bleiben auch hier nur sehr wenige Angriffsmöglichkeiten, was aus CJ letzten Endes einen sehr simplen Buttonmasher macht, aber das Geholze geht wenigstens flott und vor allem zuverlässig von der Hand.

Hohles auf Japanisch

Anfangs stehen dem Peitschenschwinger gerade mal zwei Kämpfer zur Verfügung: Simon Belmont und Alucard. Die anderen zwölf, die zum größten Teil aus den Castlevania-Spielen bekannt sind, müssen erst durch ständiges Durchspielen der »Geschichte« freigeschaltet werden. Maria, Grant, Cornell, Sypha, Shanoa, Carmilla oder der bizarre Zeitfreak Aeon sind ansehnlich, aber etwas sehr pompös designt - Erinnerungen an Spiele wie Eternal Sonata werden wach. Was als Kompliment zu verstehen ist, denn Judgment sieht gut aus: Es erinnert in vielerlei Hinsicht an Soul Calibur 2 auf dem GameCube, die Levels und

Grafisch gibt's an Judgment nichts auszusetzen: Ideenreiches Leveldesign, ausgefallene Figuren, gute Effekte und hohe Geschwindigkeit zeugen vom Können der Entwickler.
Kämpfer sind detailreich, das Geschehen bleibt jederzeit flüssig, die Special Moves sind prachtvoll inszeniert. Allerdings gleichzeitig oftmals viel zu lang - Syphas Über-Attacke dauert z.B. fast 20 Sekunden, in denen man wie bei Final Fantasy nur zusehen kann. Wenn die Animationen schon so ausufernd sind, wäre es sinnvoll gewesen, sie über Quicktime Reactions interaktiv zu gestalten - was aber nicht der Fall ist, was die ohnehin schon übertrieben einfache Anwendung der Spezialmanöver zum mittelschweren Dauerfeuer werden lässt.

Frohe Kunde für alle Freunde verwöhnter Ohren: Der Soundtrack ist super! Besteht er doch aus kompetenten Remixen bekannter Castlevania-Melodien, die sofort im Gehörgang hängen bleiben. Die Sprachausgabe ist hingegen eine zweischnalzige Peitsche: Zwar haben Fremdsprachenfans die Wahl zwischen englischen und japanischen Sprüchen (begleitet von mehrsprachigen Untertiteln), die aber in jeder Zunge bescheuert sind - die Figuren haben einfach nichts Sinnvolles zu sagen. Zuletzt noch ein Hinweis an alle Besitzer des DS-Castlevanias Order of Ecclesia : Per WLAN lässt sich CJ damit verbinden, wodurch Bonusklamotten und zwei (auch auf anderem Wege zu bekommende) Kämpfer freigeschaltet werden.    

Fazit

Vampirjäger, bleib bei deinen 2D-Levels! Castlevania Judgment wäre gern eine Mischung aus Soul Calibur und PowerStone, ist aber weder das eine noch das andere - hätten sich die Entwickler auf zwei Ebenen beschränkt, wäre es ein weitaus besseres Spiel geworden. So steht es sich mit teilweise indiskutabler Kameraführung viel zu oft selbst im Weg. Was eine Schande ist, denn die tolle Grafik, die Vielzahl der Spielmodi (inkl. zum großen Teil gelungenem Weapon Master-Klon), die Inszenierung der Fights sowie das gut umgesetzte Castlevania-Gefühl versprechen zunächst verdammt viel. Am Ende bleibt jedoch größtenteils Frust über die missratene Kamera, die grausame Bewegungskontrolle sowie den lahmen Story-Modus. Mit einem Pad in der Hand wird immerhin einer der drei Punkte entschärft, darauf bezieht sich auch die unten stehende Wertung - seid ihr auf Nunchuck und Wiimote angewiesen, könnt ihr sie ruhigen Gewissens halbieren. So oder so bleibt lediglich ein simpler Buttonmasher, der so weit von der taktischen Tiefe eines Soul Calibur entfernt ist wie Dracula von einer Knoblauchfarm.

Pro

gute Grafik
mit Classic- oder GameCube-Controller prima Steuerung...
großer Kämpfer-Kader...
cool inszenierte Special Moves...
motivierender Schloss-Modus
sehr hörenswerter Soundtrack

Kontra

miserable Kameraführung
...mit Nunchuck eine Qual
...aber schlechte Figuren-Balance
...aber teilweise viel zu langatmig

Wertung

Wii

Mistige Kameraführung und unbrauchbare Bewegungssteuerung verhinderen Größeres - hier hätte ein richtig toller Prügler entstehen können!

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