Wanted: Weapons of Fate06.05.2009, Mathias Oertel
Wanted: Weapons of Fate

Im Test:

Dieser Monat steht im Zeichen des Teams von Grin. Die Schweden haben nicht nur Bionic Commando für Capcom in petto, sondern sind auch für Warner Bros. enorm aktiv gewesen: Ende des Monats kommt mit Terminator Salvation das Spiel zum Film. Und auch den Anfang der Grin-Festspiele macht eine Filmumsetzung: Wanted - Weapons of Fate setzt direkt dort an, wo der unterhaltsame Action-Film mit Angelina Jolie und Morgan Freeman aufhörte. Doch kann das Spiel ähnliche Unterhaltung bieten?

Film? Comic? Egal

Wer zu denjenigen gehört, die den auf den Comicbüchern von Mark Millar basierenden Film Wanted kennen, wird sich umgehend heimisch fühlen und viele Anspielungen besser verstehen. Doch auch diejenigen, die bislang nur die Comics kennen, finden sich sehr schnell in der von Grin mit eigener Engine geschaffenen Welt zurecht.

Das ist doch nicht der Wesley Gibson aus dem Film... Richtig! Das Team von Grin hat bravourös die schwierige Aufgabe bewältigt, Film- und Comic-Universum miteinander zu vermischen - und dabei sogar noch eine selbständige Geschichte zu entwickeln.
Und für alle, die mit Wanted weder in dem einen noch in dem anderen Medium Bekanntschaft gemacht haben, hier eine kurze Einführung in die wesentlichen Elemente. Man schlüpft in Weapons of Fate (WoF) die Rolle eines gewissen Wesley Gibson, der von einer geheimen Assassinen-Bruderschaft für zwielichtige Aufträge angeworben wurde. Wieso? Zum einen, weil sein Vater bereits für diese Bruderschaft tätig war, dann aber ausgestiegen ist - hier folgt das Spiel der Filmstory. Und zum anderen, weil er eine wichtige Fähigkeit von seinem Vater geerbt hat: Er kann den Flug einer Pistolenkugel "anschneiden" und so auch hinter Deckung versteckten Gegnern den Garaus machen. Dieses Element, das vor allem im Film, aber auch in den Comics eine zentrale Rolle spielt, kommt natürlich auch im Spiel nicht zu kurz.

Künstlerisch ansprechend

Doch bevor ich auf die trotz Kugel-Anschnitt letztlich sehr konservative Mechanik eingehe, muss ich Grin ein Lob aussprechen: Denn das Team hat es ebenso eindrucksvoll wie unauffällig geschafft, nicht nur den Film als Vorlage zu nehmen und sowohl visuell als auch erzählerisch fortzusetzen, sondern darüber hinaus einen Bogen in das Comic-Universum zu spannen und dabei eine vollkommen unabhängige Geschichte zu erzählen. Uff!

Doch was bedeutet das? Das Offensichtlichste ist die Darstellung von Wesley. Denn der hat nicht nur die gleiche "Fucked-Up-In-Your-Face"-Attitüde ("Früher war ich genau wie du. Ich habe Videospiele gespielt, wurde fett. Ich war ein Loser"), sondern ist seinem cineastischen Ebenbild aus dem Gesicht geschnitten. Auch viele der anderen Figuren, die einem begegnen (Sloan, Cross, Pekwarsky) basieren auf den Filmcharakteren. Dem gegenüber stehen aber die Kostüme, mit denen die Polygon-Figuren ausgestattet wurden. Die scheinen nämlich allesamt den Comics entsprungen zu sein, wodurch das Spiel insgesamt düsterer wirkt als die Filmumsetzung von Regisseur Timur Bekmambetov (Nightwatch). Und obendrauf gibt es eine sowohl von Zelluloid als auch von Tusche losgelöste Story, in der man als Wesley (und von Zeit zu Zeit auch als Cross) nicht nur das Geheimnis seiner Herkunft aufklärt, sondern schließlich den Oberbösewicht "The Immortal" zur Strecke bringt.

Als kleines Schmankerl gibt es für Kenner des Films immer wieder kleine Anspielungen auf bestimmte Szenen, wobei ich an dieser Stelle exemplarisch das Kapitel mit dem Flugzeugabsturz herausheben möchte. Dieses zieht immer wieder

Natürlich kann man auch in Weapons of Fate die ballistischen Gesetze außer Kraft setzen - leider wird das "Um die Ecke schießen" zu selten als taktisches Mittel gefordert.
angenehme Parallelen zur "Zugsequenz" aus dem Film und erreicht dabei auch beinahe deren Intensität. Die gesamte den Comic durchziehende Ebene von Superschurken, die die Weltherrschaft unter sich aufgeteilt haben sowie die Möglichkeit, als Vertreter der Bruderschaft seine sämtlichen Bedürfnisse ausleben zu können, bleibt wie im Film allerdings größtenteils unangetastet.

Deckung und kurvige Kugeln

Doch gelungene Vermengung von Comic, Film und freier Fantasie hin, imposante Explosionen, gute Animationen und schicke Lichteffekte her: Inhaltlich ist Grin bei Weitem nicht so kreativ, wie es den Anschein hat - und leidet zudem noch unter einer unnötig umfangreichen Kürzungsliste, um der USK zu gefallen.

Versteht mich nicht falsch: WoF bietet gut inszenierte Action, die beim ersten Durchspielen wunderbar unterhält - auch in der Version für den deutschen Markt.

Doch abgesehen vom anfänglich gewöhnungsbedürftigen, dann aber leicht und locker von der Hand gehenden Kurvenflug der Kugeln, der allerdings zu wenig gefordert wird, um mehr als nur ein mitunter spektakuläres Gimmick zu sein, verlässt man sich auf sehr konservative Versatzstücke.

Vollkommen gegen den Genre-Strom schwimmen Wesley und Cross allerdings mit ihrer Fixierung auf eine Waffe. Anstatt wie üblich wenigstens zwei Waffensysteme mitführen zu können, sind die Hauptfiguren zumeist auf einen Kugelspender festgelegt - es gibt erst viel zu spät, die Möglichkeit, zwischen vorgegebenen Waffen zu wechseln. Und etwas von den Gegnern aufzunehmen ist ein absolutes Tabu.

      

Das dynamische Deckungsysstem z.B., in dem man ähnlich wie bei Eat Lead und auch dem Ende des Monats erscheinenden Terminator Salvation per Knopfdruck unkompliziert und mitunter cineastisch spektakulär in die nächste zur Verfügung stehende Deckung rutscht, springt oder hechtet, würde für sich alleine keine Bäume ausreißen.

Dass man einen Gegner durch "Blindfeuer" nicht nur treffen, sondern auch quasi "unter Druck" setzen kann, so dass er das versteckte Vorrücken nicht bemerkt und entweder aus nächster Nähe mit ballistischen Mitteln oder per Nahkampfattacke ausgeschaltet werden kann,  ist dabei nicht mehr als eine logische Konsequenz und für sich alleine auch nicht der Rede wert.

Gleiches gilt für die später hinzu kommende Fähigkeit, auf dem Weg von einer Deckung zur anderen eine Art Bullet-Time zu aktivieren, in der man einen Kugelhagel auf die sich ohnehin nur spärlich intelligent verhaltenden Gegner niederregnen lässt, bevor man sich wieder in den Schutz des Mauervorsprungs etc. bewegt.

Ansprechende Kulissen, aufwändige Effekte, coole Zwischensequenzen, edle Zeitlupen: Die Inszenierung von Wanted kann sich sehen lassen. Die Spieldauer lässt allerdings deutlich zu wünschen übrig.
Und auch die "automatisch" startenden Zeitlupensequenzen, die sich deutlich an Werken von John Woo orientieren und die als Reaktionstest eine interessante Abwechslung von der üblichen Schulterperspektiven-Action darstellen, nehmen im Genre keine Ausnahmestellung ein. Selbstverständlich lässt sich das auch über die zielsicher eingestreuten Ballereien mit stationären Geschützen sagen.

Kurzes intensives geschnittenes Vergnügen

Doch die einzelnen Versatzstücke werden in einem ballistischen Stakkato derart rasant auf einen abgefeuert, dass man das Gefühl hat, die Zeit während der neun Kapitel dauernden Kampagne vergehe wie im Flug. Action, Adrenalin, Spaß: Alles auf einem ansprechenden Niveau.

Das Problem: Das Zeitgefühl täuscht nicht. Denn da selbst der höchste Schwierigkeitsgrad nur in Ausnahmefällen wirklich fordert und auch die Bosskämpfe sich in dieser Hinsicht nicht besonders hervortun, ist das Vergnügen unter dem Strich gerade mal fünf Stunden kurz. Und das ist trotz des reduzierten Preises zu wenig.

Zumal in der deutschen Fassung im Vergleich zur internationalen Variante einige Modi fehlen, die den selbst dort nur schwer in Gang kommenden Wiederspielwert auf nahezu Null reduzieren.

Hier hätte es nicht geschadet, den Arcade-Charakter der Schussgefechte noch stärker zu betonen und dementsprechend ausufernde Statistiken sowie dazugehörige Online-Ranglisten einzubauen. Dann nämlich wäre ein Anreiz geboten worden, sich nochmals an die Abschnitte zu wagen, um noch genauer, noch schneller und noch zielstrebiger die Aufgabe zu erledigen und sich in der Rangliste nach oben zu arbeiten.

Doch hätte, wäre und wenn hilft an dieser Stelle wenig. Fakt ist: Diese Option ist nicht vorhanden. Stattdessen kann man z.B. mit einer der freischaltbaren Figuren noch einmal das Wagnis WoF angehen - was allerdings auch dadurch relativiert wird, dass die teils sehr coolen Zwischensequenzen nicht nur grob aufgelöst, sondern auch vorberechnet sind. Sprich: Selbst, wenn man mit der Donuts liebenden Janice (Wesleys Vorgesetzte aus dem Film) unterwegs ist, wird in den Cutscenes Wesley eingeblendet. Das Ergebnis: Atmosphäreverlust pur.

Das grundsätzliche Spielvergnügen der deutschen Version wird durch die nötigen USK-Schnitte nur minimal gestört - Charakterzeichnung und Wiederspielwert leiden jedoch stark.
Dass weiterhin für den deutschen Markt Anpassungen in Form von Entfernen sämtlicher karminroter Pixel, dem Wegfall von menschlichen Schutzschilden oder dem Entfernen einiger weiterer freischaltbarer Extras, ist dabei weniger Ausschlag gebend, als man vermuten möchte. Denn auch leicht gekürzt sorgt Wanted im wahrsten Sinne des Wortes für Kurzweil. Was wiederum als Anhaltspunkt dafür zu werten ist, dass Grim mit den meisten Designentscheidungen auf dem richtigen Pfad ist, in der Gesamtkonzeption jedoch zu viele Kompromisse vor allem hinsichtlich Wiederspielwert und Spiellänge eingegangen ist. Und das schreit normalerweise nach einer Fortsetzung in der gemäß der Prämisse "Wer abrutscht, darf noch einmal" das ganze Projekt um die Bruderschaft auf Hochglanz poliert werden kann.

Apropos abrutschen: Wer auf die glorreiche Idee kam, im Rahmen der Änderungen für den deutschen Markt gleich ganze Dialogstränge aus den Action-Sequenzen zu entfernen, gehört mit dem Spielen von "Hello Kitty" nicht unter fünf Stunden bestraft.

Denn so verkommt Wesley vor allem in der Anfangsphase von einem zynisch-sarkastischen, aber gerade deswegen sympathischen Badass zu einer beinahe emotionslosen Tötungsmaschine. Und das entspricht nun weder den Comics noch dem Film und schon gar nicht dem virtuellen Protagonisten, den Wesley in der internationalen Version darstellt. Hier hat jemand schlichtweg übers Ziel hinausgeschnitten.

 

Fazit

Die Grin-Festspiele im Mai gehen gut los. Wanted - Weapons of Fate bietet zwar bis auf das coole "Anschneiden" der Kugeln keine innovativen inhaltlichen Elemente. Doch im Gegenzug bekommt man einen linearen, adrenalinhaltigen und enorm kurzweiligen Action-Cocktail, der sich mit seiner eigenständigen Story sowie dem durchdachten Artdesign eine eigene interessante Nische zwischen dem Film auf der einen und dem Comic auf der anderen Seite schafft. Doch unter dem Strich macht sich die Action das Leben selber schwer. Damit meine ich nicht einmal die für die USK-Freigabe notwendigen Schnitte, die nur mit Ausnahme der weggefallenen Sondermodi sowie der vollkommen unverständlichen Extrahierung einiger für den Charakteraufbau der Hauptfigur wichtigen Dialoge auf die Wertung Einfluss nehmen. Viel stärkere Auswirkung hat die mit gerade mal gut fünf Stunden viel zu kurze Spieldauer, die in Tateinheit mit der nicht der Bezeichnung würdigen Künstlichen Intelligenz sowie den nur in Ausnahmefällen fordernden Bosskämpfen den Eindruck eines Fast Food-Shooters hinterlässt: Schnell gegessen, schnell verdaut, schnell vergessen. Und das, obwohl Grin hier einige imposante technische Register zieht - selbst wenn die grob aufgelösten Videos nicht dazu gehören. Im Kern bieten die Weapons of Fate sehr interessante Arcade-Action mit einem guten dynamischen Deckungssystem sowie einer herrlich coolen Sau als Hauptfigur. Doch kaum gerät das Adrenalin in Wallung, ist das Spiel auch schon vorbei. Leider...

Pro

<P>
unkomplizierte Action mit zahlreichen bekannten Elementen
auf allen drei Systemen gleichwertig
gut funktionierendes dynamisches Deckungssystem
ansehnliche, abwechslungsreiche Kulisse
interessante Story
stylische Zeitlupen-Sequenzen</P>

Kontra

größtenteils anspruchslose Bosskämpfe
KI auf Amöben-Niveau
manche Dialoge fehlen in der deutschen Version
freischaltbare Spielmodi fehlen in der deutschen Version
grob aufgelöste vorberechnete Zwischensequenzen
kaum Wiederspielwert (deutsche Version noch weniger)
mit gut fünf Stunden verdammt kurz

Wertung

360

Kurzweilige Action mit angeschnittenen Kugeln, die leider schneller vorbei ist, als einem lieb sein kann. Die schwache KI stört mehr als die Schnitte der USK-Version...

PlayStation3

Mit Anleihen aus Film und Comic schafft Grin eine eigene kleine Welt mit gut inszenierter Action. Leider viel zu kurz und mit hanebüchener KI gefüllt.

PC

Ein perfektes Beispiel für ein "crossmediales" Spiel, das seine Bezüge sowohl zum Film als auch zu den Comics nie verliert. Allerdings ein erschreckend kurzes Action-Erlebnis.

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