The Witcher 2: Assassins of Kings16.04.2012, Mathias Oertel
The Witcher 2: Assassins of Kings

Im Test:

Vor etwa einem Jahr scheiterte der Hexer Geralt am PC in seinem zweiten Abenteuer ganz knapp an einem Award. Nach starkem Anfang baute das Rollenspiel gegen Ende ab und hatte zusätzlich mit inkonsequenten Design-Entscheidungen zu kämpfen. Kann die „Enhanced Edition“, die nicht nur alle bisherigen Updates und Erweiterungen, sondern auch einige frische Inhalte bietet, Gold gewinnen?

Alles schon gesagt

Zum PC-Release von The Witcher 2 haben wir viel gesagt. Über die glaubwürdige Spielwelt. Über die erwachsenen Inhalte, die sich nicht nur auf eine überproportional hohe Ausschüttung an Fäkalsprache beschränken. Über die starke Atmosphäre, die allerdings gegen Ende nachlässt. Über die Kämpfe. Über die vielen Kleinigkeiten, die diese Fantasy-Welt so interessant machen – wie z.B. die Faustkämpfe oder das Würfelpoker, die beide vorzüglich geeignet sind, um seine Geldbörse zu füllen. Über die umfangreiche Charakterentwicklung, das Herstellen von Gegenständen oder die Möglichkeit, sich über Tonika temporär zu verbessen. Über die Antworten, die man unter Zeitdruck geben muss und die mitunter deutliche Wirkung in der Welt zeigen. Aber auch über die Inkonsequenzen wie das mangelhafte Diebstahlsystem, das man eigentlich nicht so nennen kann, wenn man wie an einem All-you-can-eat-Buffet durch die Häuser spaziert und sich alles unter den Nagel reißt - auch, wenn der eigentliche Besitzer direkt neben einem steht. Wer bislang noch nichts über Geralt aus Rivia gehört oder gelesen hat, dem empfehle ich daher die Lektüre des umfangreichen Tests von vor etwa einem Jahr.

Alles drin... und noch mehr

Nachdem die 360-Abenteurer lange warten mussten, lässt sich CD Projekt nicht lumpen und hat ein umfangreiches Paket geschnürt. So bekommt man auf den zwei Discs nicht nur das  Hauptspiel, sondern alle bis jetzt veröffentlichten Zusatzinhalte sowie Verbesserungen. Dazu gehören z.B. auch das oberflächliche Tutorial, Missionen wie die um einen Troll mit Alkoholproblemen, der Dark Mode-Schwierigkeitsgrad mit besonders potenten Waffen und Rüstungen als Belohnung oder der Arena-Modus, bei dem man gegen eine Feindeswelle nach der anderen antreten kann, um sich in den Online-Ranglisten zu verewigen. Doch es gibt auch komplett neues Material wie z.B. das fantastische Intro oder frische Zwischensequenzen, die das unbefriedigende Ende verbessern sollen, was allerdings nur leidlich gelingt. Hinzu kommen ein paar Missionen, die nur für diese Enhanced Edition entworfen wurden und die Spielzeit verlängern, aber inhaltlich belanglos

Ansehnlich, aber im Detail nicht so opulent wie am PC: Hexer Geralt auf der Xbox 360.
Ansehnlich, aber im Detail nicht so eindrucksvoll wie am PC: Hexer Geralt auf der Xbox 360.
sind. Besitzer der PC-Version können übrigens kostenlos auf diese neue Variante upgraden.

Alte Probleme

Doch reicht das alles, um sich vielleicht den letzten entscheidenden Prozentpunkt (oder sogar mehr) zu sichern, damit Geralt die Awardhürde nehmen kann? Leider nein. Denn es bleiben trotz Feintunings und einer bis auf eine leicht überbelegte, aber dennoch vor allem im Kampf gut auf Konsolenverhältnisse abgestimmte Steuerung viele Kritikpunkte bestehen. Allen voran diverse Inkonsequenzen: Selbst ein deutlich weniger episch ausgelegtes Action-Rollenspiel wie Kingdoms of Amalur hat ein besseres System, wenn es darum geht, sich Gegenstände einzuverleiben, die einem nicht gehören. Nicht nur, dass man dort unbeobachtet seine Taschen mit fremdem Eigentum füllen muss, man kann es zudem nur bei den seltenen Hehlern wieder loswerden.

Hier bleibt weiterhin alles beim Alten: Man geht in ein Haus, wird dort vielleicht sogar freundlich vom Besitzer begrüßt und kann sich bedienen wie man möchte - schade, dass man hier nicht nachgebessert hat. Auch Figuren, die man aus ihrem Schlaf reißt, reagieren

Die Faustkämpfe sind als Geldquelle interessant, bestehen aber nur aus simplen Reaktionstests.
Die Faustkämpfe sind als Geldquelle interessant, bestehen aber nur aus simplen Reaktionstests.
nicht so wie man es erwarten würde und sind z.B. die Freundlichkeit in Person. Diese und andere Kleinigkeiten sorgen immer wieder dafür, dass man aus der ansonsten stimmungsvoll und überzeugend inszenierten Welt herausgerissen wird. Und dass man in bestimmten Situationen immer wieder die gleichen Dialogoptionen zur Verfügung hat, selbst wenn man sie schon x-mal angehört hat, ist auch störend. Wäre es so schwer gewesen, mir nur die noch nicht abgespielten Dialoge und ggf. neue Gesprächsoptionen anzubieten?

Was mich ebenfalls stört, ist das Speichersystem, das nicht ganz die Standards erreicht, die man von vergleichbaren Titeln kennt. So gibt es zwar eine automatische Speicherung, doch zum einen greift sie unregelmäßig: mal liegen die Punkte sehr weit auseinander, mal wird innerhalb weniger Minuten mehrfach gespeichert. Zum anderen setzt sie mitunter den Punkt nach einem Ableben zu weit zurück, so dass man sogar bereits getroffene Entscheidungen rückgängig machen kann, falls man in diesem Fall "das Glück" hatte, zu sterben. Im schlimmsten Fall muss man sich aber wieder durch Dialoge klicken, die man bereits einige Male gehört hat. Abhilfe schafft nur die manuelle Speicherung, die einem zwölf Plätze zur Verfügung stellt.

Die Technik-Hürde

Am Rechenknecht gehört Geralts Abenteuer zu den Vorzeigetiteln. Und das visuelle Erlebnis möchte CD Projekt Red auch auf einem mittlerweile sechs Jahre alten System ermöglichen? Aber ja! Und gelingt dies? Nein! Doch dies hört sich deutlich vernichtender an als es ist. Denn auch auf der Xbox 360 ist The Witcher 2 weiterhin hübsch anzuschauen. Die Fantasywelt wirkt glaubwürdig, das Artdesign überzeugt. Vor allem das erste Kapitel mit dem Dorf Flotsam als Ausgangspunkt zeichnet ein stimmungsvolles Bild - allerdings eines, das nicht ganz sauber wirkt und deutlich hinter der PC-Version zurückbleibt.

Freund oder Feind? Der Spieler trifft die Entscheidung.
Freund oder Feind? Der Spieler trifft die Entscheidung.
Die allgemeine Sichtweite ist zwar angenehm, die idyllischen Lichteffekte erfreuen die Netzhaut und die Nördlichen Königreiche werden ruckelfrei auf den Bildschirm gebracht. Doch dafür muss man Tearing (vorrangig in Zwischensequenzen), aufpoppende Botanik, Plopp- bzw. Wanderschatten sowie Wartezeiten beim Texturstreaming in Kauf nehmen, die selbst die unrühmliche Vormachtstellung der Unreal Engine in dieser Hinsicht in Gefahr bringen können - selbst bei einer Installation, die aber immerhin die Ladezeiten beim Betreten neuer Areale angenehm klein hält. Doch auch abseits dessen wird man durch Kleinigkeiten immer wieder aus der Welt gerissen: NPCs lehnen z.B. nicht an, sondern in der Wand oder schweben 50 Zentimeter über dem Boden, mitunter sogar beides. Eine optimale Anpassung an die Konsole ist dies nicht - leider.

Fazit

Es ist schade, dass CD Projekt die Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt und einige inhaltliche Mankos glattgebügelt hat, die bereits am PC störten. Die konsequenzfreie Selbstbedienungmechanik z.B., wenn es um das Einsammeln (bzw. Diebstahl) von Gegenständen geht; oder das inkonsequente Dialogverhalten in einigen Situationen; oder den abfallenden Spannungsbogen gegen Ende. Das soll jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass The Witcher 2 immer noch ein richtig gutes, mitunter sogar sehr gutes Rollenspiel mit einem interessanten Universum darstellt. Die erwachsenen Themen werden glaubwürdig inszeniert, die Charaktere überzeugen größtenteils und die Auseinandersetzungen mit ihren ohnehin konsoligen Ansätzen sowie mehrstufigen Bosskämpfen fühlen sich gut an. Zwar wirkt die Steuerung im Hinblick auf Inventar usw. etwas überladen, doch angesichts der umfangreichen Möglichkeiten, die man mit Alchemie, Zaubern sowie Gegenständen wie Bomben, Fallen, etc. hat, wird ein tragbarer Kompromiss angeboten. Obwohl viel Frisches geboten wird, schafft Geralt auf der Konsole ebenfalls nicht den Sprung in Award-Regionen. Auch weil die Kulisse zwar durchweg stimmungsvoll ist, aber in punkto Detailgrad  nicht alles aus der 360 herausholt: Es gibt z.B. Tearing in den Zwischensequenzen, Pop-Ups, langsam nachladende Texturen (auch bei Installation)  und Probleme mit Schatten. Dennoch: 360-Rollenspieler können sich auf  spannende und unterhaltsame Stunden freuen.

Wertung

360

Geralt zeigt auf der 360 alle Stärken, aber auch viele Schwächen der PC-Version sowie einige technische Mankos, die von den neuen Inhalten ablenken.

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