Magicka17.02.2011, Mathias Oertel
Magicka

Im Test:

Von Zeit zu Zeit gibt es sie: Die Spiele, die sich nicht einfach in Schubladen packen und kategorisieren lassen. Die Spiele, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Die Spiele, die im Gedächtnis bleiben. Magicka (ab 7,99€ bei kaufen), ein Indie-Titel aus Schweden, der von Paradox auf die große Publishing-Bühne geholt wird, ist ein solches Spiel. Doch reicht das Prädikat "außergewöhnlich" auch, um ausgezeichnet zu unterhalten?

Tod allen Klischees

Magicka ist ein Action-Rollenspiel wie es im Buche steht: Eine knallbunte Fantasy-Welt mit Orks und anderen finstere Monstern, die sie bevölkern und die entsorgt werden müssen. Und in der Mitte eines Konfliktes, der diese ach so idyllische Welt bedroht, kämpft ein kleiner unbedeutender Magier ums Überleben.

Das ist der erste flüchtige Eindruck, den man bekommen könnte, wenn man Magicka beginnt. Doch schnell wird klar, dass die Schweden von Arrowhead hier keinen Stein auf dem anderen lassen. Denn auch wenn an der Oberfläche eine Action-Rollenspiel-Mechanik ihre Dienste zu verrichten scheint, ist in den nächsten Ebenen doch nichts, wie man es kennt. Und zum Schluss wird sogar die eigene Wahrnehmung einer harten Prüfung unterzogen. Denn Magicka ist mehr Puzzler als Rollenspiel. Es ist mehr Geschicklichkeitsübung als Action. Es ist mehr Parodie auf gängige Pop-Kultur als ernst zu nehmende Fantasy. Es ist eine Herausforderung für Motorik und Auffassungsgabe. Es ist ein Action-Rollenspiel. Ist es doch? Oder nicht?

Terry Magicka Python?

Das Einzige, was Magicka mit klassischen Genre-Vertretern vom Schlage eines Diablo, Dungeon Siege oder Sacred teilt, ist die Fantasy-Kulisse, haufenweise Gegner sowie die leicht isometrische Perspektive. Alles andere, was man mit diesen Spielen in Verbindung bringt, sucht man hier vergebens. Es gibt kein Inventar, keine Gegenstandsflut, keine Erfahrungspunkte und dementsprechend auch keinen Levelaufstieg. Leider bleibt auch die Story sowohl Spannung als auch Inhalt schuldig. Sie kann zwar mit viel Humor und zahlreichen Anspielungen auf Pop-Kultur, u.a. auf Platoon, natürlich die Star Wars-Reihe (das vierte Kapitel z.B. heißt "A New Hope") oder Highlander unterhalten und immer wieder für einen Lacher zwischendurch sorgen. Doch außer einem mehr oder minder plakativen Gut-gegen-Böse sollte man nicht viel Gehaltvolles von diesem magischen Ausflug ins mythenreiche Midgard erwarten. Und so witzig oder gar kultig, dass es Richtung Monty Python oder Terry Pratchett geht, wird es trotz guter Ansätze letztlich auch nicht. Zumal in der zumeist gut übersetzten deutschen Version auch die eine oder andere Nuance verloren geht. In Englisch ist das "Run to the Hills! Run for your life!" schlichtweg eindringlicher und als Anspielung auf den Iron Maiden-Song deutlicher als das deutsche Gegenstück.

Actionreicher Geschicklichkeits-Test

Die Antwort auf die Genre-Kategorisierung ist natürlich weiterhin ungeklärt. Nachdem so viele Elemente fehlen, die eigentlich ein Action-Rollenspiel auszeichnen, tue ich mich auch schwer damit, Magicka in diese Ecke abschieben zu wollen. Denn es ist mit all seiner Reduzierung mehr als das. Denn statt all des unnötigen Ballasts drumherum bekommt man für seinen kleinen, gesichtslosen Magier insgesamt acht Zauber, mit denen man sich zur Wehr setzen kann - Wasser, Feuer, Blitz, Luft, Heilung, Erde, Arkan und Schild.

Die acht Zauberarten lassen in Kombination hochinteressante Ergebnisse zu.
Der Clou: Man kann bis zu fünf dieser Zauber in beliebiger Reihenfolge "stapeln", muss aber für jeden gefüllten Slot eine Verringerung der Bewegungsgeschwindigkeit in Kauf nehmen. Wasser gemischt mit Feuer ergibt z.B. sogar noch das neue Element Dampf. Und so kann man sich schließlich Kombinationen oder besondere Wirkungen zu Nutze machen. Feuer zusammen mit Erde z.B. ergibt einen Feuerball, den man wegschleudern kann. Setzt man zwei Mal Feuer ein und verbindet es mit Erde, wird der Zauber entsprechend stärker. Zusätzlich gibt es noch verschiedene Zauber-"Bereiche". Wahlweise kann man den Spruch als Gebietszauber, zielgerichtet oder auf sich selber projizieren. Mit diesen Optionen kann man unheimlich viel experimentieren und wird häufig mit ansehnlichen Ergebnissen belohnt. So etwa, wenn man Blitz, Arkan, Schild und Eis zusammenführt und als Bereichszauber anwendet. Dann nämlich senken sich Minen in die Erde, die die Gegner nicht nur von einem wegschleudern, sondern dank des Eisfaktors auch stark verlangsamen, damit man weitere Zauberangriffe starten kann. Und wenn alle Stricke reißen, hat man auch noch eine Nahkampfwaffe zur Verfügung, deren Wirkungsgrad aber deutlich niedriger ist als bei der Magie.

    

Da jedes Element einer bestimmten Taste zugeordnet ist, wird man in der Anfangsphase schnell überfordert - vor allem auch, da die Magie keine Unterschiede zwischen Freund und Feind macht. Zivilisten oder helfende Soldaten können ebenso schnell zum Ziel eines Blitzes werden wie Monster. Und im Gegenzug kann ein Heilzauber auf die falsche Figur angewendet

Schicke Effekte und verheerende Ergebnisse können nicht verschleiern, dass die Kulisse unter dem Strich sehr altbacken wirkt.
ein vollkommen falsches Ergebnis zur Folge haben. Doch sobald man sich an diese Methodik gewöhnt und einige interessante Kombinationen zu Tage gefördert oder auswendig gelernt hat, zaubert man sich durch Midgard, als ob man nie etwas anderes getan hätte, lässt Gegner explodieren, in Flammen aufgehen oder als Eisblöcke zerschellen.

Unfaire Abwechslung

Kleine Rätsel, bei denen man bestimmte Objekte wie z.B. brennende Barrikaden mit einem Gegenzauber löschen muss oder einen Fluss vereisen muss, lockern das kampflastige Spielgeschehen auf. Doch selbst die guten Bosskämpfe, bei denen man meist den Spagat aus organisierter Verteidigung und konzentrierten Angriffen bewältigen muss, während die Finger über die acht für die Zauber verantwortlichen Tasten fliegen und man auf der Suche nach der für diesen Gegner viel versprechendsten  Kombo ist, können eine technische Ernüchterung nicht verhindern.

Die Kulisse ist gelinde gesagt veraltet und unter dem Strich trotz cleveren Einsatzes von Partikeln etc. nur wenig weiter als ein WarCraft 3. Bunt? Ja! Idyllisch? Ja! Aber veraltet! Dass es zudem nur eine einzige Kameraperspektive gibt, die weder gezoomt noch gedreht werden kann, führt zu weiteren Problemen: Mitunter kann es passieren, dass der Held und die Gegner hinter Objekten verschwinden. Und während der Held meist wenigstens durch eine Silhouette gekennzeichnet wird (allerdings auch nicht immer), verschwinden Gegner auch gerne mal komplett aus dem Blickfeld.

Als ob das nicht reichen würde, darf man sich auch nicht an plötzlichen Toden nach nur einem gegnerischen Treffer oder unfairen Momenten stören. So etwa, wenn ein bestimmter Gegnertyp auf einen zustürmt, man durch die Kollision weggeschleudert wird und dabei über eine Klippe in die Tiefe rauscht. Immerhin sind die Kontrollpunkte bis auf Ausnahmen fair gesetzt.

Bis zu vier Magier können kooperativ (inkl. Friendly Fire) durch Midgard ziehen.
Der Mehrspielermodus ist leider nur wenig mehr als eine belanglose und draufgestülpte Variante der auch für Solisten zugänglichen Herausforderungen bzw. Kampagne. Zwar kann man hier mit zusätzlichen taktischen Elementen punkten, so z.B. durch die Verstärkung (oder Anullierung)  bestimmter Zauber beim Kreuzen der Ströme (die Ghostbuster lassen schön grüßen), doch meist arten die gemeinsamen Midgard-Wanderungen in ein hektisches Tohuwabohu aus.

Dass Magicka auf eine alternative Pad-Steuerung setzt, ist löblich. Dass diese der akkuraten Tastatur-Variante vollkommen unterlegen ist und ich nur davon abraten kann, ist weniger löblich. Denn hier werden die Zauber über Viertelkreis-Bewegungen des rechten Sticks definiert, die im Eifer des Gefechtes nicht nur immer wieder ein unerwünschtes Ergebnis hervorrufen und einen im schlimmsten Fall verteidigungslos zurücklässt, weil sich bestimmte Zauber gegenseitig ausschließen. Das Pad ist im Vergleich zudem hoffnungslos langsam. Und das kann auch nicht durch die direkte Steuerung der Figur über den linken Stick ausgeglichen werden.

 

Fazit

Man ist versucht, Magicka als Action-Rollenspiel mit einem sehr interessanten Ansatz zu kategorisieren. Doch im Detail gibt es abseits der Kulisse und dem Fantasy-Hintergrund nicht viele Gemeinsamkeiten mit Titeln wie Sacred, Dungeon Siege oder Diablo: Es gibt weder Inventar, Erfahrungspunkte, Levelaufstieg noch Figurenentwicklung. Dementsprechend würde ich das ungewöhnliche Abenteuer eher in die Abteilung Action-Geschicklichkeit abschieben. Und dort ist es ein viel versprechender Vertreter seiner Art. Das magiefokussierte Kampfsystem mit seinen acht frei kombinierbaren Elementen ist leicht zu erlernen, schwer zu meistern und entfaltet erst mit Kombokenntnis  sowie einer gesunden Feinmotorik seinen ganzen Reiz. Dementsprechend sehe ich jede Arena-Auseinandersetzung als Puzzle, das mit seinen eigenen Anforderungen Geduld, Timing und Gedächtnis auf eine gelungene Probe stellt. Diese Probe hätte sogar noch besser sein können, wenn die Technik einen modernen Eindruck hinterließe. Doch die visuelle Umsetzung, die nur unwesentlich besser aussieht als z.B. ein WarCraft 3 und zudem unter einer statischen Kamera leidet, sorgt für erste Risse im soliden mechanischen Fundament. Unfairen Momente und frustrierende Soforttode bringen den Spaß zusätzlich ins Wanken. Letztlich ist es dem frischen Ansatz sowie dem gut, aber unter dem Strich auch nicht konsequent eingesetzten Humor zu verdanken, dass man sich gerne in Midgard herumtreibt.

Zum Video-Fazit (in Arbeit)

Pro

zielsicher eingesetzter Humor...
farbenfrohe Umgebungen
Mehrspieler-Modus für bis zu vier Magier...
Experimentieren wird gefördert
acht Zauber, die kombiniert werden können
gut inszenierte Boss-Kämpfe
viele Anspielungen auf moderne Pop-Kultur
Geschicklichkeitsübung im Action-Rollenspiel-Gewand
gut gesetzte Kontrollpunkte

Kontra

- ... der aber vorrangig in der englischen Version zündet
technisch veraltete Kulisse- ... der aber schnell sehr hektisch wird und sein Potenzial nur ankratzt
nur eine Kamera-Perspektive ohne Zoom und Schwenk
unfaire Situationen und Soforttode

Wertung

PC

Ein interessantes Konzept sowie ein durchdachtes Zauber-System stehen einer biederen Kulisse und kleinen Ärgernissen gegenüber.

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