F.E.A.R. 324.06.2011, Benjamin Schmädig
F.E.A.R. 3

Im Test:

Paxton Fettel ist eine, Verzeihung, verdammt coole Sau! Mit der einen Hand hebt er einen Feind in die Luft, mit der anderen zerquetscht er ihn wie eine überreife Tomate. Er wirft explodierende Gasflaschen und um seinen Gegnern in den Rücken zu fallen, schlüpft er einfach in die Haut eines beliebigen Feindes - bis der Wirt den gespenstischen Parasiten abstößt, so dass der in einer Blutlache zerplatzt. Es ist ein brutales, unverschämt lustvolles Vergnügen, das Day 1 Studios um den lebenden Toten inszeniert!

Machtwechsel

Es war 2005, als Paxton Fettel zum ersten Mal auf seinen Bruder traf: einen Soldaten der First Encounter Assault Recon - F.E.A.R. Und der Name war Programm, denn in der Rolle des Soldaten erlebte man den Horror japanischer Gruselfilme zum ersten Mal in einem Ego-Shooter. Alma hieß das schwarzhaarige Mädchen, dessen Erscheinung gestandenen Actionmeistern eine Gänsehaut bescherte. F.E.A.R. war eine wundervoll ungemütliche Erfahrung! Aber wie gesagt: Das war einmal.

Es sind nicht mehr die Erfinder des Horrorshooters, Monolith, die in F.E.A.R. 3 (ab 3,39€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) die Fäden ziehen. Hatte man dort etwa bereits mit der Serie abgeschlossen? Die Vermutung liegt deshalb nahe, weil sich schon der zweite Teil schwer tat, erzählerisch und spielerisch an die Wirkung des Vorgängers anzuschließen. Day 1 Studios suchte nach Fracture hingegen einen neuen Auftrag und vielleicht hatte man auch schon Ideen für eine weitere Fortsetzung. Immerhin stand man nach den Konsolenumsetzungen des ersten F.E.A.R. voll im Stoff. Dabei wusste wohl auch Day 1: Noch einmal konnte man die Geschichte nicht wie bisher fortführen. Leider wusste man allerdings nicht, wie man die Trilogie um Alma, Fettel und dessen Bruder in ein packendes Finale führt...

Der VS-Movie

Scream 2 brachte das Dilemma etlicher Horrorserien auf den Punkt: Um den Vorgänger zu toppen, muss eine Fortsetzung mehr Blut und mehr Zerstörung zeigen. "Carnage Candy" nennt es der Film – doch von Candy, also Zucker, ist das dritte F.E.A.R. weit entfernt. Denn anstatt den Mut aufzubringen, den vermeintlich Terror-gestählten Spieler wenigstens mit krassen Todesszenen zu schockieren, reihen die Entwickler ohne Gefühl für Spannungsaufbau, Rhythmus oder Timing beliebige Schockmomente aneinander. Die Augenblicke sind oft vorhersehbar und wurden genau so bereits in den Vorgängern inszeniert. Mit viel gutem Willen kann man sich in einige Momente hineinsteigern. Die meisten Zitate sind aber müde Wiederholungen. Mit dem intensiven Grusel von einst hat das nichts mehr zu tun.

In erzählerisch wichtigen Sequenzen übernimmt das Spiel zu allem Überfluss ohnehin die Steuerung, was selbst potential aufregenden Szenen jegliche Spannung raubt. Nur in den letzten Minuten verbinden die Entwickler Spiel und Handlung - und auf einmal erkennt man zumindest im Ansatz, dass ein Horrorshooter auch sechs Jahre nach F.E.A.R. Angst einflößen könnte. Anschließend führen die Autoren ihre Handlung immerhin in ein Finale, das den Leidensweg der Figuren zu einem guten Ende bringt. Ärgerlich nur, dass die Handlung in den spielbaren Abschnitten beinahe vernachlässigt wird und die Filme dazwischen als dröge Videospiel-Movies inszeniert werden. Deren wichtigster Zweck: das bemühte Zusammenhalten der beliebig hintereinander gereihten Schauplätze.

In Zeitlupe - in Deckung

Starker Tobak für ein Spiel, das aufgrund seiner Vergangenheit eigentlich Vorreiter für Knistern und Erschrecken sein müsste. Bleibt das Spielerische: Kann Teil drei heute noch mit den packenden Schusswechseln überzeugen, für die das erste F.E.A.R. bekannt wurde? Clevere Widersacher, die sich in den Kulissen auskannten und den Spieler geschickt umliefen, waren ein wichtiges Markenzeichen. Und natürlich die Zeitlupe! Schließlich spielt man wie damals den namenlosen Point Man, einen durch zweifelhafte Methoden gezüchteten Supersoldaten mit blitzschnellen Reflexen. Per Knopfdruck verschafft man sich für wenige Sekunden den wichtigen Zeitvorteil - besonders gegen starke Feinde am Levelende ist das eine unverzichtbare Hilfe.

Was Point Man zuletzt nicht beherrschte: Per Knopfdruck geht er neuerdings automatisch in Deckung. Weil sich auch viele Gegner hinter Mauern, Kisten oder Autowracks verstecken, kann man einige Gefechte dadurch ruhiger angehen.

Deckung und Zeitlupe sind die Waffen des Point Man - zwei, drei Mal nimmt er allerdings am Steuer eines solchen Monsters Platz.
Deckung und Zeitlupe sind die Waffen des Point Man - zwei, drei Mal wütet er allerdings am Steuer eines solchen Monsters.
Als Freund der Bewegungsfreiheit bin ich allerdings froh, dass die Knopfdruck-Automatik nur in unmittelbarer Nähe einer Deckung aktiviert wird. Anders als in Killzone kann man deshalb freier wählen, ob man sich an Objekte kettet oder selbstständig Schutz sucht. Die wundersame Schnellheilung lässt sich hingegen nicht umgehen.

Die beschränkte Intelligenz

Und was wurde aus den cleveren Widersachern? Klemmen die in der neuen Deckung fest oder umlaufen sie noch immer geschickt den Spieler? Weder noch. Denn auf der einen Seite handeln die Soldaten durchaus nachvollziehbar, auf der anderen Seite haben sie in den engen Schießbuden viel zu selten die Gelegenheit, ihr räumliches Taktik-Verständnis auszuspielen. Kaum ein Kampf findet etwa auf mehreren Ebenen statt und Umgehungswege wie im Serienvater gibt es leider nicht. Die Kugeln fliegen meist vom nahen ins ferne Ende eines Raums - das war's. Es entstehen spannende Bleiwechsel, in denen die Wahl der Waffe und das Timing eine wichtige Rolle spielen. Begeistern können die Gefechte diesmal aber nicht.

Zu allem Überfluss schüttet das Spiel schon früh tumbe Untote aus, die als einzigen Weg die Luftlinie zwischen sich selbst und dem Point Man erkennen. Das sorgt einmal, zweimal, dreimal für aufregende Horrorpanik. Beim vierundzwanzigsten Mal stinken die aus Left 4 Dead geklauten "Zombies" allerdings nicht nur wegen ihrer Gammelfleisch-Aura und man wünscht sich die intelligente Frische eines F.E.A.R. zurück.

dsd
Brachial statt subtil: Die Action wurde aufgebohrt und das Erfüllen von Herausforderungen bringt Erfahrungspunkte.

Was wurde etwa aus unsichtbaren Gegnern, die für Herzklopfen und nervöse Zeigefinger sorgten?

Spielbuden-Ballern

Es geht nicht mehr um subtilen Grusel. Es geht auch nicht um taktische Gefechte. Es geht um schnelle, beinharte Action. Gelegentlich nimmt man sogar am Steuer eines brachialen Mechs Platz. Und so passen auch die Herausforderungen ins Bild – soundso viele Kopftreffer, Abschüsse aus der Deckung heraus sowie der Einsatz bestimmter Waffen. Immer wieder zeigen kleine Symbole den Fortschritt beim Erfüllen der Miniaufgaben an. Kopfschuss - Glückwunsch: "10 von 20 Kopfschüssen" - Glückwunsch in Zeitlupe: "Stufenaufstieg - Point Man kann jetzt ein Magazin mehr tragen" - und von vorn. Es spornt an. Stimmungsvoll ist es nicht. Apropos: Begeisterte Jason Graves zuletzt noch mit dem starken Soundtrack zu Dead Space 2, wiederholt er diesmal nur dieselben Versatzstücke, lässt seine Musik ansonsten aber erschreckend lustlos rumpeln.

Ein Atmosphäre-Patzer sind auch versteckte Leichen und Alma-Figuren, die nur schnöde Erfahrungspunkte bringen - ohne Erklärung, ohne Tonband-Aufnahme, ohne optionale Notiz im Spielmenü. Man klickt die Fundstücke einfach an, dann verschwinden sie. Die Day 1 Studios verzichten auch auf Hintergründe zur Handlung, die man über Anrufbeantworter oder Memos erfährt - schade.

Geist - gestört

Der neue Schwerpunkt hat allerdings auch gute Seiten: So sehr Taktik und Grusel nämlich vernachlässigt werden, so sehr rückt das gemeinsame Spiel in den Vordergrund. Mir hat es vor allem das kooperative Erleben der Kampagne angetan, denn wer dem Spiel eines Kumpels beitritt (man kann die Kampagne jederzeit alleine oder zu zweit bestreiten), schlüpft in die Haut von Paxton Fettel, dem Bruder des Point Man. Und der hat einiges auf dem Kasten! Zur Erinnerung: Im Finale des ersten F.E.A.R. richtete Point Man seinen Bruder mit einem Kopfschuss hin. So kann Fettel zwar keine Zeitlupe aktivieren, dringt als Geist aber in die Körper seiner Feinde ein, lässt sie von innen zerplatzen, schweben, zerquetscht sie in seiner Faust oder schleudert explosive Gegenstände nach ihnen. Was für ein bestialischer Spaß! Fettel ist als gestörtes Abbild Darth Vaders einer der krassesten Charaktere, die man in einem Spiel verkörpern kann.

Wieso erkennt Day 1 nicht das volle Potential des fiesen Biests? Wieso erhält man mit einem frühen Stufenaufstieg zwar die Möglichkeit, mit einem Kick auf einen Gegner zuzurutschen, schaltet später aber keine weiteren Fähigkeiten frei? Für beide Figuren werden lediglich passive Werte wie die Dauer der Zeitlupe automatisch gesteigert. Wenn es schon eine XP-Ballerbude sein muss, sollte man sie richtig aufstellen und gerade das Hinzukommen weiterer Fähigkeiten wäre überaus reizvoll. Dennoch: Als Paxton Fettel und mit einem Freund an meiner Seite hat mir die Kampagne richtig Spaß gemacht! Zumal beide Spieler um die Gunst von Alma kämpfen: Wer die meisten Punkte macht, wird ihr Lieblingssohn.

"Lauf, lauf, lauf!!!"

Und obwohl ich bevorzugt für mich alleine genieße, hat es mir sogar der Onlinekampf angetan. F.E.A.R. 3 erfindet das Rad weiß Gott nicht neu – es belebt aber z.B. den inzwischen schnöden Stellungskrieg gegen immer stärkere Gegnerwellen. Denn während die Geister attackieren, findet man außerhalb des sicheren Unterschlupfs Waffenkisten. Knifflig: Man kann nicht sprinten, während man die Kisten ins Versteck trägt. Also schleppt man sich durch das Schauben und Schiefen der anrückenden Untoten und hofft auf treffsichere Kameraden... Nur auf den Konsolen darf man jede Mehrspieler-Variante einschließlich der gemeinsamen Kampagne übrigens am geteilten Bildschirm erleben.

In einer zweiten Variante ist man selbst tot, kann aber in die Körper der zahlreichen Soldaten eindringen. Nur so kann man überhaupt angreifen, um im Wettlauf gegen die Mitspieler die meisten Seelen einzufangen. Und dann gibt es noch zwei Spieltypen, die frappierend an Left 4 Dead erinnern. Im ersten wehren sich bis zu vier Mann gegen schier unendliche Geister-Massen. Wunderbar makaber: Wer Alma anschaut oder nicht rechtzeitig von einem Kameraden wiederbelebt wird, verwandelt sich selbst zum Gespenst und kann auch hier in die Körper anderer Untoter oder Soldaten schlüpfen, um seinen ehemaligen Kumpels das Leben schwer zu machen.

So richtig hektisch wird’s aber erst im Modus "F**king Run!" (die verunglückte Übersetzung ins Deutsche muss man ignorieren), denn dort läuft das ganze Team um sein Leben. Hinter ihm: eine gigantische Nebelwand, die "Wand des Todes". Verschluckt sie auch nur einen Spieler, ist die Runde verloren - für alle! Also rennen, klettern und kämpfen vier arme Schlucker um jeden Meter, von Checkpunkt zu Checkpunkt. Jedes Mal, wenn ihnen die Todeswand bedrohlich nahe kommt, kündigt sie sich mit einem grausigen Brummen an. An diesem Punkt war es natürlich längst zu spät, aber hier hatte sie mich dann endlich doch gepackt: die pure Angst.

Fazit

Warum muss F.E.A.R. 3 draufstehen, wo kein F.E.A.R. drin ist? Die dritte Episode verzichtet auf subtiles Gruseln, cleveren Spannungsaufbau und sogar auf intelligente Action. Der ehemals taktische Kampf verkommt zum Schießbuden-Ballern – spätestens dann, wenn Dutzende Untote angestürmt kommen. Ein echtes F.E.A.R. ist das nicht. Die Trilogie wird zufriedenstellend beendet, ihre Geschichte aber wie ein B-Movie in wenigen Sätzen erzählt. Auch die schwache Technik und der ideenlose Kulissenaufbau verhindern das emotionale Abtauchen in Almas dritten Albtraum - das biegen weder die kooperative Kampagne noch die Multiplayer-Varianten wieder hin. Beide machen allerdings diebisch viel Laune! Wer in der Rolle von Paxton Fettel einen Kumpel begleitet, darf seine finstere Seite ausleben und der packende Terror im Onlinekampf weckt gute Erinnerungen an Left 4 Dead. Weil man in jedem Spieltyp für Abschüsse belohnt wird, freundet man sich irgendwann auch mit dem oberflächlichen Erfahrungssystem an. Und wenn man sich dann endlich damit abgefunden hat, dass aus F.E.A.R. ein oberflächlicher Spaß-Shooter geworden ist, dann macht die Action vor allem online richtig Laune.

Anmerkung zur deutschen Version: Der Test bezieht sich auf das internationale Original. Die in Deutschland veröffentlichte Fassung kommt ohne Blutspritzer aus, Gegner zerplatzen nicht, wurden um Ragdoll-Effekte erleichtert, lösen sich in Luft auf und es ist nicht möglich, Körperteile abzutrennen. Spielerisch ergeben sich daraus keine Nachteile – die Änderungen wirken sich lediglich auf die Atmosphäre aus. Die deutsche Sprachversion ist übrigens auch in der von uns getesteten PEGI-Fassung enthalten.

Pro

größtenteils clevere Gegner...
präzise Steuerung mit unaufdringlichem Deckungssystem
Kampagne einzeln und mit Partner spielbar
Koop-Partner besitzt übersinnliche Fähigkeiten
vier spannende Mehrspieler-Varianten
Koop- und Mehrspieler-Gefechte per Internet, LAN
Erfahrungspunkte für Aktionen wie Kopfschüsse...

Kontra

... die in eingleisigen Gängen kaum zur Geltung kommen
beliebig aneinander gereihte Spielabschnitte
künstlerisch langweilige und technisch schwache Kulissen
willkürliche Schockmomente ohne echte Wirkung
Fluten immer gleicher Gegner statt cleveren Spielaufbaus
ideenlos rumpelnde Musik
... dafür häufige Einblendungen statt packender Gruselstimmung
keine Mitbestimmung beim Ausbau der Fähigkeiten
abgesehen vom Kick beim Rutschen keine neuen Fähigkeiten
über weite Strecken belanglos erzählte Geschichte

Wertung

360

Spaß- statt Horror-Shooter: F.E.A.R. 3 ist nur ein Schatten seiner Vorgänger. Die kooperative Kampagne und das Onlinespiel machen allerdings richtig Laune.

PlayStation3

Spaß- statt Horror-Shooter: F.E.A.R. 3 ist nur ein Schatten seiner Vorgänger. Die kooperative Kampagne und das Onlinespiel machen allerdings richtig Laune.

PC

Spaß- statt Horror-Shooter: F.E.A.R. 3 ist nur ein Schatten seiner Vorgänger. Die kooperative Kampagne und das Onlinespiel machen allerdings richtig Laune.

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