Fight Night Champion04.03.2011, Michael Krosta
Fight Night Champion

Im Test:

Fight Night ist schon seit Jahren der King im Ring. Und das ist kein Wunder, denn über eine ernst zu nehmende Konkurrenz braucht man sich genau so wenig Sorgen zu machen wie die Klitschko-Brüder. Mit Champion will man den Boxsport jetzt zugänglicher machen, sich gleichzeitig aber auch mehr in Richtung Simulation bewegen. Kann das überhaupt zusammen passen?

Packender Einstieg

Der Schlag ist gewaltig, das Blut spritzt, Andre Bishop geht zu Boden. Ich versuche ihn mit Hilfe der beiden Analogsticks wieder auf die Beine zu stellen, während mich der Ringrichter gnadenlos anzählt. Drei...vier... Die Sicht ist immer noch verschwommen, das Jubeln der Zuschauer wirkt dumpf und ich höre die schweren Atemzüge, mit denen Andre nach Luft ringt. Sieben...acht... Puh, ich habe mich wieder gefangen und der Gong zur Pause kommt gerade rechtzeitig, damit ich in meiner Ecke wieder richtig zu mir komme. Aber was ist das? Das ist doch kein MGM Grand hier oder eine der anderen renommierten Boxarenen wie das Thomas & Mack Center oder das Royal London Theatre? Und warum tragen die Zuschauer orangefarbene Einheitsklamotten? Ich zähle eins und eins zusammen: Verdammt, ich bin im Knast gelandet und muss mich tatsächlich mit anderen Knackis prügeln! Dass man es dort mit Regeln nicht so genau nimmt, wird mir in der nächsten Runde klar, wo ich mit Tiefschlägen und Kopfnüssen eingedeckt werde, aber im Gegenzug auch entsprechend und ungestraft austeilen darf. Wird aus Fight Night jetzt etwa Fight Club? Nein, zum Glück nicht, denn überwiegend bleibt es auch in der neuen Karriere beim klassischen Boxen in großen Arenen. Dieser unerwartete Einstieg, bei dem man wie in Dead Space 2 gleich ins kalte Wasser geworfen wird, dient vor allem als Tutorial, in dem man sich mit den grundlegenden Mechaniken vertraut machen kann.

Vereinfachte Steuerung

Veteranen des Vorgängers werden sich hier umstellen müssen: Vergleichsweise komplizierte (Halb-)Kreisbewegungen für Haken sowie andere Bewegungsfiguren des rechten Analogsticks gehören der Vergangenheit an - stattdessen werden sowohl Jabs als auch Haken und Geraden jetzt auf insgesamt acht direkte Eingaben verteilt. Der Vorteil: Auch wenn die Boxer im Eifer des Gefechts immer noch ungewollt nachschlagen, werden hier meist die Aktionen ausgeführt, wie man sie sich vorgestellt hat - im Vorhänger verhaspelte man sich bei den komplexen Stickbewegungen häufiger. Zudem lassen sich Kombos viel schneller ausführen, was insgesamt für einen dynamischeren Kampfablauf sorgt, auch wenn damit das Boxen ab einem bestimmten Punkt zu einer wilden Klopperei verkommt. Mit der Zugänglichkeit schwindet allerdings auch der Anspruch, denn dank des neuen Systems schwingen auch Anfänger problemlos komplexere Schläge wie Kinn- oder Leberhaken.

Standardmäßig gehen die Angriffe zum Kopf, hält man den linken Trigger gedrückt, wird der Körper bearbeitet. Von einer im wahrsten Sinne gewaltigen Bedeutung ist außerdem der Punch-Modifikator, den man mit dem Halten des rechten Bumpers bzw. der R1-Taste benutzt: Mit ihm verleiht man seinen Schlägen mehr Wumms, auch wenn man für die gesteigerte Kraft etwas Geschwindigkeit opfern muss. Die extrem langsamen Haymaker, die man früher noch mühsam aufladen musste, gibt es hier nicht mehr - das Gleiche gilt für die Extraschläge, mit denen die Boxer früher aufwarten konnten. Schade, denn so büßen die über 50 lizenzierten Kämpfer, die sich vom Bantam- über das Mittel- bis hin zum Schwergewicht auf sieben Klassen verteilen, an Individualität ein.

Geblockt wird neuerdings automatisch.
Trotzdem macht es nach wie vor einen Unterschied, ob man mit einem Reichweiten-Monster wie Lennox Lewis oder einem begnadeten Infight-Terrier wie Mike Tyson in den Ring steigt. Wie gehabt verfügt jeder Boxer über eigene Stärken (und Schwächen) in Bereichen wie Schlagkraft, Beweglichkeit, Kondition oder Blocken.

Automatisches Blocken

Letzteres läuft neuerdings voll automatisch ab: Man muss lediglich den rechten Trigger gedrückt halten und schon schützt sich der Boxer von alleine und bewegt die Deckung von sich aus zum Kopf oder Körper. Trotzdem ist man durch die Mechanik nicht unverwundbar, denn vor allem mit Kombos kommt man immer wieder durch. Wie gut die Abwehr funktioniert, hängt vor allem von den individuellen Fähigkeiten des Athleten ab. Lassen die Reflexe insgesamt zu wünschen übrig, wirkt sich das auch auf die Deckung aus. Das Gleiche gilt für die Kondition - ein angeschlagener Boxer kann die Arme nicht mehr so lange effektiv vor seinem Körper halten, um sich gegen Angriffe zu schützen. Leider raubt diese automatisierte Block-Mechanik dem Spiel eine wichtige taktische Komponente, denn im Vorgänger musste man sich als Spieler noch selbst aktiv dafür entscheiden, ob man lieber den Körper oder Kopf schützt. Dabei spielte es sogar eine Rolle, ob man die Deckung mittig oder seitlich ansetzt. Zog man die Hände im richtigen Moment hoch, bekam man außerdem die Gelegenheit zu einem starken Konterschlag. Die gibt es bei Champions auch - allerdings nur, wenn man dem Angriff durch Pendeln ausweicht. Wann man die automatische Deckung nutzt, spielt hier keine Rolle mehr. Damit bewegt man sich bei der Mechanik im Vergleich zum Vorgänger einen Schritt zurück anstatt sie zu verbessern. Als Zuschauer wirken die Kämpfe authentischer, doch als Spieler spürt man aufgrund der vielen Vereinfachungen vermehrt einen Arcade-Touch anstatt eine anspruchsvolle Simulationen serviert zu bekommen.    

Blut ohne Verletzungen

Genau das spiegelt sich auch teilweise bei der Präsentation wider: Da wird Runde für Runde mit schweren Schlägen auf das Gesicht des Gegners eingedroschen, während man selbst ebenfalls schwer einstecken muss. Trotzdem sehen die Gesichter selbst nach einigen Runden in den Pausen viel zu frisch aus - es gibt kaum Kampfspuren. Was in diesem Zusammenhang aber dann überrascht, sind blutverschmierte Shorts

Mit dem Punch-Modifikator bekommen die Schläge mehr Wumms.
und sogar rote Spritzer auf dem Boden des Boxrings. Wo kommen die denn her, wenn es beiden Kontrahenten offensichtlich so blendend geht und von Verletzungen jede Spur fehlt? Ja, manchmal gibt es fiese Cuts, blutige Lippen und geschwollene Gesichter mit Augen, die als solche kaum noch zu erkennen sind. Aber es ist nicht nachvollziehbar, wann man diese Kampfauswirkungen sieht und wann nicht. Hier wirkt Champion insgesamt zu inkonsequent. Die Modellierung der lizenzierten Boxer ist ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Einige Kämpfer wie Mike Tyson oder David Haye sehen klasse aus und überzeugen mit realistischen Gesichtszügen sowie Körper-Details wie Tatoos, feinen Adern durch die Muskeln oder Schweißtropfen auf der Haut. Und dann gibt es wieder Beispiele wie die beiden Klitschko-Brüder, bei denen man schon während des Einmarschs mit dem Kopf schütteln muss, wenn die Mundwinkel wie bei einem Bad Boy nach unten gehen und überhaupt die gesamte Gestik sowie Mimik absolut nicht passt. Doch auch im Ring sehen die beiden virtuellen Schwergewichts-Weltmeister überhaupt nicht so aus wie ihre realen Pendants - allein die Deckungshaltung ist einfach falsch und lässt echte Zweifel daran aufkommen, ob die Entwickler überhaupt die Sportler genauer betrachtet und studiert haben, bevor sie in ihre "Simulation" gepackt wurden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es eigentlich das Mindeste, was man tun sollte...

Darüber hinaus muss man sich daran gewöhnen, dass es standardmäßig keine Gesundheitsanzeige mehr gibt - stattdessen wird lediglich die Ausdauer eingeblendet. Ist man im Champion-Modus oder online unterwegs, bekommt man sogar keinen Anhaltspunkt über den gesundheitlichen Zustand oder die Ausdauer des Gegenübers. Erst wenn dieser (oder man selbst) angeschlagen und benommen durch den Ring taumelt, werden beide Energieleisten eingeblendet.

Automatische Regeneration

Verletzungen und Kondition werden automatisch zwischen den Runden kuriert bzw. regeneriert - es gibt also weder die aus Round 3 bekannten Minispiele noch die manuelle Punkteverteilung, die man noch aus dem Vorgänger kennt. Dort konnte man sich immerhin noch dafür entscheiden, ob man seine Reserven in die Gesundheit, Kondition oder die Behandlung von Cuts investiert und entsprechend taktieren. Das alles fällt bei Champion leider unter den Tisch. Zumindest wird bei der automatischen Regeneration berücksichtigt, wie gut oder schlecht man in der voran gegangenen Runde gekämpft hat. Wer sich mit Luftschlägen ausgepowert und gleichzeitig ein paar schwere Treffer kassiert hat, sollte sich also nicht wundern, wenn man in seiner Ecke kaum frische Energie tankt. Gleichzeitig sollte man bedenken, dass sich die Erholung naturgemäß reduziert, je länger ein Kampf andauert. Wer erst in der zehnten von zwölf Runden auf die Idee kommt, vielleicht mal einen Gang zurück zu schalten, ist dafür etwas spät dran und dürfte kaum noch Reserven übrig haben, wenn er sich zuvor verausgabt hat. Man sollte also immer seine Konditionsanzeige im Auge behalten und die richtige Balance zwischen Angriffen, Deckung sowie Ruhepausen finden.

Den Schlüssel zum Sieg bilden erneut die Konterschläge in Verbindung mit dem Punch-Modifikator. Zwar ist das Zeitfenster hier nicht mehr so groß wie beim Vorgänger (es lässt sich in den Optionen anpassen), doch mit dem richtigen Timing und einer entsprechenden Wucht ist es sogar möglich, den Gegner mit nur einem gezielten Schlag auszuknocken. Im Gegensatz zu den Vorgängern ist es hier sogar möglich, den Kampf mit einem solchen Hammer vorzeitig beenden - man schickt den anderen Boxer also nicht nur auf die Bretter, sondern macht ihn komplett kampfunfähig. Das kann selbstverständlich nicht nur den KI-Profis, sondern auch einem selbst passieren.    

Grausige Wiederholungen

Wie gewohnt werden Niederschläge im Anschluss automatisch in einer Zeitlupe präsentiert, wobei man zwischen diversen Kameraperspektiven umschalten kann. Doch egal, für welche Einstellungen man sich entscheidet: Die Replays sehen meist furchtbar aus! Was fehlt, ist der Impact und damit die Wirkung des Schlages, die in den Sequenzen überhaupt nicht rüber kommt. Meist scheint es so, als würde die Schlaghand nur am Gesicht oder Körper des KO-Opfers entlang streicheln. Teilweise gibt es keine Reaktion auf den Punch - der Kopf gibt also gar nicht erst nach, sondern bleibt starr in der Haltung. Einzig bei Aufwärtshaken ans Kinn sieht man in den Replays die Auswirkungen des Schlages, indem der Kopf des Gegners nach hinten gedrückt wird. Aber selbst

In den Wiederholungen kommt die Wucht der Schläge leider nur selten zu Geltung.
das ist nicht immer der Fall und es kommt zum lächerlichen "Entlangstreicheln" am Gesicht, das angeblich zum Knockout geführt haben soll. Das ist alles viel zu harmlos und wurde im Vorgänger deutlich besser dargestellt. Warum dieser Rückschritt? Das darf man sich auch bei der Kameraführung fragen, wo man es bei den meisten Einstellungen mit der Dynamik etwas zu gut gemeint hat. Die Folge: Bei den vielen, z.T. heftigen Schwenks geht kurzzeitig die Übersicht verloren. Vor allem, wenn sich die Kamera hinter meinem Boxer positioniert, lassen sich Entfernungen überhaupt nicht mehr abschätzen. Zum Glück erlauben die Optionen einige Anpassungen, denn in den Standardeinstellungen reagiert mir die Kamera etwas zu nervös und ist unberechenbar.

Neben den Niederschlägen darf man sich aber auch jede andere Szene via Instant Replay erneut ansehen und diese auf Wunsch sogar in einem kleinen Schnitt-Menü editieren. Neben der Wahl des Ausschnitts wird man auch als Kameramann tätig, um den Schlagabtausch ideal einzufangen Hat man seine maximal 20 Sekunden Ruhm gefunden und fertig inszeniert, darf man das gespeicherte Video auch via Xbox Live und PSN mit der Online-Boxwelt teilen. Schade, dass man nicht auch komplette Runden oder gar Kämpfe in Wiederholungen festhalten und anderen zugänglich machen kann.

Der Weg zum Champion

Zurück zu Andre Bishop und dem Champion-Modus, der eindeutig die beste Neuerung von Fight Night Champion (ab 1,39€ bei kaufen) darstellt. Zwar versuchte zuletzt auch Don King Boxing, die Karriere mit Story-Elementen und realen Videosequenzen zu bereichern, doch erst die Entwickler von EA Canada schaffen es, ein stimmiges Gesamtpaket zu schnüren. Da wäre zum einen die kinoreife Inszenierung der Story, die zwar von Anfang an vorhersehbar ist und vor Stereotypen trieft, aber dennoch gute Unterhaltung auf Rocky-Niveau liefert. Neben den gelungenen Renderfilmen überzeugen auch die realen Szenen mit ESPN-Moderator Brian Kenny, die sich sehr gut ins Gesamtbild einfügen. Das Kommentatoren-Gespann bestehend aus Teddy Atlas und

Im Knast gelten andere Regeln - so gut wie keine!
Joe Tessitore macht ebenfalls wieder einen guten Job und wiederholt sich in den Aussagen nicht mehr ganz so häufig wie im Vorgänger. Trotzdem fällt neben der Menüstruktur, dem Statistik-Layout sowie Einmarsch- und Kampfanimationen auf, dass die Entwickler auch bei den Kommentaren exzessives Recycling betrieben haben - einige der Sprüche hat man bereits 1:1 im Vorgänger gehört. Genau wie dort gibt es auch hier nur englische Sprachausgabe. Während die Dialoge in den Zwischensequenzen immerhin noch deutsch untertitelt werden, werden Kommentare und Trainer-Tipps ausschließlich auf Englisch präsentiert.

Das Beste am Champion-Modus ist jedoch die enorme Abwechslung, die in dieser Form erst durch das Storygerüst möglich ist und im normalen Fight Night keinen Platz hätte. In einem Kampf wird Andre Bishop z.B. mit korrupten Punktrichtern konfrontiert, die vom hinterhältigen Promoter McQueen bestochen wurden. Hier kann man das Unrecht nur gerade rücken, indem man seinen Gegner ausknockt. Ein anderes Mal teilt der sympathische Boxer etwas zu stark aus und bricht sich bereits in der zweiten von zehn Runden die starke rechte Schlaghand. "Dann schlag ich halt mit der anderen", lässt Bishop seinen Trainer wissen, der gewisse Ähnlichkeiten mit Mickey Goldmill aus den Rocky-Filmen aufweist. Und genau daran sollte man sich als Spieler halten: Schlägt man weiter mit der verletzten Hand, kracht es nicht nur unangenehm aus den Lautsprechern, sondern man büßt auch massiv Gesundheit ein. Nur wer auf die linke Hand vertraut, hat bei dieser Herausforderung eine Chance.     

Defensiv & offensiv

Cuts sind bekanntlich eine fiese Angelegenheit - vor allem, wenn der Gegner in den Folgerunden weiter auf die Platzwunde eindrischt und die Lage noch verschlimmert. Deshalb besteht die Aufgabe in der Karriere manchmal darin, diese Treffer zu verhindern. Pro Runde darf die Faust nur in einer maximalen Anzahl auf dem Cut landen - wird das Limit überschritten, geht es zurück zum nächsten Checkpunkt und man muss einen neuen Versuch starten. Man wird also im Laufe des Champion-Modus darauf konditioniert, unterschiedlich zu kämpfen - mal defensiv, mal offensiv, wenn es z.B. gilt, den anderen Boxer bereits in der ersten Runde auf die Bretter zu schicken.

Die KI hat in diesem Modus ebenfalls ein paar Besonderheiten zu bieten, denn Stärken und Charakteristiken treten hier deutlich stärker in den Vordergrund als bei den üblichen Auseinandersetzungen. So kämpft einer von den Gegnern z.B. bis ca. eine Minute vor Rundenende extrem

Manche der gut 50 lizenzierten Boxer wurden gut modelliert...andere weniger.
defensiv und dreht erst dann gewaltig auf. Ein anderer zeichnet sich vor allem durch seinen rechten Haken aus, den man auf jeden Fall vermeiden sollte. Den Höhepunkt bildet allerdings der Endkampf gegen Isaac Frost, den unsympathischen und arroganten Weltmeister im Schwergewicht - besser kann man die Dramatik und Spannung eines Kampfes kaum einfangen: Der Trainer trichtert mir seinen Schlachtplan ein, die Menge jubelt bei jedem Treffer und dann setzt auch noch Musik ein, um die Atmosphäre perfekt zu machen. In der ersten Hälfte seiner Karriere steigt Bishop allerdings noch im Mittelgewicht in den Ring - erst im Knast, der mit seinen "Straßenkämpfen" einen herrlichen Kontrast zum offiziellen Boxen bietet, trainiert er sich zum Schwergewicht hoch. Auch eine Art der Frustbewältigung, denn nur aufgrund korrupter Cops und dem hinterlistigen McQueen ist er überhaupt erst unschuldig hinter Gittern gelandet. Leider ist der Abstecher in die faszinierende und abwechslungsreiche Welt des Andre Bishop schon nach etwa fünf Stunden vorbei und der Wiederspielwert hält sich aufgrund des streng linearen Ablaufs in Grenzen. Zumindest gibt es wie auch im übrigen Spiel vier Schwierigkeitsgrade, falls man neue Herausforderungen sucht. Obwohl der Champion-Modus schnell vorbei ist, gefällt mir dieser neue Ansatz ausgesprochen gut. Hoffentlich wird er in Zukunft weiter ausgebaut und bietet für einen höheren Wiederspielwert verschiedene Erzählstränge.

Mein Erbe

Wer auf Storyelemente pfeift und lieber seine eigene Erfolgsgeschichte schreiben möchte, ist beim Legacy-Modus richtig, der sich stark an der gleichnamigen Karriere des Vorgängers orientiert. Dabei hat man zunächst die Wahl, ob man sich mit einem bestehenden Boxer in der Weltrangliste nach oben schlagen will oder sich im umfangreichen Editor eine eigene Kampfsau bastelt. Wer will, kann sich dank PlayStation Eye, Microsofts Live Vision-Kamera oder über das Internet via Game Face selbst ins Spiel integrieren - Kinect als Alternative zur 360-Kamera wird leider nicht unterstützt. Genau wie die Highlight-Clips lassen sich auch selbst erstellte Boxer mit

Im Legacy-Modus kämpft man sich an die Spitze der Weltrangliste und verbessert seine Fähigkeiten in Trainingslagern.
anderen Usern teilen. Es dürfte also auch hier wieder nur eine Frage der Zeit sein, bis Rocky-Charaktere, Prominente und Stars von der Community zum Download angeboten werden. Dabei erweist sich das Bewertungssystem als hilfreich, mit dem die Spreu vom Weizen getrennt wird...

Wie schon bei Round 4 wirkt die Karriere auch hier mit ihren nüchternen Menüs wieder extrem trocken, obwohl ein paar neue Elemente Einzug halten. Da wären zum einen die Preisgelder, die ab sofort in Besuche von Trainingslagern investiert werden müssen. Dort verdient man sich Erfahrungspunkte, die mittlerweile sehr viel freier auf die diversen Fähigkeiten des Boxers verteilt werden dürfen. Außerdem wird neuerdings zwischen Box-Skills und Fitness unterschieden. Um Erstere zu verbessern, versucht man sich wie gehabt in Trainings-Minispielen wie Sandsack-Boxen, Schlagbirne oder Ausweichen. Diese lassen sich auch außerhalb des Legacy-Modus anwählen, so dass man auch zwischendurch trainieren kann. Nervig: Konnte man im Vorgänger alternativ noch ein automatisches Training absolvieren, muss man hier immer selbst ran. Das ist ätzend für die Leute, die eigentlich nicht viel mit den Minispielen anfangen können und sich lieber nur auf die Kämpfe konzentrieren möchten. Wenn es um das Fitnesstraining geht, stehen dagegen ausschließlich automatisierte Übungen auf dem Programm, die vor allem mit dem steigenden Alter des Boxers immer wichtiger werden. Irgendwann verschiebt sich der Trainingsplan nahezu komplett auf den Fitnessbereich, wenn man jenseite der 35 noch in der Lage sein will,um mit den Jungspunden mitzuhalten. Deshalb sollte man sich in den ersten Karriere-Jahren vornehmlich auf den Ausbau seiner boxerischen Fähigkeiten konzentrieren und sich erst später gezielt der Fitness widmen.

Der Online-Ring

Schon lokal an einer Konsole macht es trotz der kastrierten Spielmechanik noch viel Spaß, sich gegenseitig auf die Zwölf zu hauen. Noch mehr hat der Champion allerdings im Onlinebereich zu bieten: Neben Standard- und Ranglistenkämpfen bekommt man auch die Möglichkeit, einen Boxclub mit Freunden und Bekannten zu gründen. Dort treten nicht nur "Vereinskameraden" zur Clubmeisterschaft gegeneinander an, sondern auch andere "Gyms" lassen sich herausfordern. Daneben gibt es auch wieder eine Online-Weltmeisterschaft, bei der man sich regional und weltweit in den Bestenlisten nach oben kämpft. Infos zu den Champions, aktuellen Ergebnissen sowie Sportnachrichten aus der wirklichen Welt liefert ein Lauftext, der ständig aktualisiert wird. Ein eigenes E-Mail-System gehört ebenfalls zur Ausstattung, so dass einer problemlosen Kommunikation auch ohne Headset nichts im Wege steht. Genau wie beim Vorgänger wirkt das Tempo während der Onlinekämpfe erneut leicht gedrosselt, doch dafür wird man von heftigen Lags oder Verbindungsabbrüchen verschont.   

Fazit

Es gibt viele Dinge, die man an Fight Night Champion aussetzen kann: Die Kastrierung der taktischen Möglichkeiten durch automatisches Blocken und Regenerieren zum Beispiel. Oder die grausigen Wiederholungen, der immer noch zu nüchtern präsentierte Legacy-Modus, einige unglücklich modellierte Box-Profis, die etwas zu dynamische Kameraführung sowie die optische Diskrepanz zwischen Verletzungen und blutverschmierten Körpern oder Shorts. Die vereinfachte Steuerung hat dagegen sowohl Vor- als auch Nachteile: Zwar sinkt der Anspruch, doch wird die Präzision erhöht und das Ausführen von Kombos erleichtert. Leider führt Letzteres manchmal dazu, dass die Kämpfe wie eine stupide Klopperei bei einem viel zu hohen Tempo wirken, die mit dem authentischen Sport trotz der gelungenen Inszenierung nur wenig gemeinsam hat. Das Beste an Fight Night Champion ist neben den gelungenen Online-Komponenten der neue Karrieremodus: Die Geschichte ist zwar vorhersehbar und zu linear, aber wird in hervorragenden Videosequenzen präsentiert, während die Kämpfe mit ihren verschiedenen "Levelzielen" und Herausforderungen enorm viel Abwechslung und dramatische Höhepunkte bieten. Wer mit den Kompromissen leben kann, die man bei EA zugunsten der Zugänglichkeit eingegangen ist, bekommt mit Fight Night Champion ein unterhaltsames Boxspiel, das vor allem zu zweit für viel Spaß im Ring sorgen kann. Wer sich dagegen mehr Anspruch und taktische Möglichkeiten wünscht, sollte besser beim Vorgänger bleiben, der im Vergleich zu Champion immer noch die packendere Boxerfahrung bietet.

Pro

neuer Champion-Modus mit interessanten Ideen
hervorragend inszenierte Geschichte…
überarbeiteter Legacy-Modus…
eingängige Full Punch-Control…
umfangreicher Editor
detaillierte Boxer…
großes Schlag- und Komborepertoire…
effektives Kontersystem
anspruchsvolle KI-Gegner (vier Stufen)
über 50 lizenzierte Boxer in sieben Gewichtsklassen
lizenzierte (Original-)Arenen
zwei Steuerungsalternativen
geschmeidige Animationen
Community-Features
Lucky Punches möglich
toller Mehrspieler-Spaß
komplexeres Upgrade-System (Legacy)
spürbare Weiterentwicklung durch Training
interessante Online-Komponenten
bewährtes Kommentatoren-Duo
stabiler Netzcode ohne starke Lags

Kontra

keine Minispiele / strategische Punkteverteilung in Pausen
…die zu schnell vorbei ist und sehr linear abläuft
…der immer noch zu trocken präsentiert wird
…die (zu) stark vereinfacht wurde (z.B. durch Auto-Blocken)
grausig inszenierte Knockout-Szenen
…die nicht immer wie ihre realen Vorbilder aussehen
…ohne individuelle Extraschläge
übertrieben dynamische Kameraschwenks
Schlagabtausch wirkt oft wie eine stupide Klopperei
Trainingseinheiten nicht mehr automatisch möglich (Legacy)
Deckung z.T. etwas träge
Boxer sind kaum verletzt, aber tragen blutverschmierte Shorts

Wertung

360

Champion bietet weniger Spieltiefe und taktische Möglichkeiten als der Vorgänger, doch die kinoreife Karriere und starke Online-Komponenten überzeugen.

PlayStation3

Champion bietet weniger Spieltiefe und taktische Möglichkeiten als der Vorgänger, doch die kinoreife Karriere und starke Online-Komponenten überzeugen.

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