Im Test:
Schleichen wie in alten Zeiten
Es ist dunkel. Nein, es ist zappenduster. Ein vermummter Mann kauert unter einem Gitterrost. Über ihm patrouillieren Wachen. Aber er kann sie nur sehen, wenn er das Gitter etwas anhebt. Ansonsten kann er nur ihre Schritte hören, um sie zu identifizieren. Er sieht bzw. spürt, dass eine der Wachen (er hat drei gezählt) direkt über ihm ist. Er macht kurzen Prozess mit ihr und lässt sie gleich im Dunkeln verschwinden. Glück gehabt, denn wenn die anderen Aufpasser ihren toten Kollegen entdeckt hätten oder er ihn vielleicht unsauber getötet hätte, wäre sofort Alarm ausgelöst und die Suche nach ihm eingeleitet worden. Er verlässt seine Deckung, schleicht weiter durch die Dunkelheit und sucht sich ein neues Versteck. Dort, die Tür - ideal! Als er aus dem Vorsprung hervor lugt, sieht er, dass sich die anderen Gegner unterhalten. Hinter ihnen ist eine Lampe. Wenn er diese mit seinem Bambuspfeil zerstört, sind die Feinde auf ihre Stirnlampen bzw. die Lichtquellen unter ihren Gewehren angewiesen. Gesagt, getan: Der Pfeil zischt durch die Luft, das Glas der Lampe birst, Dunkelheit hüllt alle ein. Und als angenehmer Nebeneffekt sind die Wachen abgelenkt. Die vermummte Gestalt schleicht sich an seine Widersacher heran und schaltet den ersten aus. Der zweite fällt in Panik und schießt wild um sich. Mit einem eleganten Sprung an die Decke weicht der Vermummte den Geschossen aus und stürzt sich auf den einzigen noch verbliebenen Feind, um ihn von seinem Leid zu erlösen. Uff! Alles ist ruhig. Er geht weiter zur nächsten Tür. Verdammt, ein Hund hat seine Witterung aufgenommen...
Klassische Moderne
Dementsprechend wird man von einem spannenden Moment in den nächsten gestürzt: Wo sind die cleversten Verstecke? Wie kann man im Dunkeln bleiben? Wie kommt man ungesehen an diesem oder jenem Gegner vorbei? Wie kann man seine Feinde am effektivsten beseitigen? Dabei wird man immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Man muss Laserfallen ausweichen oder besser noch: den Schalter für sie finden und betätigen. Die Standardgegner mischen sich bald mit Truppen, die nur für einen hinterhältigen Angriff anfällig sind oder Minibossen, die erst durch Hilfsmittel betäubt werden müssen.
Es gibt Giftgruben, die man unter Zeitdruck durchqueren muss. Man muss Hunden und dem hohen Einzugsbereich ihres Geruchssinns Tribut zollen, Feinde mit Gasmasken, Sniper-Gewehren oder Nachtsichtgeräten bezwingen oder bei einem Gewitter tunlichst darauf achten, dass man sich im Moment des Blitzes nicht in offenem Gelände befindet, wenn man nicht gesehen werden möchte. Und wenn man glaubt, man weiß, wie man
Mit allen Sinnen
Nutzt man z.B. Rauchbomben, um Feinde zu verwirren (und so ganz nebenbei tödliche Laserstrahlen kurzzeitig zu egalisieren)? Oder verlässt man sich auf Krallenfüße, um sie zu betäuben? Doch egal für was man sich entscheidet: Alles muss teuer erkauft werden. Die Siegel, die man dafür benötigt, bekommt man auf unterschiedlichem Wege. Zum einen über Punktzahlen, die sich wiederum aus der Effektivität zusammensetzen. Ein getarnter Kill bringt mehr Punkte als ein ungetarnter, lässt man die Leiche verschwinden, gibt es einen kleinen Bonus. Auch für das erfolgreiche Verstecken und damit das Umschiffen aggressiver Situationen gibt es Extrapunkte. Abzüge gibt es jedoch, wenn man entdeckt wird, Alarm ausgelöst wird usw. Zusätzlich gibt es zahlreiche versteckte Schriftrollen (einige verstecken sich hinter gesonderten Herausforderungen) und Sekundärziele innerhalb der Abschnitte, die jeweils Siegel als Belohnung bereit halten. Es gibt viel zu tun, noch mehr zu probieren und man wird prinzipiell für alles belohnt, wenn es von Erfolg gekrönt ist.
Sie reagieren auf Geräusche, untersuchen ggf. den Ort der vermeintlichen Quelle. Wenn sie Kameraden sehen, reagieren sie unterschiedlich: Mal schlagen sie Alarm, mal gehen sie eigenständig auf die Tätersuche, können aber auch in Panik verfallen und z.B. wie wild um sich schießend für Kollateralschaden sorgen.
Fazit
Gratulation an Klei Entertainment. Nachdem man mit der Shank-Serie bereits Brawler à la Streets of Rage in zeitgemäßer Form präsentieren konnte, schwingen sich die Kanadier mit Mark of the Ninja zur Hochform auf. Mit einfachsten Mitteln und einer stilsicher eingesetzten 2D-Comic-Kulisse zeigt man hier im Kleinen, was viele "große" Schleich-Abenteuer vermissen lassen. Das clevere Leveldesign, das einen auch hinsichtlich Erforschung und Sprungsequenzen fordert, gibt einem bis auf wenige Trial&Error-Ausnahmen immer die Möglichkeit, die Probleme auf verschiedene Arten zu lösen - was dank der gut 30 freischaltbaren Upgrades zu interessanten Experimenten führt. Die Spannung wird dabei durch stets neue Gegner, Umgebungsgefahren und die Kombination beider auf einem enorm hohen Niveau gehalten. In Zeiten, in denen Sam Fisher nur noch ein Schatten seiner selbst ist, scheint dieser Comic-Ninja dazu bestimmt zu sein, die Schleichfahne bis zum nächsten Eintreffen von Solid Snake hochzuhalten. Und er ist ein verdammt würdiger Vertreter seiner Zunft.
Pro
Kontra
Wertung
360
Spannend, stylisch, fordernd: Ein zweidimensionaler Ninja zeigt eindrucksvoll, dass klassisches Schleichen noch lange nicht am Ende ist.
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