Mark of the Ninja12.09.2012, Mathias Oertel
Mark of the Ninja

Im Test:

Als ich gehört habe, dass sich die Shank-Macher von Klei Entertainment dem Thema "Fernöstliche Meuchelmörder" widmen, hatte ich mit einer Art zweidimensionalem Ninja Gaiden gerechnet. Doch das Ergebnis könnte nicht weiter davon entfernt sein. Mit Mark of the Ninja zelebrieren die Kanadier die hohe Kunst des spannenden Schleichens.

Schleichen wie in alten Zeiten

Es ist dunkel. Nein, es ist zappenduster. Ein vermummter Mann kauert unter einem Gitterrost. Über ihm patrouillieren Wachen. Aber er kann sie nur sehen, wenn er das Gitter etwas anhebt. Ansonsten kann er nur ihre Schritte hören, um sie zu identifizieren. Er sieht bzw. spürt, dass eine der Wachen (er hat drei gezählt) direkt über ihm ist. Er macht kurzen Prozess mit ihr und lässt sie gleich im Dunkeln verschwinden. Glück gehabt, denn wenn die anderen Aufpasser ihren toten Kollegen entdeckt hätten oder er ihn vielleicht unsauber getötet hätte, wäre sofort Alarm ausgelöst und die Suche nach ihm eingeleitet worden. Er verlässt seine Deckung, schleicht weiter durch die Dunkelheit und sucht sich ein neues Versteck. Dort, die Tür - ideal! Als er aus dem Vorsprung hervor lugt, sieht er, dass sich die anderen Gegner unterhalten. Hinter ihnen ist eine Lampe. Wenn er diese mit seinem Bambuspfeil zerstört, sind die Feinde auf ihre Stirnlampen bzw. die Lichtquellen unter ihren Gewehren angewiesen. Gesagt, getan: Der Pfeil zischt durch die Luft, das Glas der Lampe birst, Dunkelheit hüllt alle ein. Und als angenehmer Nebeneffekt sind die Wachen abgelenkt. Die vermummte Gestalt schleicht sich an seine Widersacher heran und schaltet den ersten aus. Der zweite fällt in Panik und schießt wild um sich. Mit einem eleganten Sprung an die Decke weicht der Vermummte den Geschossen aus und stürzt sich auf den einzigen noch verbliebenen Feind, um ihn von seinem Leid zu erlösen. Uff! Alles ist ruhig. Er geht weiter zur nächsten Tür. Verdammt, ein Hund hat seine Witterung aufgenommen...

Klassische Moderne

Fast so wie früher: Wer hier überleben möchte, muss seine Gegner studieren und sein Vorgehen planen - Spannung ist garantiert.
Fast so wie früher: Wer hier überleben möchte, muss seine Gegner studieren und sein Vorgehen planen - Spannung ist garantiert.
Ihr mögt klassische Schleichspiele? Titel wie Thief, Metal Gear oder die ersten Splinter Cells? Dann seid ihr hier genau richtig, auch wenn es hier nur in der zweiten Dimension zur Sache geht. In Zeiten, da selbst altgediente Helden wie Sam Fisher zu einem austauschbaren Action-Hauptdarsteller werden, schwimmen die Shank-Macher gegen den Strom. Sie setzen dabei auf klassische Mechanismen: Spannung, Dunkelheit, fordernde KI und cleveres Leveldesign, das einem mehrere Lösungswege offenbart. Ausgehend von den Bonusanzeigen nach Abschluss eines Abschnitts scheint es sogar möglich zu sein, die Levels ohne eine einzige Tötung abschließen zu können - hier werden Meisterschleicher gefordert. Doch in erster Linie ist man schon froh, wenn man die zwölf umfangreichen Abschnitte bewältigt, was einem schwer genug gemacht wird. Denn so mächtig der Ninja ist, solange er im Dunkeln bleibt, so verwundbar ist er bei Entdeckung durch die schwer bewaffneten Feinde.

Dementsprechend wird man von einem spannenden Moment in den nächsten gestürzt: Wo sind die cleversten Verstecke? Wie kann man im Dunkeln bleiben? Wie kommt man ungesehen an diesem oder jenem Gegner vorbei? Wie kann man seine Feinde am effektivsten beseitigen? Dabei wird man immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Man muss Laserfallen ausweichen oder besser noch: den Schalter für sie finden und betätigen. Die Standardgegner mischen sich bald mit Truppen, die nur für einen hinterhältigen Angriff anfällig sind oder Minibossen, die erst durch Hilfsmittel betäubt werden müssen.

Es gibt Giftgruben, die man unter Zeitdruck durchqueren muss. Man muss Hunden und dem hohen Einzugsbereich ihres Geruchssinns Tribut zollen, Feinde mit Gasmasken, Sniper-Gewehren oder Nachtsichtgeräten bezwingen oder bei einem Gewitter tunlichst darauf achten, dass man sich im Moment des Blitzes nicht in offenem Gelände befindet, wenn man nicht gesehen werden möchte. Und wenn man glaubt, man weiß, wie man

Licht ist der Feind des Ninjas.
Licht ist der Feind des Ninjas.
welches Problem umschiffen kann, werden sie einfach zusammengerührt und neu miteinander kombiniert. Dabei bleibt man bis auf wenige Trial & Error-Sequenzen, die sich scheinbar nicht außerhalb des vorgesehenen Pfades lösen lassen, stets fair - aber immer verdammt fordernd. Zumal man mit insgesamt gut 30 Upgrades in drei Kategorien (Angriff, Ablenkung, Tötungs- bzw. Fluchttechniken) ebenfalls viel Stoff zum Experimentieren findet.

Mit allen Sinnen

Nutzt man z.B. Rauchbomben, um Feinde zu verwirren (und so ganz nebenbei tödliche Laserstrahlen kurzzeitig zu egalisieren)? Oder verlässt man sich auf Krallenfüße, um sie zu betäuben? Doch egal für was man sich entscheidet: Alles muss teuer erkauft werden. Die Siegel, die man dafür benötigt, bekommt man auf unterschiedlichem Wege. Zum einen über Punktzahlen, die sich wiederum aus der Effektivität zusammensetzen. Ein getarnter Kill bringt mehr Punkte als ein ungetarnter, lässt man die Leiche verschwinden, gibt es einen kleinen Bonus. Auch für das erfolgreiche Verstecken und damit das Umschiffen aggressiver Situationen gibt es Extrapunkte. Abzüge gibt es jedoch, wenn man entdeckt wird, Alarm ausgelöst wird usw. Zusätzlich gibt es zahlreiche versteckte Schriftrollen (einige verstecken sich hinter gesonderten Herausforderungen) und Sekundärziele innerhalb der Abschnitte, die jeweils Siegel als Belohnung bereit halten. Es gibt viel zu tun, noch mehr zu probieren und man wird prinzipiell für alles belohnt, wenn es von Erfolg gekrönt ist.

Textttte
Auch was nicht im direkten Sichtfeld liegt, ist wichtig für den erfolgreichen Abschluss.
Ein großes Kompliment muss ich Klei angesichts der Visualisierung der einzelnen Elemente dieser Comic-Meuchelei machen: Man hat wirklich das Gefühl, sich auf die geschärften optischen und akustischen Sinne des Ninjas verlassen zu müssen. Versteckt man sich z.B. unter einem Gitter oder hinter einer geschlossenen Tür, verschwindet die nicht im Blickfeld befindliche Umgebung hinter einem Schleier und es werden nur die Schritte der nicht identifizierten bzw. lokalisierten Gegner angezeigt. Lugt man heraus,sieht man die genauen Positionen - die jedoch langsam wieder verschwinden, wenn man sich erneut in sein Versteck zurück zieht. Zudem besteht auch die Gefahr, dass man von den Feinden entdeckt wird. Diese verlassen sich übrigens nur auf ein paar wesentliche KI-Routinen. Die sind allerdings so gut umgesetzt, dass man zwar bestimmte Situationen vorhersehen kann (und auch sollte, damit man sie für seine Zwecke entfremden kann), aber innerhalb der Levelstrukturen gehörig aufpassen muss, wenn man ihnen ein Schnippchen schlagen möchte.

Sie reagieren auf Geräusche, untersuchen ggf. den Ort der vermeintlichen Quelle. Wenn sie Kameraden sehen, reagieren sie unterschiedlich: Mal schlagen sie Alarm, mal gehen sie eigenständig auf die Tätersuche, können aber auch in Panik verfallen und z.B. wie wild um sich schießend für Kollateralschaden sorgen.

Fazit

Gratulation an Klei Entertainment. Nachdem man mit der Shank-Serie bereits Brawler à la Streets of Rage in zeitgemäßer Form präsentieren konnte, schwingen sich die Kanadier mit Mark of the Ninja zur Hochform auf. Mit einfachsten Mitteln und einer stilsicher eingesetzten 2D-Comic-Kulisse zeigt man hier im Kleinen, was viele "große" Schleich-Abenteuer vermissen lassen.  Das clevere Leveldesign, das einen auch hinsichtlich Erforschung und Sprungsequenzen fordert, gibt einem bis auf wenige Trial&Error-Ausnahmen immer die Möglichkeit, die Probleme auf verschiedene Arten zu lösen - was dank der gut 30 freischaltbaren Upgrades zu interessanten Experimenten führt. Die Spannung wird dabei durch stets neue Gegner, Umgebungsgefahren und die Kombination beider auf einem enorm hohen Niveau gehalten. In Zeiten, in denen Sam Fisher nur noch ein Schatten seiner selbst ist, scheint dieser Comic-Ninja dazu bestimmt zu sein, die Schleichfahne bis zum nächsten Eintreffen von Solid Snake hochzuhalten. Und er ist ein verdammt würdiger Vertreter seiner Zunft.

Pro

spannendes Schleichen
unterschiedliche Lösungswege
fast 30 Upgrades
stets neue Anforderungen
akkurate Kollisionsabfrage
Sicht- und Hörfeld der Gegner muss beachtet werden
größtenteils gut reagierende KI
gute englische Sprachausgabe
gelungene Comic-Kulisse
viele Geheimnisse

Kontra

Geschichte etwas konfus
Trial & Error (selten)
keine deutsche Sprachspur
Steuerung bei Sprüngen manchmal fummelig
KI gelegentlich zu starr in ihren Routinen und Wegen

Wertung

360

Spannend, stylisch, fordernd: Ein zweidimensionaler Ninja zeigt eindrucksvoll, dass klassisches Schleichen noch lange nicht am Ende ist.

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