Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia22.12.2005, Benjamin Schmädig
Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia

Im Test:

Der Leinwandstreifen "Die Chroniken von Narnia" schwimmt im Fahrwasser von Genregrößen wie "Der Herr der Ringe" oder "Harry Potter" durch das Weihnachtsprogramm und will gleichermaßen Fantasyepos wie Kindermärchen sein. Das Spiel orientiert sich ebenfalls an den interaktiven Umsetzungen der Filmvorbilder und wagt einen Spagat zwischen anfängergerechtem Levelaufbau und taffen Endgegnern, die den Profi fordern. Spricht die Mischung beide Zielgruppen an oder bleiben sie gleichermaßen auf der Strecke?

Konsoliges Kinofeeling

Was habe ich mich auf den Film gefreut – und wie sehr wurde ich enttäuscht: Eine lieblos erzählte Geschichte, die den Hauch des großen Mythos missen lässt, wird von einem kaum erkennbaren Spannungsbogen und unspektakulären Kampfszenen flankiert. Nach den weihnachtlichen Epen der letzten vier Jahre war man verwöhnt und durfte zu Recht mehr erwarten als einen Streifen, der sich in drei Jahren unauffällig ins Nachmittagsprogramm eines Samstags einfügen könnte. Nein, das ist nicht jenes Epos, von dem ich mir die alljährliche Dosis Fantasy-Futter erhofft hatte.

Falls ihr jetzt aber schon am Weiterklicken seid, habt Geduld,

In der Nahaufnahme sehen die Kids etwas zu künstlich aus.
denn die Rede ist von der Regiearbeit des Neuseeländers Andrew Adamson (Shrek 2). Bei der Umsetzung des Abenteuers für interaktive Konsolenhelden sieht die Sache dagegen ganz anders aus: Nah an der Handlung des Films erlebt ihr die Geschichte wie sie hätte sein sollen und erfreut euch an umwerfenden Bildern, welche der Story um die vier Pevensie-Geschwister, die Narnia von der Weißen Hexe befreien, den passenden epischen Rahmen verleihen.

Träumen leicht gemacht

Ihr schlagt euch durch tiefe schneebedeckte Wälder oder geht auf Zehenspitzen über zugefrorene Seen, während ihr die matten Spiegelungen auf dem nur teilweise lichtdurchlässigen Eis bestaunt – die Kulisse ist grandios! Ein leichter Dämpfer erwartet euch lediglich dann, wenn die Kamera nah an die Akteure heran fährt, da in diesen Momenten künstlich wirkende Figuren mit Plastiklook im Fokus stehen. Aus der Ferne betrachtet fällt dies allerdings nicht auf, zumal die Animateure sämtliche Charaktere glaubwürdig in Szene gesetzt haben. Spätestens dann, wenn das Eis in Narnia langsam taut und die Armeen der Weißen Hexe Bildschirm füllend aufmarschieren, genießt ihr eine der schönsten Versoftungen dieser Tage.

Glücklicherweise passen die verträumten bis pompösen Klänge aus der Feder von Harry Gregson-Williams wie die Faust aufs Auge. Im Kino hatte ich mir schon Sorgen um die Qualitäten des Metal Gear Solid-Komponisten gemacht – zu abgetrennt vom Geschehen wirkte die Musik. Dem Spiel tut der von einzelnen Szenen unabhängige Soundtrack aber gut. Würde es innerhalb der Levels Sprachausgabe geben, könnte auch die restliche Akustik voll überzeugen. So heben lediglich die erstklassigen Effekte sowie die Originalstimmen während der Zwischensequenzen den Klang auf gehobenes Niveau.

Die Möbeldrescher kommen

Den Filmfan erwarten natürlich jede Menge Filmschnipsel, welche die Entwickler mit einem effektiven Trick ins

Schöner sah Schnee selten aus: Das virtuelle Narnia ist wesentlich beeindruckender als die Studiokulisse aus dem Kino.
Spiel einpassen: Während der letzten Sekunden eines solchen Auszugs wird von Kinomaterial zu Ingame-Grafik umgeblendet, so dass die anschließende Kamerafahrt wie eine natürliche Fortsetzung der Szene wirkt. Kennern des Streifens könnte höchstens die Tatsache sauer aufstoßen, dass einige Abschnitte an den Haaren herbei gezogen scheinen. Während Peter z.B. auf der Leinwand sein Schwert in einen heran springenden Wolf rammt (eigentlich eine Sache von drei Sekunden), erlebt ihr hier gleich einen Bosskampf inklusive unzähliger weiterer Widersacher.

Ebenso unglaubwürdig ist auch ein Element im Spiel selbst: Um an Geld zu kommen, haut ihr einfach sämtliches Mobilar kurz und klein – Fässer, Tische und Stühle geben Münzen à la "Super Mario Bros." frei, die ihr beim Einkaufen von Spezialfähigkeiten verscherbeln dürft. Liebe Entwickler: Hätte man die notwendige Währung nicht eleganter einbauen können? Wieso muss ich in einem modernen Softwaretitel Möbelstücke schlagen? Vom fehlenden Sinn des Ganzen mal ganz abgesehen, sieht das einfach albern aus.      

Einfältige Verwandschaft

Zum Glück handelt es sich bei dieser Kuriosität um einen Einzelfall, denn der Rest des Abenteuers bietet spannende Action, die mit überraschend vielen Ideen begeistert. Dabei bieten die Kämpfe noch nicht einmal eine ausgefeilte Mechanik zum Erledigen der Feinde. Und die KI von Ogern, Wölfen oder Trollen hat nicht mehr auf dem Kasten als rudimentäre Verfolgungsroutinen inklusive gelegentlicher Attacken.

Bilder wie diese erlebt ihr im zweiten Teil des Abenteuers immer wieder.
 Selbst die eigene Sippe gehört nicht zum Cleversten, was je das Licht der virtuellen Welt erblicken durfte. Zum einen stehen eure Geschwister mit Vorliebe im Weg herum, was besonders in jenen Levels stört, wo euch die Uhr im Nacken sitzt. Zum anderen könnt ihr froh sein, wenn der Rest der Truppe wenigstens alle paar Sekunden mal die Waffe in Richtung Gegner schwingt. Aber selbst dann sind eure Verwandten keine große Hilfe, denn Schaden richten sie kaum an und Spezialtechniken beherrschen sie schon gar nicht.

Seid ihr also ganz auf euch allein gestellt und plättet die Anhänger der Weißen Hexe mit simplem Button-Mashing? Weit gefehlt! Zwar lassen sich die meisten Auseinandersetzungen in der Tat durch pures Knopfdrücken bewältigen, aber man merkt auch jedem Level an, wieviel Mühe die Entwickler in die Erschaffung eines abwechslungsreichen Erlebnisses gesteckt haben – was ihnen zumeist bravourös gelungen ist. Da wären z.B. die Fähigkeiten der Kinder, dank derer Susan ihre Gegner einschläfert oder sich Peter und Edmund mit besonders mächtigen Hieben durch die Widersacher schnetzeln. Am meisten hat mir aber eine Fertigkeit der schwachen Lucy gefallen, mit der sie auf den Rücken der Bösewichter springen und die Kreaturen so als Waffen nutzen kann. Nicht zu vergessen auch das geschwisterliche Band: Bringt zwei der Kids zusammen und schon stehen euch weitere Techniken zur Verfügung. Ihr dürft nach Herzenslust herumprobieren – ausreichend finanzielle Mittel vorausgesetzt – was euer Repertoire um starke Angriffe, Schilde und Heilzauber erweitert, ohne dass ihr einen unfairen Vorteil aus den Fähigkeiten ziehen würdet. Vor allem aber macht das Experimentieren ausgesprochen viel Laune und hält dank der zahlreichen Möglichkeiten bis zum Schluss bei der Stange.

Abwechselnder Fantasyalltag

Abgesehen davon seht ihr euch immer wieder vor Hindernisse gestellt, die ihr nur mit bestimmten Fertigkeiten überwinden könnt. Lucy z.B. kriecht durch enge Höhlen, während Susan mit Pfeil und Bogen schießt und Edmund auf Bäume klettert. Obwohl ihr auf diese Art sehr einfache Rätsel löst, sind meist die Gesichter der einzusetzenden Geschwister über dem Hindernis zu sehen, so dass ihr euch ganz auf die Action konzentrieren könnt – nur Zeitlimit und feindliches Getier sorgen dafür, dass ihr gehörig ins Schwitzen geratet – was mitunter richtig Nerven kostet. Stets neu auftauchende Gegner, die fast ausschließlich auf den handelnden Charakter zustürmen und von euren Mitstreitern kaum angegriffen werden, sorgen hin und wieder für frustrierende Momente.

Die unfreiwillige Wildwasserfahrt sorgt für Abwechslung im Heldenalltag.
Dazu kommen einzelne Abschnitte, die um ein Vielfaches anspruchsvoller sind als der Rest des Spiels sowie eine mitunter zu weit vom Geschehen entfernte Kamera, was der Motivation einen spürbaren Dämpfer verpasst. Einsteiger sollten sich die Reise nach Narnia deshalb zweimal überlegen, Profis stehen hingegen nach etwa zehn Stunden vor der Weißen Hexe.

Im Gegenzug sind die Auseinandersetzungen mit den Zwischengegnern hervorragend inszeniert: Cineasten freuen sich über den teilweise geskripteten Ablauf, Gamer begeistert die Mixtur aus reinem "Auf sie mit Gebrüll!" und dem Drücken der richtigen Buttons an den richtigen Stellen. Für Auszeiten vom kämpferischen Alltag sorgen übrigens Sequenzen, in denen ihr auf Eisschollen einen reißenden Strom entlang fahrt oder euch mit Lucy oder Edmund vorsichtig über brüchiges Eis tastet. Alles in allem ist "Die Chroniken von Narna" einer der abwechslungsreichsten Titel dieser Tage, der noch dazu wunderbar schnell zu begreifen ist. Ihr werdet sanft in die einfache Steuerung eingeführt und bekommt später stets gezeigt, welchen Button ihr wo drücken müsst. Wie inzwischen üblich müsst ihr übrigens nur einen zweiten Controller an die Konsole anschließen und schon könnt ihr gemeinsam mit Freund oder Freundin in die Fantasywelt abzutauchen. Schwieriger wird es dabei nicht: Die Gegner sind so zahlreich wie im Solospiel und lassen sich im Duett damit einfacher plätten als allein.   

Fazit

Ich sehe die Filmumsetzung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lachend, weil die vier jungen Helden wunderbar zusammen arbeiten, richtig coole Tricks auf Lager haben und sich intuitiv steuern lassen. Weinend aber, weil das Experimentieren mit den Fähigkeiten zwar gefördert, aber kaum gefordert wird. Die Kämpfe sind schrecklich anspruchslos, da man sich meist auch mit einfachem Button-Mashing durch die Fieslinge Narnias schlagen kann. Wer nicht von sich aus Lust am Probieren entwickelt und noch dazu keine Lust hat, das Geld für die Tricks beim Schlagen auf Einrichtungsgegenstände zu verdienen, der könnte sich im eisigen Fantasyland schnell langweilen. Wenn ihr euch aber selbst fordert, werdet ihr viel Spaß mit den Kids und ihren Fähigkeiten haben. Vor allem werden aber die Fans großartiger Kulissen und gelungener Filmumsetzungen begeistert sein: So erfolgreich wie "Die Chroniken von Narnia" hat mich schon lange kein Spiel mehr in seine Welt gezogen – von versofteten Kinoabenteuern ganz zu schweigen. Unterm Strich bleibt ein hervorragender Titel, dem die banalen Kämpfe und der sprunghafte Schwierigkeitsgrad einen Oscar – Verzeihung – Award verweigern.

Pro

wunderschöne Kulisse
erstklassiger Soundtrack
ansprechende Akustik
jede Menge Spezialfähigkeiten
viele Filmszenen
fließende Übergänge von Film zu Spiel
schnell erlernbare Steuerung
abwechslungsreicher Ablauf
spannende Bosskämpfe

Kontra

äußerst schwache KI
keine Sprache in den Levels
ohne Spezialtechniken recht monoton
seltsames Verdienen von Münzen
wechselnder Schwierigkeitsgrad
teilweise zu wenig Übersicht

Wertung

PlayStation2

Wunderschöne Filmumsetzung, die zu wenig aus den coolen Tricks der Helden rausholt, um so richtig zu begeistern.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.