Two Worlds09.05.2007, Jörg Luibl
Two Worlds

Im Test:

Wann gab es das letzte gute Fantasy-Rollenspiel? Wann konnte man das letzte Mal mit Schwert und Schild in eine freie Spielwelt mit faszinierender Landschaft, spannenden Quests und offener Karriere abtauchen? Knapp ein Jahr ist es her, dass The Elder Scrolls IV: Oblivion auf hohem Niveau unterhalten konnte. Sechs Monate später enttäuschte Gothic 3. Jetzt will es Two Worlds (ab 3,50€ bei kaufen) wissen…

Die verlorene Schwester

Sie ist weg. Einfach verschwunden. Gerade eben saß sie noch verwundet an einem Baumstamm, jetzt ist weit und breit

Der Einstiegsfilm ist zwar keine technische Augenweide, aber macht neugierig: Noch ist eure Schwester Kira in Sicherheit. Verwundet und erschöpft lehnt sie an einem Baum...
nichts mehr von ihr zu sehen. Ihr Name ist Kira, sie ist verwundet, hat langes schwarzes Haar und trägt nur den Hauch eines Kleides mit aufreizend tiefen Einblicken. Was tun, wenn man in der Rolle des heroisch denkenden Bruders steckt? Vor allem, wenn man kämpferisch geschult ist und auf das eher mäßige Intro pfeift? Erstmal fluchen. Dann noch mal kräftig fluchen. Und danach das Schwert umschnallen, um das Schwesterherz mit Stahl in der Hand zu befreien!

Aber die Welt von Antaloor ist eine riesige. Von den trockenen Wüsten Drak'ars bis zu den verschneiten Gipfeln des Deladkullgletschers, von lauschigen Wäldern bis hin zu tückischen Bambussümpfen reicht ein 30 Quadratkilometer großes Gebiet mit drei Klimazonen, zig Dörfern und Städten. Hinzu kommen 50 bis 60 Dungeons und Höhlen mit einer Gesamtstrecke von 25 Kilometern. Seit sich die Zwerge in den Norden zurückgezogen haben, wimmelt es auch noch vor Banditen und Groms. Und da ist der Krieg: Orks und Menschen stehen sich am Fluss Gon gegenüber - Katapulte stehen bereit, Wachen werden verstärkt.

Nazgul sind überall

Obwohl man sich als namenloser, aber sehr ehrgeiziger Kopfgeldjäger verdingt, scheint die Suche zunächst hoffnungslos - mehrere Wochen vergehen. Ihr habt allerdings Glück im Unglück: Die Geiselnehmer melden sich plötzlich mit einer Botschaft. Eine mysteriöse Nachricht beordert euch zur Erntezeit in ein kleines Kaff namens Komorin. Dort wartet ein schwer gerüsteter Kapuzenträger auf euch, der das Schicksal eurer Schwester von eurer Kooperation abhängig macht. Ihr sollt bestimmte Aufträge erfüllen, dann würde ihr kein Leid geschehen...

Was will der Mann, der sich Gandohar nennt und auch glatt als Tolkien'scher Nazgul durchgehen könnte? Wer steckt hinter der Entführung? Kaum hat man ihn getroffen und erste Aufträge erledigt, versinkt man recht schnell in einer Geschichte rund um ein mächtiges Familienerbstück, das mit dem Schicksal des ganzen Landes zusammen hängt. Gibt es deshalb diese seltsame Seuche und die Überfälle der Orks?

...aber dieser gesichtslose Fremde mit dem Nazgul-Geruch entführt sie. Könnt ihr sie befreien? Und wer ist das überhaupt?
Antworten haben einige Schlüsselpersonen sowie eure Schwester parat: Die einzige Verbindung zu ihr bilden heilige Haine, in denen sie übersinnlich Kontakt zu euch aufnehmen kann. Richtig interessant wird es, als mit Reist ein zweiter Kapuzenträger auf die Bühne tritt, der scheinbar ganz andere Ziele verfolgt als Gandohar. Und was hat es mit dem Familienrelikt auf sich? In fünf Teile zerbrochen, scheinen es alle darauf abgesehen zu haben.

Robin Hood & Herr der Ringe

Das ist die erzählerische Ausgangssituation, die neugierig macht. Sobald man ins Gespräch mit Bewohnern kommt, offenbart sich nicht nur die Geschichte Antaloors, sondern auch ein aktueller Konflikt. Der königliche Untertan Lord Skelden hetzt seine Steuereintreiber auf die Bevölkerung, die in Minen schuften muss, der einheimische Karga Clan rebelliert. Hinzu kommen Gerüchte von Seuchen, Mördern, Menschenfressern und orkischen Propheten.

Das Ganze erinnert an einen Mix aus Robin Hood, Conan und Herr der Ringe. Was für eine Art Fantasy serviert Two Worlds? Eine ebenso exotische wie heroische Fantasy. Exotisch, weil es neben klassischen Rittern, Orks und Drachen nicht nur fernöstliche und arabische Elemente wie Samurai, Geishas oder Kamele, sogar römisch anmutende Legionäre, sondern auch fast futuristisch wirkende Insekten und bizarre Kreaturen gibt. Stilistisch gesehen verbindet Antaloor historisch Bekanntes und Bizarres. Heroisch, weil nicht das harte Leder, mittelalterliche Grau- und Brauntöne, sondern funkelnde Rüstungen, gleißende Magie und riesige Mauern im Vordergrund stehen.

                       

Charaktererschaffung

Obwohl ihr euch weder Volk noch Klasse oder Anfangstalente aussuchen könnt, dürft ihr euer Äußeres anpassen. Weibliche Helden stehen zwar nur im verkorksten Multiplayermodus zur Verfügung, den wir auf der letzten Seite besprechen, dafür könnt ihr Hand an männliches Haar, Haut und Gesicht

Leider sind die Möglichkeiten der Heldenerschaffung sehr beschränkt - man hat kaum Auswahl an Frisuren; Bärte gibt's gar nicht.
legen, selbst Wangenknochen und Augenabstand lassen sich verändern. Hört sich gut an, aber leider lässt sich mit dem Editor kein all zu individuelles Ergebnis erzielen - dazu fehlen mehr Frisuren und Barttypen. Das ist zu wenig, um einen eigenwilligen Typen zu erschaffen. Irgendwie kommt am Ende immer ein slawisch anmutender Held heraus; aber das ist kein Problem: der kann ja auch zufrieden stellen. Und spätestens, wenn ihr die zahllosen Rüstungstypen findet, die vom Helm über Handschuhe, Brustpanzerungen und Stiefel in allen erdenklichen Materialien und Farben reichen, ist auch eine Individualisierung möglich - alles wird sofort am Helden angezeigt, die Auswahl ist gigantisch.

Aber die ersten Schritte in der Spielwelt bestreitet man ohne Herzklopfen. Das Intro ist technisch mager, das erste Dungeon ist lieblos designt, die Gesprächspartner wirken hölzern. Was motiviert nach diesem schwachen Einstieg, der weder filmisch noch dramaturgisch packen kann? Die große Stärke des Spiels liegt in der Charakterentwicklung, denn die ist herrlich frei und angenehm komplex. Es gibt mit Lebenspunkten, Stärke, Geschicklichkeit und Willenskraft zwar nur vier Grundwerte, aber daneben zig Fähigkeiten vom Reiten über das Schwimmen, den Diebstahl, das Schlösser knacken, das Schleichen, dazu diverse Paraden und Attacken sowie vier magische Schulen. Was man allerdings nicht findet sind Softskills - also Charisma, Moral oder Überredungskunst. Es gibt kein Gut und Böse, keine Sympathiewerte oder ethisches Feedback wie z.B. in Star Wars: Knights of the Old Republic  (KotOR). Die Action steht im Vordergrund steht; man kann nur ganz wenige Quests, wie z.B. eine Brautwerbung, nur über Dialoge lösen. Im Gegensatz zu The Elder Scrolls IV (Oblivion) findet ihr hier auch keine Bücher oder Abhandlungen über die Welt - ihr erfahrt alles über Dialoge.

Freie Fantasy-Karriere

Man verbessert seine Fähigkeiten nicht durch Anwendung, sondern durch das Verteilen von Punkten, die nach jedem Aufstieg winken. Es gibt übrigens keine Levelbegrenzung: Wer nach zehn Stunden auf der 30. Stufe ist, hat also noch eine Menge vor sich. So manches neue Spezialtalent wie etwa das elegante Führen von zwei Klingen muss man allerdings bei einem Trainer erwerben, um es anwenden und entwickeln zu können. Ihr könnt euren Helden letztlich in allen kämpferischen und arkanen Richtungen schulen, ihr könnt ihn zum schleichenden Dieb oder zum präzisen Schützen ausbilden, ihr könnt Mischklassen formen, damit ihr sowohl kräftig zuschlagen als auch tödlich zaubern könnt. Ein Nekromant mit starkem Schwertarm? Kein Problem! Ein Meuchler mit vergifteter Klinge und Luftzauber? Bitte sehr!

Aber wen interessieren Bärte, wenn man irgendwann in voller Rüstung samt Helm so aussieht? Two Worlds ist ein Eldorado für Langschwert- und Kettenhemdfetischisten.
Obwohl es kein moralisches Feedback gibt, wird man machtpolitisch bewertet. Die Welt von Antaloor wird von sieben Fraktionen beherrscht: Magier, Händler, Krieger, die Rebellen und die Königstreuen warten in nahezu jeder Stadt mit Aufträgen. Hinzu kommen eine Diebesgilde sowie die gejagten Nekromanten. Erledigt ihr Botengänge, Überfälle oder gar Morde steigt ihr im Ansehen auf einer Skala von null bis zehn. Diese Karriere kann sich im doppelten Sinne lohnen: Die Händler gewähren euch z.B. Rabatte, die Rebellen lassen euch auf ihre Lager zugreifen. Und je besser euer Ruf, desto lukrativer und gefährlicher werden die kommenden Aufträge. Die Reaktionen auf euren Aufstieg sind lebendig: Ihr werdet freundlicher empfangen, man gewährt euch Zutritt zu allen Räumlichkeiten - hier macht Two Worlds richtig Spaß.

Und vor allem die Ausbildung neuer Talente ist motivierend. Findet ihr einen Trainer, könnt ihr neue passive oder aktive Fähigkeiten erlernen. Zu Beginn ist das noch alles erschwinglich: Ein Präzisionsschuss für Bogenschützen kostet läppische 300 Goldstücke. Habt ihr das erlernt, lässt sich das Ganze über die Verteilung von Skillpunkten noch ausbauen. Später kommen Finessen wie der mächtige Rundumschlag, die hinterhältige Attacke, der multiple Pfeilschuss oder das gezielte Entwaffnen der Gegner hinzu, die schon mal mit 10.000 Gold zu Buche schlagen.

Und alles ist nachvollziehbar: Jede verbesserte Effizienz, jede gesteigerte Wahrscheinlichkeit wird sofort angezeigt; so kann man sich gezielt verbessern. Allerdings hat die Fülle an Hintergrundberechnungen ihren Preis, denn in Two Worlds wird fast alles passiv erledigt. Sprich: Diebe müssen sich nicht mit einem Minispiel samt Dietrich abgeben, sondern klicken das Schloss an und der Würfelwurf entscheidet. Dasselbe gilt für den Taschendiebstahl oder selbst das Blocken mit dem Schild. Wer Pen&Paper-Spiele kennt, wird das allerdings nicht als störend empfinden. Außerdem gibt es auch aktive Fähigkeiten, die man wie in Online-Rollenspielen über Symbole in einer Menüleiste aktivieren kann: Ein Klick und man schießt multiple Pfeile, ein Klick und man schleicht, ein Klick und man stellt eine Falle auf.

     

Prächtige Kulisse

In zwei Vorschauen haben wir die Kulisse gelobt und wir tun es auch jetzt: Die Welt von Antaloor sieht vor allem in der

Weite Sicht, prächtige Landschaft und monumentale Bauten - die Kulisse ist beeindruckend. Und auch auf Mitteklasse-PCs läuft das Abenteuer gut.
Landschaft beeindruckend aus. Egal ob Baumrinde, Felskontur, Blumenwiese oder Himmel, egal ob Abendrot, Nebelfelder oder Wolkenbruch - das sieht nicht nur klasse aus, sondern auch einen Tick besser als in Oblivion. An den Tag- und Nachtwechsel hat man sich mittlerweile gewöhnt, aber das unberechenbare Wetter ist hier fast spürbar: Wenn ein Unwetter aufzieht, krachen Blitze aus dem düsteren Himmel und der Wind peitscht durch das Gras.

Wenn man mit dem Bogen im Anschlag durch die Nebelfelder im Garnowald pirscht, die Silhouetten von schwarzen Türmen im Hintergrund und ein Orklager auf zwölf Uhr entdeckt, kommt tolkien'sche Freude auf. Allerdings werden auch hier trotz voller Rechenpower entfernte Wiesen wie ein Teppich aufgerollt. Sprich: Schwammige Texturen in der Distanz werden erst beim Herangehen mit scharfen Texturen versehen - aber das ist nur ein kleiner Fleck auf der ansonsten prächtigen Weste, den auch Oblivion tragen musste.

Zum anderen ist da eine Art Anderwelt, das Namen gebende Element für Two Worlds. An bestimmten heiligen Plätzen überschneiden sich die Reiche der Lebenden mit denen der Götter und Toten. Gerade eben läuft man noch über eine blühende Blumenwiese bei schönem Sonnenschein, man bemerkt die verwitterten Megalithsteine gar nicht und plötzlich versinken die Farben in einer schwelenden Düsternis, die sich wie ein Vorhang über alles legt. In dieser parallel existierenden Zwischenwelt könnt ihr mit eurer Schwester Kontakt aufnehmen.

Man hat nicht nur an eine beeindruckende Flora gedacht, sondern auch an die Fauna: Schlangen wuseln durchs Dickicht, Vögel flattern auf, Hasen hoppeln über Felder, abends leuchten Glühwürmchen und man kann neben Hirschböcken sogar Füchse entdecken. Auch abseits der bedrohlichen Monster wie Bär, Wildschwein, Wyvern oder Reaper tut sich was: Zyklopen, Oger, Golems und sogar Drachen warten auf euch.

Unterwelt & Architektur

Leider kann die Unterwelt nicht mit der Oberwelt mithalten. Höhlen und Dungeons sind weniger beeindruckend, man vermisst Fallen, Rätsel und dramatische Höhepunkte.
Die Unterwelt von Antaloor lockt mit Größe, Vielfalt und gewundenen Gängen, hat mich aber nicht so beeindruckt wie die Landschaft. Nach der Enttäuschung des ersten Tempels entdeckt man immerhin sehr verzweigte Höhlen mit reichlich Monstern und Schätzen - ideal für Plünderer. Auf der anderen Seite sind manche Dungeons steril, fast schon lieblos designt: Ein paar Statuen vor Eingängen, einfache Rundgänge, kaum Interaktion bis auf das Plündern von Kisten möglich. Könnt ihr euch an das Kribbeln von unterirdischen Klassikern wie Dungeon Master oder Ultima Underworld erinnern? Das gibt's im Jahr 2007 nicht. Und vor allem das erste große Zwergendungeon war enttäuschend. Irgendwie vermisste man hier die architektonische Logik und vor allem die Dramaturgie eines Bosskampfes - selbst der Zyklop am Ende sorgte nur für ein Gähnen. Hätte man dieses Aufeinandertreffen nicht spannender inszenieren können? Wo bleiben das Stampfen, Schnauben und Brüllen? Oder in einer Situation vorher auf das Ungeheuer aufmerksam machen können?

Oblivion war unterirdisch interessanter. Mal abgesehen davon, dass die Physik hier für Rätsel oder Fallen keine Rolle spielt. Hier hatte Oblivion zwar auch nur angedeutet, was man mit beweglichen Hindernissen anstellen kann, aber leider geht Two Worlds nicht den wichtigen physikalischen Schritt weiter - dadurch bleibt die Welt eine statische.

Architektonisch imposant sind die Städte: Egal ob mittelalterlich, römisch oder asiatisch angehaucht - die schiere Größe der Mauern ist ebenso beeindruckend wie die Vielfalt der Baustile. Two Worlds vereint diverse historische Elemente und bietet damit viel Abwechslung vom Laubwald bis zur Dünenlandschaft. Trotz der Pracht wird das Spielerlebnis kaum von Ladezeiten unterbrochen. Und selbst auf Mittelklasse-Rechnern macht das Abenteuer eine gute, weil flüssige Figur.

     

Innenräume

So wunderbar die Landschaft auch aussieht, so pompös die Architektur mit ihren mächtigen Mauern in Cathalon wirkt, zeigen

Und so abwechslungsreich die Landschaft mit ihren Klimazonen ist, so monoton zeigt sich das Interieur. Bücher oder Gegenstände findet man hier nicht, dafür locken Kisten und Schränke mit Wertsachen.
die Innenräume eine gewisse Monotonie in der Anordnung. Erstens kann man nicht alles erkunden, was einem die Kulisse vorgaukelt: Da ist ein Herrenhaus mit Turm und drei Stockwerken? Interessant! Aber geht man durch die Tür, wird man oft mit einem oder zwei Räumen abgespeist; und nur selten lässt sich der zweite Stock erforschen. Außerdem gleicht meist ein Interieur dem anderen: Es gibt in 90 Prozent der Fälle immer ein Bett, einen Wandschrank, eine Truhe und noch eine kleine Kommode. Dazu kommen Wildschweinköpfe, Tisch und Lampe. Versteht mich nicht falsch: Hier muss man nicht jeden Raum individualisieren. Aber man hätte wenigstens mehr als einen Typ anbieten können. Und wenn man ein mächtiges Gildengebäude in der Hauptstadt betritt, dann aber nur mit 50 Quadratmetern Innenraum abgespeist wird, ist das nicht besonders beeindruckend.

Das wiederum ist die Architektur in der Landschaft: Gerade die weit entfernten Festungen und Nekromantentürme, die eingestürzten Brücken und die Fassaden der Städte sehen klasse aus und sorgen für ein Gefühl der Größe. Hier hat man wirklich gute Arbeit geleistet. Ihr seht in zehn Kilometer eine Turmspitze? Dann könnt ihr auf sie zuhalten und den Turm erreichen! Nur seid ihr erstmal da, werdet ihr sein Innenleben nur selten erforschen können. So geht es auch mit einigen verlassenen Häusern in der Wildnis oder Ruinen.

Lebendige Spielwelt

Ein Rollenspiel lebt von authentischen Reaktionen. Seit Gothic haben sich bestimmte Verhaltensweisen bei NPCs etabliert, die schon fast als guter Ton gelten: Zieht man das Schwert vor einer Wache, wird man aufgefordert, es einzustecken. Betritt man ein fremdes Haus, wird man hinaus komplimentiert oder gebrüllt. Gerade das Gemotze und Gefluche war wichtig, um der Welt eine Natürlichkeit zu geben.

Leider interessieren sich die Stadtwachen nicht dafür, ob ihr mit gezückten Waffen spazieren geht. Selbst in den Privaträumen könnt ihr so auftauchen - schade.
Leider hat das Team von Reality Pump hier nicht gut genug abgeschaut - laut Entwickler hat man auf diese Reaktionen verzichtet, weil sie den Spielfluss hemmen. Es gibt zwar ab und zu die Aufforderung, die Waffe einzustecken, aber seltsamer Weise meist nur dann, wenn man sich einem Banditenlager nähert. Zückt man jedoch vor einer Wache in der Stadt Schwert und Schild, bleibt diese stumm. Selbst vor Lord Skelden höchstpersönlich kann man ungestraft herumfuchteln! Und poltert man einfach in ein Haus hinein, gibt es sogar noch eine Begrüßung, weil man anscheind gerne bewaffnete Gäste hat. Erst, wenn man jemanden attackiert, ein Schloss knackt oder stiehlt, rotten sich die Bürger zusammen und machen in null Komma nichts Kleinholz aus euch - dann sogar in einem wütenden Mob von Dutzenden Leuten, als hätte jemand den kollektiven Racheknopf gedrückt.

Das ist vielleicht auch nicht unbedingt authentisch, aber konsequent. Trotzdem hätte man sich schon vorher lebendigere Reaktionen gewünscht, die seit Jahren Standard sind und der Atmosphäre gut tun würden. Scheinbar war man sich nicht sicher, ob man ein Hack'n Slay oder ein Rollenspielerlebnis anbieten wollte. Und was den Spielfluss angeht: Ist es so schwer, ein Schwert vor einer Stadt einzustecken? Immerhin muss man Two Worlds zugute halten, dass es Reaktionen auf anderer Ebene bietet: Wenn man irgendwo Leute niedergemetzelt oder bestohlen hat, kann es passieren, dass Passanten darüber reden. Dieser Tratsch kann so mancher Szene wieder Leben einhauchen.

     

Kampfsystem

Ihr könnt nahtlos von der Schulterperspektive in die die Egosicht wechseln, wenn ihr die volle Ansicht bevorzugt - allerdings ist hier kein First-Person-Kampf wie etwa in Oblivion möglich. Die Duelle werden über die Maus ausgetragen: Ein Klick führt zu einem Hieb, eine Klickstafette leitet elegante Kombos oder je nach

Geschicklichkeit über 100 und die Bogenkünste ausgebaut: Dieser Fernkämpfer kann mehrere Pfeile abschießen und seine Gegner entwaffnen - die Vielfalt an Talenten motiviert.
Fähigkeit sogar Pirouetten ein. Die Motion-Capturing-Aufnahmen mit echten Schwertkämpfern zahlen sich hier aus, denn die Bewegungen sehen verdammt gut aus - da wird die Klinge in artistischer Leichtigkeit über das Handgelenk gewirbelt und flüssig eingesteckt. Natürlich hat das Ganze keinen Simulationscharakter, fühlt sich arcadig leicht an, aber immerhin lässt sich beobachten, dass leicht gerüstete Charaktere deutlich schneller zuschlagen. Als ich den Kettenpanzer, Helm und Schild abgelegt hatte, zischte die Klinge schnell wie eine Schlange.

Ihr könnt einen Sprung zurück machen, um auszuweichen, aber es gibt weder eine Zielfixierung zwecks automatischer Umrundung noch akrobatische Verteidigungsmanöver wie eine Ausweichrolle oder Ähnliches. Da man meist mit schnellem Klicken beschäftigt ist, erinnert das Ganze eher an die Leichtigkeit eines Diablo oder Heretic als an die Komplexität eines Severance: Blade of Darkness . Es ist schade, dass sich Nahkämpfe hier immer noch nicht nicht weiter entwickelt haben.

Trotzdem macht der Kampf Spaß, weil er unkompliziert zu führen ist. Auch Bogenschützen kommen auf ihre Kosten, denn es gibt zig Talente, um eure Pfeile gefährlicher zu machen: Ihr könnt den Bogen überspannen, die Zuggeschwindigkeit erhöhen oder Feinde mit einem Schuss blenden oder entwaffnen. Dauert es zu Beginn eine Ewigkeit, bis man die Sehne bis zum Anschlag nach hinten gezogen hat, kann man später ein Stakkato à la Legolas abfeuern und selbst ein halbes Dutzend Feinde nur mit dem Bogen aufreiben. Nekromanten beschwören Skelette, Feuermagier umgeben sich mit einem lodernden Kreis und Luftmagier lassen Blitze zucken.

Allerdings ist das System in der Defensive nicht so aktiv erfahrbar wie in Oblivion. Sprich: Euer Schild wird automatisch eingesetzt, ihr könnt nicht gezielt damit Hiebe blocken und das Krachen des Streitkolbens auf Holz spüren. Damit ist der Kampf in Two Worlds schneller und actionreicher, aber auch weniger intensiv, weniger taktisch.

Fiese Tricks wie das Aufwirbeln von Staub helfen im Nahkampf. Oder wollt ihr es lieber mit Magie versuchen? Es ist vor allem die freie Karriere, die anstachelt.
Immerhin haben die Entwickler einige attraktive Joker in der Hand: Zum einen sind da die fiesen Tricks. Indem ihr eurem Gegner mit dem Fuß Sand in die Augen fegt, könnt ihr ihn für kurze Zeit wehrlos machen und mit dem Schlag darauf schweren Schaden anrichten. Außerdem könnt ihr euer Schleichtalent so ausweiten, dass der Wahrnehmungsbereich eines Feindes dermaßen schrumpft, dass ihr auf einen Zentimeter an ihn herankommt. Habt ihr jetzt noch ein Talent als Meuchler entwickelt, ist der Tod mit einem vergifteten Dolch nicht weit. Und last but not least sind da die Fallen, die ihr schon vor dem Kampf auslegen könnt. Ihr könnt eiserne Bärenfänger oder zig andere Fußfesseln oder Bomben aufbauen und die Feinde bei der Flucht hineinlocken.

Kampfverhalten

Das Kampfverhalten scheint auf den ersten Blick besser als in Gothic und organisierter als in Oblivion: Wie in einem Echtzeitstrategiespiel attackieren euch Bogenschützen oder Magier aus der Distanz. Kommt ihr ihnen zu nahe, machen sie kehrt und versuchen Abstand für den nächsten Schuss zu gewinnen - das ist sehr gut. Denn in Two Worlds bedeuten feindliche Projektile oftmals den sofortigen Tod. Also heißt es: Gegner herauslocken, Deckung suchen, zuschlagen.

Trotzdem zeigt das Kampfverhalten Schwächen, wenn es zur Verfolgung kommt: Man kann einen Pfeil in eine Gruppe Banditen schießen und seltsamer Weise kommen manchmal nur

Teleporter der Elfen sind ideal, um weite Entfernungen zu überbrücken.
zwei von fünf heraus gelaufen. Und bei der Verfolgung gehen sie manchmal nur bis zu einem gewissen Punkt und drehen dann in letzter Sekunde ab Richtung Lager. So kann man sie natürlich in aller Ruhe von hinten treffen, wenn man denn vorher ihre Bogenschützen getötet hat&

Immerhin kann man kein großes Banditenlager à la Gothic mit einer Wildschweinhorde säubern - die werden schnell erledigt. Und wenn man sie in Städte lockt, kümmern sich die Wachen darum. Trotzdem kann man das Verhalten der Monster gut ausnutzen: Ihr wollt an eine schwer bewachte Truhe heran? Lockt ein paar Wildschweine in ein kleines Gromlager, lasst die beiden Parteien kämpfen und öffnet die Kiste!

     

Ärgerliche Kollisionen

Das sind helle Seiten, es gibt auch Schattenseiten: Two Worlds strotzt vor Fehlern in der Kollisionsabfrage. Der Held steht regelmäßig in Siedlungen knietief in Steinpodesten, die zu Türen hinauf führen. Man erblickt regelmäßig Füße im Erdboden oder gar Tote unter Mauern. Menschen laufen regelmäßig ohne Kollisionsabfrage durch Türen. Manche Pfeile treffen einen aus unmöglicher Situation. Und bei einem Überfall auf ein Dorf sind gleich fünf Mann durch eine solide Wand zum Monster gerannt - arrgh! Hätte man die Wände nicht stabiler machen können?

Leider sorgen Grafikfehler wie dieser oder fehlende Kollisionsabfragen dafür, dass die ansonsten prächtige Spielwelt Risse bekommt. Warum können Feinde durch Felsen auf euch zukommen?
Hinzu gesellen sich verschmerzbare kleine Grafikfehler, wie etwa Mauerfundamente, die etwas in der Luft hängen oder das Rutschen an Abhängen, aber auch größere Probleme in der Kollisionsabfrage: Wenn man als Bogenschütze auf einem Felsen steht und bei freier Sicht auf ein Monster in zehn Meter Entfernung zielt, dann darf das Projektil nicht auf eine unsichtbare Wand treffen! Das ist zwar nicht immer der Fall, aber ausgesprochen ärgerlich.

Kämpfen vom Pferderücken

Es ist klasse, dass es Reittiere gibt. Die sehen erstens gut aus, beschleunigen zweitens die Reise und es gibt drittens nicht nur normale Vierbeiner, sondern auch orkische Hengste mit bizarren Klauenhufen oder sogar Skelettvierbeiner der Nekromanten - sehr ansehnlich. Aber wenn man sich in den Sattel schwingt, muss man damit rechnen, dass sich das Tier nur störrisch bewegt. Schon bei den Ausgängen der Umzäumung streiken die Vierbeiner manchmal, da sie nicht gleich zum Schritt ansetzen, sondern geschoben werden müssen. Der erste Patch konnte hier ein wenig Abhilfe schaffen.

Ist man erstmal auf einem freien Weg, kann man in den Galopp übergehen und sogar von oben herab zuschlagen - sehr gut animiert übrigens. In diesen Momenten zeigt Two Worlds, dass der Kampf zu Ross wirklich sinnvoll sein kann, zumal man von oben herab einen Schadensbonus bekommt und später sogar den Kampf mit der Lanze erlernen kann. Es gibt auch rudimentäre Reaktionen: Das Pferd scheut vor Hindernissen, es stoppt auf Knopfdruck und lässt sich sogar über eine gewisse Distanz rufen. Nur in hügeligen Gegenden steht es oft wie der Ochs im Walde vor einer Anhöhe - oder schlimmer: Es steht schräg nach oben versetzt im Fels. Es muss ja nicht hinauf galoppieren, aber vielleicht hätte man das Führen am Zügel oder das langsame Erklimmen einbauen müssen.

So reiten Nekromanten: Der Sattel auf dem Furcht erregenden Knochenhengst. Das Kämpfen funktioniert gut, die Steuerung ist störrisch. Ihr könnt den untoten Vierbeiner auch rufen...
Es ist lobenswert, dass man Reittiere überhaupt anbietet. Aber die Umsetzung der Vierbeiner kann in keiner Hinsicht, weder in Sachen Steuerung noch Animation, mit der Natürlichkeit eines Shadow of the Colossus mithalten - das ist ein PS2-Spiel ohne die Grafikpower eines Rechners. Ich habe irgendwann ganz auf die Pferde verzichtet, bin lieber gejoggt oder über Teleporter unterwegs gewesen. Diese Konstruktionen aus Elfenhand erleichtern die Reise angesichts der Entfernungen ungemein. Allerdings muss man sie erstmal auffinden, bevor man sie nutzen kann - das ist jedoch ein gutes Element, das zur Erkundung zwingt.

Monster, Leveln

Im Gegensatz zu Oblivion steigen die Monster nicht mit euch auf. Das bedeutet, dass euch ein Rudel Wölfe in der ersten Stunde noch lebensbedrohliche Probleme bereitet, aber nach sechs Stunden locker mit zwei, drei Schlägen besiegt wird. Leider haben es die Entwickler mit der Dichte der Rudel übertrieben - alle paar Meter wird man in den Wäldern attackiert. Irgendwann ist es nur noch lästig, die Graupelze mit ein, zwei Hieben zu Boden zu strecken. Es soll übrigens insgesamt 1000 geben und da es keine Wiedergeburt à la World of WarCraft  gibt, könntet ihr sie theoretisch ausrotten. Allerdings streifen des Nachts ihre Geister umher...

Das unabhängige Levelprinzip bedeutet aber auch, dass euch zur selben Zeit ein Grizzlybär mit einem Prankenhieb töten kann - trotz Kettenhemd, Schild und Helm. Diese Ungewissheit ist wichtig, denn sie erhöht den Nervenkitzel beim Betreten neuer Gebiete oder der Begegnung mit unbekannten Kreaturen. Und davon gibt es jede Menge, darunter Klassiker wie Skelette, Ghule, Golems oder Oger, aber auch bizarre Wesen, die an Gottesanbeterinnen erinnern. Das hat aber auch den Nachteil, dass man irgendwann in Gebiete kommt, wo man scheinbar alles weghauen kann - selbst Dutzende Nekromanten samt Dienerschaft. Zu leicht? Zu schwer? Two Worlds wird euch auf drei Schwierigkeitsgraden immer wieder beide Seiten zeigen, je nachdem, wie ihr euren Charakter ausgebildet habt.

   

Kleine Inkonsequenzen

Über Clippingfehler kann man hinwegsehen. Auch das störrische Reiten ist verschmerzbar. Und es gibt Kleinigkeiten, die in einer Fantasywelt negativ auffallen: Da ist ein Wirt. Er steht hinter seiner Theke. In jedem anderen Rollenspiel hat er ein

Egal ob Tagebuch, Inventar oder Karte - alles vorbildlich. In einer dermaßen riesigen Spielwelt stößt man natürlich auf kleine Fehler, die man verschmerzen kann...
paar Bier und Gerüchte auf Lager. Hier ist er meist nur Staffage und wenn man ihn nach seinen Waren fragt, antwortet er, dass er nichts zu handeln hat. Das ist schade, denn gerade Tavernenszenen können viel Atmosphäre schaffen - hier sucht man sie vergeblich. Man vermisst oftmals auch den Blick für Details, den Feinschliff: Nehmen wir den weißen Ork, diesen imposanten Anführer der Grünhäute: Tötet man ihn, bekommt man ein paar läppische Goldmünzen und eine schnöde Axt, obwohl einem jeder kleine Grom mehr hinterlässt. Nehmen wir den Auftrag der Händler, die euch mehrere Male die Überbringung eines heiklen Paketes anvertrauen - wird man überfallen? Nein.

Dafür bekommt man sie an anderen Stellen: Es gibt einige gute Quests, in denen ihr zwischen Schuld und Unschuld, Rache und Vergebung entscheiden könnt. Gerade diese Situationen retten Rollenspielflair. Da ist ein Vater, der in einem Blutrausch Heiler ermordet, weil sie seiner Tochter nicht helfen wollten; er konnte sie nicht bezahlen. Helft ihr ihm? Nur vermisst man hier die diplomatischen Nuancen eines KotOR. Es geht nur darum, den Vater oder den Heiler zu töten - eine gewaltfreie Alternative ist nicht in Sicht.

Obwohl manche Figuren tatsächlich einen Tagesablauf haben, also arbeiten, sammeln, schlafen oder verkaufen, scheint der Großteil der Bevölkerung recht stupiden Wegen zu folgen. Man betritt einen kleinen Raum manchmal zeitgleich mit sechs, sieben Figuren, die kurz darauf wieder hinaus treten. Obwohl die großen Städte belebt sind, was Passanten auf den Straßen angeht, obwohl sie euch grüßen, Straßen fegen oder manchmal etwas in ihren Bart murmeln, vermisst man z.B. auch mehr Frauenfiguren oder den echten Alltag einer Stadt mit lauthals rufenden Händlern, bunten Narren, kreischenden Kindern oder wenigstens Zwischenfällen. Selbst manches Online-Rollenspiel ist da heutzutage interaktiver oder streut instanzierte Dramatik über Überfälle & Co ein. An der Illusion einer lebendigen Metropole scheiterte schon Oblivion und auch Two Worlds kann nur mehr pompöse Fassade als echte Inhalte anbieten.

Große Inkonsequenzen

...leider gibt es auch größere in der Spiellogik, denn manchmal gibt es trotz Zeugen und Sichtkontakt keine Konsequenzen für billige Morde. Hier konnten wir einfach einen Propheten niedermetzeln, die Leibwache schaute zu.
Trotzdem kann man das verschmerzen, denn Reality Pump hat immerhin deutlich mehr Stadtbewohner und Dörfler zu bieten als Oblivion. Die Fassade ist ansehnlicher, aber dafür gibt es hier auch mehr innere Logikprobleme. Schwer nachvollziehbar ist z.B. folgende Situation: Da ist ein geheimes Rebellenlager in den Bergen. Eine griesgrämige Wache namens Marcas steht vor dem Eingang. An ihr vorbei schleichen bringt nichts, denn das Schloss ist rot markiert und damit unknackbar. Warum eigentlich, wenn man erfolgreich geschlichen ist? Für echte Diebe ist Two Worlds weitaus weniger interssant als Oblivion, wo man mit der Graufuchs-Kampagne richtig gefordert wurde. Zurück zu Marcas: Man spricht ihn an und er verweigert barsch den Zutritt. Kein Wunder, denn man hat noch nicht den benötigten Rang. Bis hierhin ist alles okay. Es gibt allerdings auch keine Möglichkeit, die Wache in einem Dialogspiel zu überzeugen oder sie zu bestechen.

Was tun? Entweder langfristig am eigenen Rang arbeiten. Oder sie einfach niedermetzeln! Dann fällt sie um und das Tor ist plötzlich offen. Später begrüßen euch andere Rebellen, denen der Tod ihres Kumpels völlig egal ist. Ist mein Ruf gesunken? Nein. Gibt es eine nachhaltige Konsequenz? Nein. Laut Entwickler sorgt der erste Patch dafür, dass einem die Rebellen unfreundlicher begegnen - leider konnten wir das nicht erfahren. Ich kann immer noch hinein spazieren und mit den Leuten sprechen. Schlimmer: Ich kann später sogar den Anführer töten und zurück durchs Lager spazieren. Und noch schlimmer: In dessen Unterschlupf verbirgt sich auch noch schrecklich unbewacht das erste der fünf Relikte. Das war zu leicht...

Ich kann diese brutale Strategie später wiederholen. Wo? Vor dem Lager der Diebesgilde in Gorelin will man mich nicht einlassen. Also Schwert raus, Kopf ab und ohne Reaktion des voll besetzten Gildenpostens hinein. Im Lager eines Außenpostens kann ich den Kommandeur vor den Augen der Soldaten töten, ohne dass ihm jemand hilft. Das wird zwar erzählerisch etwas damit begründet, dass er ausgesprochen unbeliebt ist, aber hätte man ihm nicht eine Leibwache spendieren können? Hier verspielt Two Worlds wichtige Punkte in Sachen Glaubwürdigkeit.

Die Wache will euch nicht in die Stadt lassen. Statt Alternativen wie Geheimwege oder Bestechung anzubieten, lässt euch Two Worlds einfach über das Töten in die Stadt...oder, indem ihr euren Rang bei den Dieben ausbaut.
Wo bleibt da die Herausforderung? Zum Verständnis: Man wollte nicht das System von Oblivion übernehmen, dass jedes Verbrechen auch ohne Zeugen quasi überall in der Welt bekannt ist - das ist lobenswert. Aber hier ist es so, dass die NPCs selbst Morde in ihrer unmittelbaren Umgebung ignorieren. Und spätestens, wenn man einen Anführer einer Fraktion tötet, hätte automatisch der Ruf bei ihnen gesenkt werden oder Hetzjagden veranstaltet werden müssen. Diese Situationen zerstören die Illusion einer glaubwürdigen Spielwelt und animieren mich, einfach alles zu töten.

Immerhin gibt es einen Rettungsanker über langfristige Konsequenzen: Habt ihr die Rebellenanführer getötet und kommt danach zum Lord Skelden, weiß er tatsächlich Bescheid und belohnt euch für die Tat. Außerdem deutet er an, dass der Kampf der Rebellen damit so gut wie verloren ist. Geht ihr dann zurück in das Lager der Rebellen, ist es tatsächlich verlassen - sehr schön!

    

 Lokalisierung & Musik

Die Lokalisierung ist insgesamt eine gute, hat aber auch dunkle Seiten. Die deutschen Sprecher sind in den Hauptrollen

Viele Figuren ähneln sich, Mimik und Gestik befinden sich gerade mal auf durchschnittlichem Niveau. Auch Two Worlds kann dem Holzpuppenfluch nicht entfliehen. Dafür ist die Lokalisierung gelungen.
meist überzeugend - der düstere Gandohar kommt sehr gut rüber, auch der leicht arrogante Unterton des Helden passt wunderbar zu seiner Rolle als furchtloser Kopfgeldjäger. Aber bei so mancher Nebenrolle wirken die Dialoge unpassend, wie z.B. bei Lucius Darx, der mit einer viel zu hellen Stimme entsetzt.

Schwerer wiegt allerdings, dass man in Sachen Mimik und Gestik nicht mit Vielfalt und Lebendigkeit punkten kann. Vieles wirkt zu hölzern und steif, die Gesichter wiederholen sich sehr schnell, echte Typen sind selten. Schön ist, dass die Landschaft während der Gespräche weich gezeichnet wird - das rückt das Wesentliche in den Mittelpunkt. Schade ist, dass während der Sprechszenen schon mal Figuren durch den Protagonisten laufen.

Auch Harold Faltermeyer kann nicht verhindern, dass die Musikuntermalung durchwachsen ist. Die starken Momente hat der Soundtrack immer dann, wenn man Klavier und Streicher hört. Hier erzeugt man eine sehr melancholische Stimmung, die man sich gerne anhört. Es gibt auch einige sphärische Töne, die sehr gut zu den Unterwelterkundungen passen. Aber immer dann, wenn es zur Sache geht und die Klingen fliegen, erinnert das poppige Aufbranden an den Sound der 80er. Das Ganze wirkt dann einfach fehl am Platze, kein Vergleich zum epischen Score eines Oblivion. Außerdem setzt die Musik nicht immer korrekt ein.

Motivierender Kloppmist

Trotzdem spiele ich weiter. Two Worlds befindet sich nicht auf dem enttäuschenden Niveau eines Gothic 3. Und es befindet sich nicht auf dem faszinierenden Niveau eines Oblivion. Aber es hat unverkennbare Stärken, die es noch im guten Bereich ansiedeln. Die prächtige Landschaft, die riesige Spielwelt, die Vielzahl an Quests. Ja, es gibt Holen und Bringen en masse, es gibt auch blödsinnige Wiederholungsmissionen wie etwa die der Sprosse der Heimsuchung. Aber es gibt auch richtig gute Aufträge, die die Motivation wieder nach oben schnellen lassen, da sie sich interessant entwickeln: Etwa das Besorgen eines Galgenstricks für einen scheinbar durchgeknallten Zauberer, der euch mit jeder kleinen Gefälligkeit in die Bedrouille bringt. Richtig gut gefallen hat auch die Aufgabe mit dem weißen Ork: Er trägt eine Fehde mit einem alten Veteran der Menschen aus. Wenn ihr ein Duell zwischen den beiden organisiert, lässt er euch unbehelligt einen Stollen erkunden...

Am Ende sind es echte Höhepunkte, die man vermisst. Viele auf den ersten Blick beeindruuckende Monster lassen sich relativ leicht austricksen.
Gerade die Fülle an Quests und Fähigkeiten reizt immer wieder. Auch deshalb, weil das Tagebuch und die interaktive Karte sehr vorbildlich alle Aufträge erklären und anzeigen. Man kann immer nachvollziehen, in welcher Stadt man was zu tun hat. Auch das Inventarsystem lockt mit Komfort: Ihr könnt nicht nur automatisch sortieren, sondern auch Gleiches kombinieren und damit stärker machen. Sprich: Ihr habt drei Langbögen? Zieht sie übereinander und macht euch einen stärkeren daraus! Ihr habt kleine Gift-, Feuer-, Blitz- oder Schockzutaten? Entscheidet euch für eine, zieht sie auf den Langbogen und lasst ihn zusätzlich zum normalen Schaden noch verbrennen! Gerade dieses System der Verbesserung kann zu unheimlich effektiven Waffen führen. Wer als Meuchler unterwegs ist und einen Dolch zwanzig mal plus Gift verstärkt, darf sich diebisch freuen...

Auch Magier kommen auf ihre Kosten. Fünf arkane Schulen vom Feuer über Luft bis hin zur Nekromantie. Unter den 70 Zaubersprüchen gibt es natürlich Klassiker wie den Feuerball oder die Feuerwand. Findet oder kauft ihr kleine Karten, so genannte "Booster", könnt ihr einzelne Sprüche gezielt verstärken. So wird bei klugem Einsatz aus einem kleinen Brutzelball vielleicht ein tödlicher Komet. Insgesamt soll es zwölf dieser Karten geben, mit denen ihr gezielt Chaos verbreiten könnt.

Diablo in 3D?

Two Worlds entfaltet vielleicht nicht den epischen Charme klassischer Rollenspiele wie Baldur's Gate oder KotOR - erzählerisch dienen die Dialoge nur als Mittel zur Questbeschaffung. Sie bieten aufgrund ihrer Geradlinigkeit kein echtes Rollenspiel à la KoTOR. Es gibt meist nur einen Weg sowie die Option Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Aber in Sachen Sammeln, Aufsteigen und Ausrüsten spielt es in einer Liga mit den actionreichen Vertretern à la Silverfall, Loki & Co. Es spielt sich manchmal wie ein Diablo in 3D. Und für Langzeitkämpfer gibt es interessante Statistiken: Die Zahl eurer Niederlagen und Kämpfe bestimmt die Effizienz. Wer nicht verliert liegt z.B. bei 100 Prozent. Hinzu kommen die geknackten Schlösser, erfolgreichen Diebstähle, aktivierten Teleporter und größere Monster. Außerdem winken bei Erreichen bestimmter Ziele sofort Skillpunkte.

     

Multiplayer-Spaß?

Endlich konnten wir auch den Kampf über das Internet wagen. Bevor wir auf mögliche Spielmodi eingehen, gleich die wichtigste Frage: Wie spielt sich Two Worlds online? Miserabel. Erstens gibt es dutzende Verbindungsfehler, bevor man

Endlich Frauen! Online könnt ihr auch weiblich unterwegs sein, leider macht das derzeit keinen Spaß.
endlich mal an einem Spiel teilnehmen kann. Und eröffnet man als Host eines, müssen die anderen wiederum sehr viel Glück haben, endlich auf der Liste zu erscheinen. Wir haben heute an die 20 (!) Versuche gebraucht, um endlich in der Außenwelt spielen zu können. Leider laufen die Spiele nicht über den Host Zuxxez, sondern den lokalen bzw. privaten Rechner.

Lediglich die Lobby ist frei von Fehlern: Dort ist man in einer abgeriegelten Stadt wie Tharbakin unterwegs, um zu chatten, Gilden zu gründen oder mit anderen zu zu handeln. Ihr trefft dort als Greenhorn ohne Erfahrung und Talente auch NPCs, um noch vor dem Abenteuer eure Talente wie z.B. den Schwertkampf oder das Bogenschießen zu verbessern. Erst, wenn man sich über F12 eröffnete Spiele anzeigen lässt, könnte man dort über einen Klick an Abenteuern teilnehmen. Wie gesagt: Derzeit ist das ein reines Glücksspiel. Selbst ohne Veränderungen an der lokalen Firewall wird man mal zugelassen, viel öfter jedoch nicht.

Gleitorgie & Ruckelprobleme

Die Stadt ist die Lobby: Hier kann gechattet, gehandelt und trainiert werden. Über F12 kommt man ins Spielmenü...
Und wenn es denn klappt, darf man sich theoretisch mit mehreren Abenteurern in der Landschaft austoben, um gegen wilde Tiere, Groms oder Orks zu kämpfen oder Aufträge anzunehmen. Leider waren die fünf Spielchannel fast alle leer, bis auf den ersten. Praktisch ist das Spielerlebnis dann eine Rutsch- und Ruckelorgie, die nicht lange unterhält - technisch reibungslos sieht anders aus. Obwohl wir vom Büro aus mit Standleitung unterwegs waren, hat es regelmäßig Lags gegeben. Das wäre noch zu verschmerzen, aber es gibt auch ärgerliche Probleme im Spiel: Mal hängt man fest und kann sich nicht bewegen; mal frieren Monster plötzlich auf der Stelle ein und lassen sich problemlos bekämpfen.

Auf dem Papier ist ein Online-Rollenspiel mit Echtzeit-Kampf sicher eine interessante Sache. Und Two Worlds hätte hier durchaus Potenzial. Ihr könnt selbst zwischen PvP-, also Kampf gegen Spieler, und dem RPG-Modus wählen. In Ersterem geht es in der Stadt Ashos zur Sache, nachdem ihr euch einen vorgefertigten Charakter mit bereits ausgebildeten Talenten wählen könnt - z.B. einen schlagfertigen Ritter, einen tödlichen Nekromanten oder einen flinken Dieb. Das ist eigentlich eine

Leider ist die Online-Erfahrung eine Katastrophe: Es ruckelt und der Spieler gleitet wie ein Schlittschuhläufer.
gute Idee, aber leider waren hier keine Testspiele für uns möglich. In Letzterem kann man eine Karriere null auf hundert starten und mit Freunden Quests bestreiten.

Lobenswert ist, dass es online endlich auch Frauen als Charaktere gibt: Ihr könnt im Gegensatz zum Hauptspiel sogar die Proportionen und den Körperbau verändern und damit eine individuelle Note ins Spiel bringen. In Statistiken wird angezeigt, wer gerade wie viele Punkte erreicht hat - leider bleibt der eigene Wert ein Geheimnis, wenn man nicht gerade zu den Topleuten zählt. Aber was nützen all die Möglichkeiten, wenn die Online-Technik so miserabel ist? Derzeit kann man weder den RPG- noch den PVP-Modus im Internet empfehlen.  

Fazit

Die Fantasy ist eine geschundene Lady: Diabolischer Missbrauch, elfischer Kitsch und gotische Ruinen liegen hinter ihr. Und wer sie anbetet, hat 34 Jahre nach Tolkien hohe Ansprüche. Kann Two Worlds ihr den Hof machen? Nur auf den ersten Blick. Kann es begeistern? Nein. Dafür fehlt es an Feinschliff und besserer Dramaturgie - schon der Einstieg ist ein schwacher. Kann es auf lange Sicht unterhalten? Ja. Die Story wird interessant, die Kulisse ist pompös, die Spielwelt ist riesig und die Landschaft unheimlich ansehnlich. Allerdings kann der Blick hinter die Fassaden nicht immer überzeugen; Innenräume und Dungeons sind nur Durchschnitt, man vermisst Finessen im Detail, Rätsel und Adrenalinkicks über Zwischenfälle. Dafür kann man diesen Neuling in Sachen Quest-, Waffen - und Rüstungszahl, Tagebuch, Inventar- und Tranksystem sowie Charakterentwicklung nur loben: Viel Komfort, viel Auswahl und gute Ideen. Ihr könnt euch frei als Krieger, Magier, Dieb oder Bogenschütze oder alles in einem austoben. Manchmal spielt sich Two Worlds wie ein schnelleres Oblivion oder Diablo in 3D. Aber riesige Welten mit viel Freiheit bringen meist auch technische Fehler und Logikbugs mit sich - und vor denen ist auch diese ambitionierte Premiere aus Polen nicht gefeit. Gerade in den Bereichen der Kollisionsabfrage und Figurenreaktion zeigt es ärgerliche Schwächen, die an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt nagen. Rollenspieler, die Fortschritte in Sachen Erzählkultur, Mimik und Gestik, Physik oder KI-Verhalten suchen, werden hier nicht fündig werden. Rollenspieler, die im Stile actionreicher Abenteuer sammeln, aufsteigen und aufrüsten wollen, die vom Pferd aus kämpfen, gemein meucheln und vor prächtiger Kulisse multiple Pfeile abfeuern wollen, werden hier fündig werden. Dieses Spiel ist in seiner Qualität genau so dynamisch wie sein Wettersystem, kann genau so ambivalent sein wie das Artwork oder der Soundtrack von Harold Faltermeyer - heiß und kalt, packend und abstoßend. Unterm Strich noch ein gutes Spiel, das sich damit genau zwischen dem klar schwächeren Gothic 3 und dem stärkeren Oblivion einordnet. Ein paar Monate mehr Zeit für Feinschliff und Bethesda hätte sich warm anziehen müssen.

***Update: Auf Seite 9 jetzt die schlechten Erfahrungen mit dem Multiplayerteil. Wer sich alleine auf Online-Kämpfe freut, wird enttäuscht werden.

Vor vier Monaten habe ich die PC-Version von Two Worlds getestet. Es war wahrlich kein ausgezeichnetes Abenteuer, aufgrund des fehlenden Feinschliffs auch kein echter Konkurrent für Oblivion, aber es entfaltete vor allem landschaftlich und in Sachen Charakterentwicklung seine Reize - wer in einer weiten Welt losziehen, aufsteigen und kämpfen wollte, konnte durchaus unterhalten werden. Auch technisch hinterließ die Spielwelt bis auf die Probleme mit der Kollsionsabfrage einen sauberen Eindruck. Genau deshalb hatte es gerade noch eine gute Wertung erhalten. Aber jetzt, auf der Xbox 360, landet das Abenteuer eine ganze Klasse tiefer. Das hat vor allem mit den technischen Unzulänglichkeiten zu tun. Dass man online kaum Spielpartner findet und auf externe Server verzichten muss, ist gar nicht so schlimm - im Multiplayer hat Two Worlds nie gerockt. Und die Steuerung mit dem Gamepad ist okay. Doch ich habe damit gerechnet, dass die zusätzliche Zeit, die dieser Version für Microsofts Konsole zur Verfügung stand, für die Politur der Kulisse genutzt wird. Schon die ersten Minuten in dieser Welt strotzen jedoch vor Pop-ups, Rucklern und es gibt teilweise hässlich fade oder blinkende Texturen, wenn sich der Held bei Gesprächen falsch postiert. Dadurch ist ein flüssiges Erlebnis der eigentlich üppigen und hervorragend designten Landschaft kaum möglich - weit mehr als ein Jahr nach Oblivion erwartet man einfach mehr, als dass die Blume in ein paar Metern Entfernung plötzlich auftaucht! Auch die Figuren und Animationen wirken auf der Konsole mittlerweile veraltet, obwohl es dieselben sind wie auf dem PC. Irgendwie konnte das Abenteuer auf dem Rechner wenigstens noch in Sachen Panorama und Flüssigkeit punkten. Aber wer gerade noch Bioshock genossen hat und kurz darauf Two Worlds einlegt, fühlt sich technisch eine Generation zurück katapultiert...

Pro

interessante Story
riesige Spielwelt
wunderbare Landschaft
pompöse Architektur
freie Karriere möglich
intuitives Kampfsystem
lebendige Flora & Fauna
Tratsch über eure Taten
sieben Fraktionen mit Reaktionen
zahllose Waffen & Rüstungen+ komplexe Charakterentwicklung
dynamisches Wettersystem
verdammt viele Quests
einige richtig gute Quests
vorbildliches Tagebuch
edle, zoombare Karte
insg. gute deutsche Sprachausgabe
Reiten & Kampf vom Pferd aus
komfortables Teleportsystem

Kontra

schwacher Einstieg
schwache Technik (360):* Pop-ups* Ruckler* flackernde Texturen
wenig dramatische Höhepunkte- störrische Pferdesteuerung
große Fehler in der Kollisionsabfrage (auch auf 360)
Logikprobleme bei Ermordungen
keine Reaktion auf gezückte Waffen- inkonsequentes Figurenverhalten im Kampf
kaum Spannung gegen große Monster
technisch schwache Filme
große Fassaden, kleine Räume - oberflächliches Dungeondesign
viele gleiche NPC-Gesichter
fast nur Einbahnstraßendialoge
wenig erzählerische Finessen
einige richtig stupide Quests
magere Mimik & Gestik
keine Physikeinbindung
keine Fallen und kaum Rätsel
durchwachsener Soundtrack
schlechter Online-Modus(Verbindungsprobleme, Ruckler, Fehler)

Wertung

360

Auf der Xbox 360 wirkt Two Worlds einfach technisch veraltet.

PC

Pompöse Kulisse, herrlich freie Karriere und viel Action - leider mit einigen ärgerlichen Fehlern.

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