Gods & Heroes: Rome Rising15.07.2011, Mathias Oertel
Gods & Heroes: Rome Rising

Im Test:

Ein Online-Rollenspiel in einem historisch-mythologischem Ambiente wie Dark Age of Camelot? Dazu ein Squad-System ähnlich Guild Wars? Klingt doch ganz interessant, mit welchen Mitteln das von Heatwave Interactive entwickelte Gods & Heroes:  Rome Rising Spiele in die Antike locken will. Doch der Spaß wird durch mehr als gewöhnliche Mechaniken und eine große Beliebigkeit ausgebremst.

Noch ein Online-Rollenspiel?

Es ist verdammt schwer, im hart umkämpften Markt der Online-Spiele erfolgreich zu sein. Noch schwerer ist es, mit einem neuen Projekt überhaupt erst einmal Fuß zu fassen. Denn ging es vor einigen Jahren (sprich: In der Zeit, in der die Entwicklung dieses Titels begann) nur darum, dem Branchenprimus World of WarCraft seine zahlenden Abonnenten wenigstens für ein paar Monate abspenstig zu machen, muss man sich mittlerweile auch mit den zahlreichen, qualitativ mittlerweile ebenbürtigen Free-to-play-Titeln als Gegner auseinandersetzen.

Bei den Klassen, die man durch das römische Reich begleitet, bietet Gods & Heroes keine Überraschungen...
Bei den Klassen, die man durch das römische Reich begleitet, bietet Gods & Heroes keine Überraschungen...
Und da geht es nicht nur um Titel, die von Anfang an auf ein kostenloses Modell (evtl. ergänzt durch Premium-Bezahl-Inhalte) gesetzt haben. Doch mit ehemaligen Abo-MMOs, die mittlerweile auch im Gratis-Bereich zu finden sind, wie z.B. Der Herr der Ringe Online, Age of Conan, City of Heroes oder EverQuest 2 (um nur einige zu nennen), hat es ein neues Spiel wahrlich nicht leicht und muss mit Qualität überzeugen.

Gute Ideen

Und genau hier hat Gods & Heroes (GH) Probleme - große Probleme sogar. Dabei ist die Ausgangslage sogar viel versprechend: Ähnlich wie Mythics Klassiker Dark Age of Camelot (DAoC) setzt man auf einen historischen Schauplatz (das römische Reich inkl. Rom als zentraler Ort) und reichert dies mit Mythen und stereotyper Fantasy an, aus deren Bereichen die meisten Gegner stammen.

Zusätzlich streut man noch einen Hauch Guild Wars ein und darf mit einem nach und nach größer werdenden Trupp von KI-gesteuerten Kameraden losziehen,  die man aus einem zunehmend anwachsenden Pool an Gefährten auswählt. Man kann Heiler mitnehmen, Fernkämpfer, Magier oder Nahkämpfer, die Schaden von einem abhalten - das typische Spektrum eben, das sich auch in den Startklassen Gladiator, Mystiker, Soldat und Priester widerspiegelt.

Obendrauf gibt es einen Haufen an Missionen, die das von mir gleichermaßen verhasste wie geschätzte "Grinding" (also das zeitaufwändige und eintönige Gewinnen von Erfahrung durch das Töten unzähliger Gegner) nahezu gegen Null führen.

Schlechte Umsetzung

So weit, so gut. Oder zumindest passabel. Doch während man durch die überschaubar großen Gebiete läuft, die durch akzeptable Ladezeiten zusammen gehalten werden, setzt schon bald Tristesse ein. Was nicht nur den kaum vorhandenen menschlichen Spielern zuzuschreiben ist, deren Anzahl unabhängig von der gewählten Tageszeit nur marginale Unterschiede zeigt.

Denn unter dem Strich ist trotz aller guter Vorsätze nichts in GH außergewöhnlich. Ganz im Gegenteil: Es ist äußerst gewöhnlich. Und dabei ist es egal, wohin man schaut. Kampfsystem, Missionen, Inventar, selbst die großen und kleinen per Textwüsten erzählten Geschichten: Es gibt im Wesentlichen nichts, was man nicht schon in irgendeinem anderen Online- Rollenspiel gesehen hätte - und das häufig besser.

Dabei ist es nicht einmal so, dass es lieblos wirkt. Insbesondere die Kulisse, die zwar mitunter vergleichsweise unverschämt hohe Anforderungen stellt, wenn man hohe Details ruckelfrei genießen möchte, bietet abwechslungsreiche Gebiete. Doch sobald es dann z.B. in den Kampf oder um die Animationen von NPCs geht, wird es wieder äußerst gewöhnlich: Die Bewegungen wirken abseits der Lags ruckhaft, lassen hin und wieder einige Phasen vermissen und sind z.B. meilenweit von der Wucht oder dem Abwechslungsreichtum eines Age of Conan entfernt.

Mitunter gibt es halbwegs ansehnliche Effekte, doch die Kämpfe hinterlassen einen durchwachsenen, von Lags geplagten Eindruck.
Mitunter gibt es halbwegs ansehnliche Effekte, doch die Kämpfe hinterlassen einen durchwachsenen, von Lags geplagten Eindruck.
Apropos Lags: Natürlich stören sie in einem auf klassische Runden mit Timer setzenden Kampfsystem weniger als in einem Shooter. Doch mittlerweile sind so viele voll- und keinpreisige Spiele erschienen, bei denen man nicht wie hier im Kampf eine halbe bis ganze Sekunde warten muss, bis die Anzeige auf dem neuesten Stand ist oder die Magie abgefeuert wird, so dass das römische Abenteuer hier wie in anderen Bereichen schlichtweg antiquiert erscheint.

Online-Pflichtprogramm abgehakt

Gods & Heroes ist ein Paradebeispiel für die schrittweise Abarbeitung der Enzyklopädie "Entwicklungshandbuch Online-Rollenspiele in 7,5 Bänden". Nehmen wir z.B. die Missionsstrukturen: Es gibt haufenweise Aufgaben, die nicht nur im Questlog, sondern auch auf der übersichtlichen Karte angezeigt werden und die mitunter aufeinander aufbauen. Nur: Was den Variantenreichtum eben dieser Aufgaben angeht, zeigt man sich standardisiert. Hole dies, bringe jenes, töte jenen Boss, töte diesen Allerweltsmob X mal – gähn!

Ganz ehrlich: Da kann ich mich auch Free-to-Play-Varianten wie z.B. Runes of Magic zuwenden oder mein altes EverQuest II-Konto wieder aufmachen. Denn auch hinsichtlich des geschichtlichen Hintergrundes nutzt man die sich anbietenden Chancen selten bis gar nicht. Wo ein Dark Age of Camelot ganz bewusst mit den Mythen der Artus-Saga sowie keltischen Überlieferungen spielt, passiert hier weitgehend nichts.

Sicher: Von Zeit zu Zeit begegnet man einem Minotauren, läuft NPC-Soldaten legionärischer Prägung über den Weg, huldigt Göttern oder kämpft gegen andere mythologische Kreaturen, doch das allein reicht nicht aus, um mir glaubhaft eine altertümliche Welt zu vermitteln. Und kommt man irgendwann nach Rom (zu dem ja bekanntlich alle Wege führen, so auch hier), setzt der nächste Schritt der Ernüchterung ein: Die Straßen sind fast wie leergefegt. Wo eigentlich das

Man kann sich auf seinen eigenen Landsitz zurückziehen und ihn ausbauen. Das Konzept birgt Potenzial, wird aber vollkommen belanglos eingesetzt.
Man kann sich auf seinen eigenen Landsitz zurückziehen und diesen ausbauen. Das Konzept birgt Potenzial, wird aber vollkommen belanglos eingesetzt.
Leben blühen sollte, vegetiert nur Langeweile. Also nichts wie raus in die Botanik, in der wenigstens zahlreiche Mobs mit all ihren Klonfreunden darauf warten, dass ich sie für irgendeinen Auftrag aus dem Weg räume oder ihnen vergleichsweise selten Beute abnehme.

Der Zauber und die Begeisterung, den Camelot oder mein erster Ausflug in das hibernianische Tir Na Nog ausgelöst haben, wird jedenfalls im antiken Rom nicht wiederbelebt. Vielleicht liegt es auch daran, dass man über einen langen Zeitraum hinweg mit den immergleichen Angriffsschemata auf die Gegner losgeht - was auch dadurch zustande kommt, dass man mit vergleichsweise wenigen Spezialangriffen belohnt wird. Kommt man von EverQuest II oder World of WarCraft zu Gods & Heroes, werden die Auseinandersetzungen schnell spröde, oberflächlich und damit auch langweilig. Selbst die mit typischen "Pet"-Befehlen ausgestatteten Mitläufer können nicht viel daran ändern. Und nach X Rollenspielen sollten Entwickler doch eigentlich begriffen haben, dass man nur noch genervt wird, wenn vollkommen belanglose unterstufige Mobs (sprich: Gegner, deren Ausschalten nicht einmal mehr Erfahrung bringt) die eigene Figur oder die Mitstreiter angreifen.  

Ambitioniertes Unterfangen

Das klingt vielleicht alles härter, als es sich letztlich im Spiel darstellt. Denn unter dem Strich macht GH abseits von offensichtlichen Bugs nicht viel falsch und bedient bekannte Mechanismen: Man kämpft, man steigt auf, man erledigt Quests, man steigt wieder auf, erlernt von Zeit zu Zeit neue Fähigkeiten, zu denen auch Spezialaktionen gehören, die man von Göttern erhält, denen man huldigt,  kann mehr Leute mitnehmen, usw.

Dieses simple Prinzip funktioniert und versteht auch rudimentär zu motivieren. Doch ob es nun die fast spielerfreie Welt ist, durch die man stapft, an den Bugs bis hin zu Abstürzen liegt, denen man dafür eher häufiger begegnet oder einfach daran, dass nichts Außergewöhnliches im alten Rom zum langfristigen Spiel motiviert - der richtige Spaß, der zum nächtelangen Dauerzocken führt, will sich partout nicht einstellen.

Nahezu alle Ideen verpuffen im Nirgendwo und da macht der eigene ausbaubare Landsitz keine Ausnahme: Anstatt dem Spieler die Möglichkeit zu einer Individualisierung des Spielerlebnisses zu geben, verfällt man hier abermals in einschläfernde Gewöhnlichkeit. Man nimmt in seiner Landsitz-Instand Aufträge an, erledigt diese z.B. für den Schmied, woraufhin sein Arbeitshäuschen etwas weiter ausgebaut wird. Da es letztlich aber völlig egal ist, wie weit man sein Refugium ausgebaut hat (oder eben auch nicht), wird die Beliebigkeit, die sich durch Gods & Heroes zieht, weiter fortgesetzt.

Mit zukünftigen Updates soll der Landsitz Grundlage für Crafting oder Auktionen sein - Features, die zum Start sicherlich dazu hätten beitragen können, das Interesse der Spieler zu schüren.

Doitsh man sprichd

Lokalisierung in Rollenspielen ist und war ein schwieriges Thema. Einerseits möchte man niemanden durch eine Sprachbarriere hemmen, den Einstieg ins Spiel zu wagen. Andererseits überzeugt eine Mischmasch-Übersetzung (viele Texte Deutsch, einige dennoch im englischen Original) ebenso wenig. Das hat dem Erfolg von EverQuest 2 zwar nicht geschadet, nervig war es aber allemal.

Dieses Online-Abenteuer hat mich seit der "Frühstart"-Phase durch ein Wechselbad der Gefühle gehetzt. Anfangs noch komplett in Englisch, was mich persönlich nicht stört (zumal die Sprachausgabe ohnehin vermutlich das sein soll, was sich die Entwickler unter Latein vorstellen), wurde kurz nach dem offiziellen deutschen Start ein Patch aufgespielt, der auch eine Übersetzung enthielt.

Wenn man nicht immer wieder mythologischen Figuren begegnen würde, könnte das römische Online-Reich auch eine x-beliebige Fantasy-Welt sein...
Wenn man nicht immer wieder mythologischen Figuren begegnen würde, könnte das römische Online-Reich auch eine x-beliebige Fantasy-Welt sein...
Doch was man mit dieser Übersetzung erreichen wollte, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Denn anstatt einen jemanden damit zu beauftragen, der der Sprache mächtig ist, wirkte es so, als ob man weitläufig bekannte Tools im Internet nutzte, um die Sätze durch den Übersetzungs-Reißwolf zu jagen. Heraus kamen dabei z.B. solche Konstrukte: "Fühlen Sie sich nicht schlecht über, was Sie tun müssen. Selbst als ein Heiler, den ich kenne, können Sie jene Schurken töten müssen, um unsere Kräuter rückseitig zu erhalten."

Äh, bitte wie? Sehr schön war auch: "Nur ein Mann kann hinter diesem Plan sein - Kezever, ein verrufener Mystiker, der gesehener Skulking um den Sinnkasten kürzlich gewesen ist. Wir müssen wieder herstellen, dass Solanacea vor schrecklichem etwas geschieht." - Wow!

Diese Aussetzer gehören mittlerweile zur absoluten Ausnahme, da die Texte inzwischen einer Generalüberholung unterzogen wurden. Das Ergebnis: Die mitunter langen Beschreibungen von Missionen etc. sind passabel ins Deutsche gebracht worden, wobei es auch noch viele englische Passagen gibt.

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass viele interessierte Spieler angesichts der anfangs wild wuchernden Sprachblüten wieder abgesprungen sind. Ich zumindest hatte für den entsprechenden Zeitraum wenig Lust, im römischen Reich auf Jagd zu gehen.

Fazit

Im hart umkämpften und immer unübersichtlicher werdenden Markt der Online-Rollenspiele Fuß zu fassen, ist für qualitativ hochwertige Projekte schon schwer genug. Vor allem auch, wenn Spiele ohne Kostenbindung bzw. Premium-Modelle wie Runes of Magic sich mit den kostenpflichtigen Platzhirschen wie World of WarCraft um Spieler streiten. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen, um aufzufallen und die Fans zumindest eine Zeit lang in seine Welt zu ziehen. Und genau hier scheitert Gods & Heroes: Trotz des prinzipiell interessanten und an den Klassiker Dark Age of Camelot erinnernden Ansatzes einer mythologischen Fantasy gemischt mit KI-Mitläufern à la Guild Wars ist der Abstecher ins antike Rom so gewöhnlich wie ein Cheeseburger. Die Zutaten sind bekannt, wurden immerhin bis auf störende Bugs nicht vermurkst und ein nicht enden wollender Fluss an Missionen sorgt dafür, dass man sich nicht mit dem so genannten „Grinding“ beschäftigen muss, wenn man neue Charakterstufen erreichen möchte.  Doch das ganze Drumherum, angefangen von der in Relation zum Ergebnis zu hardwarehungrigen Kulisse über die mehr als banalen Kämpfe gegen Klonschergen bis hin zur spröden Charakterentwicklung, ist durch und durch gewöhnlich und wirkt zu häufig unfertig. Trotz interessanter konzeptioneller Ideen ist Gods & Heroes nur ein weiteres Online-Rollenspiel von der Stange, das selbst ohne Abopflicht wenig Chancen hätte, aus dem unüberschaubaren Dschungel hervorzustechen.

Pro

mythologisch-antiker Schauplatz...
bis zu vier frei wählbare KI-Mitläufer
Landsitz als Refugium und ausbaubare Immobilie...
haufenweise Quests machen "Grind" unnötig
übersichtliche Karte

Kontra

... dessen Potenzial nur ansatzweise genutzt wird
störende Lags
... aber bislang ohne weiteren Nutzen
Bug-Probleme bis hin zu Abstürzen
äußerst gewöhnliches Kampfsystem
ödes Missionsdesign (größtenteils 'Hol-/Bring' und 'Kill')
unbelebte Stadtgebiete
wenig Beute

Wertung

PC

Online-Rollenspiel von der Stange mit konzeptionell interessanten Ideen. In der Umsetzung bleibt allerdings nur ein austauschbares, belangloses und häufig unfertig wirkendes Projekt übrig.

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