Away: Journey to the Unexpected10.01.2018, Jan Wöbbeking

Vorschau: Die Macht der Freundschaft

Aurélien Régard will die knuffigen Wesen seines Fantasy-Shooters miteinander versöhnen: Hat man sich erst einmal mit knorrigen Baumwesen oder anderen Monstrositäten angefreundet, kann man sie allesamt selbst steuern und sich ihre Fähigkeiten zunutze machen. Ein erfrischend anderes Action-Abenteuer?

Erst reden, dann schießen?

Bereits Super Mario Odyssey bewies, wie lustig es sein kann, andere Figuren zu kapern. In Away: Journey to the Unexpected (ab 3,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wirft man allerdings nicht bloß die Mütze, sondern muss sein Gegenüber mit einem Dialogrätsel überzeugen, damit er sich dem Helden anschließt. Hat man erst einmal das Band der Freundschaft geknüpft, kann man mitten im Spiel zwischen den Figuren wechseln, um sich auf unterschiedliche Weise durch die bunte Welt zu ballern. Aufgrund der Egosicht sieht man spielbare Charaktere wie das Baumwesen Woody natürlich nicht direkt – das in blasse Sepiafarben getauchte Bild macht aber deutlich, dass man gerade in seiner Gestalt unterwegs ist.

Von wegen nur ein "komisches Geräusch" im Keller: Die Großeltern des jungen Helden neigen zu Untertreibungen.
Der Vorteil daran: Er kann Bombenprojektile schleudern, während man zu Beginn der Spiels nur mit einem Stock zugehauen hat – oder eben mit diversen Shooter-typischen Projektilen angreift. Zu Beginn muss man noch keine allzu große Überredungskunst beweisen, später soll es aber deutlich kniffliger werden. Die Spielidee passt zum kreativen Stil des Franzosen Régard, der das Spiel zusammen mit Jim Gennisson (ehemals Pastagames und Ubisoft; arbeitete z.B. an Rayman und Monster Boy) entwickelt. Schon bevor die große Welle kleiner Retro-Pixelspielchen losbrach, tüftelte Regard immer wieder an Arcade-Titeln, die sich zwar an alten Klassikern orientierten, das Spieldesign aber stets mit coolen neuen Ideen und einem eigenen knalligen Design-Mix anreicherten.

Bezaubernd platte Grinseviecher

Im von Breakout inspirierten Nervous Brickdown für den DS etwa malte man sich selbst einen Schläger in der passenden Form und steuerte ihn dann direkt und hochpräzise mit dem Stylus – damals noch ein Novum. Auch die Arcade-Shooter Big Bang Mini und Hell Yeah! Der Zorn des toten Karnickels sprühten nur so vor durchgeknallten Ideen und witzig designten Figuren.

Das Design der Zeichnungen erinnert unverkennbar an Vorbilder wie Akira Toriyama (Dragonball). Passend dazu gibt es einen Animé-ähnlichen euphorischen Soundtrack von Kazuhiro Naruse.
Auch diesmal geht das Design einen eigenen Weg: Anstelle des Pixel-Zeitalters zitieren die Entwickler praktisch die Doom-Ära, in der platte Figuren durch die 3D-Kulissen wuselten. Wie sich bei meinem Spiel herausstellte, eignet sich der Kniff prima dazu, das typische Comic-Design der Entwickler in die dritte Dimension zu transportieren. Es mag seltsam klingen, aber die grinsenden Fledermäuse oder gutgelaunten Frösche sehen noch eine Ecke knuffiger aus, weil sie auf altmodische Weise durch die Kulissen rotieren und so stets ihren Blick auf den Spieler richten. Auch schwebende Cowboy-Roboter und außerirdische Einflüsse sollen im Spiel auftauchen, nachdem der junge Protagonist von den Großeltern unter einem Vorwand in den Keller geschickt wurde und hinter einer Tür die bizarre Außenwelt vorfindet. Dort schaltet man nach und nach neue Bereiche frei, bis man schließlich einem Boss gegenübertritt.

Die paar Tentakel...

Das Level-Design verbindet offenbar händisch erstellte mit prozedural generierten Versatzstücken - die offizielle Website spricht passend dazu von "Rogue-lite elements". Ähnlich sympathisch wie der Einstieg wirkt der Humor, der sich durch die kurzen Dialoge zieht. Am besten gefiel mir der Manager der Minenarbeiter von der finsteren Labiworks Corporation. Trotz kursierender Gerüchte und fieser Mutationen am eigenen Körper ist er voll und ganz von der Harmlosigkeit seines verseuchten Arbeitsplatzes überzeugt. Als ich selber einen Trip in eine der Bergbau-Grotten startete, erwarteten mich dort einige gefährlich anmutende Fässer – und jede Menge knackiger Gegner. In den temporeichen Gefechten musste ich mit höchster Vorsicht um die Ecke strafen, um nicht noch das letzte Bisschen meiner Energie zu leeren, die sich übrigens nicht automatisch regeneriert.

Ein Blick auf eine Lichtung der Shooterwelt, die in der Demo von gefährlichen Grotten eingerahmt wurde.
Auch der Schwierigkeitsgrad erinnerte also bereits angenehm an Frühwerke des Shooter-Genres. In einem Shop kann man sich aber wieder aufpäppeln und mit diversen Upgrades ausstatten. Verbesserungsbedarf besteht noch bei der Steuerung: In der angezockten Switch-Fassung fühlten sich die Bewegungen noch etwas hölzern und altbacken an. Ein nettes Extra auf Nintendos Konsole ist allerdings, dass in der Demo bereits eine alternative Touchscreen-Steuerung eingebaut war, welche die Maussteuerung des PC-Originals emulierte. Verwundert waren wir darüber, dass das gar nicht so klein wirkende Spiel mit seinen geplanten rund acht bis zehn Spielstunden im Wesentlichen nur von den oben erwähnten zwei Entwicklern gestemmt wird.

Wie es der Zufall will

Würden vermutlich am liebsten persönlich gegen ihre Comic-Biester kämpfen: Aurélien Régard (links) und Jim Gennisson.
Im Gespräch erklärte uns Régard allerdings, was wir im Laufe des letzten Jahres schon von vielen kleinen Entwicklern zu hören bekamen. Mittlerweile gebe es Tools, welche den Arbeitsaufwand deutlich erleichtern – so dass zwei Kreative wie er und Genisson sich alleine an solch ein Projekt wagen könnten. Von der Idee bis zum Entwicklungsstart verging offenbar kaum Zeit: Ein ausführliches Telefongespräch und schon einigten sich die beiden darauf, zusammen loszulegen. Ähnlich unkompliziert liefen früher auch die Kooperationen von Régards altem Studio Arkedo mit Pastagames (Maestro: Jump in Music) ab, zu denen Régard eine interessante Anekdote parat hatte. Obwohl beide Teams seit jeher ähnliche Spiele produzierten, bemerkten sie erst durch einen Zufall, dass sie nebeneinander im gleichen Bürokomplex arbeiteten. Nachdem sich Régard und ein Pastagames-Mitarbeiter beim Warten auf den Aufzug ins Gespräch kam, starteten die Büro-Nachbarn dann einige Kooperationen.

Ausblick

Hach, schön. Spiele von Aurélien Régard sind nach wie vor in Spielform gepresste gute Laune. Das wird auch in Away: Journey to the Unexpected sofort wieder deutlich. Wenn die angriffslustigen Fledermäuse, Tentakel- oder Glubschaugen-Monster derart knuffig vor einem herumwuseln, kann man ihnen einfach gar nicht böse sein – selbst wenn sie einem in der kniffligen Shooter-Höhle das Leben zur Hölle machen. Die rotierenden Sprites in der farbenfrohen Welt sind eine schöne Idee, um den Charme von Zeichnungen in die dritte Dimension zu transportieren. Das weckt bei Freunden von Shooter-Oldies zudem angenehme Nostalgiegefühle. Schön, dass sich auch das Spieldesign mit seiner Freundschaftsmechanik frisch anfühlt. Wie gut die daran geknüpften Dialogrätsel funktionieren, lässt sich momentan noch schwer einschätzen. Außerdem hoffe ich, dass sich das kleine Team nicht wieder technisch übernimmt wie beim coolen, aber von Bugs geplagten "Hell Yeah!". Ich freue mich jedenfalls auf meine nächsten Ausflüge in die bunte Shooterwelt, die im Laufe des ersten Quartals für PC und Switch erscheinen soll. Darüber hinaus sind auch Umsetzungen für PlayStation 4, Xbox One und Mac geplant.

Einschätzung: gut

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