Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia19.05.2017, Jörg Luibl
Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia

Im Test: Weniger Spieltiefe, mehr Rollenspiel

Das geht aber schnell: Fire Emblem Fates ist vor genau einem Jahr, aber zumindest gefühlt "gerade erst", erschienen. Und schon steht ein weiteres rundentaktisches Abenteuer parat - vermutlich das letzte der Serie für den 3DS. Wie kam es dazu? Warum gerade ein Remake zu einem nie in Europa veröffentlichten Titel aus dem Jahr 1992? Wie unterscheidet es sich? Dazu hatten wir einige Fragen, die Intelligent Systems und Nintendo in diesem Interview beantwortet haben. Jetzt soll es im Test darum gehen, wie sich die Fantasygefechte in Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia (ab 44,44€ bei kaufen) spielen.

Dungeonerkundung und Suchspiele

Ein Königreich droht im Chaos zu versinken, der Thron wird korrumpiert, eine Invasion naht und man führt zunächst in Robin-Hood-Manier die Gefährten um den Helden Alm an, bevor man die Story aus der Perspektive von Celica und ihren eher magisch begabten Freunden erlebt - in diesem Wechsel erkundet man auch die Weltkarte aus zwei Richtungen. Technisch erinnert alles an das hervorragend inszenierte Fire Emblem Fates und zunächst wirkt alles sehr vertraut...

Die Erkundung eines Tempels läuft in Egosicht ab. Hier findet Alm ein Heiligtum, an dem man die Klasse wechseln kann.
...aber huch, was ist das denn? Als ich den Tempel mit Alm betrete, wechselt die Perspektive in die Egosicht und ich erkunde das Gewölbe in Echtzeit. Dabei bewege ich stellvertretend für die Gruppe nur ihn, kann gehen, sprinten, an Statuen interagieren sowie Kisten mit Schwertkombos zerdeppern. Zwar sind darin manchmal Gegenstände verborgen, aber Vorsicht: Das Geräusch lockt die umher streunenden Monster an. Ich kann ihnen bis zu einem gewissen Grad ausweichen, sogar über den Spurt fliehen, aber wenn sie zu nahe sind, schwenkt die Kamera wieder in die klassischen Rundengefechte aus der Draufsicht und man taktiert mit allen Gefährten.

Noch etwas ist neu an diesem Remake: In den Dungeons oder Siedlungen sowie Burgen werden manche Orte als statische Szenen aufgebaut, in denen meist mehrere Nichtspielercharaktere warten, die man in kurze Gespräche verwickeln

In den Tempeln kann man Kisten zerdeppern und Schatztruhen öffnen, während man in Echtzeit den Monstern ausweicht. Bei Kontakt wird in die klassische Kartensicht mit allen Gefährten gewechselt.
kann - und das zum ersten Mal in komplett englischer Sprachausgabe. Außerdem darf man die Umgebung genauer untersuchen, indem man die Kameralinse frei auf sichtbare Objekte bewegt und zoomt. So kann man z.B. auch in einer Kaserne oder auf einem Dorfplatz noch Nahrungsmittel oder Waffen finden. Das sind die beiden größten Neuerungen an diesem Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia.

Halbgare Neuerungen, seltsame Streichungen

Leider verlieren beide Elemente sehr schnell an Reiz, weil sie viel zu oberflächlich sind. Das Erlebnis in den Dungeons wirkt trotz souveräner technischer Inszenierung wie ein Fremdkörper, zumal sich die Erkundung auf primtive Elemente wie das Zerstören von Kisten oder Umgebungselementen sowie die simple Suche nach dem Heiligtum oder Brunnen zur Steigerung eines Charakterwertes beschränken. Rätsel, Überraschungen oder packende Gewölbespannung? Weitgehend Fehlanzeige. Letztlich dienen sie neben dem bekannten Klassenwechsel ab einer bestimmten Stufe vor allem einem Zweck: Seine Gefährten in den im Vergleich zur Oberfläche meist einfacheren Kämpfen so viel Erfahrung sammeln lassen, dass sie aufsteigen. Und das Absuchen der Orte vor, nach oder während der Dialoge? Sorry, aber das erreicht nicht mal Wimmelbildansprüche...

Auch Zombies stehen auf dem rundentaktischen Programm.
Zwar muss man Intelligent Systems zugute halten, dass sie für frische Impulse sorgen wollten, die ja durchaus dem Vorbild geschuldet sind: Auch das Original hatte rückblickend das größte Rollenspielflair innerhalb dieser Reihe. Wieso, weshalb und warum Intelligent Systems und Nintendo dieses Remake in dieser Art produziert haben, erfahrt ihr in unserem Interview. Und es gibt durchaus einige blumige Charaktere, zumal die Hintergrundgeschichte mit dem Perspektivwechsel zumindest insoweit interessant ist, dass man mehrere Facetten kennenlernt. Aber sie haben nicht nur etwas Halbgares hinzugefügt, sondern im Vergleich zum wesentlich komplexeren und auch erzählerisch besseren Fire Emblem Fates auf wichtige spielerische Elemente verzichtet, so dass ich als Fan der Reihe nur den Kopf schütteln kann, weil sich alles zusammen wie ein Rückschritt anfühlt.

Kastriertes Inventar und Heiratsverbot

Fangen wir mit den Kleinigkeiten an: Es gibt z.B. keine Entwicklung einer Basis, sondern in beiden Perspektiven nur das streng lineare Ablaufen einer Karte mit vorgegebenen Punkten. Es gibt auch kein individuelles Inventarmanagement: Anstatt dass ich einem Charakter bis zu fünf Steine, Heilmittel oder Waffen zuteilen kann, gibt es jetzt lediglich einen (!) verteilbaren Gegenstand - ein Stück Brot oder eine Spezialwaffe sind hier gleichberechtigt und ich muss mich für eines entscheiden - hallo? Wähle ich das Brot, weil es heilt, schlägt der Held mit seiner ewig gleichen Standardwaffe zu. Wähle ich die Spezialwaffe, gewinnt der Held immerhin in mehreren Stufen Erfahrung mit ihr und schaltet so spezielle Effekte wie etwa die "Fülle" mit dem Golddolch frei, so dass er z.B. in Höhe seines Schadens heilt. Unterm Strich ist das allerdings ein fauler Kompromiss, denn erst beides zusammen, also Auswahl und Spezialisierung über Gebrauch, würde für echtes Rollenspielflair sorgen.

Neben Alm führt man auch die Gruppe von Celica an.
Jetzt das große Manko, das dieses Fire Emblem für mich regelrecht degradiert: Man kann zwar noch mit einigen Gefährten sprechen, um Beziehungen aufzubauen - allerdings nicht mit allen, nicht in Ruhe in einem Hauptquartier, sondern mitten auf dem Schlachtfeld, wo dann meist kitschige Nichtigkeiten im Angesicht des Feindes ausgetauscht werden. Da baut die Story etwas Drama auf und dann wird rumgeturtelt? Heiraten und Kinder kriegen ist übrigens nicht möglich, aber das ist für die Wertung egal.

Keine duale Partnertaktik

Wesentlich fataler ist, dass nahezu alle wichtigen kampftaktischen Konsequenzen fehlen! Es gibt lediglich Statistikboni, wenn befreundete Charaktere nebeneinander stehen, aber man kann Partner nicht mehr kombinieren, damit sie auf einem Feld kämpfen, so dass z.B. die Haupteinheit angreift und die Nebeneinheit verteidigt. Damit entfällt nicht nur der Reiz des dynamischen Wechsels sowie der Spezialangriffe, sondern auch der taktische Vorteil einer langfristigen Entwicklung.

Keine Bange, denn der Kern der Rundengefechte ist ja derselbe wie man ihn von Fire Emble kennt - man bewegt seine Einheiten in einem Gelände, kann lila Reichweitenzonen einblenden, muss seine Züge clever planen, auch mal Tore öffnen, Schiffe entern und die Gruppe teilen. Aber hinsichtlich der Gruppen- und Geländetaktik gibt es keinerlei Fortschritte, sondern lediglich zaghafte Modifikationen, wie etwa die bessere Verteidigung der Bogenschützen.

Die Frage der Schwierigkeit

Die Animationen sowie die Zwischensequenzen sind klasse.
Immerhin sorgt die Kulisse mit ihrem hübschen Karten sowie immer noch klasse Kampfanimationen für Stimmung, außerdem ist der Anspruch auch in dieser kastrierten Variante noch da. Selbst in den ersten Gefechten kann man Lehrgeld zahlen, wenn man nicht clever taktiert. Vor allem, wenn man nicht den normalen, sondern schweren Schwierigkeitsgrad wählt. In beiden hat man übrigens noch die Unterwahl des Spielmodus, ob man als "Anfänger" oder "Klassisch" spielt - in Ersterem stehen Gefallene nach einer Schlacht wieder auf, in Letzterem sind sie für immer verloren. Vorsicht auch bei der Wahl der Klasse, denn wer keine Bogenschützen oder vor allem mächtige Magier ausbildet, wird sich unheimlich schwer in den Gefechten tun. Übrigens gab es in Fire Emblem Fates jeweils drei Schwierigkeitsgrade und Spielmodi.

Noch ein abschließendes Wort zur Veröffentlichungspolitik: Die war schon bei Fire Emblem Fates mit den verschiedenen Editionen eher verwirrend als förderlich und erreicht angesichts dieses Spiels, das man angesichts der technischen Gleichheit fast schon selbst als eigenständige Erweiterung zu Fire Emblem Fates zu einem fairen Preis hätte veröffentlichen können, abstruse Ausmaße. Fünf Downloadpakete sollen bis Juni schrittweise veröffentlicht werden, wobei alle zusammen im Season Pass satte 44,99 Euro kosten. Hallo? Ich bin ein Fan dieser Reihe, aber ich will angesichts des deutlichen Qualitätsverlustes nichts davon spielen. Sorry Nintendo, aber hier wird die Marke bis ins Extrem ausgeschlachtet, was dem Image nur schadet.

Fazit

Dieses Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia mag auf den ersten Blick so aussehen und hinsichtlich der Animationen so überzeugen wie Fire Emblem Fates. Aber es ist das schwächste, das ich bisher gespielt habe. Ich verfolge die Reihe seit ihren Anfängen, ich mag das rundentaktische Prinzip und es spielt sich immer noch solide. Ich kann dieses Spiel aber weder Einsteigern noch Veteranen, sondern lediglich Sammlern empfehlen. Zum einen wurde das wesentlich komplexere Fates gefühlt erst gerade veröffentlicht - und es ist das deutlich bessere Spiel. Denn zum anderen wurde dieses Remake um wesentliche Aspekte des Inventar-Managements sowie vor allem der Beziehungen, die sich kampftaktisch auswirken, kastriert. Vieles mag der Dramaturgie und Struktur des Vorbildes aus dem Jahr 1992 geschuldet sein, aber das ist ein großer spielmechanischer Rückschritt, den die Story aus zwei Perspektiven nicht aufwiegen kann! Drittens wirkt die neue Dungeon-Erkundung in Egosicht, die für mehr Rollenspielflair sorgen soll, ebenso plump wie diese Wimmelbildsuche in den statischen Szenen - das ist alles überflüssiger Schnickschnack. Diese altehrwürdige Reihe braucht doch kein Kisten zerdeppern in Echtzeit, sondern mehr kreative Komplexität in der Geländetaktik! Da hat sich auch im PC-Bereich rundentaktisch einiges getan, an dem man sich orientieren könnte. Noch ein abschließendes Wort zur abstrusen Veröffentlichungspolitik mit dem Season Pass für knapp 45 Euro: Sorry Nintendo, aber hier wird die Marke für ein Remake (!), das selbst eher wie eine schlechte Erweiterung zu Fates anmutet, bis ins Extrem ausgeschlachtet - das schadet nicht nur dem Image dieser altehrwürdigen Reihe. Ich hoffe, dass sich Fire Emblem für Switch wieder seiner Kernkompetenz widmet und den Anspruch für Taktiker ausbaut.

Pro

hohes audiovisuelles Niveau von Fire Emblem Fates
solide Rundentaktik im Gelände
Story aus zwei Perspektiven
Bogenschützen haben bessere Verteidigung
erstmals komplett englische Sprachausgabe
zwei Schwierigkeitsgrade und Spielmodi

Kontra

Story kommt viel zu spät in Fahrt
keinerlei frische geländetaktische Impulse
Partnertaktik gegenüber Fates stark kastriert
meist streng lineares Kartenabgrasen
Inventar-Management auf ein Item reduziert
teilweise dämliche Dialoge mitten im Gelände
Dungeon-Erkundung verliert schnell an Reiz
plumpes Kisten zerdeppern in Dungeons
anspruchslose Wimmelbildsuche
sehr eindimensionale Dialoge
keine deutsche Sprachausgabe

Wertung

3DS

Dieses Fire Emblem mag auf den ersten Blick so aussehen und hinsichtlich der Animationen so überzeugen wie Fire Emblem Fates. Aber es ist das schwächste und überflüssigste, das ich bisher gespielt habe.

N3DS

Dieses Fire Emblem mag auf den ersten Blick so aussehen und hinsichtlich der Animationen so überzeugen wie Fire Emblem Fates. Aber es ist das schwächste und überflüssigste, das ich bisher gespielt habe.

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