PUBG: BATTLEGROUNDS11.01.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Der letzte Überlebende

Manche Spielkonzepte sind so profan, dass ein großer Publisher während der Vorstellung des Projekts vermutlich gefragt hätte: „Ist das alles?“ Umso schöner, dass dank Early Access ein als Modifikation gestartetes Konzept zum Welthit reifen kann. Dabei stellt PlayerUnknown’s Battlegrounds lediglich die Frage, welcher von 100 Spielern nach etwa einer halben Stunde noch am Leben ist. Im Test gehen wir diesem Phänomen auf den Grund.

Schwarzes Meer und Mexiko

Ich weiß: Kein Mensch sagt heute noch „PlayerUnknown’s Battlegrounds“, weshalb ich es auch hier einfach als PUBG bezeichnen werde. Das flotte Kürzel passt ohnehin besser zum flotten Spiel, denn obwohl PUBG durchaus anspruchsvoll ist, geht es ja wirklich nur darum, aus einem Flugzeug abzuspringen, um auf einer Insel im Schwarzen Meer oder in einem abgesperrten Teil der mexikanischen Wüste möglichst lange zu überleben.

Wo man abspringt und wie weit man anschließend mit dem Fallschirm gleitet, sucht man sich dabei aus: Stürzt man sich an Gebäudekomplexen nahe der Fluglinie direkt ins Getümmel oder landet man weit außerhalb, um in Ruhe Waffen und Rüstung zu sammeln? So oder so markiert ein weißer Kreis bald das Gebiet, in das man sich begeben muss – bleibt man zu lange außerhalb, verliert man ständig Lebenspunkte.

Der Kreis weist den Weg

So zwingt PUBG die Spieler stets in Bewegung zu bleiben: Nach einigen Minuten wird ja schon der nächste Kreis innerhalb der ursprünglichen markierten Zone angezeigt und irgendwann ist das jeweils folgende Gebiet dermaßen klein, dass es zum Showdown zwischen den letzten Überlebenden kommt. Wie praktisch, dass man nicht an jeder Ecke, insgesamt aber mit

Wer als Erster diese Halle plündert, darf sich auf fette Beute freuen.

hoher Wahrscheinlichkeit ein Fahrzeug findet, mit dem man sich schnell außer Gefahr begeben kann.

Clever sind auch Versorgungskisten mit besonders wertvoller Ausrüstung, die ein lohnenswertes, aufgrund der Nachfrage aber natürlich sowie gefährliches Ziel sein können, und wechselnde rot gekennzeichnete Flächen, die bombardiert werden. In denen sollte man zumindest nicht übers freie Feld spazieren.

Looten, looten, looten!

Ach ja... die Beute, die man zuhauf in Wohnhäusern, Lagerhallen, Schuppen, öffentlichen Gebäuden, bei Toten usw. findet: Ohne Loot läuft gar nichts! Immerhin startet man ohne Rucksack, ohne Munition, ohne Waffe, ohne Helm, ohne Bandagen oder sonstige Ausrüstung, sondern muss alles erst finden. Und das ist auch kein Problem, da fast jeder Raum eine kleine Fundgrube ist.

Besonders hochwertige Ausrüstung allerdings, z.B. Schutzwesten der Stufe 3, sehr große Taschen oder ein Visier mit achtfacher Vergrößerung, kommt einem schon deutlich seltener unter. Deshalb lohnt sich die Suche nach Beute auch im späteren Verlauf noch. Vor allem getötete Kontrahenten tragen oft zahlreiche „Wertsachen“ bei sich. Wer nur im Busch liegt und heimlich von Zielgebiet zu Zielgebiet schleicht, gelangt ja spielend leicht unter die letzten Zehn – ohne die richtigen Kaliber und starken Schutz, zieht man in späten Duellen aber schnell den Kürzeren.

Einfach genial?

Das ist es, was PUBG zu einem aufregenden Tauziehen macht: Ständig muss man in Bewegung sein und immer sollte man nach Gegnern Ausschau halten – zur Sicherheit und um selbst Abschüsse zu erzielen. Wer geduldig ist, erzielt clevere Kills. Oder aber man setzt sich in einen Jeep und fährt einen Kontrahenten einfach über den Haufen.

Tatsächlich geht eine starke Anziehungskraft von den überschaubar kurzen Partien aus, denn so schnell man drin ist, so vielseitig können die Matches sein. Der insgesamt recht eintönige Ablauf mit dem ständigen Rennen in Richtung Ausrüstung und wechselnden Zielgebieten wird mir zwar deutlich schneller fad als ein Rainbow Six Siege, das von Minute eins an durchgehend auf Hochspannung läuft. Dennoch ist PUBG nicht nur überraschend einfach, sondern im Kern auch faszinierend genial!

Simulation statt Spielgefühl

Warum kein Test der Xbox-One-Version?

Obwohl PlayerUnknown's Battlegrounds inzwischen auch auf Xbox One erhältlich ist, wurde es auf der Konsole noch nicht als fertiges Spiel veröffentlicht. PUBG ist noch immer Teil des Game-Preview-Programms, was Steams Early Access entspricht.

Ich hadere allerdings mit der Umsetzung; so richtig gepackt hat mich PUBG jedenfalls bis heute nicht. Denn als Shooter ist PUBG bestenfalls mittelmäßig, stellenweise sogar unterdurchschnittlich. So klasse die zahlreichen Waffen mit ihren sehr eigenen Besonderheiten jeweils sind, so schlecht fühlen sie sich nämlich an.

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen führt das Alter Ego sämtliche Bewegungen relativ träge aus. Zum anderen fühlt sich jeder Schuss wie eine Art Glücksspiel an. Zumindest erkennt man u.a. dank relativ steifer Animationen und gelegentlicher Schwächen im Netzcode einfach nicht gut genug, wohin genau man zielen sollte. Vor allem aber werden sämtliche Schüsse aus den Waffen abgefeuert, nicht aus dem Gesicht. Klar, klingt logisch! Es hat allerdings seinen Grund, dass schnelle Shooter aus einem ganz einfachen Grund auf diese Logik pfeifen: Ihnen ist die präzise Kontrolle über die Spielfigur wichtiger. Und die fehlt einfach, wenn das Fadenkreuz zwar direkt auf einen Gegner zeigt, sämtliche Geschosse aber in einer Mauer landen, hinter der man sich befindet.

Beim Blick über die Schulter des Alter Ego spürt man die Schwächen der Bewegungssteuerung und Zielgenauigkeit am stärksten.

PUBG ist die Weiterentwicklung von Battle Royale, einer Modifikation der Militärsimulation Arma 2, dessen Bewegungsmodell und Waffenhandling PlayerUnknown alias Brendan Greene für Battlegrounds zu großen Teilen übernommen hat. Dabei würde sich sein erstes komplett eigenes Spiel um einiges griffiger und damit besser anfühlen, wenn es sich weiter von diesen geistigen Wurzeln entfernt hätte.

Dritter Mann oder Augenblick?

Besonders beim Blick über die Schulter der Spielfigur, also in Verbindung mit zusätzlichen Kamerabewegungen, fallen Trägheit und Ungenauigkeit auf. Man kann dann zwar besser um Ecken schauen, „kämpft“ aber stärker mit dem Alter Ego. Gut, dass man vor jedem Matchbeginn wählt, ob man auf Servern spielt, die ausschließlich den Blick aus der besser spielbaren Ego-Perspektive zulassen.

Einen ausgesprochen praktischen Kniff hat sich Greene in Sachen Steuerung dabei für beide Perspektiven eingefügt: Man kann sowohl beim Absprung mit dem Fallschirm als auch beim Sprinten den Kopf jederzeit frei bewegen. So sieht man sich um, ohne Geschwindigkeit zu verlieren – immerhin ist das Erstere unverzichtbar, während Letzteres auf Dauer nerviger wäre als dem Spielgefühl zuträglich.

Gut übrigens auch, dass man sich außerdem für eine Partie entscheidet, in der ausschließlich Solisten unterwegs sind, ob man als Duo gegen Zweier- oder zu viert gegen Viererteams antritt oder ob man mit seiner aktuellen Gruppe gegen alle Arten von Team-Konstellationen kämpft. Schade nur, dass man keine eigenen Partien starten kann, um ausschließlich mit Freunden zu spielen oder in Ruhe die verschiedenen Waffen mit ihren verschiedenen Aufsätzen kennenzulernen. Ich kenne mich mit realen Pistolen und Gewehren überhaupt nicht aus, will das auch nicht und muss mich deshalb in jedem Spiel stets erst in deren Besonderheiten hineindenken.

Ist da was im Busch?

Weniger gut gefällt mir außerdem das Fehlen einer deutlichen Angabe, aus welcher Richtung man beschossen wird. Weil man z.B. ferne Gegner besonders unter Beschuss

Jede Runde beginnt an Bord des Flugzeugs. Wann man abspringt und wohin, bleibt jedem der 100 Spieler selbst überlassen.

kaum zwischen den vielen Schatten, Büschen, Holzhaufen, Fahrzeugwracks usw. ausmachen kann, segnet man fast immer das Zeitliche, sobald man von einem Kontrahenten zuerst gesehen wird. Man kann aber nicht ständig auf der Lauer liegen, um sich in Ruhe umzusehen, sondern muss oft lange Strecken sprinten oder fahren, wodurch man sehr deutlich auf sich aufmerksam macht. Besser wäre es deshalb, wenn man unter fast zwangsweise folgendem Beschuss wenigstens das Gefühl hätte, aussichtsreich reagieren zu können.

Und apropos Büsche, Bäume usw.: Wer die Grafikeinstellungen weit genug herunter regelt, hat noch immer einen kleinen Vorteil gegenüber Genießern, die das Spiel so sehen wollen, wie es vermutlich gedacht ist. Auf viele wichtige Details, darunter das Vorhandensein von Schatten, haben die Einstellungen zum Glück keinen Einfluss mehr, für alle gilt das aber leider nicht.

Kleiderkisten

Ein Wort noch zu den Beutekisten, auf die auch PUBG nicht verzichtet und in denen Kleidungsstücke stecken, mit denen man seine Figur nach Geschmack einkleiden darf. Sechs Kisten kann man pro Woche für durch Erfolge im Spiel verdiente Battle

Die zwei großen Karten sind angenehm abwechslungsreich.

Points kaufen und derzeit sofort öffnen. Drin befinden sich ausschließlich Kleidungsstücke, die abgesehen von für das Verstecken mal mehr, mal weniger vorteilhafter Farbgebung keine Auswirkungen auf das eigentliche Spiel haben. Man erhält also keine Schutzwesten, Helme oder gar Waffen.

Das System befindet sich allerdings noch in Entwicklung und auf Testservern gibt es bereits zwei neue Arten von Kisten, von denen sich Kisten eines Typs nur nach dem Bezahlen von 2,50 Dollar öffnen lassen. Welche Art Kiste man beim Kauf mit Battle Points erhält, wird dabei vom Zufall bestimmt.

Das im Test befindliche System könnte noch verändert werden, bevor es auf den offiziellen Servern zum Einsatz kommt. Sollte es in im Wesentlichen unveränderter Form online gehen, wäre es in Zukunft allerdings möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass sich keine der maximal sechs Kisten öffnen lässt, ohne dass man Geld dafür bezahlt.

Fazit

PUBG ist ein Phänomen, wenn auch nicht nur aus den meist zitierten Gründen. Denn vor allem finde ich bemerkenswert, wie fesselnd dieses Battle Royale ist, obwohl es unter auffallenden spielerischen Mängeln leidet. Mit der schwammigen Steuerung konnte ich mich jedenfalls ebenso wenig anfreunden wie mit der fehlenden Präzision und Übersicht in vielen Schusswechseln. Hinzu kommen die auf Dauer durchaus monotonen Sprints durch Wald und Flur sowie das Durchsuchen der immer gleichen Gebäude – das ganz große Multiplayer-Erlebnis ist das für mich einfach nicht. Allerdings geht von PUBG eine Faszination aus, der ich mich trotz dieser Schwächen schwer entziehen kann. Denn im Grunde bündelt es ein komplettes Survival-Abenteuer in eine halbe Stunde knisternder Spannung, während der jeder Fehltritt den Tod bedeuten kann. Durch erfolgreiches Beobachten und Taktieren beschert man sich selbst starke Glücksmomente, Risiko wird oft belohnt und spätestens beim Showdown der letzten Zehn tanzt der Herzschlag Polka. Es ist nicht die spielerische Klasse – es sind diese starken Höhepunkte, die 100 Verrückte immer wieder einen Absprung über dem Schwarzen Meer oder Mexiko wagen lassen.

Aktualisierung vom 10.12.2018:

Wir haben die Informationen zu den inzwischen offiziellen Echtgeldtransaktionen aktualisiert. Kleidungsstücke, Lackierungen und andere kosmetische Inhalte sind für Echtgeld erhältlich, haben aber keine spielerischen Auswirkungen. Für erarbeitete Spielwährung kauft man außerdem Beutekisten mit zufälligen Inhalten bestimmter Sets.

Pro

aufregende Jagd ums Überleben
landschaftlich und topografisch interessante Kampfgebiete
veränderliche Gefahrenzonen und Zielgebiete zwingen in Bewegung zu bleiben
notwendige Suche nach besserer Ausrüstung erzwingt Risiken fair verteilte Beute belohnt das Plündern
praktisch: freies Umsehen während Sprinten und Absprung
Wahl zwischen Solospiel und verschiedenen Teamvarianten sowie zwischen Schulterblick und Ego-Perspektive

Kontra

sehr träge, ungenaue Steuerung, besonders in Schulterperspektive
fehlende Rückmeldung zu Richtung, aus der Beschuss kommt, behindert sinnvolles Reagieren
viel Leerlauf unterbrochen von kurzen Höhepunkten, in denen Glück große Rolle spielt
niedrige Grafikeinstellungen können wichtige spielerische Vorteile bringen
kein eigenes Erstellen von Custom-Matches

Wertung

PC

Spielerisch holpriger, aber inhaltlich packender Überlebenskampf.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
  • Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.
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