Hellmut: The Badass from Hell09.03.2018, Mathias Oertel

Im Test: Zurück in der "Rogue-like"-Hölle

Es gab eine Zeit, da konnten mich all die Dualstick-Ballereien mit zufällig generierten Abschnitten und "Permadeath" nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Was quasi mit The Binding of Isaac begann, wurde inflationär von Indieteams beackert. Erst mit Enter The Gungeon wurde mein Interesse Anfang 2016 wieder geweckt. Und das konnte danach von Spielen wie z.B. Feral Fury weiter aufrecht gehalten werden. Ob auch Hellmut: The Badass from Hell (ab 11,94€ bei kaufen) erfolgreich in diese Kerbe schlägt, erfahrt ihr im Test.

Zeig doch mal ein bisschen Rückgrat

Das Team von Volcanicc scheint ein Fan von Brian Yuzna und seinen Horrorfilmen wie Re-Animator zu sein, die hierzulande lange auf dem Index standen.  Zumindest hätte das ebenso wie das Spiel in 16-Bit-Retrokulisse inszenierte Intro auch die Grundlage für einen seiner Filme sein können. Der Wissenschaftler Helmut strebt nach ewigem Leben. Und der Dämon, den er beschworen hat, erfüllt ihm diesen Wunsch – wenngleich anders, als Helmut es erwartet hat. Denn er wird zwar von nun an immer wieder auferstehen, wenn er stirbt. Doch im Gegenzug wird er vom Dämon komplett zerlegt. Erst mit der Hilfe des "Auge des Ka-Ra", eines weiteren fiesen Monsters, findet er einigermaßen zu einer Art Fortbewegung zurück: Als fliegender Schädel mit freiliegendem Gehirn mitsamt Wirbelsäule. Aus Hel- wird Hellmut, der Rache schwörende Badass aus der Hölle - und er bekommt auch hier unerwartete Unterstützung  vom Auge des Ka-Ra.

Die zufällig generierten Abschnitte mit ihren ebenfalls zufälligen Gegnerwellen fordern Hellmut und dem Spieler alles ab.
Es stellt ihm vorerst zwei Hüllen zur Verfügung, in die er schlüpfen kann. Der Rattenkönig ist mit einem Gewehr bewaffnet, das aggressive Nager verschießt, während der mit einem Abkühltimer versehene Spezialangriff drei explosive Ratten auf die Gegner loslässt. Das Stichmonster hingegen ist mit ähnlich Marvel’s Thor mit einem Hammer bewaffnet, den er den Feinden entgegenschleudert. Sein Spezialangriff  ist ein Wutlauf, der alles in einer geraden Linie plattwalzt. Zig weitere dieser Mutationen können freigeschaltet werden, doch dazu muss man sich im "Schloss" einem Dutzend zufällig generierter sowie verschachtelter Abschnitte inkl. hammerharter Bosse stellen. Und ab hier wird es trotz der Figuren, in die man schlüpft, zu einem weitgehend "normalen" Dualstick-Ballern. Denn so fantasievoll sich die Mutationen präsentieren, mit denen man die in jedem neuen Raum aufploppenden Gegnerwellen dezimiert, spielt es sich unter dem Strich nicht wesentlich anders als z.B. The Binding of Isaac oder Enter The Gungeon. Mit Letzterem hat Hellmut nicht nur den Grafikstil, sondern auch den Hang zur Kugelhölle gemeinsam. Viele Gegner in späteren Abschnitten schießen wild um sich und sorgen so dafür, dass man nicht nur hinsichtlich seiner Angriffsaktionen gute Hand-/Auge-Koordination beweisen muss, sondern auch, um ihren Projektilen auszuweichen. Eine Ausweichrolle wie im Gungeon oder eine ähnliche Aktion, die kurzzeitigen Schutz vor Geschossen bietet, gibt es hier nicht. Wird man getroffen, geht die Lebensenergie gnadenlos nach unten.

Schenk mir ein Leben

Und wenn die bei null ist, muss Hellmut nicht nur die Mutation verlassen, sondern ist in seinem "Natur- Zustand" mit seiner eher zweckmäßigen Bewaffnung ein eher leichtes Opfer - wenngleich man auch in dieser Form überleben kann. Doch sowohl die Goldmünzen als auch vor allem die Kristalle, die von den Feinden nach dem Ableben hinterlassen werden und tunlichst aufgesammelt werden sollten, bevor sie blinkend verschwinden, können helfen, die Feinde in Schach zu halten. Auf jeder Standard-Etage gibt es einen Shop, in dem man für das Gold nicht nur Waffen mit beschränkter Munition oder Lebenspunkt-Upgrades, sondern auch Gesundheitspacks erstehen darf. Man kann sogar eine Wiederbelebungsmünze kaufen. Und mit 20 Kristallen lässt sich sich an bestimmten Orten das Auge das Ka-Ra beschwören, das eine besondere Herausforderung für einen bereithält: Im Rahmen eines knappen Zeitlimits muss eine bestimmte Gegneranzahl erledigt werden. Schafft man dies, erhält man eine weitere Mutation. Und ab diesem Moment kommt sogar ein Hauch Taktik ins Spiel. Denn man darf jederzeit zwischen allen im aktuellen Lauf freigeschalteten Körpern wechseln – natürlich gehört auch Hellmuts Standardform dazu, die allerdings weiterhin nur ein Notnagel bleibt. So kann man sich mit viel Geschick und etwas Glück eine stattliche Anzahl an Formen (sprich: Leben) sichern, bevor man in den nächsten Bosskampf geht. Dass das Umschalten nicht über die

Bis man nennenswerte inhaltliche Fortschritte macht, ist viel Frust angesagt. Der investierte Aufwand steht in keinerlei Relation zum Ergebnis.
Zahlentasten geregelt wird, sondern über Shift plus A oder D zum Durchschalten ist allerdings unnötig kompliziert – auch wenn währenddessen das Geschehen  in eine Zeitlupe schaltet. Man darf zwar auch mit dem Pad bewaffnet den Weg in die Hölle unternehmen,  das Durchschalten wird dadurch allerdings nicht erleichtert.

Die zusätzlichen Leben sind bitter nötig, da der Schwierigkeitsgrad im Allgemeinen als herausfordernd bezeichnet werden kann. Wer schon bei Enter The Gungeon oder The Binding of Isaac herzhaft geflucht und dann die Segel gestrichen hat, wird hier vermutlich verzweifeln. Dank einer akkuraten Kollisionsabfrage und der sich recht schnell einstellenden Kenntnis der Angriffsmuster bleibt es zwar größtenteils fair. Doch eher früher als später wird man frustriert an seine Grenze stoßen. Auch weil die zufälligen Gegnerzusammenstellungen eine willkürliche Unberechenbarkeit mitbringen, die zusammen mit der kaum einen Fehler verzeihenden Mechanik dafür sorgt, dass der Game-Over-Bildschirm in seiner ganzen Glorie erstrahlt. Wieder und wieder. Und immer wieder. Die Möhren, die einem in Form der temporären Mutationen sowie den durchwechselnden Bossen vor die Nase gehalten werden, können zwar dafür sorgen, dass man immer mal wieder einen neuen Angriff unternimmt. Doch da erst nach dem Besiegen des Endbosses (!) neue Figuren zur Startauswahl im Labor auftauchen, hat Volcanicc nicht das richtige Maß zwischen Anforderungsprofil und Belohnung gefunden.

Fazit

Die Grundidee mit den durchschaltbaren Charakteren samt ihrer unterschiedlichen Bewaffnung bzw. Spezialangriffen ist gut. Während man das Dutzend zufällig generierter sowie mit Gegnern bestückter Abschnitte (inkl. einem Boss-Quartett) immer wieder in Angriff nimmt, um Rache an einem Dämon zu üben, kann man neue Figuren freischalten und jederzeit zwischen ihnen durchschalten. Sie fungieren nicht nur als neue taktische Option im Kampf, sondern sind auch gleichzeitig quasi die "Leben", die einem zur Verfügung stehen, bevor der permanente Tod seinen Tribut fordert und einen wieder an den Start ins Labor befördert. Zusammen mit dem farbenfrohen 16-Bit-Artdesign, das sich an dem seinerzeit mit einem Gold-Award prämierten Enter The Gungeon zu orientieren scheint, geht eine interessante Faszination von Hellmut: The Badass from Hell aus. Doch es gehen früher als bei ähnlich gelagerter Dualstick-Action Reiz und Motivation verloren. Denn um auch nur eine der zusätzlichen Startfiguren permanent zur Verfügung zu haben, muss der Endboss besiegt werden. Und damit stehen Aufwand und Belohnung in keinem vernünftigen Verhältnis. Denn so sehr ich fordernde und gelegentlich frustrierende Spiele auch schätzen kann, übertreibt es Hellmut in dieser Hinsicht - man hat zu selten das Gefühl, nennenswerten Fortschritt verbucht zu haben. Hier sorgt die willkürliche Unberechenbarkeit zufälliger Levelgestaltung mit ihren unvermuteten Spitzen für unnötigen Frust, so dass sowohl Artdesign als auch die akkurate Steuerung mit ihrer sauberen Kollisionsabfrage in den Hintergrund geraten.

Pro

intensive Dualstick-Action
sympathisches 16-Bit-Retro-Design
akkurate Steuerung, gute Kollisionsabfrage
zahlreiche Mutationen mit unterschiedlicher Bewaffnung
harte Bosskämpfe

Kontra

zufällig generierte Level und Gegnerwellen sorgen für fiese Spitzen im Anforderungsprofil
neue Figuren werden erst nach dem finalen Boss permanent freigeschaltet
allgemein unausgewogner, sehr hoher Schwierigkeitsgrad

Wertung

PC

Ambitionierte Dualstick-Action mit zufällig generierten Abschnitten, einem interessanten "Waffen"-Konzept und einem knackigen sowie unausgewogenen Schwierigkeitsgrad, der dem Höllenritt zum Verhängnis wird.

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