The Lost Crown: A Ghosthunting Adventure26.06.2009, Bodo Naser
The Lost Crown: A Ghosthunting Adventure

Im Test:

Schaurige Vorfreude ante portas: Das Grusel-Abenteuer The Lost Crown hat bisher recht gute Wertungen abgeräumt. Für einige Kollegen war es sogar das "Beängstigendste", was sie je gespielt haben. Wir sind neugierig: Wie wirkt das Spiel auf uns? Sind die emotionalen Superlative angebracht? Kann eine vergleichsweise kleine britische Produktion derartigen Nervenkitzel heraufbeschwören?

Kein Haus ohne Geist

Wo gibt es die meisten Spukhäuser? Vermutlich auf den britischen Inseln, wo man von Natur aus einen Draht für seltsame Vorkommnisse hat. In England gibt es fast kein

Schaurig, schaurig: Dass es bei Lost Crown übersinnlich zugeht, merkt man von der ersten Minute an.
älteres Haus, über das keine Gespenstergeschichte erzählt wird. Hier ein weiße Frau, dort ein durchsichtiger Ritter oder ein fieser Poltergeist. Nicht wenige Hotels werben sogar damit, dass es einen hauseigenen Geist gäbe. Es ist ein recht zweifelhaftes Vergnügen, in einem Raum zu nächtigen, wo jemand einst sein Leben aushauchte. Besonders treffend wird diese makabere Sucht jüngst im Film "Zimmer 1408" beschrieben, wo der Autor immer wieder in solchen Spukhäusern der USA übernachtet, aber rein gar nichts passiert. Als er dann endlich eine paranormale Erscheinung hat, glaubt er gar zunächst nicht daran und denkt, dass es ein Trick des Hotelmanagers sei.

So weit geht The Lost Crown nicht, denn unerklärlich sind die Vorkommnisse nach wie vor - auch wenn die Wissenschaft versucht, sie zu erklären. Die Parapsychologie beschäftigt sich mit übersinnlichen Phänomenen, hat aber keine allgemein gültiges Erklärungsmuster. Hinter den meisten Gespenstern dürfte aber wohl der menschliche Geist stecken, der dem Betrachter einen Streich spielt. Natürlich gibt es auch Leute, die glauben, dass es arme Seelen seien, die auch nach ihrem Tod dort verweilen, wo sie umgekommen sind. Ihre Ansicht nach hängen die Geister hängen sozusagen in einer Zwischenwelt fest. Angenehm, dass das Spiel offen an die Thematik herangeht, da es nicht von vornherein eine Theorie vertritt. Der Held ist der Meinung, es gebe Dinge, die untersucht werden müssen. Es ist daher nicht klar, wohin sich die Story entwickelt - und das hält die Spannung aufrecht.

Trip an die See

Das Abenteuer spielt in East-Anglia, einer legendenumrankten

Im Dorfpub erhält Nigel zwar kein Zimmer, dafür macht er erstmals mit dem Cottage Bekanntschaft.
Gegend nordöstlich von London, wo gestresste Städter gerne mal Urlaub machen. Die topfebene Küstenlandschaft, die auch heute noch von Mooren gekennzeichnet ist, lädt dazu ein, die Seele baumeln zu lassen. Allerdings sollte man auch aufpassen, wohin man tritt, denn sonst wird man selbst zum Sumpfgeist. In diese urwüchsige Landschaft verschlägt es auch Nigel Danvers, den Protagonisten des Abenteuers. Genauer gesagt ist er auf der Flucht, denn er hat wichtige Dokumente seines Arbeitgebers entwendet. Ein paar Fotos und Computerausdrucke, die Nigel derart ans Herz gewachsen sind, dass er sie im Schrank verwahrt, als wären es moderne Reliquien. Interessanterweise stellt seine Firma Geräte her, die zur Erforschung von übersinnlichen Phänomenen dienen.

Nachdem Nigel von der Eisenbahn quasi im Moor ausgesetzt wurde, da die Strecke überschwemmt ist, kämpft er sich einsam durchs Schilf, das hier "Fenns" heißt. Allein von der Hoffnung getrieben, irgendwann an eine Behausung zu kommen, wie es ihm der Stationsvorsteher geraten hat. Das gelingt ihm schließlich auch, nachdem er zuvor noch durch eine klamme Höhle gekraxelt ist, die bei Flut überschwemmt wird. Alles ziemlich mysteriös, wie etwa die traurige Frau mit Hund, die er am Strand trifft und die ihn zu kennen scheint - dabei war er doch noch nie hier! Als Nigel das nebelumwaberte Saxton betritt, freut er sich zwar, dass er angekommen ist, aber irgendwie scheinen die Bewohner nicht von dieser Welt zu sein: In dem Fischerdorf ist die Zeit stehen geblieben, denn hier sehen die Telefone aus wie vor 50 Jahren und die Eisenbahn wie vor 100. Alles wirkt antik und die Grafik unterstreicht das Gefühl der Zeitreise, denn nahezu alles erscheint in Schwarz-Weiß -  Farbtupfer wie Blumen sind selten. Die Leute, die er trifft, scheinen schon ewig dort zu wohnen. Oder aber es sind Schatzsucher, die dem Mythos der verlorenen Krone hinterher jagen.

Der Grusel beginnt

Die eigentliche Spukgeschichte beginnt erst, als Nigel in ein kleines Häuschen am Hafen einzieht. Dort sieht es nicht nur aus, als hätte schon lange keiner mehr aufgeräumt, auch sonst geht einiges nicht mit rechten Dingen zu.

In dieser Ecke im Spukhaus erscheint langsam eine Tür, die es gar nicht geben dürfte. 
Als Nigel sein unfreiwilliges Feriendomizil erkundet, macht es einen recht heruntergekommen Eindruck. Ein seltsamer Druck lastet auf dem gekalkten Gemäuer, dessen Stützbalken angeblich noch von der Armada übrig geblieben sein sollen. Wer wohnte hier wohl früher? Der Held hört bald Geräusche, Stimmen und Poltern, was angenehm verstörend inszeniert wird. Hat sich die Kiste nicht eben bewegt? Als er den Schlüssel auftreibt und sie schließlich öffnet, ist sie bis auf ein paar Kissen leer. Bei diesen Aktionen merkt man, dass die Bewegungen der Charaktere ein wenig behäbig sind; auch die Gesichter wirken relativ statisch.

Obwohl das Haus nur wenige Räume hat, scheint jeder davon ein dunkles Geheimnis zu bergen, das es zu erkunden gilt. Er erfährt durch Lektüre eines Tagebuchs, dass früher ein Spanier das Haus bewohnte, dessen Frau plötzlich krank wurde. Scheinbar ließ der Mann seine Frau dennoch allein zu Hause, weil er geschäftlich weg musste. Was geschah mit ihnen? Haust ihr Geist im Cottage? Sehr verstörend wirkt der Fleck an der Wand im Flur, der jeden Tag deutlicher hervor tritt. Er sieht aus wie eine Tür. Wo führte sie hin? Die Wand endet doch nebenan, wenn man draußen am Haus schaut!? Alles sehr ominös. Nigel versucht schließlich, in dem Haus ein Auge zuzumachen, was ihm mehr schlecht als recht gelingt. Erholsam wird die Nacht aber nicht. Er bekommt erst später sein "Spielzeug", um die Phänomene wirklich zu erkunden. Diese Story ist aber nur eine von vielen, die das vielschichtige Abenteuer erzählt.

                      

Eins nach dem anderen

So stimmig die Atmosphäre ist, könnte man von den Rätsel ein wahres Feuerwerk erwarten. Dem ist aber leider nicht so, da die Aufgaben vergleichsweise konventionell und 

Das Gute liegt so nah! Wenn man den Sachen näher kommt, findet man oft die Lösung.
recht simpel sind. Zudem ist der Aufbau des Abenteuers recht linear, so dass man immer alles erledigt, mit allen geredet und alles angeschaut haben muss, bevor es weiter geht. Symbolisiert wird das durch die praktische Liste, auf der fein säuberlich steht, was an jedem Tag zu tun ist. Vieles kann man zwar beim Umherlaufen schon anschauen, Bedeutung gewinnt es aber erst im Laufe der Zeit. Klar, dass das ein ständiges Partrouillieren des Kaffs erfordert, das zum Glück nicht groß ist. So muss man warten, bis das Museum geöffnet hat, um etwas über die bewegte Historie des Ortes zu erfahren. Immerhin handelt es sich bei diesem geradlinigen Abenteuer um ein ausführliches: Man sollte mehr als zehn Stunden einplanen.

Die meisten Rätsel bestehen aus schnell lösbaren Inventaraufgaben, bei denen man einen oder mehrere Gegenstände besorgen muss. Seltener muss man wirklich mal was kombinieren, Logik walten lassen oder sein Gehirn wirklich anstrengen. So erfährt Nigel, dass man für einen Blick in die Zukunft einen Spiegel und Wasser braucht. Zum Glück schleift er seit dem ersten Betreten des Pubs eine Flasche Wasser mit sich herum. Leider sind die Gegenstände oft nicht leicht zu finden, da keine Hot-Spot-Anzeige zuschaltbar ist. Die Orte, wo es etwas anzuschauen gibt, werden zwar durch ein Lupensymbol illustriert, aber bisweilen sind sie nicht klar voneinander getrennt. Woher soll man dann wissen, wo man noch klicken soll?

High-Tech Geisterjagd

Seltsam, aber wahr: Obwohl Nigel eigentlich nicht mehr das Vertrauen seines Chefs genießt und sogar von wütenden

Nebem dem Haus kann der Held seine Ausrüstung in den Höhlen testen, da dort mancher Geist haust.
Kollegen verfolgt wird, schickt ihm seine Firma doch eine Geisterjäger-Ausrüstung zum Ausprobieren. Ein wenigGhostbuster-Feeling kommt schon auf, wenn das Gerät zur Messung von übernatürlichen Schwingungen ausschlägt. Allerdings muss man nicht mittels Strahler einen Schleimer in die Box bannen. Hier geht's eher konventionell zu, wenn Geister fotografiert oder ihre Stimmen aufgezeichnet werden. Das läuft als spezielle Aufgabe ab, die aber schnell zur Routine wird - eine Anleitung der Firma erklärt alles. Wenn es heult, wird zunächst gemessen, dann aufgenommen und ein Foto geschossen. Ab ins Album mit dem Foto von Hui-Bu! Dort landen neben den Bildern auch die Tonbänder, die man immer wieder anhören kann.

Nigel muss bald feststellen, dass nicht nur seine Behausung sondern praktisch der ganze Ort voller Gespenster ist. Das bestätigen ihm auch die paar Lebenden, mit denen man sich per Multiple-Choice unterhalten kann. Eine echten Einfluss auf die professionell vertonten Gespräche hat man aber nicht, denn man muss mal wieder alles hintereinander abfragen. So kann man es auch nicht verhindern, dass das erste Zusammentreffen mit Lucy Reubens wenig harmonisch verläuft. Ist sie doch so ziemlich die einzige in Saxton, die nicht durchgeknallt ist. Eine junge, unabhängige Frau, die einen Schuss Hoffnung in die schwermütige Geisterstory bringt. Hey, es könnte ja sogar was mit ihr laufen - immerhin schreibt sie Nigel später eine Nachricht!

Echt gruselig?

Die blutrünstige Verpackung mit japanischem Touch suggeriert, dass The Lost Crown echten Nervenkitzel bietet. Dem ist trotz der Thematik aber nicht so, denn es wirkt eher 

Verrückte Typen gibt's in Saxton an jeder Ecke, aber richtig schockierend wird's leider selten.  
wie ein alter Schauerfilm: Nostalgisch, gut gemacht und man schaut ihn gern an, aber richtiger Horror ist anders. Das liegt sicher nicht an der Musik, die für eine beunruhigende Grundstimmung sorgt, sondern eher daran, dass das Spiel seine Geister nicht ganz ernst nimmt. Sowohl Nigel als auch Lucy stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und lassen sich kaum aus der Ruhe bringen, auch wenn sie durch Verliese robben, ihnen Skelette ins Gesicht fallen oder mal wieder das Licht ausgeht. Es ist immer klar, dass es nur ein Spiel ist, was man bei Penumbra gelegentlich vergaß, wo der Schrecken unmittelbar in die Glieder fuhr. Daher ist Lost Crown auch "frei ab 12 Jahren".

Zudem braucht Schauer seine Zeit, er muss sich erst langsam aufbauen. Eine der gruseligsten Szenen, an die ich mich erinnere, ist jene aus Darkness Within , wo das alles viel subtiler ablief. Man stieg in ein unterirdisches Verlies, das angeblich eine Verbindung zur Unterwelt haben sollte. Dort traf man die verlorene Seele eines Kollegen, der zu weit gegangen war. Trotz der drastischen Vorgeschichte ist mir beim Betreten des Kellers fast das Herz in die Hose gerutscht. Zudem gab es dann einen völlig schwarzen Bereich, den man nicht beteten konnte, obwohl die Treppen weitergingen. Der Abgrund war tatsächlich wie der Eingang zur Hölle. Eine ähnliche Sequenz gibt es auch bei Lost Crown, als man mit Nachtsichtgerät die Höhlen erkundet. Aber sie ist kaum gruselig, weil sie einen kalt lässt.          

Fazit

Obwohl ich nicht an Geister glaube, mag ich doch Geistergeschichten. Als solche funktioniert The Lost Crown vorzüglich, auch weil lange spannend bleibt, wie die Story verlaufen wird. Zudem gibt es einige Geschichten am Rande zu entdecken, da fast jede Bewohner des Dorfes etwas Unheimliches zu erzählen hat. Auch atmosphärisch überzeugt das umfangreiche Adventure, denn es ist düster, bedrückend und nostalgisch, ohne die vermeintlich gute alte Zeit zu verherrlichen. Jedes finstere Drama braucht seine lichten Momente, die in Form von Lucy, der idyllischen Natur und der Schatzsuche vorhanden sind, die der Story Hoffnung verleihen. Allerdings gibt es auch elementare Schwächen, die das Spiel selbst betreffen: Zwar sind die Rätsel durchweg zu lösen, aber sie sind eben auch oft zu einfach. Meist ist es noch am schwersten, den Ort zu finden, wo man was erledigen soll. Durch die Geisterjagd wird die Rätselroutine nur kurz aufgelockert, da auch die pseudowissenschaftlichen Messungen bald ihren Reiz verlieren. Das liegt sicher auch daran, dass es an echtem Nervenkitzel oder gar Horror fehlt, obwohl eine mystische Grundstimmung vorhanden ist. Unterm Strich bekommt man dennoch ein gelungenes Adventure, da es einen trotz des linearen Aufbaus jeden Tag zum Weitermachen verführt. Bei keinem vergleichbaren Spiel will man so lange noch wissen, wie es weitergeht. Wer sind die Geister, die überall im Dorf spuken? Kommen sich Lucy und Nigel näher? Findet man die sagenhafte Krone noch oder ist sie nur ein Hirngespinst?

Pro

gediegenes Schauer-Adventure
vielschichtige Story
geheimnisvolle Umgebung
bleibt lange spannend
auf Geisterjagd gehen
machbare Rätsel
vergleichsweise umfangreich

Kontra

linearer Aufbau
eins nach dem anderen machen
Rätsel bisweilen simpel
nicht wirklich gruselig
Sachen schwer zu finden
immer wieder alles absuchen

Wertung

PC

Gediegene Geisterjagd in der englischen Provinz, die duchaus noch etwas gruseliger ausfallen könnte.

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