Divine Divinity03.08.2002, Marc
Divine Divinity

Im Test:

Sind Spiele des Genres Rollenspiel leider doch recht rar, so bekommen wir diesen Sommer innerhalb von nur einem Monat gleich zwei Kandidaten spendiert. Den Anfang machte das für gut befundene Neverwinter Nights, und fast auf dem Fuße folgt Divine Divinity (ab 19,10€ bei kaufen) von Publisher CDV. Ob der 2D-Kandidat seinem 3D-Bruder das Wasser reichen kann, klärt unser Ausflug in die Welt von Rivellon...

Sind Spiele des Genres Rollenspiel leider doch recht rar, so bekommen wir diesen Sommer innerhalb von nur einem Monat gleich zwei Kandidaten spendiert. Den Anfang machte das für gut befundene Neverwinter Nights, und fast auf dem Fuße folgt Divine Divinity von Publisher CDV. Ob der 2D-Kandidat seinem 3D-Bruder das Wasser reichen kann, klärt unser Ausflug in die Welt von Rivellon.

Als die Larian Studios ihr neues Projekt namens Divine Divinity begonnen haben, stand vor allem zwei Prämissen im Vordergrund: Es sollte ein Spiel entstehen, das für jeden Spieler durch eine simple Steuerung und eine mitreißende Story zugänglich ist. Gleichzeitig sollte es eine enorme Spieltiefe besitzen und einfach mal zu einem Ausflug in die nähere Umgebung einladen. Mit anderen Worten, es sollten die besten Dinge aus Hardcore- und Einsteiger-Rollenspielen gemischt und in ein neues Game gepackt werden.

Das Böse ist immer und überall

Rund dreißig Jahre war es her, dass Herzog Hark Ferol den Großmeister der Dämonen ermordete und den Frieden wiederherstellte. Aber abtrünnige Magier erweckten das Böse abermals, und die Schlacht begannt von vorn – noch brutaler und ohne jegliches Mitleid. Wer konnte dem Herrn des Chaos und seiner abscheulichen Brut dieses Mal die Stirn bieten? Nur ein Opfer der Anführer der Sieben Rassen machte das Wunder möglich. Doch erneut überlebte ein winziger Teil des Bösen und nistete sich direkt in den Reihen der Menschen ein – für fast 600 Jahre. Nun droht es wieder zu erwachen, um die Guten für immer unterjochen.

Aus drei mach eins

Nach einem Intro, das eher verwirrt, als in die Story einzuführen, befindet man sich auch schon in der Charakterwahl. Hier stehen drei unterschiedliche Klassen zur Verfügung:

Der Krieger: Ihm ist alles lieb und teuer, was aus gehärtetem Stahl ist und ordentlich Schaden anrichtet. Um Waffen noch effektiver zu machen, können die Dinger auch verzaubert werden.

Der Magier: Die schmächtigste Klasse, aber auf ihre Art effektiv. Ob nun mit einem Feuerball, einer Schwertfalle oder mit aus der Unterwelt herbeigerufenen Kreaturen stellt er sich der Gefahr.

Der Überlebenskünstler: Man könnte ihn auch als Dieb bezeichnen. Sein bevorzugtes Jagdgebiet sind die Schatten, aus denen er sich hinterrücks auf die Gegner stürzt und sie mit vergifteten Waffen niederstreckt.

Wer sich für eine Klasse entschieden hat, der braucht nur noch das Geschlecht zu wählen und schon geht es los. Die einzelnen Charakterwerte – Stärke, Intelligenz, Geschicklichkeit etc. – stehen fest und sind unumstößlich.

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Im Verlauf des Spiels wird man aber feststellen, dass die drei Klassen nur marginale Unterschiede mit sich bringen, und wer sich anfangs für einen Kämpfer entschieden hat, kann im Laufe des Spiels durch Wahl der entsprechenden Fertigkeiten auch auf einen Magier oder Überlebenskünstler umsatteln oder sich einfach einen Allround-Charakter basteln, der Zuhauen und Zaubern gleichermaßen mittelprächtig beherrscht.

Stück für Stück

Nun ist es an der Zeit, sich in eine unbekannte Welt zu stürzen. Unser Alter-Ego schlägt die Augen in einem dunklen Keller auf. Langsam steigt er die Treppe hinauf und wird von einem netten Herrn Stück für Stück in die Geschehnisse eingeführt. Die Gespräche erfolgen per herkömmlichem Multiple-Choice-Verfahren, und so arbeiten wir nach und nach einfach alle Fragen und Antworten ab.

Um sich nun erst einmal an die Steuerung zu gewöhnen und um die ersten Erfahrungspunkte zu sammeln, folgen ein paar kleinere Aufträge. Langsam aber sicher lichtet sich dabei auch der Schleier über der Frage, was die ganze Heldenchose überhaupt soll. Dennoch will der Funke nicht richtig überspringen, und man schleppt sich ein wenig gelangweilt von Auftrag zu Auftrag. Der eigentliche Spielspaß setzt erst nach ein paar Stunden ein.

Die Evolution

Spätestens in dem ersten Dungeon treffen wir auf Gegnerhorden, die uns von nun an auf den Fersen bleiben. Das Motto lautet nämlich Masse statt Klasse! Meist strunzdumm und ohne jegliche Eigenmotivation wanken die Horden des Unholds auf uns zu und werden einer nach dem anderen niedergemetzelt. Gelegentlich überraschen sie dann z.B. wieder mit einer cleveren Aufstellung, in der die Fernkämpfer Abstand halten und die Keulenschwinger auf Konfrontation gehen. Leider ist keine einheitliche Linie der Künstlichen Intelligenz ersichtlich.

Hat man erst einmal die ersten Wellen beseitigt, sollte ein Level-Aufstieg anstehen. Gleich in zwei Kategorien können die neu erworbenen Punkte verteilt werden: Zum einen auf die üblichen Charakterwerte (Stärke etc.) und zum anderen auf neue Fertigkeiten. Diese sind in die drei Startklassen unterteilt und reichen von neuen Zaubern über schlagkräftigere Spezialattacken bis hin zu Fertigkeiten wie Identifizieren oder dem Öffnen von Schlössern.

Insgesamt warten sage und schreibe 96 Fähigkeiten, die jeweils in fünf Stufen ausgebaut werden können, darauf, entdeckt zu werden.

Zum Glück kommen die Fertigkeiten erst Stück für Stück, also Level für Level, ins Spiel, da rollenspieltypisch für alle gewisse körperliche Attribute vorhanden sein müssen. So wird ein Magier mit schlaffen Muskeln und knabenhafter Figur nie die effektiven Spezialattacken erlernen können, wenn er nicht ein wenig mehr Pudding in seine Arme bringt.

Nie den Überblick verlieren

Um in der Flut von Charakterwerten und Aufträgen nicht den Überblick zu verlieren, werden Minimap und Tagebuch zu häufig frequentierten Anlaufstellen. Erstere sorgt stets für einen guten Überblick, denn die Ansicht lässt sich nicht zoomen und der allgegenwärtige Fog of War schränkt die Sicht auf neue Gebiete extrem ein. Wohl dem, der ein paar Punkte auf Elfensicht gesetzt hat, was den Sichtradius erhöht.

Zweites Highlight ist das Tagebuch, in dem wir fünf verschiedene Reiter anwählen können: Erst einmal werden hier natürlich die Aufträge und wichtigen Ereignisse niedergeschrieben. Erledigte Aufgaben werden farblich markiert, was für den notwendigen Überblick sorgt. Auch ein Filter, der nur die momentan wichtigen Aufträge anzeigt, steht zur Verfügung. Der zweite Reiter steht für die Automap. Diese Vollbild-Anzeige ist der große Bruder der Minimap und bietet eine komplette Übersicht des derzeitigen Areals. Sehr hilfreich ist die Notizfunktion, mit der wir eigene Anmerkung auf der Karte hinterlassen können. Die Seite der Trophäen steht hinter Reiter Nummer 3 und listet alle bisher erledigten Gegner auf. Sehr hilfreich, wenn man wissen möchte, gegen wie viele der ca. 100 Monsterarten man schon angetreten ist. Vorletzter Punkt bilden die Gespräche, wo alle bisherigen Unterhaltungen noch einmal abgerufen werden können. Zu guter Letzt haben wir noch einmal eine Auflistung der Charakterwerte. So haben es die Larian Studios vorbildlich geschafft, alle wichtigen Dinge auf Knopfdruck parat zu haben – wirklich erstklassig!

Hin und weg

Einen weiteren Pluspunkt verdienen die Teleporter. Neben festinstallierten Varianten bekommen wir gleich zu Beginn des Spiels eine von zwei Pyramiden. Haben wir auch noch die zweite im Gepäck, können wir nach Herzenslust hin- und herspringen. Nehmen wir als Beispiel einen Händler, der uns stets gute Preise für unsere Waren zahlt. Um den lästigen Weg aber nicht immer per pedes zurücklegen zu müssen, platzieren wir Pyramide #1 direkt beim Händler, und sobald unser Inventar zum Bersten gefüllt ist, nutzen wir einfach Pyramide #2 und teleportieren uns schnurstracks zurück. Wollen wir anschließend zurück ist es natürlich sinnvoll, wenn wir auch die zweite Pyramide vor unser Abreise einfach abgelegt haben.

Auf diese Weise kann man mit ein wenig Weitsicht eine Menge Zeit und Laufarbeit sparen!

Man reiche mir das Staubtuch!

Bioware hat es mit Neverwinter Nights bewiesen: Rollenspiele lassen sich auch hervorragend in 3D präsentieren. Und auch wenn hier noch nicht alles perfekt war, so entspricht es doch der Zeit. Bei Divine Divinity fühlen wir uns sofort um Jahre in die Vergangenheit versetzt. Zwar ist die 2D-Präsentation gut gelungen, aber es fehlt halt eine weitere Dimension und die damit verbundenen Möglichkeiten, wie etwa eine dreh- und zoombare Kamera. Wer auf diese Details keinen oder nur geringen Wert legt, der bekommt eine belebte Welt präsentiert, in der Hasen hoppeln und Vögel und Schmetterlinge fliegen. Auch schön, dass sich das Aussehen unseres Alter-Egos je nach getragener Rüstung und Waffen anpasst. Die Animationen der einzelnen Charaktere und Monster wirken leider ein wenig hölzern. Das größte Problem der 2D-Grafik von Divine Divinity liegt aber in dem ständigen Danebenklicken. Egal ob freundlicher NPC, wütende Monster oder gackerndes Huhn, sobald sich etwas bewegt, ist es fast schon Glück, es mit dem Mauszeiger zu erwischen. Abhilfe schafft zwar die Pausefunktion, aber wer will schon vor jedem Mausklick auf die Leertaste hämmern?

Damit trotz fehlender Zoomfunktion die Übersicht in der mehr als 20.000 Bildschirme großen Welt nicht verloren geht, ist eine Auflösung von bis zu 1024x768 Bildpunkten möglich. Wahlweise wird diese im Software-, Direct 3D- oder Glide-Modus dargestellt.

Gut zu verstehen

Bei der Lokalisierung haben sich die Entwickler sehr viel Mühe gegeben. Sowohl die Sprachausgabe als auch die kompletten Texte wurden ohne Schnitzer übersetzt und machen durchweg einen guten Eindruck. Aufgrund der Masse an Text sind aber auch in Divine Divinity nur die wichtigsten Gespräche vertont. In Sachen Musik bietet das Programm eher Durchschnittskost, die nicht weiter auffällt.

Fazit

Gerade bei Rollenspielen sollte nicht nur die Grafik im Vordergrund stehen – vor allem die Story muss überzeugen und den Spieler in ihren Bann ziehen. Bestes Beispiel hierfür ist das rund ein Jahr alte Arcanum, das trotz mittelmäßiger 2D-Grafik für tagelangen Spielspaß sorgte. Divine Divinity tut sich hier bedeutend schwerer. Die Grafik ist ebenfalls nicht mehr Up-to-date, aber die Story fesselt erst nach ein paar Stunden. Wer diese Mankos in Kauf nimmt, bekommt aufgrund der vielen Fähigkeiten, einer besser werdenden Story und einem erstklassigem Tagebuch ein ordentliches Rollenspiel geliefert. Das ultimative RPG-Erlebnis haben die Larian Studios leider nicht erschaffen.

Pro

<LI>riesige Welt<LI>simple Steuerung<LI>gute Lokalisierung<LI>hervorragendes Tagebuch<LI>96 verschiedene Fähigkeiten</LI>

Kontra

<LI>Klickorgie<LI>langwieriger Einstieg<LI>nur drei Charakterklassen<LI>Grafik nicht mehr zeitgemäß<LI>starke Schwankungen der KI</LI>

Wertung

PC

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