Harveys Neue Augen26.08.2011, Jan Wöbbeking
Harveys Neue Augen

Im Test:

Drei Jahre nach dem urkomischen Überraschungshit Edna bricht aus widmet sich die Hamburger Adventure-Schmiede Daedalic erneut dem skurrilen Humor: Diesmal bremsen weder umweltpolitische Botschaften noch romantisch verschnörkelte Kulissen die Gags von Hausautor Jan „Poki“ Müller-Michaelis aus: Es gibt ungeklärte Todesfälle, Zensur-Gnome, transzendentale Ausflüge ins Unterbewusstsein - und eine brave Klosterschülerin, die mehr mit dem Chaos zu tun hat, als ihr lieb ist.

Neue Neurosen

Das wurde auch Zeit: Im Gegensatz zum Vorgänger nutzen die Kulissen die volle 1080p-Auflösung.
Das wurde auch Zeit: Im Gegensatz zum Vorgänger nutzen die Kulissen die volle 1080p-Auflösung.
Zu Beginn gleich eine  Entwarnung an Edna-Fans: Auch die schizophrene Heldin des Vorgängers taucht häufig im Spiel auf, doch die Hauptrolle spielt diesmal die schüchterne Klosterschülerin Lilli. Das adrett gekleidete Mädchen bemüht sich stets, alle Aufgaben der strengen Oberin Ignatz zu erfüllen – egal wie ungerecht sie sind. Trotzdem bringt ihr das nur Ärger ein: Ihre Mitschüler halten sie für eine langweilige Streberin und die Chefin des Klosters hält ihr eine Standpauke nach der anderen, weil Lilli dank ihrer Tollpatschigkeit ständig etwas falsch macht.

Wie es sich für ein braves Mädchen gehört, schluckt sie allen Ärger herunter und vergräbt kindliche Gefühlsausbrüche tief im Inneren – wie lange das wohl gut geht? Lillis Freundin Edna ist der einzige Lichtblick in ihrem trüben Klosteralltag: Nach ihrem Ausbruch aus der Geschlossenen ist sie ebenfalls in der Klosterschule untergekommen, wo sie natürlich nur Unsinn anstellt. So hat sie z.B. Termiten im Schaukelbaum angesiedelt, dessen Reifensitz zufälligerweise direkt über einem gähnenden Abgrund hängt. Lilli hat wieder einmal den schwarzen Peter gezogen. Sie soll den Baum im Auftrag der Oberin von der Schädlingsplage befreien.

Weniger Experimente

Also lasse ich Lilli im klassischen Adventure-Stil mit der Maus in die Nähe des Abgrundes laufen. Der Schaukelbaum ist einer der Hotspots, welche ich auch mit der Leertaste anzeigen könnte. Ich nehme ihn mit der rechten Maustaste unter die Lupe; dann ertönt eine kurze Beschreibung des Erzählers. Die linke Maustaste löst je nach Kontext die Aktionen „Benutzen“, „Nehmen“ oder „Essen/trinken“ aus. Eine der wichtigsten Änderungen zum Vorgänger ist, dass Lilli - anders als Edna - nicht wild alles mit allem kombinieren oder sich gar mit Gegenständen unterhalten kann.

Zu Beginn erklärt der freundliche Tutorial-Polizist mit erhobenem Zeigefinger die einfach gehaltene Steuerung.
Zu Beginn erklärt der freundliche Tutorial-Polizist mit erhobenem Zeigefinger die einfach gehaltene Steuerung.
Inhaltlich wird die einschneidende Kursänderung folgendermaßen erklärt: Lilli ist psychisch zwar mindestens genau so gestört wie Edna, besitzt allerdings keine gespaltene Persönlichkeit, welche Ednas spezielle Fähigkeiten ermöglichen. Lilli ist zwar pflichtbewusst, aber nicht lebensmüde. Also lässt sie sich auch nach mehrfachem Klicken nicht zum Baum am Abgrund bewegen. Nicht einmal der Vertrauen erweckende Erzähler aus dem Off kann sie umstimmen. Auch als er mehrmals mit Nachdruck wiederholt, dass Lilli sich der „völlig ungefährlichen Reifenschaukel über dem Abgrund näherte“, schüttelt Lilli nur den Kopf und gibt mit besorgter Stimme nur ein verneinendes „Mm-mm“ von sich. Wenn sie ab und zu also doch ihren Willen durchsetzt, muss ich mir eine Alternative ausdenken. Die Termiten im Baum z.B. stehen nicht nur auf Holz, sondern lassen sich auch mit klebrigem Süßkram an andere Orte locken, an denen ihre Dienste benötigt werden.

Er ist bööööööseee!

Als Edna davon hört, dass ein Psychologe erzieherische „Persönlichkeitsveränderungen“ an den aufsässigen Schülern vornehmen soll, vermutet sie sofort ihren alten Erzfeind, den Anstaltsleiter Dr. Marcel, hinter der Aktion. Also macht sie das, was alle furchtlose Schulrabauken in dieser Situation täten: Sie verkriecht sich schnurstracks unter der Bettdecke und lässt Lilli die Drecksarbeit erledigen.

Gespräche werden mit kleinen Symbolen vertieft oder verlassen. Auch ein paar Dialog-Rätsel müssen gelöst werden.
Gespräche werden mit kleinen Symbolen vertieft oder verlassen. Auch ein paar Dialog-Rätsel müssen gelöst werden.

Vor der Ankunft des Doktors schlurfe ich mit Lilli über das Grundstück und versuche, alle Beweise für Ednas Anwesenheit verschwinden zu lassen: Dabei handelt es sich um verlorene Knallfrösche, einen in harte Baumrinde geritzten Freundschaftsschwur und weiteren Kleinkram. Um an die Beweise zu gelangen, häuft Lilli zunächst einmal jede Menge Gegenstände in ihrem Inventar an; bis zu 21 Dinge passen hinein. Alles Eingesammelte erfüllt diesmal auch eine Funktion: Wenn etwas nicht zusammen passt, teilt der Sprecher mir das mit und gibt meist zusätzlich einen süffisanten Gag zum Besten. Es gibt also viel weniger Möglichkeiten, sich in eine Sackgasse zu verrennen. Der Experimentierfreude werden dadurch natürlich engere Grenzen gesetzt, aber Fans großer Areale kommen trotzdem auf ihre Kosten: Ich grase gemütlich das Klosterschulgrundstück ab, entdecke hier und da etwas Neues und löse nach und nach immer mehr Inventarrätsel.

Dezente Hinweise

In diesem Spiel gibt es jede Menge davon – so dass ich insgesamt rund zwölf Stunden bis zum Abspann brauchte. Je nach Erfahrung kann es aber auch einige Zeit mehr oder weniger dauern. Wenn ich einmal feststecke, hilft es meist, das Inventar näher unter die Lupe zu nehmen oder andere Personen in Gespräche zu verwickeln. Sie geben fast immer dezente aber wertvolle Tipps. Ein Hilfesystem habe ich daher nicht vermisst. Es gibt zwar einige knackige und äußerst abgedrehte Rätsel, mit etwas Geduld und Kombinationsgabe kommt man aber fast immer ans Ziel.

Eine besondere Design-Entscheidung ist der intensive Einsatz des Erzählers: Lilli ist von Haus aus introvertiert, doch selbst wenn sie sich einmal mitteilen möchte, kommt sie nie zu Wort. Entweder die Oberin schimpft vorher mit ihr, Edna nimmt ihr einen Gedanken aus dem Mund oder ihr Gesprächspartner findet eine anderen Weg, ihr nach nur einer gesprochenen Silbe über den Mund zu fahren. Im Endeffekt kommt sie im kompletten Spiel nie richtig zu Wort, auch wenn sie – wie im Unterricht – noch so rührend den Finger in die Luft reckt. Da natürlich trotzdem allerlei Gedanken in ihrem Kopf herumschwirren, übernimmt der Erzähler die Aufgabe, sie dem Spieler mitzuteilen.

Schadenfreude ist die schönste Freude!

Der trashige Zeichenstil passt prima zum Humor. In den sehr schlicht geratenen Nahaufnahmen ist Daedalic aber übers Ziel hinausgeschossen.
Der trashige Zeichenstil passt prima zum Humor. In den sehr schlicht geratenen Nahaufnahmen ist Daedalic aber übers Ziel hinausgeschossen.
Die ausgiebigen Sprecher-Monologe sind ein echter Glücksgriff: Die besten Witze ergeben sich durch die Situationskomik. An jeden noch so unbedeutenden Nebensatz hängt der Erzähler zum Abschluss einen trockenen Kommentar. Natürlich lässt er es sich nicht nehmen, vorher eine kleine Atempause einzulegen: "Lilli fand Ednas Selbstportrait sehr gelungen. Sie hätte ihren rechten Arm dafür gegeben, auch so zeichnen zu können. Leider war sie nicht stark genug, um durch den Knochen zu kommen." Besonders unterhaltsam sind jene Szenen, in denen Lillis sklavisches Festhalten an der Etikette mit den Rachefantasien ihres Unterbewusstseins aneinander gerät. Es ziemt sich schließlich nicht, jemanden zu wünschen, dass eine Tarantel Eier in seine Augenhöhlen legt. Da kann er noch so gemein sein, ein braves Mädchen denkt so etwas nicht.

Rührend auch, wie selbstlos Lilli sich um das Wohlergehen ihres Schwarms kümmert. Und das, obwohl der vergötterte Mitschüler ihr gerade einen Liebesbrief an eine hübsche, aber extrem dümmliche Nebenbuhlerin in die Hand gedrückt hat: „Lilli wollte das junge Glück nicht stören. Bald würden sie sich anfangen zu hassen. Und vor lauter Kummer würden Shys Haare ausfallen.“ In solchen Szenen merkt man, dass Götz Otto der perfekte Mann für die Rolle des Erzählers ist.  „Es waren wohl doch keine Milzbrand-Erreger in dem Brief gewesen.“ erzählt er mit ruhiger Stimme, und fügt mit einer Mischung aus Ironie und Resignation hinzu: „Welch ein Glück!" Auch die übrigen Sprecher erledigen ihren Job um einiges besser als im Vorgänger, auch wenn nicht so viele bekannte Namen engagiert wurden wie z.B. in The Book of Unwritten Tales.

Pass damit auf, sonst gibt's Narben!

Betäubungs-Cocktail gefällig?
K.O.-Cocktail gefällig?
Der trashige Zeichenstil passt ebenfalls prima ins Konzept. Er wurde zwar aus der Not des Vorgängers geboren (der erste Teil wurde zum Großteil von Müller-Michaelis im Alleingang erschaffen), unterstützt aber auch die ausschweifende Erzählweise. Der visuelle Minimalismus lenkt die Aufmerksamkeit auf die wichtigen Dinge – und nicht vom Text ab. Schon das Intro ist ein Sinnbild dafür: Minutenlang sieht man nur einen gezeichneten Wollzwirn durch das Bild scrollen, während der vom Edna-Erfinder gesungene Titelsong "Nadel und Faden" erklingt. Der finstere Text  gibt bereits einen guten Vorgeschmack auf den rabenschwarzen Humor, welcher sich wie ein roter bzw. stoffhasenblauer Faden durchs Abenteuer zieht. In besonders nahen Einstellungen und im späteren Spielverlauf wirken manche Zeichnungen allerdings schon zu detailarm.

Die auf einer Goblin-Statue hängenden Knallfrösche schnappe ich mir mit der Hilfe eines anderswo eingesammelten Schwertes. Dazu muss ich die Klinge allerdings erst einmal in den Zeiger der defekten Schuluhr stopfen. Wenn ich auf den großen Zeitmesser klicke, gibt der Sprecher übrigens einen entsprechenden Hinweis, dass die Zeiger seltsamerweise in Klingenform gestaltet wurden. Und wenn ich auf den Goblin klicke, erzählt er ausgiebig davon, wie instabil die schwere Skultur an der Wand befestigt ist.

Die lustigen kleinen Zensur-Gnome pinseln alle Dinge über, mit denen Lillis Psyche sich lieber nicht auseinandersetzen möchte.
Die lustigen kleinen Zensur-Gnome pinseln alle Dinge über, mit denen Lillis Psyche sich lieber nicht auseinandersetzen möchte.

Mysteriöse Unfälle

Also nichts wie hinein mit der Hieb- und Stichwaffe, drehen, und schon habe ich die Böller samt Goblin von der Wand gestoßen. Seltsam, dass urplötzlich auch die beiden Turteltäubchen verschwunden sind. Standen sie nicht eben noch direkt unter der Statue? Wenn die Hormone verrücktspielen, machen Teenager eben seltsame Sachen.

An ihrer Stelle sind jetzt die lustigen kleinen Zensur-Gnome aufgetaucht, die Lilli manchmal sieht. Sie malen all das hübsch rosa an, mit dem ihre Psyche sich lieber nicht auseinandersetzen möchte. Wie praktisch! Während Lilli sich durch das Kloster rätselt, verschwinden nach und nach immer mehr Mitschüler von der Bildfläche. Für die naive Antiheldin ist das noch lange kein Grund zur Skepsis, doch ich als Spieler finde mit fortschreitender Spieldauer immer mehr Gefallen daran, unter dem Deckmantel der Etikette Gemeinheiten anzustellen. Schließlich liefert mir mein Alter ego mit der unschuldigen Miene die perfekte Rechtfertigung für mein Handeln: Wenn man sich nur an Regeln und Sitte hält, wird schon alles seine Richtigkeit haben!

Nicht mit dem Feuer spielen!

In den folgenden Kapiteln wird es noch abgedrehter. Wer sich so wenig wie möglich spoilern möchte, sollte den Rest des Tests überspringen und zum Fazit wechseln (und auch keinen Blick in die äußerst lesenswerte Anleitung oder auf den Klappentext werfen). Da es sich um ein zentrales Feature der Spielmechanik handelt, will ich es aber nicht unerwähnt lassen: Als Lilli einen Brief von Edna findet, versucht sie natürlich, auch aus dem Kloster zu entkommen und ihrer Freundin zu helfen. Leider kommt ihr Dr. Marcel in die Quere. Als er sie in seiner Gewalt hat, wird klar, was es mit dem Titel des Spiels auf sich hat: Er hat Ednas alten Stoffhasen Harvey in eine Hypnosepuppe mit rot glühenden Augen verwandelt. Mit Hilfe des teuflischen Werkzeugs verpflanzt sie noch mehr psychische Blockaden in das ohnehin gebeutelte Hirn der armen Klosterschülerin.

Wuuuuuuuuuuugiii!
Wuuuuuuuuuuugiii!

Immer, wenn sie etwas tut, was sich für ein braves Kind nicht gehört, erscheint eine Projektion von Harvey auf der Bildfläche und betet mit mechanischer Stimme ein Verbot herunter. Versucht sie, Löcher in ein Laken zu stanzen, ermahnt sie der flauschige Anstandswauwau z.B. „Du sollst nicht mit spitzen Gegenständen hantieren.“ Ein versuchter Ausflug in eine finstere Höhle quittiert Harvey mit „Du sollst dich nicht an gefährlichen Orten herumtreiben!“ Natürlich hat der „lustige Hase“ auch einen Gegenvorschlag parat: „Es gibt doch so viel schönere Orte, an denen Kinder sich aufhalten können. Das Berufsinformationszentrum des Arbeitsamts zum Beispiel. Oder ein Rolf-Zuckowski-Konzert!“

Skurrile Traumwelten

In Hypnose-Traumwelten wird Harveys Bann durch geschicktes Rätseln gebrochen...
In Hypnose-Traumwelten wird Harveys Bann durch geschicktes Rätseln gebrochen...
Das Schönste an Verboten ist natürlich, sie zu umgehen. Also findet Lilli einen Weg, sich in Trance zu versetzen, um die Blockaden zu lösen. Kurz darauf wandere ich mit ihr durch skurrile Traumwelten, in denen die Wände aus riesigen Knochenskulpturen bestehen, Hunde Skat spielen, ein weiser Schamane Wikipedia-Weisheiten rezitiert und vieles mehr. Natürlich tauchen auch Figuren aus der realen Welt auf oder schlüpfen in andere Rollen. Ist eine der kleinen Traumwelten abgeschlossen, lassen sich die Harvey-Verbote am linken unteren Bildrand deaktivieren. Es darf aber immer nur eine Regel wie „Nicht mit Feuer spielen“ zur Zeit ausgeschaltet werden. Durch diesen kleinen Mechanismus gewinnen die Kopfnüsse in der zweiten Spielhälfte etwas an Komplexität. Auch einige Dialogrätsel wie die Geheimsprache einer Eule müssen entschlüsselt werden.

Ab und zu trifft Lilli außerdem auf eines der ausgelagerten Puzzles und Minispiele. Sie sind zwar mit der Handlung verwoben, wirken aber trotzdem etwas aufgesetzt. Sie muss zum Beispiel den Schamanen durch ein Höhlenlabyrinth lenken oder Logikrätsel lösen, in denen eine von Harveys aufgestellten Regeln als Widerspruch entlarvt werden. Dazu schiebe ich auf einem Extrabildschirm meist diverse Gegenstände, Symbole oder Satzteile an die richtige Stelle. Keine Angst – das Spiel ist nicht zum Professor Layton-Klon mutiert  - es gibt nur rund ein halbes Dutzend dieser Aufgaben. Mir haben sie aber nicht sonderlich gut gefallen. Die Entwickler wollten ihre Spieler offenbar auch nicht zu sehr damit ärgern, daher lassen sie sich mit einem Knopfdruck überspringen.

...danach lässt sich eines der Verbote in der Extra-Leiste deaktivieren.
...danach lässt sich eines der Verbote in der Extra-Leiste deaktivieren.

Droggelbecher!

Im späteren Verlauf gibt es übrigens ein Wiedersehen mit liebgewonnen Bekannten wie Droggelbecher und dem philosophierenden Bienenmann. Weniger schön sind die kleinen Bugs, welche ab und zu auftreten: Mal schweben die Inventar-Gegenstände in der Luft, an anderer Stelle verschwinden die Untertitel oder es gibt Sound-Loops zu hören.

Zum Glück halten diese Fehler sich in Grenzen und lassen sich meist mit einem Neuladen des letzten Spielstands beheben. Außerdem hatte mein Zweit-Rechner mit Windows XP 32 und zwei Bildschirmen Probleme beim Starten des Titels. Nachdem ich das Spiel mit einer Änderung in der Config-Datei in den alternativen Fenster-Modus zwang, klappte es aber. Auf zwei aktuelleren PCs mit Windows 7 (32 und 64 Bit) trat das Start-Problem nicht auf. Auf einen technischen Kopierschutz verzichtet Daedalic in der Erstauflage übrigens: Stattdessen liegt wie in alten Zeiten eine Codescheibe aus Pappe bei, auf denen man Phantombilder zurecht dreht und dann ein dazugehöriges Datum auf dem Bildschirm anklickt.

Fazit

Was für ein Trip! Daedalic versteht es immer noch am besten, skurrile Geschichten zu erzählen. Edna-Schöpfer Jan Müller-Michaelis konnte sich endlich wieder voll austoben: Lillis Abenteuer quillt geradezu über vor albernen Pointen, obskuren Momenten, viel schwarzem Humor und unheimlich treffsicher verfassten Texten. Vor allem Erzähler Götz Otto macht seine Sache perfekt. Es ist einfach zu cool, mit Lillis unschuldigem Gesichtsausdruck durch die Welt zu stapfen und nach und nach immer mehr Chaos anzurichten.  Auch spielerisch wirkt das Abenteuer rund: Das aberwitzige Alles-mit-Allem-Kombinieren und Unterhaltungen mit Gegenständen wurden zwar gestrichen, doch dieser Umstand sorgt auch für logischere Kopfnüsse. Die Inventar-Rätsel fallen trotzdem noch ein wenig komplexer und kniffliger aus als im Genre-Durchschnitt. Die Hamburger haben die richtige Balance zwischen einem mittleren Schwierigkeitsgrad und in die Dialoge eingebundenen Hinweisen gefunden. Auch der Umfang passt mit rund zwölf Stunden. Nur zwei Details dämpfen den Spaß ein wenig: Einige der gelegentlich eingestreuten Logik-Puzzles und Minispiele wirken nicht so gut durchdacht wie der Rest der Rätsel.  Da sie sich überspringen lassen, haben sie mich aber nicht wirklich aus dem Spielfluss reißen können. Auch ein paar kleine Grafikfehler und Bugs haben dazwischen gefunkt, ließen sich meist aber flott beheben. Wer auch nur ansatzweise auf Adventures mit skurrilem Humor steht, sollte sich Harveys Neue Augen unbedingt zulegen! So viel gelacht habe ich nicht einmal in legendären Klassikern wie Monkey Island oder Zak McKracken!

Pro

viel schwarzer Humor
interessante Charaktere
wahnwitzige Situationskomik
unheimlich komische Texte
Götz Otto brilliert als Sprecher
übrige Dialoge auch gut vertont
alberner, trashig-minimaler Zeichenstil
jede Menge Inventar-Rätsel
Großteil der Kopfnüsse verrückt, aber logisch
sinnvolle Rätsel-Hinweise in Dialogen
abgedrehte Ideen wie Zensur-Gnome
transzendentale Hypnose-Trips
lustiges Verbotssystem
skurrile, aber eingängige Musikbegleitung
saucooles Intro mit Ohrwurm-Titelsong

Kontra

ein paar kleine Bugs und Grafikfehler
aufgesetzt wirkende Minispiele (lassen sich überspringen)
Nahaufnahmen zu undetailliert gezeichnet
ein paar nervig-repetitive Soundeffekte

Wertung

PC

Harvey bringt Genie und Wahnsinn zusammen: Brillante Dialoge und unterhaltsame Rätsel sorgen für einen herrlich abgedrehten Adventure-Trip!

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