Im Test: Meer free-to-play
Festung statt Kettenwalze
Eines muss man Wargaming lassen: Das Studio hat den modernen Shooter gleich in doppelter Hinsicht maßgeblich geprägt. Es hat zum einen bewiesen, dass Free-to-play kein Synonym für ärgerliche Kompromisse im Spieldesign sein muss. Und es machte eine Art Action salonfähig, die sich nicht um Reflexe und hektische Scharmützel dreht. Ganz davon abgesehen, dass in World of Tanks statt menschlicher oder ähnlicher Figuren schwere Fahrzeuge im Mittelpunkt stehen.
Leider kam ich an World of Tanks anfangs partout nicht ran. Es liegt an meiner Aversion gegen eiserne Kettenfahrzeuge: Panzer sind einfach nicht mein Ding. Umso mehr hatte ich mich auf World of Warships gefreut. Das führt nämlich nicht nur die Tugenden seines Vorgängers fort. Es rückt auch Charaktere in den Vordergrund, die viel zu selten im Mittelpunkt stehen: waffenstarrende Festungen auf hoher See.
Was tun gegen Bogenlampen?
Fragt nicht wieso, aber wo mir Panzer Ausschlag bescheren, finde ich Kriegsschiffe klasse – vor fiktivem Hintergrund natürlich, das dürfte selbsterklärend sein. In der trägen Beschleunigung der behäbigen Kolosse liegt eine
Nervöse Zeigefinger bringen dabei herzlich wenig. Viel wichtiger ist es, die Kanonen rechtzeitig in die richtige Position zu drehen und die Position zu erahnen, wo sich der Gegner befinden wird, wenn die verschossene Salve ihr Ziel erreicht. Die braucht immerhin ein paar Sekunden, bevor sie an der oft mehr als zehn Kilometer entfernten Markierung einschlägt. Herrlich, diese knisternde Spannung wenn die Geschosse in hohem Bogen über das Meer fliegen!
Das Spiel mit dem Vorhalt ist ein zentrales Merkmal der Gefechte auf hoher See. Ein anderes ist das Bewegen der Schiffe; einen solchen Pott schiebt man ja nicht mit einem Schritt zur Seite mal eben aus der Schusslinie. Vielmehr halten sich Schlachtschiffe mit großem Kaliber am besten außerhalb der Reichweite schneller Kreuzer und flinker Zerstörer auf. Letztere ärgern ihre Gegner hingegen mit gezielten Vorstößen, jagen sie mit Torpedos um Inseln herum und suchen dahinter Deckung. Unter Beschuss sollten sie allerdings das Weite suchen, während sie häufig Richtung und Geschwindigkeit verändern. Im Idealfall machen sie die Spekulationen ihres Gegners über den richtigen Vorhalt so zum Glücksspiel.
Nachgeahmt, nicht simuliert
Natürlich ist World of Warships keine Simulation! Dafür beschleunigen die Schiffe viel zu schnell und das Zielen über einfaches Bewegen des Fadenkreuzes ist ein ebenso oberflächliches Abbild der Wirklichkeit wie das Feuern aller geladenen Rohre über den einmaligem Klick der Maustaste. Das Spiel ahmt die anspruchsvollen Artillerieduelle und großen Wendekreise seiner Protagonisten aber sehr überzeugend nach.
Die Auswahl der Schiffstypen beschränkt sich zudem auf gerade mal vier Klassen: Zerstörer, Kreuzer, Schlachtschiff und Flugzeugträger. Kleinere Einheiten wie die Korvette, Fregatte und das U-Boot gibt es nicht. Der Verzicht ist jedoch kein Verlust, denn die vorhandenen Typen ergänzen sich hervorragend. Denn nur, wenn Zerstörer gute
Richtig interessant ist das Steuern der Flugzeugträger. Die ziehen nämlich nicht wie der Rest ihrer Flotte umher, um gelegentlich mal eine Staffel Bomber zu starten. Sie bleiben vielmehr auf Abstand – erstens wegen ihrer schwachen Bewaffnung und zweitens aus einem ganz anderen Grund: Ihre Kommandanten markieren auf einer Übersichtskarte Angriffsziele ihrer Bomber. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Anflugwinkel von am besten mehreren Staffeln, damit deren Torpedos ihr Ziel aus verschiedenen Richtungen ansteuern. Denn der ersten Salve kann ein guter Kapitän meist ausweichen, indem er sein Schiff abbremst oder parallel zum Kurs der ankommenden Sprengkörper ausrichtet. Ein zweiter Fächer, der es im rechten Winkel erreicht, könnte allerdings verheerend sein.
Auf hoher See ist jeder sich selbst der Nächste
Weil die Kapitäne der Träger über das geschickte Verteilen ihrer Flugzeuge Informationen über die Position feindlicher Schiffe an ihren Verband geben können, spielen sie für das Teamplay eine wichtige Rolle – umso ärgerlicher, dass
Und obwohl man nach Namen sowie nach Spielern suchen kann, die aktuell einer Division beitreten wollen, sind diese Zusammenkommen meist vorübergehend: Es gibt eine rudimentäre Freundesliste, dem taktischen Schiffe versenken fehlt aber eine umfassende Gruppenverwaltung. Zu allem Überfluss bilden höchstens drei Spieler eine Division, obwohl auf beiden Seiten zwölf Schiffe am Gefecht teilnehmen. Ich freue mich auf das kommende Hinzufügen von Clans und entsprechend großer Teams! Momentan fehlt der Mehrspieler-Taktik allerdings einer ihrer wichtigsten Bausteine.
Kein Team, keine Blockaden
Die kommenden Clankriege sind außerdem aus einem ganz anderen Grund interessant: Bislang erschöpfen sich die Spielweisen mit dem Einnehmen von Kontrollzonen, während meist ohnehin das Zerstören aller Gegner im Mittelpunkt steht. Schon morgen fügen die Entwickler zwar einen vierten Modus hinzu und im Rahmen zeitlich begrenzter Events veranstaltet Wargaming Ranglisten-Gefechte. Mehr Variation würde ihrem Spiel allerdings gut tun. Mir schweben durch stürmische See erschwerte Bedingungen oder die Blockade eines Nadelöhrs vor, welche der Feind unbedingt durchbrechen muss. Stattdessen finden alle Kämpfe bei lauen Winden auf überschaubaren Rechtecken statt, deren hervorstechendstes Merkmal die Beschaffenheit im Wesentlichen sehr ähnlicher Inselgruppen ist. Schade, dass es nicht wenigstens das Teamspiel für zwölf Mann große Divisionen außerhalb von Clankriegen gibt.
Aufstieg der Seebären
Warum ich trotz der mangelnden Abwechslung täglich in See steche? Weil das Erspielen und Aufwerten neuer Schiffe ausgesprochen motivierend ist. Panzerfahrer kennen das System: Man steuert zunächst Schiffe der niedrigsten Stufe,
Erfahrungspunkte und Spielgeld werden außerdem für eine stärkere Panzerung, eine größere Reichweite der Geschütze oder deren schnellere Reparatur fällig. Am umfangreichsten ist die Entwicklung der Fähigkeiten eines Kapitäns, denn der lernt im Verlauf seines Dienstes mehr als 20 Fähigkeiten, darunter schnelleres Nachladen oder besseres Tarnen seines Schiffs. World of Warships bietet viele Freiheiten – nicht zum Erstellen von Schiffen der Marke Eigenbau, aber zum Anpassen vieler Werte an die bevorzugte Spielweise.
Ohne Moos was los
Das Beste daran: Manche Schritte kann man mit den für Echtgeld erhältlichen Dublonen abkürzen, das Angebot drängt sich aber nie auf. Alle Erweiterungen sind zudem subtil genug, dass sie erfahrenen Spielern natürlich einen Vorteil bringen, Anfängern aber keine unschlagbaren Vorteile. Auch die wenigen ausschließlich für Dublonen erhältlichen Kreuzer dominieren den Schlachtverlauf mitnichten im Alleingang.
Fazit
Zugegeben: Der beste Onlinespieler war ich selbst in jungen Jahren nicht – das spielt in World of Warships allerdings keine Rolle. Denn weil sich die schweren Kriegsschiffe behäbig drehen und ihre Kanonen ein Ziel nur langsam anvisieren, steht geschicktes Taktieren statt blitzschneller Reaktionen im Vordergrund. Erfahrene Kommandanten von Flugzeugträgern delegieren Fliegerstaffeln und ihr eigenes Team sogar wie Echtzeitstrategen. Während man so nach den vom schnellen Sturm geprägten ersten Scharmützeln in die durch überlegtes Abtasten bestimmten hohen Ränge aufsteigt, steuert man immer bessere Schiffe, stattet sie mit stärkeren Modulen aus und befördert ihre Kapitäne zu erfahrenen Seebären mit vielseitigen Fähigkeiten. Weil ausgerechnet das Teamplay bislang kaum unterstützt wird, fehlen dem großartigen Rumpf aber noch wichtige Aufbauten: Höchstens drei der zwölf Spieler eines Teams schließen sich zu einer Division zusammen und Clans werden erst in Zukunft eingebunden. Alle vorhandenen Spielvarianten gleichen sich zudem so sehr, dass World of Warships auch inhaltlich in allzu seichten Gewässern fährt. Sobald Wargaming die hervorragende Basis vervollständigt, könnte sie Grundlage eines sehr guten Spiels sein. Momentan ist es immerhin ein gutes.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Packende, taktisch anspruchsvolle Seeschlachten in traumhaft schönen Gewässern mit wenigen Spielvarianten und fehlender Unterstützung von Clans und großen Teams.
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