War of the Vikings16.04.2014, Jörg Luibl

Im Test: Online-Gemetzel im Frühmittelalter

Paradox lässt mal wieder historische Köpfe rollen: Nach dem spätmittelalterlichen War of the Roses (Wertung: 60%) geht es erneut auf die Insel. Aber dort bekämpfen sich im frühmittelalterlichen War of the Vikings (ab 36,95€ bei kaufen) bis zu 24 Sachsen und Wikinger. In reinen Online-Schlachten geht es auf dem PC unter Anrufung alter Götter zur Sache. Ob das virtuelle Walhalla langfristig unterhalten kann, klärt der Test.

Eine Frage der Haltung

Im viel zu kurzen Tutorial bekommt man nach den ersten abgewehrten Hieben noch richtig Lust auf War of the Vikings: Erstens sehen die Krieger richtig gut, weil angenehm authentisch aus. Zweitens kann man nicht nur aktiv in drei Richtungen mit der Maus zuschlagen, sondern auch genauso blocken. Hält man die rechte Maustaste kurz nach links, versteift sich der Schwertarm dort und man kann den folgenden Hieb abwehren; genauso lassen sich Angriffe von der anderen Seite oder von oben aufhalten – den Schild kann man ebenfalls rundum zum Block nutzen. Außerdem spielt die Ausdauer für die Schlagstärke eine Rolle und man kann tödliche Spezialstiche einleiten.

Schade um die stimmungsvollen Schauplätze im angelsächsischen England: Das Spiel selbst ist bloß ein oberflächliches Gemetzel.
Was sich in der Theorie nach einem taktischen Klingentanz anhört, entpuppt sich in der Praxis sehr schnell als hektisches Metzeljogging: Es fehlt ein besseres Kampfsystem! Da laufen bis zu 24 historisch  gerüstete Krieger auf den stimmungsvoll designten Karten zwischen Langbooten, Klosterruinen oder Schluchten umher, um sich leider vollkommen unrealistisch mit seltsamen Tennisarmbewegungen die Birne einzuschlagen. Es fehlt die Schwere in den Aktionen, es fehlt eine bessere Physik, es fehlt - bis auf die exklusive Abwehr des Todesstiches mit dem Schild - ein gut getimter Konter, es fehlt eine Fixierung auf einen Feind. Wer kürzlich Dark Souls 2 gespielt hat, wird sich wie in einem Shooter vorkommen.

Metzel-Jogging statt Gruppentaktik

Zwar kann es auch sporadisch zu spannenden Duellen kommen, wenn man etwa mit seinem Speer den Gegner erst wegstößt und ins Taumeln bringt, bevor man zusticht; wenn man tatsächlich mit einem Stich als Spezialangriff sofort durchkommt; oder wenn man aktiv mit dem Schild drei sirrende Wurfäxte blockt, bevor man dem Sachsen die Bartaxt durch selbigen zieht. Aber viel zu oft wirkt der Schlagabtausch

Bis zu 24 Mann bekämpfen sich auf der Seite von Wikingern oder Sachsen in drei Klassen.
einfach nur unfreiwillig hektisch und komisch. Man kann zwar springen, sprinten, kriechen und ausweichen, aber die Spieler kommen immer wieder in eine Art Joggingkreiselbewegung. Das Gelände ist auf den zwölf Karten trotz toller Architektur, nutzbarer Höhenunterschiede und Leitern alles andere als interaktiv - man kann nichts zerstören, ins Rollen bringen, verbrennen und Häuser bleiben verschlossen.

Man kann sich natürlich per Chat abstimmen und Teams, hier „Rotten“ genannt, beitreten – nur dann kann man z.B. einzelne Feinde für alle markieren. Aber selbst so kommt es nur zu Ansätzen von Taktik, wenn sich die Bogenschützen mal hinten aufhalten und vielleicht gedeckt werden. In den vier Modi „Offene Feldschlacht“, „Arena“, „Eroberung“ sowie „Team-Deathmatch“ bleibt das Spielgefühl trotz unterschiedlicher Ziele nahezu gleich. Es geht mit maximal 24 Mann meist zu wie in einem blutigen Taubenschlag, was aufgrund rollender Köpfe oder martialischer Anfeuerungen im Namen Odins durchaus Laune machen kann. Aber man vermisst eben echtes Gruppengefühl oder Teamtaktik über gemeinsame Schildwälle oder Reihenbildung. Da der Tod weder für die als Christen (Sachsen) noch als Heiden (Wikinger) von der deutschen Frauenstimme verspotteten Krieger eine Konsequenz hat, ist es auch wurscht, ob man etwas riskiert oder nicht. So wird man beim Bandagieren auch kaum vom eigenen Team geschützt.

Ulfberths Schwert in Sicht

Vor Spielstart kann man sich für Plänkler, Krieger oder Champion entscheiden und sammelt mit den Schlachten

Im Charaktereditor findet sich ein Sammelsurium an historischen und legendären Waffen.
sowohl Rang als auch Ringe, die als virtuelle Währung fungieren. Schön ist, dass man seinen Charakter auf lange Sicht gut spezialisieren kann. Verteilt auf Nahkampf, Unterstützung und Fernkampf gibt es neunzehn Talente - bis zu vier sind pro Charakter zuschaltbar, manchmal erst ab Stufe 10.

Damit kann man nicht nur seine passiven Fähigkeiten verbessern, sondern auch weitere Steuerungsoptionen hinzufügen: Wer „Blutdurst“ hat, wird nach einem Kill fünf Sekunden lang geheilt; wer „Feigling“ ist, bewegt sich leiser und darf Feinde mit einem Dolch von hinten erstechen; wer „Adlerauge“ besitzt, verdoppelt die Vergrößerung beim Zielen mit Bögen.

Die Auswahl an historischen Waffen ist enorm. Das wirkt fast wie virtuelles Reenactment: Es gibt ein Sammelsurium an Schwertern, Äxten und Speeren, Bögen und Schilden – und alles ist durch die Bank klasse designt. Man kann seine verdienten Punkte im Charaktereditor ausgeben, um sich mit edlen Klingen auszustatten. Wer sich für das Mittelalter interessiert, findet hier auch Schwerter mit altnordischen oder altsächsischen Namen wie Nadr, Brynjubitr oder Brandric. Die teuerste Kling im Angebot ist das „gravierte Ulfberth-Schwert“, das man ab Rang 60 für satte 42000 Ringe kaufen kann – ein weiter Weg. Aber schon vorher kann man Stoffmuster wechseln, Schilde bemalen oder andere Waffen erstehen. Es gibt nur einen Makel: Man kann keine speziellen Rüstungen anlegen; je nach Klassenwahl ist man entweder leicht, mittel oder schwer gepanzert.

Fazit

Schade um das reizvolle Thema! Ich lese die alten Sagas, liebe das Frühmittelalter und interessiere mich für historisches Reenactment. Ich habe Rune, Severance und Die by the Sword gerne gespielt. Aber Paradox serviert eine viel zu hektische Online-Schlachtplatte für zwischendurch. Zitate aus der angelsächsischen Chronik, Verweise auf die Schlacht von Maldon und stimmungsvolle Schauplätze des nordischen Mittelalters reichen nicht aus, um War of the Vikings von seinem schnöden Haudraufcharakter zu befreien. Obwohl man diverse Schlagtypen sowie Blocks und authentische Bewaffnung zur Verfügung hat, fehlt einfach ein taktischeres Kampfsystem mit besserer Physik. So fühlen sich die Gefechte zwischen Wikingern und Sachsen an wie belangloses Metzeljogging. Das Beste an diesem reinen Online-Spiel ist der Charaktereditor mit seinen toll designten Schwertern, Äxten und Schilden, die man mit aufsteigendem Rang und gewonnenen Ringen freischalten kann. Jetzt müsste man nur ein packendes Abenteuer daraus machen.

Pro

zwölf stimmungsvolle Karten
authentische, klasse designte Rüstung & Bewaffnung
viel Freischaltbares & Individualisierbares
Charaktereditor inkl. Stoffmuster & Schildbemalung
bis zu 24 Spieler online; gute Serverfilter
deutsche Texte & Sprachausgabe

Kontra

viel zu hektisches Schlachtgetümmel
keine Interaktion/Physik im Gelände
keine effizienten Gruppentaktiken
keine Gegnerfixierung möglich
nur zwei Parteien (Sachsen, Wikinger)
keine Story, keine Kampagne
nur vier Online-Spielmodi
sehr mageres Tutorial

Wertung

PC

Freunde authentischer Kampfsysteme werden enttäuscht: War of the Vikings ist nicht mehr als Metzel-Jogging mit tollem Charaktereditor.

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