Banished28.02.2014, Benjamin Schmädig
Banished

Im Test:

Die Landwirte haben eine magere Ernte eingefahren, ein Jäger ist im vergangenen Jahr gestorben – das wird ein harter Winter! Schon wieder. Alle Jahre wieder ist die trügerische Sanftmut der weißen Idylle ein harter Test für meine kleine Gemeinde. Es geht um Leben und Tod: Die ständige Angst vor Kälte und Hunger nagt an der Substanz. Wer hätte gedacht, dass Aufbaustrategie so spannend sein kann?

Fisch, Fleisch oder frische Wurzel?

Natürlich ist Banished nicht das erste Spiel, in dem eine Stadt oder ein ganzes Land ohne durchdachte Planung und funktionierende Wirtschaftskreisläufe zugrunde gehen. Aber darum ging es Luke Hodorowicz gar nicht. Hodorowicz vermisste Aspekte der Stadtplanung, den nicht einmal die wuselnden Siedler einfangen konnten: eine intime Nähe zu den Einwohnern und das intensive Erleben ihrer Alltagssorgen. Und dazu zählen eben Fragen wie "Wie kommt morgen Essen auf den Tisch?" oder "Woher bekommen wir genug Feuerholz?"

Der Dienstplan

Es beginnt mit einer Gruppe Ausgesetzter, die unter den schwierigsten Startbedingungen mit einem Karren voller Holz und Lebensmittel mitten im Niemandsland stehen. Sie müssen Unterkünfte errichten und Nahrung finden. Und sie sollten früh damit beginnen, stabile Versorgungswege zu schaffen. Denn ist der nahe Wald erst einmal gerodet, dauert es viele Jahre, bis Bäume nachwachsen. Deshalb sollten die Siedler einen Forststand errichten, um einen Förster ernennen. Dieser pflanzt Triebe und gewinnt Bauholz aus

Ein Forststand ermöglicht das schnelle Bepflanzen geroderter Wälder und sichert so die Versorgung mit Bau- und Brennholz.
alten Bäumen. Doch Förster angeln keine Fische, gehen nicht auf die Jagd, bauen kein Getreide an. Dabei zählt jede Hand bei allem, was die Neuankömmlinge tun! Ein falsch eingeteilter Arbeiter kann in den ersten Monaten große Missstände verursachen.

Nun ist Banished keine Bestrafung für Siedlungsfreudige. Missstände können korrigiert werden und schon nach einigen Jahren hängt die richtige Planung nicht mehr an Einzelnen. Ich muss die Balance aber stets im Blick behalten; der Aufbau jedes Kreislaufs sollte durchdacht sein. Immerhin benötige ich zunächst Bauleute, anschließend z.B. Bergarbeiter oder Händler. Ohne einen kleinen Bevölkerungsüberschuss und die Sicherung des erhöhten Lebensmittelbedarf sollte ich also kein neues Projekt planen. Das ist im Wesentlichen nichts Besonderes. Die Dringlichkeit, mit der ich meine Gemeinde spezialisieren muss, weil ich kaum alle Produktionszweige abdecken kann, ist allerdings bemerkenswert – der Blick auf die Geburtenliste und das Alter meiner Bevölkerung ebenso.

Der intime Blick

Schließlich werden neue Menschen geboren, sind zunächst Kinder und beginnen im Alter von zehn Jahren zu arbeiten. Schaffe ich keinen Platz für junge Familien, überaltern meine Siedler also und hinterlassen nach ihrem Tod eine schmerzhafte Lücke. Ich muss deshalb

Neue Inhalte und Mod-Kit

Ob Luke Hodorowicz an Erweiterungen arbeiten wird, steht laut offizieller Webseite noch nicht fest. Er habe zahlreiche Ideen, möchte aber auch neue Spiele entwickeln.

Mit Sicherheit arbeitet er allerdings an einem Mod-Kit, das Spielern das Erstellen eigener Inhalte ermöglichen und an einem noch unbestimmten Zeitpunkt erscheinen soll. für genügend Wohnraum sorgen, ohne dass die Einwohnerzahl den Gegenwert der Nahrungsmittel überschreitet. Knifflig wird es spätestens dann, wenn ich eine Schule baue, die Kinder zu effizienteren Berufstätigen erzieht. Denn weil die Jugendlichen bis zu ihrem 18. Lebensjahr lernen, fallen sie bis dahin als Arbeitskräfte aus.

Dieser intime Blick in die Bevölkerungsstruktur ist faszinierend. Er hört ja nicht beim Verwalten auf: Alle Bürger tragen auch einen Namen und ich kann genau beobachten, womit sie den Tag verbringen. Ich sehe Webern dabei zu, wie sie Leder zur Webstube tragen, wie sie fertige Kleidung in Lager bringen, anschließend Nahrungsmittel vom Marktplatz nach Hause transportieren und sich im Winter Feuerholz besorgen. Haben sie die von mir bestimmte Menge an Kleidung hergestellt, helfen sie beim Fällen von Bäumen oder dem Abbau von Gesteinsvorräten.

Dass sie mit vergleichsweise groben Animationen in Bewegung versetzt werden, stört mich kaum – meine Aufmerksamkeit gilt dem Beobachten des funktionierenden Alltags. Geschenkt, dass sie über umzäunte Weiden laufen und gelegentlich einen Bauauftrag

Zu großen Städten entwickeln sich auch weitläufige Gemeinden nicht.
ignorieren. Bedauerlich finde ich aber, dass ich die Namen der Verstorbenen nicht auf ihren Grabsteinen lesen kann. Ärgerlich auch, dass meine Siedler mit jeder Jahreszeit um ein Jahr altern. Das mag der Simulation das richtige Spieltempo verleihen. Es raubt ihr aber einen Teil der überzeugenden Glaubwürdigkeit.

Historisch hängen geblieben

Immerhin ist es nicht allein das Beobachten funktionierender Wirtschaftskreisläufe: Um die schrägen Holzdächer des verklärten Mittelalters entsteht eine romantische Idylle, in der ich liebend gerne meinen Urlaub verbringen würde. Ich lasse Holzbrücken über kleine Flüsse bauen, die Mine im Hintergrund fördert Kohle und Eisen, auf einem unberührten Landstrich sind lediglich Förster und Jäger zugange und neben den Holzhäusern meines alten Dorfzentrums entstehen immer mehr Steinbauten. Kirche, Krankenhaus und Kneipe zeugen vom Fortschritt...

… auch wenn es echten Fortschritt gar nicht gibt. Denn so anspruchsvoll Ausbau und Unterhalt einer Gemeinde sind, so wenig entwickelt sie sich historisch weiter. Von Beginn an stehen mir sämtliche Einrichtungen zur Verfügung – eine in die Breite gezogene Kleinstadt ist allerdings das höchste der Gefühle. Die Häuser bleiben stets kleine

Auf einem Friedhof begraben die Siedler ihre Toten. So können sie trauern, ohne dass sich der Verlust auf ihre Motivation auswirkt.
Einfamilienhäuser, ein Transportsystem gibt es nicht, um Abwasser u.ä. muss ich mich nie kümmern. Es kann Dutzende Stunden dauern, bis man diesen Punkt erreicht. Doch auch weil sich das vom Zufall erstellte Gebiet sowie die grundsätzlichen Bedingungen bei jedem Neustart gleichen, kommt Banished trotz Endlosspiel irgendwann zum Schluss.

Ich lasse nicht mit mir handeln!

Wer es noch nicht getan hat, könnte für einen neuen Versuch immerhin Naturkatastrophen, ein raues Klima oder schroffes Umland wählen. Wer Glück hat, wird dann vielleicht lange von Seuchen, Wirbelstürmen oder Bränden verschont. Ich habe z.B. lediglich ein Haus ans Feuer verloren, ein Sturm zog an meiner Siedlung jedoch vorbei. Mit Brunnen und medizinischer Versorgung versuche ich trotzdem solchen Gefahren vorzubeugen.

Weniger Einfluss habe ich hingegen auf den Handel und das ist ärgerlich: Hatte ich mich anfangs noch über eintreffende Händler gefreut, war ich ihren kleinen Booten bald schon überdrüssig. Dabei funktioniert mein Handelsposten richtig gut, wenn ich die

Was ein Händler geladen hat, bestimmt der Zufallsgenerator erst während des Anlegens.
Überproduktion aller Rohstoffe und Erzeugnisse, darunter Werkzeuge, Wild und Feuerholz, vorsorglich dort einlagere. Durch den Warentausch erhielt ich außerdem mein erstes Saatgut und meine ersten Rinder.

Doch ich weiß ja nie, welche Waren ein Händler mitbringt – selbst wenn ich sie für die nächste Lieferung bestelle! Es immer reines Glücksspiel, welche Artikel das Boot einführt und welche der Händler im Austausch akzeptiert. So sinnvoll die Spezialisierung auf überlebenswichtige Produktionsketten also ist, so enttäuscht musste ich die Planung meines Eisen- und Kohleimperiums aufgeben. Ich konnte mich ja nie zur zentralen Anlaufstelle für den entsprechenden Handel entwickeln. Stirnrunzelnd musste ich schließlich noch zur Kenntnis nehmen, dass ich die im Handelsposten gelagerten Nahrungsmittel nicht zurückführen konnte, als meine Bevölkerung Hunger litt. Dabei hätte ich zehn solcher harten Winter mit der dort liegenden Reserve überstehen können.

Fazit

Es sind die wichtige Kleinigkeiten, an denen man spürt, dass Luke Hodorowicz als einzelner Entwickler irgendwann an seine Grenzen stieß. Daran, dass man bestehende Weideflächen z.B. nicht erweitern kann, dass der Handel mehr Glücksspiel als fest verankertes Element ist oder dass der Ort nie mehr als eine weitläufige Kleinstadt sein kann. Faszinierend ist allerdings die Zielgenauigkeit, mit der Hodorowicz seine Vision einer Aufbausimulation Wirklichkeit werden lässt. Denn wo SimCity & Co. mit dem Abstand eines Analysten auf die Welt blicken, sondiere ich hier die Holzstapel auf dem Lagerplatz und beobachte meine Siedler, um die eng miteinander verknüpften Wirtschaftskreisläufe zu kontrollieren. Ich bediene mich ja nicht nur – ich muss die Lebensräume von Wald und Wild auch erhalten, so lange ich sie nutzen will. Dass das ausgeklügelte System in einem harten Winter zusammenbrechen kann, macht das Überleben am Rande der Natur so spannend. Und weil es sich ohne Kampf und vermeintliche Epik auf das Wesentliche konzentriert, fühle ich mich hier einfach pudelwohl.

Pro

Alltagssimulation ohne Fantasy, Kampf o.ä.
Einwohner mit komplettem Lebenslauf
eng vernetzte Wirtschaftskreisläufe
knappe Ressourcen erfordern durchdachte Spezialisierungen
idyllisches Mittelalterflair
Berufstätige ohne aktuelle Aufgabe helfen bei kleinen Tätigkeiten
Verfolgen aller Arbeits- und Freizeitaktivitäten
schnelle, komfortable Menüs

Kontra

keine Entwicklung der dörflichen Gebäude und Ökonomie
Handel wird vom Zufall bestimmt
Menschen laufen über umzäunte Weiden, Tiere durch Zäune
Bestand aus Handelsposten kann nicht in Lager zurückgeführt werden
keine Herausforderungen oder vorgegebenen Situationen
neue Spielflächen gleichen sich sehr
Weideflächen, Friedhöfe, Ackerland u.ä. kann nicht erweitert werden
Bauaufträge bleiben selten liegen
Schade: keine Namen auf Grabsteinen, Menschen altern pro Vierteljahr

Wertung

PC

Fordernde Aufbaustrategie, die den Blick auf den Alltag einer kleinen Gemeinde richtet. Im Mittelpunkt steht das Verwalten der knappen Rohstoffe.

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