Im Test: Fantasy-Strategie im Kampf mit sich selbst
Details, Details
„Was gibt es Liebchen?“ fragt mich die Bürgermeisterin des kleinen Dörfchens, das ich gerade vor einer Ork-Invasion gerettet habe mit naivem Unterton. Zum zehnten Mal. Denn eigentlich sollte die Dame auf meine erfolgreiche Militäroperation reagieren, mich zur Heldin der Gegend ernennen – und mir in meiner Suche nach dem Ursprung einer merkwürdigen Seuche namens „Blutbrand“ weiterhelfen, die die Bewohner der Gegend dahinrafft.
Bugs vs. Atmosphäre
Diese Designschnitzer und eine hohe Bugdichte zum Release sind vielleicht das größte Manko von Spellforce 3, denn die fehlende Qualitätssicherung schadet dem Spielgefühl erheblich. Da verschwinden z.B. zwei von drei Helden einfach spurlos hinter einer massiven Felsentür, woraufhin mir angezeigt wird, ich müsse meine Heldengruppe zusammenbringen, um weiterzumachen – nur damit wenig später eine Videosequenz VOR dem Tor beginnt, welches in deren Verlauf geöffnet wird. Auch gibt es Probleme mit meinem weiblichen Hauptcharakter, der von NPC öfter mal als „Kerl“ oder „Typ“ bezeichnet wird. Diese ständigen Fehler und Brüche in der Inszenierung zerstören immer wieder die mühevoll aufgebaute Fantasy-Atmosphäre, die vor allem durch die tolle Kulisse und Architektur der Festungen, Ruinen und Dungeons entsteht: Gräser wiegen sich sacht im Wind, Fackeln in Verliesen werfen unheimliche Schatten und Zaubersprüche lassen effektvoll Funkenregen sowie Feuerwände entstehen.
Freie Charakterentwicklung
Im Stil eines klassischen Action-Rollenspiels zieht man in der Vogelperspektive mit bis zu vier Helden über die Karte, killt Monster, erfüllt Nebenaufgaben, sammelt die haufenweise vorhandene Beute und steigert bei einem Levelaufstieg der Gruppe fünf Attributswerte und bis zu vier Talentbäume wie Weiße Magie, Nahkampf oder Elementarzauber, deren Fähigkeiten wie Heilung, Rundumschlag oder gezielter Schuss ebenfalls in mehreren Stufen verbessert werden können. Die grundlegende Spielmechanik mit Automatik-Angriffen und per Hotkeys oder Kreismenü ausgelösten Spezialangriffen und Zaubern wird dabei routiniert abgespult und erinnert an die großen Vorbilder wie Diablo. Vor allem die erstaunlich freie und vielschichtige Charakterentwicklung hinterlässt einen richtig guten Eindruck: Zwar ist die Hauptfigur immer magiebegabt, aber es steht mir frei, ob ich einen auf Fernkampf spezialisierten Nekromanten, einen Heiler-Tank oder einen Elementar-Schurken spielen möchte. Ärgerlich ist, dass das gesammelte Gold bei Händlern nur selten in sinnvolle Ausrüstungsgegenstände umgesetzt werden kann, da hier das Angebot eher mau ausfällt. Coole Waffen, Rüstungen oder Ringe findet man fast nie in den Auslagen.
Strategie mit Orientierungsproblemen
Übernimmt man dann z.B. die Kontrolle über eine lokale Miliz, um mit einem Orklager in der Nähe aufzuräumen, wechselt das Rollenspiel fließend zur klassischen Echtzeitstrategie, in der den Helden, ähnlich wie bei Warcraft 3, zwar eine tragende Rolle zukommt, sie aber ohne Hilfe ihrer Soldaten aufgeschmissen sind. Hier errichtet man zunächst eine Basis, um Rohstoffe abzubauen und Militärkräfte zu trainieren. Serientypisch muss dazu die Arbeitskraft manuell auf die verschiedenen Betriebe wie Holzfäller, Fischerei oder Steinbruch verteilt werden. Zudem kann die Basis nicht ohne Weiteres über die Karte erweitert werden – stattdessen müssen Sektoren eingenommen und Außenposten errichtet werden, um z.B. wertvollere Ressourcen wie Metalle zu sichern. Ähnlich wie bei Die Siedler müssen diese zum Teil zunächst weiterverarbeitet werden, wofür sie per Karren zwischen den Sektoren transferiert werden müssen. Somit muss man immer ein Auge auf seine eigene Wirtschaft haben, zumal auch Wachtürme oder Kasernen mit Arbeitern besetzt werden müssen, um effizient zu funktionieren.
Wenig Einheiten, wenig Abwechslung
Dennoch funktionieren die auf die typische Schere-Stein-Papier-Mechanik zurückgreifenden Gefechte zwischen Bogenschützen, Lanzenträgern, Reitern und Schwertkämpfern von Orks, Menschen und Elfen halbwegs ordentlich, wenngleich die typische „Strategie“ meistens aus „Alles markieren und angreifen“ besteht. Die Gefechtskarten sind zudem so entworfen, dass die Kämpfe um enge Durchgänge oder Brücken herum stattfinden, die gleichzeitig die Zugänge zu den einzelnen Sektoren darstellen. Es kommt also eher auf die geschickte Platzierung von Soldaten an den Eingängen an, anstatt auf Formation und Geländetaktik. Fummeliges Mikromanagement abseits des Bewegungs-Babysittings ist dabei immerhin nicht nötig: Keiner der Truppentypen besitzt Spezialfähigkeiten. Diese sind einzig den Helden vorbehalten, die mit ihren Beschwörungen oder Elementarattacken drastischen Einfluss auf den Schlachtverlauf nehmen können. Jeder gefallene Feind bringt dabei Gold und Erfahrungspunkte, die in Waffen, Rüstungen und Fähigkeiten umgewandelt werden können.
Drei Rassen, drei Spielweisen?
Der organische Wechsel zwischen den Fraktionen innerhalb der Kampagne ist Grimlore Games hingegen gut gelungen. So kämpft man mal aufseiten der Menschen, mal für Elfen- und Ork-Fraktionen, um innerhalb der Handlung Verbündete zu gewinnen. Jede Fraktion unterscheidet sich zwar letztlich nur in Details – Orks bekommen z.B. erst spät Fernkampf-Einheiten, Elfen können sich zwischen normalen Außenposten und starken Türmen entscheiden – spielt sich aber gerade aufgrund der stark unterschiedlichen Arbeitskraft der Träger einigermaßen unterschiedlich, wenngleich man natürlich Welten von den Differenzen zwischen Zerg, Protoss und Terranern entfernt ist. Zudem finden die initialen Kämpfe zunächst innerhalb der Fraktionen statt, was der „Orks böse, Menschen gut“-Erzählung einen Riegel vorschiebt und Facetten der Rassen, wie den dauerhaften Kampf der Orks untereinander, zur Geltung bringt.
Fazit
Spellforce 3 kämpft im Test vor allem mit sich selbst: Ständige Bugs und nervige Designmacken verhindern ein Eintauchen in die durchaus stimmungsvolle Welt, die vor allem durch ihre guten Dialoge und hübsche Kulisse getragen wird. Immerhin: Die brutalen Gamebreaker der Vorab-Fassung, die definitiv für ein „Mangelhaft“ gesorgt hätten, sind uns nicht mehr begegnet. So bewegt sich das Action-Rollenspiel durch die freie Charakterentwicklung, coole Zauber und eine interessante, wendungsreiche Handlung zwar durchaus im guten Bereich, die Echtzeit-Strategie leidet aber unter ihren weitestgehend oberflächlichen Spielmechaniken, nicht funktionierenden Formationen und einer zum Teil fürchterlichen Wegfindung. Da beide Mechaniken in der Kampagne gleichermaßen viel Raum einnehmen, hinterlässt das Debüt von Grimlore Games nur einen befriedigenden Eindruck – und hätte angesichts von acht Patches in vier Tagen seit Release vermutlich erst im Januar 2018 erscheinen sollen.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Störende Bugs und Brüche in der Inszenierung stellen auch nach Release noch ein Problem für die gut inszenierte Fantasy-Welt und das solide Action-Rollenspiel dar. Die mittelmäßige Echtzeit-Strategie wäre allerdings auch ohne technische Macken zu bieder und flach.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.