SpellForce 311.12.2017, Eike Cramer
SpellForce 3

Im Test: Fantasy-Strategie im Kampf mit sich selbst

Die Vorab-Fassung von Spellforce 3 (ab 8,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) erschütterte im Test vor allem mit Gamebreaker-Bugs und Patch-Operationen am offenen Spieleherzen, was uns zu einer Kaufwarnung veranlasste. Zum Release  versuchten wir es erneut. Ist die Debüt-Fantasy von Grimlore Games spielbar oder finden wir erneut Bugs, die ein Weiterkommen verhindern? 

Details, Details

„Was gibt es Liebchen?“ fragt mich die Bürgermeisterin des kleinen Dörfchens, das ich gerade vor einer Ork-Invasion gerettet habe mit naivem Unterton. Zum zehnten Mal. Denn eigentlich sollte die Dame auf meine erfolgreiche Militäroperation reagieren, mich zur Heldin der Gegend ernennen – und mir in meiner Suche nach dem Ursprung einer merkwürdigen Seuche namens „Blutbrand“ weiterhelfen, die die Bewohner der Gegend dahinrafft.

Immer drauf: Spellforce 3 vermischt Action-Rollenspiel und Fantasy-Strategie.
So allerdings stellt sie mir zunächst immer wieder die gleiche Frage. Ohne, dass es in der Geschichte vorangeht. Gamestopper?  Ludus interruptus? Spiel vorbei? Trotz meiner Erlebnisse in der Testversion, in der Fehler gleich mehrfach zum plötzlichen Abbruch der Handlung führten, ist dies hier glücklicherweise nicht der Fall. Stattdessen ist der Hänger an dieser Stelle „nur“ Folge einer sehr schlechten Questbeschreibung, denn tatsächlich muss ich eine der Heldenfiguren extrem nah an die Auftraggeberin heranführen, um den richtigen Dialog auszulösen. Das Problem: Es steht nirgends. Was für einige Spieler in dieser Situation sicher das entnervte Aus bedeuten dürfte.

Bugs vs. Atmosphäre

Diese Designschnitzer und eine hohe Bugdichte zum Release sind vielleicht das größte Manko von Spellforce 3, denn die fehlende Qualitätssicherung schadet dem Spielgefühl erheblich. Da verschwinden z.B. zwei von drei Helden einfach spurlos hinter einer massiven Felsentür, woraufhin mir angezeigt wird, ich müsse meine Heldengruppe zusammenbringen, um weiterzumachen – nur damit wenig später eine Videosequenz VOR dem Tor beginnt, welches in deren Verlauf geöffnet wird. Auch gibt es Probleme mit meinem weiblichen Hauptcharakter, der von NPC öfter mal als „Kerl“ oder „Typ“ bezeichnet wird. Diese ständigen Fehler und Brüche in der Inszenierung zerstören immer wieder die mühevoll aufgebaute Fantasy-Atmosphäre, die vor allem durch die tolle Kulisse und Architektur der Festungen, Ruinen und Dungeons entsteht: Gräser wiegen sich sacht im Wind, Fackeln in Verliesen werfen unheimliche Schatten und Zaubersprüche lassen effektvoll Funkenregen sowie Feuerwände entstehen.

Die Kulisse von Spellforce 3 kann sich durchaus sehen lassen.
Denn Spellforce 3 ist kein richtig schlechtes Spiel: Die Mischung aus Echtzeit—Strategie und Action-Rollenspiel funktioniert über weite Teile gut. Man übernimmt die Rolle des Kindes eines Verräters, welches von seinem eigenen Vater hingerichtet werden sollte, aber gerade rechtzeitig von Soldaten der Wolfsgarde befreit wird und später selbst zum Soldaten der Krone wird. Dabei nimmt man sich im Prolog viel Zeit, um die Figuren des Generals Sentenza Noria und seiner Leibgarde aufzubauen, die im weiteren Verlauf zwar nicht mehr Teil der Spielergruppe sind, aber dennoch wichtige Rollen spielen. Zudem wird ein spannender Konflikt zwischen weltlicher Macht und einer „Kirche des Lichts“ aufgebaut, welche die Wiederkehr ihres Obergottes erwartet und mehr und mehr die Kontrolle über die Menschen der Fantasywelt von Spellforce 3 übernimmt. Die Geschichte rund um den Blutbrand und die alte Rasse der „Former“, mit denen die Krankheit anscheinend zusammenhängt, nimmt auch dank eines cool inszenierten Verrates innerhalb der Party sowie harter politischer Entscheidungen schnell Fahrt auf, wenngleich die Charakterzeichnung  tiefer und die Geschichte zudem weniger „klassisch“ daherkommen könnte.   

Freie Charakterentwicklung

Im Stil eines klassischen Action-Rollenspiels zieht man in der Vogelperspektive mit bis zu vier Helden über die Karte, killt Monster, erfüllt Nebenaufgaben, sammelt die haufenweise vorhandene Beute und steigert bei einem Levelaufstieg der Gruppe fünf Attributswerte und bis zu vier Talentbäume wie Weiße Magie, Nahkampf oder Elementarzauber, deren Fähigkeiten wie Heilung, Rundumschlag oder gezielter Schuss ebenfalls in mehreren Stufen verbessert werden können.  Die grundlegende Spielmechanik mit Automatik-Angriffen und per Hotkeys oder Kreismenü ausgelösten Spezialangriffen und Zaubern wird dabei routiniert abgespult und erinnert an die großen Vorbilder wie Diablo. Vor allem die erstaunlich freie und vielschichtige Charakterentwicklung  hinterlässt einen richtig guten Eindruck: Zwar ist die Hauptfigur immer magiebegabt, aber es steht mir frei, ob ich einen auf Fernkampf spezialisierten Nekromanten, einen Heiler-Tank oder einen Elementar-Schurken spielen möchte. Ärgerlich ist, dass das gesammelte Gold bei Händlern nur selten in sinnvolle Ausrüstungsgegenstände umgesetzt werden kann, da hier das Angebot eher mau ausfällt. Coole Waffen, Rüstungen oder Ringe findet man fast nie in den Auslagen. 

Die Party besteht aus bis zu vier Helden, die vor Missionen ausgewählt werden können.
Schön: Die zahlreichen und meist umfangreichen Dialoge sind vollständig und professionell vertont und bieten meist die Wahl zwischen verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten, die aber letztlich zumeist auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen. Ebenfalls cool: Während man über die großen Karten streift und verfallene Ruinen, verwitterte Gewölbe oder sattgrüne Wälder durchforstet,  unterhalten sich die Figuren zum Teil über persönliche Dinge, die im Kontext gerade erlebter Geschehnisse oder Umgebungen stehen.  Auch findet man hier und da Schauplätze von Gefechten oder trifft auf zauselige Nebencharaktere, die der Spielwelt eine mitunter sehr glaubwürdige Tiefe verleihen. Allerdings nervt auch hier die zum Teil extrem fehlerhafte Kollisionsabfrage der Verliese und Festungen, bei denen man die Helden teils mühevoll manuell an unsichtbaren Hindernissen vorbei bugsieren muss.

Strategie mit Orientierungsproblemen

Übernimmt man dann z.B. die Kontrolle über eine lokale Miliz, um mit einem Orklager in der Nähe aufzuräumen, wechselt das Rollenspiel fließend zur klassischen Echtzeitstrategie, in der den Helden, ähnlich wie bei Warcraft 3, zwar eine tragende Rolle zukommt, sie aber ohne Hilfe ihrer Soldaten aufgeschmissen sind.  Hier errichtet man zunächst eine Basis, um Rohstoffe abzubauen und Militärkräfte zu trainieren. Serientypisch muss dazu die Arbeitskraft manuell auf die verschiedenen Betriebe wie Holzfäller, Fischerei oder Steinbruch verteilt werden. Zudem kann die Basis nicht ohne Weiteres über die Karte erweitert werden – stattdessen müssen Sektoren eingenommen und Außenposten errichtet werden, um z.B. wertvollere Ressourcen wie Metalle zu sichern. Ähnlich wie bei Die Siedler müssen diese zum Teil zunächst weiterverarbeitet werden, wofür sie per Karren zwischen den Sektoren transferiert werden müssen. Somit muss man immer ein Auge auf seine eigene Wirtschaft haben, zumal auch Wachtürme oder Kasernen mit Arbeitern besetzt werden müssen, um effizient zu funktionieren.

Die Echtzeit-Strategie zeigt sich klassisch - und weitestgehend bieder.
Doch auch hier fallen Fehler auf, die schnell nerven: So ist die Wegfindung im besten Fall schwach und im schlimmsten Fall katastrophal. Im Test habe ich erlebt, dass sich meine Warenkarren zunächst auf eine Festungsmauer verirrten, bevor sie über die klar markierten Straßen (die sich für nichts anderes als genau diese Karren durch die Landschaft schlägeln) zu ihrem Ziel zuckelten. Immer und immer wieder. Auch die Soldaten verhalten sich oftmals wenig geschickt, bleiben an Felsenkanten hängen oder wählen falsche Abzweigungen, nur um dann entweder in der Landschaft herumzustehen oder einen Umweg zum Ziel zu suchen. Die im Spiel vorhandenen Formationen werden zudem bei der kleinsten Bewegung aufgebrochen und sind dadurch weitestgehend nutzlos. Zudem scheren Soldaten im Standard-Modus „Aggressiv“ gerne aus der Formation aus und irren einzeln auf andere Feinde in der Nähe zu, was immer wieder zu ärgerlichen Verlusten führt. Zudem zeigt sich auch die Kamera zickig, die man manuell um Felsen rotieren muss, um Party und Armee nicht aus dem Blick zu verlieren, da verdeckende Umgebungen nicht automatisch ausblenden. 

Wenig Einheiten, wenig Abwechslung

Dennoch funktionieren die auf die typische Schere-Stein-Papier-Mechanik  zurückgreifenden Gefechte zwischen Bogenschützen, Lanzenträgern, Reitern und Schwertkämpfern von Orks, Menschen und Elfen halbwegs ordentlich, wenngleich die typische „Strategie“ meistens aus „Alles markieren und angreifen“ besteht. Die Gefechtskarten sind zudem so entworfen, dass die Kämpfe um enge Durchgänge oder Brücken herum stattfinden, die gleichzeitig die Zugänge zu den einzelnen Sektoren darstellen. Es kommt also eher auf die geschickte Platzierung von Soldaten an den Eingängen an, anstatt auf Formation und Geländetaktik. Fummeliges Mikromanagement abseits des Bewegungs-Babysittings ist dabei immerhin nicht nötig: Keiner der Truppentypen besitzt Spezialfähigkeiten. Diese sind einzig den Helden vorbehalten, die mit ihren Beschwörungen oder Elementarattacken drastischen Einfluss auf den Schlachtverlauf nehmen können. Jeder gefallene Feind bringt dabei Gold und Erfahrungspunkte, die in Waffen, Rüstungen und Fähigkeiten umgewandelt werden können.

Im Stand imposant, ansonsten vollkommen nutzlos: Bei Bewegung zerbröseln Formationen sofort.
Eine nette Idee sind über die Karten verteilten Gottessteine, die, sobald sie eingenommen wurden, per Portal verbunden werden können, was die schnelle Verlegung von großen Einheitengruppen quer über die Karte ermöglichen kann. Dumm nur, wenn auch hier der Fehlerteufel zuschlägt und sich, wie bei unserem Test, einer der Steine schlicht und ergreifend weigert, eine Verbindung mit dem übrigen Netzwerk herzustellen. Insgesamt bleibt der Strategie-Teil von Spellforce 3 eher oberflächlich, da es nur wenige Verbesserungen für die Einheiten und ohnehin nur eine beschränkte Auswahl von Truppentypen gibt, die im späteren Spielverlauf immerhin noch durch Elite-Einheiten wie starke Magier oder schlagkräftige Nahkämpfer aufgestockt werden. Innerhalb der Kampagne hat man zudem nicht gleich am Anfang Zugriff auf alle Technologiestufen – stattdessen muss man in der Spielwelt Blaupausen finden, mit denen man neue Gebäude, Einheiten oder Upgrades freischaltet. Ärgerlich: Der angenehm anspruchsvolle Schwierigkeitsgrad früher Gefechte wurde mittlerweile per Patch beseitigt, so dass „Normal“ für den Durchschnittsstrategen zu leicht sein dürfte.

Drei Rassen, drei Spielweisen?

Der organische Wechsel zwischen den Fraktionen innerhalb der Kampagne ist Grimlore Games hingegen  gut gelungen. So kämpft man mal aufseiten der Menschen, mal für Elfen- und Ork-Fraktionen, um innerhalb der Handlung Verbündete zu gewinnen. Jede Fraktion unterscheidet sich zwar letztlich nur in Details – Orks bekommen z.B. erst spät Fernkampf-Einheiten, Elfen können sich zwischen normalen Außenposten und starken Türmen entscheiden – spielt sich aber gerade aufgrund der stark unterschiedlichen Arbeitskraft der Träger einigermaßen unterschiedlich, wenngleich man natürlich Welten von den Differenzen zwischen Zerg, Protoss und Terranern entfernt ist. Zudem finden die initialen Kämpfe zunächst innerhalb der Fraktionen statt, was der „Orks böse, Menschen gut“-Erzählung einen Riegel vorschiebt und Facetten der Rassen, wie den dauerhaften Kampf der Orks untereinander, zur Geltung bringt.

Auf der Weltkarte navigiert man zwischen den verschiedenen Schauplätzen.
Natürlich gibt es auch einen Mehrspieler-Modus, in dem die Helden ähnlich funktionieren wie bei Warcraft 3 und in ihrer Macht und freien Entwicklung etwas stärker beschnitten sind. Allerdings erlauben die wenigstens der fünf Karten große offene Gefechte – stattdessen sind die einzelnen Sektoren ähnlich wie in der Kampagne meist nur über enge Zugänge erreichbar, die gezielt gesichert werden können. So werden auch hier die ebenfalls schwachen Formationen vollkommen überflüssig – und Heldenfähigkeiten mit Bereichsschaden wie der Feuerball ungleich wichtiger. Die Balance stimmt hier nicht immer, zumal sich die Gefechte, die auch gegen die ordentlich agierende KI sehr in die Länge ziehen können.

Fazit

Spellforce 3 kämpft im Test  vor allem mit sich selbst: Ständige Bugs und nervige Designmacken verhindern ein Eintauchen in die durchaus stimmungsvolle Welt, die vor allem durch ihre guten Dialoge und hübsche Kulisse getragen wird. Immerhin: Die brutalen Gamebreaker der Vorab-Fassung, die definitiv für ein „Mangelhaft“ gesorgt hätten, sind uns nicht mehr begegnet. So bewegt sich das Action-Rollenspiel durch die freie Charakterentwicklung, coole Zauber und eine interessante, wendungsreiche Handlung zwar durchaus im guten Bereich, die Echtzeit-Strategie leidet aber unter ihren weitestgehend oberflächlichen Spielmechaniken, nicht funktionierenden Formationen und einer zum Teil fürchterlichen Wegfindung. Da beide Mechaniken in der Kampagne gleichermaßen viel Raum einnehmen, hinterlässt das Debüt von Grimlore Games nur einen befriedigenden Eindruck – und hätte angesichts von acht Patches in vier Tagen seit Release  vermutlich erst im Januar 2018  erscheinen sollen. 

Pro

ordentliches Action-Rollenspiel
gute Kulisse
stimmungsvolle Gespräche der Charaktere
gute Vertonung
interessante Handlung
freie Charakterentwicklung
solides Wirtschaftssystem

Kontra

mäßige Echtzeit-Strategie
flacher Techtree
nervige Bugs und Designmacken
Wegfindungsprobleme
wenige Einheitentypen
nutzlose Formationen
schwaches Kampfverhalten
keine Einheiten-Spezialfähigkeiten
nutzlose Händler

Wertung

PC

Störende Bugs und Brüche in der Inszenierung stellen auch nach Release noch ein Problem für die gut inszenierte Fantasy-Welt und das solide Action-Rollenspiel dar. Die mittelmäßige Echtzeit-Strategie wäre allerdings auch ohne technische Macken zu bieder und flach.

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