Grimsfield30.05.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Bürokratie und Kunst

Seid ihr schon mal in Grimsfield gewesen? Ist ein beschauliches kleines Städtchen im Norden Englands. Ein bisschen Grau vielleicht, begraben unter etwas zu viel Bürokratie. Aber wenn ein Dichter dort was werden will, dann kann er das auch schaffen! Davon erzählt jedenfalls das kleine Spiel von Adam Wells: Grafiker eigentlich, manchmal Regisseur, aber kein Spielemacher. Das merkt man seinem Debütwerk allerdings nicht an!

Vom Detektiv zum Dichter

Sie verlangt ja nicht viel, die Hauptfigur in Wells' einstündigem Adventure: Der selbsternannte Dichter hat früher als Ermittler gearbeitet, will jetzt aber künstlerisch tätig sein. Also möchte er in einer Art Poetry Slam ein Gedicht vortragen, in einer Kneipe im Zentrum Grimsfields. Nur ist das nicht so einfach wie gedacht. Immerhin braucht er dafür nicht nur den richtigen Hut, sondern gleich mehrere Genehmigungen. Und so klickt man sich zu einer Behörde, einem geheimen Hutmacher und anderen Lokalitäten, bevor man endlich am "Open Mic" steht.

Absurd und einfallsreich

Kopfnüsse geben die bürokratischen Stolpersteine nicht auf: Man läuft dorthin, wo die Lösung wartet, klickt sich durch ein Gespräch, holt vorher mal einen benötigten Gegenstand ab. Aber genau darin liegt der Reiz: im Umfeld, in den spritzigen Unterhaltungen. Denn Wells reißt von Referenzen ans klassische Adventure bis zur Gesellschaftskritik

In Grimsfield steckt mehr drin, als die minimalistischen Kulissen vermuten lassen.
viel an - nie mit der Stimme des Belehrers, sondern immer mit einem fröhlichen Augenzwinkern.

Absurd ist es, wenn zwei Quadratköpfe gleichzeitig ihre eigenen Geschichten erzählen, ohne auch nur im Geringsten auf den anderen einzugehen. Irgendwann spricht der Protagonist sogar aus, was Rätselspielern schon häufig auf der Zunge lag: Er hat überhaupt keine Lust, sich das Geschwafel seines Gegenübers anzuhören!

Erfrischend ist es, dass der Autor vielleicht sogar sein eigenes Künstlerdasein auf die Schippe nimmt, wenn der angehende Dichter von fast allen Gesprächspartnern ein "Oho, na dann...!" erhofft, nachdem er sie auf seine Berufung aufmerksam gemacht hat. Da klingt die vergnügte Kritik an eine

Adam Wells versteckt seine Botschaft in spritzigen Dialogen und vielen Anspielungen.
gedämpfte Hybris an und nebenbei gleich noch der Verweis aufs eigene Phlegma. Und immer kann man die Eigenheiten des sympathischen Aspiranten nachempfinden.

Mehr als Monkey Island

Das Schöne ist, dass Adam Wells' Grimsfield mehr ist als ein blödelndes Adventure à la Monkey Island. Hinter seiner leichtfüßigen Erzählung schwingt immer auch eine Wahrheit, die man im Vorbeigehen registriert, bei der die Gedanken eine Weile bleiben. Und wenn er gegen Ende seine Fassade auf ebenso einfache wie clevere Weise aufbricht, um ganz ohne Trommelwirbel das zu sagen, was ihm am Herzen liegt, dann ist dieses kleine Spiel einfach ein Stückchen größer als all seine witzigen Vorbilder.

Fazit

So wie die jazzige Musik den auf Quadraten gestellten Noir-Kulissen Stil einhaucht, unterstreicht Adam Wells das handwerkliche Geschick, mit dem er sein erstes und "womöglich letztes" Videospiel inszeniert: Grimsfield fordert Adventure-Knobler zwar nicht heraus und nach etwa einer Stunde erreicht man den letzten Vorhang. Auf dem Weg dorthin führt man allerdings spritzige Unterhaltungen, freut sich über unterhaltsame Anspielungen, unaufdringliche Lebensweisheiten sowie eine überraschende und konsequente Auflösung. Wells' Minimalismus hat Methode, denn wie in einem Kurzfilm bringt er binnen kurzer Zeit das auf den Punkt, was er sagen möchte. Dank ihm ist die Spielewelt um ein wundervolles Erlebnis reicher!

Pro

durchdachte Geschichte
spritzige Dialoge
cleveres Finale
stilvolle Noir-Kulissen
beschwingter Soundtrack

Kontra

kurze Spielzeit
anspruchslose Rätsel
ausschließlich englische Sprache und Texte

Wertung

PC

Spielerisch überschaubares, aber ebenso spritziges wie cleveres Adventure um die Ideale eines Künstlers und die Realität des Alltags.

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