Dark Messiah of Might & Magic27.10.2006, Paul Kautz
Dark Messiah of Might & Magic

Im Test:

Wenn Orks kreischend einen Berg herunterpoltern, unangenehm blutend in einer Stachelwand kleben, den Abdruck eines stabilen Fasses auf der Stirn oder den eines Fußes im Kreuz tragen, dann war der Dark Messiah of Might & Magic vor kurzem hier. Das Spiel der Arkane Studios, die vor vier Jahren mit Arx Fatalis eine gut spielbare Ultima Underworld-Hommage entwickelten, hat zwar nicht mehr viel mit RPG zu tun – macht aber eine Menge Spaß!

Es waren die Stimmen!

Der junge Sareth ist ein Zauberlehrling, wie er im Buche steht: Clever, talentiert, im Zweifelsfall auch ohne Zauberformel befähigt, eine Horde Orks zu verkloppen. Die Aufgabe dieses Aspiranten ist es, einen wertvollen Kristall zu beschaffen (das aus der Demo bekannte Tutorial) und eben diesen in das lauschige Städtchen

Die Gegner sind keine Intelligenzmonster, leisten aber kompetenten Widerstand.
Stonehelm zum befreundeten Magier Menelag zu befördern. Doch dann geht natürlich alles schief, der Kristall kommt weg und er bekommt eine klugschwätzende Dämonin in den Kopf verpflanzt, die fortan immer wieder hilfreiche bis alberne Kommentare von sich gibt. Erst nach und nach bekommt er eine Ahnung davon, wer er wirklich ist und was für Aufgaben er tatsächlich hat!

Dark Messiah of Might & Magic (ab 10,76€ bei kaufen) ist kein Rollenspiel - ebenso könnte man Jedi Academy  als Rollenspiel bezeichnen. Es ist ein Actiongame mit leichtem RPG-Einschlag, ein Hack-n-Slay light, und light auch nur, weil ihr es mit weniger Gegnern als z.B. in Baldur's Gate: Dark Alliance 2  zu tun bekommt. Das Spielprinzip ist aber dasselbe: Ihr habt eine Waffe in der Hand (Schwert, Bogen, Feuerzauber etc.), ein paar Gegner vor euch - und der Rest dürfte klar sein. Das Kampfsystem ist sehr simpel: Dauerklicken mit der linken Maustaste löst schnelle, aber recht schwache Schwerthiebe aus, Gedrückthalten und Loslassen bewirkt einen wesentlich mächtigeren Schlag. Das rechte Mausohr dient dem Blocken, außerdem dürft ihr noch in Verbindung mit einigen Tasten Kombos schlagen. Viel nützlicher ist allerdings die F-Taste: Damit könnt ihr Gegner und Dinge beliebig in der Gegend herumkicken! Die Physikengine, die sich schon in Half-Life 2  um realistisch schliddernde Kisten und zappelnde Gegner kümmerte, kommt auch hier zum Einsatz. Das sorgt für eine sehr interessante Spielerfahrung: Lümmelt sich ein Ork an der Kante eines angemessen hohen Kliffs, reicht ein gut platzierter Tritt, um ihm das Fliegen beizubringen. Ein stacheliges Gitter + ein davor die Zähne fletschender Feind = ein Problem weniger. Verpasst ihr einem Widersacher einen Arschtritt in Richtung eines brutzelnden Feuers, läuft er wenige Sekunden später als schreiende 

Der Tritt ist mächtiger als das Schwert - jedenfalls, wenn der Gegner vor einem Abgrund oder einer tödlichen Falle steht.
Fackel durch die beeindruckende Architektur. Steht ein Fass herum, könnt ihr es aufnehmen und einem Feind ins Gesicht schmeißen; ein schwerer, festgebundener Kronleuchter ist eine furchtbare, hin und her schwingende Waffe, wenn man sein Halteseil kappt uswusf. Der Möglichkeiten sind viele, allerdings nicht so viele, wie uns die Entwickler glauben machen wollen: Die praktische Anwendung dieser Physik ist noch offensichtlicher designt als noch in Half-Life 2, wenn irgendwo eine rissige Wand den Weg versperrt, hängt mit ziemlicher Sicherheit ganz in der Nähe ein sehr schweres Objekt an einem einladenden Seil. Außerdem teilt sich die Ragdoll-Physik den Nachteil fast aller ihrer Anwendungen: Erledigte Gegner bleiben oftmals in physikalisch fragwürdigen Positionen liegen, aufeinander prallende Objekte zappeln immer wieder hektischer als ein Schmetterling auf Ecstasy herum.

Das Alien in dir

Das Might & Magic im Namen verpflichtet in gewisser Weise, weswegen auch der dunkle Messias kein in Stein gemeißelter Charakter ist. Nach jeder größeren erfüllten Quest erhaltet ihr Skill-Punkte, die ihr beliebig verteilen dürft: Etwas mehr Magie-Affinität, etwas mehr Schleichen, etwas schwerere Waffen gefällig? Ihr könnt euch in die drei Richtungen Kämpfer, Magier und Dieb entwickeln, die jeweils andere Schwerpunkte haben: Der eine schwingt dickere Schwerter, der andere verlässt sich darauf, Gegner mit Feuer, Eis oder Blitzen 

Feuerbälle, Eiszauber, Kreaturenbeschwörung - euch stehen viele durchschlagskräftige Sprüche zur Verfügung.
zu malträtieren, der nächste erledigt Feinde bevorzugt leise und von hinten. Prinzipiell eine super Sache, allerdings sind die Klassen-Unterscheidungen nicht so ausgeprägt, wie man meinen könnte, in gewissen Situationen ist man ohnehin auf die eine oder andere Spielform angewiesen. Aber dies ist nun mal kein Baldur's Gate 3, die Action steht im Vordergrund: Und so gibt es hektische Schwert- und Bogenkämpfe, ihr könnt Feuerbälle, Blitze oder an eurer Seite kämpfende Kreaturen beschwören, Eiszauber wirken oder mit glühenden Kampfstäben Angst und Schrecken verbreiten. Etwa in der Mitte des Spiels haben es die Entwickler allerdings etwas zu gut damit gemeint, in einem sehr langen Abschnitt erwarten euch z.B. immer neue, immer mehr Wellen penetranter Untoter, was in einem Game wie Serious Sam 2  prima ist, hier aber schon nach kurzer Zeit gehörig nervt.              

Neben diesen wankfreudigen Faulkörpern, die einen schnell und unangenehm vergiften können, erwartet euch klassischer Widerstand: Orks, Ghouls, Spinnen, Wachen, Nekromanten oder Drachen verfügen über jeweils eigene Kampfstile, Verhaltensmuster und Allergien auf bestimmte Waffen. Der eine verträgt kein Feuer, der andere schreit gleich beim ersten Anzeichen einer Übermacht nach Verstärkung. So mancher Feind ist mit

Alien ahoi: Als Dämon fallen eure Gegner wie die Fliegen, allerdings müsst ihr auf eure stetig sinkende Lebensenergie achten.
gewöhnlichen Methoden gar nicht besiegbar, in solchen Fällen muss man die Umgebung mit in den Kampf einbeziehen. Im letzten Drittel des Spiels gibt es noch eine neue Wunderwaffe: Dann dürft ihr euch nämlich für einige Zeit in einen glühenden Dämonen verwandeln, der enorm austeilt und konstant Lebensenergie verliert - was nur durch das Erledigen von Gegnern ausgeglichen werden kann. Dieser Modus erinnert frappierend an das Alien aus der AvP-Serie , auch hier fuchtelt ihr mit Klauen (was irritierenderweise wie Waffenklirren klingt) und einem schlagkräftigen Schwanz herum, während die Umgebung cool verzerrt dargestellt wird. Währenddessen rennt ihr durch malerische Städtchen und unheimliche Höhlen, erkundet ein prächtiges Schiff und verfallene Ruinen, durchstreift spinnenverseuchte Höhlen  und klettert in luftiger Höhe auf einem Berg herum, um eine Kristallkammer zu finden. Das manchmal nur schwammig beschriebene Missionsspektrum umfasst die dramatische Verfolgung eines über Hausdächer flüchtenden Ghouls, das Erledigen eines Drachen, das Aufpassen auf einen Gefährten oder das Finden magischer Steine. Gelegentlich gibt es auch Bonusziele, die Extra-Skillpunkte bringen, außerdem müsst ihr viele Jump-n-Run-Einlagen überwinden: U.a. sollt ihr an Ketten oder an eigens mit Seilpfeilen befestigten Stricken herumklettern, was nicht immer gut funktioniert, da ihr euch nicht von Hindernissen abstoßen könnt - liegt das Seil oder die Kette also an einem Hindernis (z.B. einem Holzbalken) an, kommt man nicht daran vorbei.

Preiset den Messias!

Figuren und Landschaft sind hervorragend designt.
Die wunderschöne Kulisse von Dark Messiah, die teils grandiose Architektur, die feinen Texturen, die mit tollen Effekten verzierten und blitzsauber animierten Figuren, die blendenden HDR-Effekte  - all das stammt aus Valves Source-Engine, was einige vertraute Vorteile mit sich bringt: Die Gesichtsanimationen können sich fast mit Half-Life 2 messen, das Wasser plätschert brillant umher, die Echtzeit-Zwischensequenzen sind fabelhaft inszeniert, massig geskriptete Ereignisse erzeugen die Illusion einer lebenden Welt. Außerdem ist es schön, mal einen Helden mit Hand und Fuß zu haben: Sareth verfügt im Gegensatz zu Gevatter Freeman über alle Extremitäten, was speziell in den Zwischensequenzen der Atmosphäre dienlich ist und Albernheiten wie schwebende Objekte (die man angeblich trägt) vermeidet. Doch so schön die eine Seite ist, so unschön ist die andere: So werfen z.B. alle Figuren angenehm weiche Schatten - nur der Held aus irgendeinem Grund überhaupt keinen. Wichtige Story-Teile werden in aus der Engine abgefilmten Renderfilmen präsentiert, die scheußlich krümelig sind. Der Glanzeffekt, der Personen hervorragend steht, wirkt auf anderen Objekten teilweise schlimm übertrieben: Türen, Steine, altes Holz glänzen, als wären sie von einem Büttel auf Hochglanz poliert worden, selbst ein Haufen Dreck schimmert wie geleckt! Grafikfehler wie verzerrte Fonts, klaffende Polygonlücken, Clippingfehler und flackernde Texturen treten immer wieder auf. Und nicht zuletzt wurden einige der Effekte 1:1 aus HL2 übernommen: Wenn z.B. Untote sterben, erinnert das exakt an Combine-Truppen, die mit der Gravity-Gun in einen Plasmastrom geschmissen wurden - an sich nicht schlimm, aber für Kenner des Ursprungsspiels wirkt das irgendwie fehl am Platze.

1000 Kerben, und kein Ende in Sicht: Gelegentlich haben es die Entwickler mit dem Gegneraufkommen übertrieben.
All die Pracht hat einen Preis: Hardware, nicht zu knapp! Ganz besonders RAM kann man gar nicht genug im Haus haben, selbst mit zwei GB lädt selbst das Hauptmenü fast eine halbe Minute lang. Auch Grafikkarte und Prozessor werden von High-End-HDR-Effekten ordentlich belastet, die Anforderungen liegen deutlich über HL2. Dafür gibt es hier auch coole Zeitlupen-Killermoves, die ihr ausführen könnt, wenn ihr euren Adrenalin-Pegel ordentlich gefüllt habt - recht blutig übrigens, aber in der deutschen Fassung trotz einer 18er-Einstufung nicht ganz so saftig und ohne herumfliegende Körperteile. Dafür bekommt ihr hierzulande sehr gute Sprachausgabe zu hören, die ihren englischen Äquivalent in Sachen Qualität und Wortwitz kaum nachsteht - und die dramatische Musik, die sich dem Spielgeschehen anpasst, ist ohnehin in allen Fassungen gleich gut.

Interessanterweise verfügt Dark Messiah über einen kompletten Mehrspielermodus, der auf Steam basiert: Auf lediglich fünf Karten dürfen sich bis zu 24 Schwert- und Magieschwinger tummeln, in Sachen Spielvarianten gibt's nur (Team-) Deathmatch und das CTF-ähnliche »Crusade«. Mehr können wir zu dem Thema leider noch nicht sagen, da der Multiplayermodus in unserer Testfassung noch nicht funktionierte.         

Fazit

Ich erinnere mich noch gut an die erste Präsentation auf der Games Convention 2005: Damals sah Dark Messiah noch wie ein Arx Fatalis 2 aus, womit ich den präsentierenden Entwickler auch hervorragend ärgern konnte. Schnitt zum Heute: Alles ist anders! Der Rollenspielaspekt wurde auf ein absolutes Minimum heruntergekurbelt, das Spiel ist jetzt im Großen und Ganzen ein Ego-Shooter mit Schwertern und etwas Magie sowie einer Umgebung, die zum Experimentieren einlädt. Der in Sachen Technik zwar keine Kinnladen auf den Teppich befördert, aber nichtsdestotrotz fantastisch aussieht – die hohen Hardwareanforderungen haben schon ihren Grund. Auch spielerisch bietet der Messias zumindest im ersten und letzten Drittel ein hochklassiges Action-Abenteuer. Was sich die Entwickler aber mit der Mitte (speziell mit der Spinnen-Krypta) gedacht haben, kann ich mir nicht erklären: Plötzlich verkommt das Spiel zum Arena-Schlitzfest mit ihren Serious Sam-ähnlichen Massen an Untoten; hier habe ich mich ein paar Mal gefragt, ob ich nicht gerade ernsthaft verarscht werde – unschöne Erinnerungen an die extrem nervende Bibliothek in Halo wurden wach. Dankbarerweise geht es danach wieder bergauf, speziell der nicht sehr unauffällig von AvP 2 geklaute Dämon-Modus ist ein großer Spaß, von der klugschwätzenden Stimme im Kopf ganz zu schweigen! Alles in allem ein toll inszeniertes, über weite Teile super spielbares, actionreiches Ego-Hack-n-Slay.

Pro

prächtige Grafik
einfaches Kampfsystem
sehr gute Sprachausgabe
nette Story
dramatische Gefechte
tolle Texturen
weiche Animationen
schöne Effekte
coole Physiknutzung
großartig inszenierte Visionen

Kontra

lange Ladezeiten
hohe Hardwareanforderungen
krümelige Renderfilme
Ragdoll-Physik sorgt für merkwürdige Haltungen
gelegentliche Grafikbugs
fummelige Klettersteuerung
gelegentliche Kollisionsabfragen-Probleme
oftmals übertriebene Glanzeffekte
einige hochgradig nervende Abschnitte

Wertung

PC

Cooles Action-Abenteuer mit leichtem RPG-Touch.

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