Sinking Island23.10.2007, Bodo Naser
Sinking Island

Im Test:

Eine südliche Insel, ein gigantischer Turm und ein mysteriöser Mord, das sind die Zutaten aus denen Sinking Island (ab 29,99€ bei kaufen) gemixt ist, das neueste Adventure aus der Schmiede von Benoit Sokal. Hinzu kommen zehn Verdächtige, denen ihr als Detektiv ein Loch in den Bauch fragen müsst. Ob der dialoglastige Krimicocktail schmeckt, verraten wir im Test.

Turm der Überheblichkeit

Der Milliardär Walter Jones hat sich die Insel Sagorah gesichert, indem er ein riesiges Gebäude auf ihr errichten ließ. Ein monolithisches Hotel reckt sich in die Höhe, das von menschlicher Überheblichkeit zeugt wie einst der Turm zu Babel. Gäste

"Ich hätte da noch eine Frage." Ellenlange Hardcore-Interviews sind die Sache des Protagonisten.
 gibt es weit und breit keine, denn wer will schon in einem Luxusschuppen auf einem Eiland absteigen, über das wilde Stürme peitschen? Die einheimische Belegschaft wurde von einem auf den anderen Tag entlassen, da es nichts zu tun gibt. Damit nicht genug droht nun noch die ganze Südseeidylle in Mitleidenschaft gezogen zu werden, da der Turm für den porösen Untergrund viel zu schwer ist.

Der tyrannische Jones hatte allerdings nicht mehr viel von seinem Art-deco-Turm: Bevor er fertiggestellt werden konnte, wurde er ermordet. Sein zerschmetterter Körper wurde unter einer Klippe entdeckt, von der er nicht allein herunter springen konnte. Seit einem mysteriösen Unfall war der Reiche auf seinen Rollstuhl angewiesen; lebensmüde oder übermütig war er aber wohl nicht. Feinde hatte der Vollblutkapitalist viele, Freunde eher weniger. Ein gewaltsamer Tod liegt nahe. Als mögliche Verdächtige kommen 10 Personen in Frage, die Jones' Familie angehörten, geschäftlich mit ihm zu tun hatten oder sonst Kontakt zu ihm hatten. Vom gierigen Anwalt über den nichtsnutzigen Enkel bis zur russischen Sexbombe sind alle Stereotypen vertreten.

Langatmige Ermittlungen

Ihr spielt den Detektiv Jack Norm, einen Ex-Polizisten, der versucht, Licht in den recht komplexen aber auch reichlich verworrenen Fall zu bringen. Zunächst sammelt ihr ein paar Spuren am Fundort der Leiche und unterhaltet euch mit Jones'

Zunächst müsst ihr alle Spuren am Tatort einsammeln, was eure Hauptaufgabe ist. Kollege PDA übernimmt den Rest.
Anwalt, der sich als ebenso unterwürfiger wie skrupelloser Gehilfe seines Bosses entpuppt. Als ihr euch auf den Rückweg zum Turm macht, trefft ihr auf eine junge Frau, die vor euch davon läuft. Ihr folgt Baia bis zu ihrem Dorf, wobei ihr stets auf Spuren achten solltet. Was hat sie zu verbergen? Hört sich spannender an als es ist, denn dem pomadig inszenierten Spiel fehlt es eindeutig an Pepp, so dass die Verpackungsaufschrift "spannend" schlichtweg falsch ist.

Der Krimifall entwickelt sich nur ganz allmählich, da die Ermittlungen reichlich zäh verlaufen. Ihr müsst immer wieder langatmige Gespräche mit den Verdächtigen führen, die nur anfänglich Spaß machen und deren Inhalt in der Personaldatei eures Polizeicomputers landet. Zu jedem Verdächtigen findet ihr einen praktischen Eintrag, was für und gegen seine Täterschaft spricht. Jeder hat etwas zu verbergen. Im Wesentlichen ist kein großer Unterschied zu den Agatha Christie-Abenteuern zu finden, deren Protagonisten aber unter dem Strich interessanter wirken. Mit einem Hercules Poirot kann es der eher farblose Jack Norm und wirklich nicht aufnehmen. 

           

Computer hilft (zu) viel

Euer PDA sorgt auch bei anderen Spuren für Ordnung, stellt die Thesen dar und gibt euch stets die Richtung vor. Abwechslung wird nicht sonderlich groß geschrieben, da ihr eigentlich immer nur mit dem Einsammeln der Spuren

Bloßer Handlanger des Rechners. Langweiliger könnte ein echter Schreibtischjob bei der Polizei auch nicht sein.
beschäftigt seid, was außerdem kaum anspruchsvoll ist. Ihr müsst die Spuren noch nicht einmal selbst auswerten, denn den Rest übernimmt der PDA, der auch gleich noch Eingesammeltes vergleicht. Ihr müsst die Ergebnisse dann nur noch richtig einsortieren, was ein Kinderspiel ist. Rätsel, die nicht unmittelbar mit der Lösung des Falles zu tun haben, gibt es ohnehin keine. Ihr könnt das Spiel übrigens auch auf Zeit spielen, wenn euch das lieber ist, was ein wenig mehr Hektik bedeutet.

Ansonsten ist die Bedienung einfach, da ihr eigentlich nur per Maus die Laufrichtung anvisieren müsst. Sobald es was zu tun gibt, verändert sich der Mauszeiger entsprechend. Aktionsmöglichkeiten außerhalb der Gespräche sind selten. Ihr solltet immer alles anklicken, damit alle Fragen gestellt sind. Bisweilen überseht ihr was und müsst öfter zurückkehren, als euch lieb ist, was ohne Schnellreisefunktion schnell frustrierend wird. Das Gelatsche durch die ewigen Treppen, Aufzüge und Gänge ist kein Genuss, Selbst wenn Jack eine Sprintfähigkeit besitzt. Richtig flott ist sein Laufstil aber ohnehin nie.

Düsteres Art-deco

Obwohl insbesondere die düstere Ausstattung der Innenräume den unverwechselbaren Stil von Benoit Sokal widerspiegelt, besitzt das 

Typisch Benoit Sokal eben: Durchgestylte Bauten, die trotz einiger Akteure irgendwie ausgestorben wirken. 
Adventure leider kaum besonderes Flair. Irgendwie will die kleingeistige Krimihandlung nicht recht ins wuchtige 2D-Ambiente passen, vor dem die 3D-Figuren agieren. Das liegt sicher auch daran, dass alles einmal mehr wie ausgestorben wirkt, auch wenn ihr auf die paar Verdächtigen trefft. Daran können auch die Animationen in den Kulissen nicht viel retten, so etwa wenn Regen fällt, der Wind pfeift oder alle Schaltjahre mal am Strand eine Krabbe vorbeihuscht. Die Zwischensequenzen sind zwar in Ordnung, aber viel zu selten und bieten absolut nichts Besonderes.

Das Adventure wurde komplett lokalisiert, wozu auch eine deutsche Sprachausgabe zählt. Die ist zwar professionell, erreicht aber nicht das Niveau von Overclocked, was auch daran liegt, dass keine bekannte Stimmen zu hören sind. Die Gesichter während der Dialoge wirken bis auf ein gelegentliches Zwinkern weitgehend unbewegt, sind steif animiert, und wirken in der Nahaufnahme kaum überzeugend.

Fazit

Sinking Island kann die Erwartungen nicht erfüllen. Es hätte ein spannendes "Who-done-it" im Stil der Agatha Christie-Adventures sein sollen, was es aber nur ganz oberflächlich betrachtet ist. Der komplexe Mordfall geht ja noch in Ordnung, aber mit dem farblosen Ermittler fängt es schon an, der euch in eine wahre Orgie von langatmigen Befragungen stürzt. Leider sind die befragten Leute alles andere als spannend oder ausgefeilt, weshalb die Gespräche rasch an Reiz verlieren. Es ist anfänglich ganz nett zu sehen, wie die Verdächtigen die Dinge aus einer verschiedenen Perspektive betrachten, auf Dauer ist das aber zu wenig. So verläuft die Ermittlung leider mehr als zäh, obwohl euch der PDA fast alles abnimmt (auch das was ihr vielleicht machen wolltet). Ständige Rückkehr an dieselben Orte gehört auch zur Tagesordnung, was mit ödem Rauf und Runter verbunden ist. Natürlich liegt es in Sokals Ermessen, sich für eine Art-deco-Umgebung zu entscheiden, dann muss er sich aber auch gefallen lassen, dass der Stil so out ist wie ein Stummfilm. Auf jeden Fall wirkt der Mordfall in diesem künstlichen Ambiente irgendwie deplaziert.

Pro

klassisches Krimi-Adventure
komplizierter Fall
PDA sorgt für Ordnung

Kontra

wird rasch langweilig
verworrene Handlung
langatmige Dialoge
zähe Ermittlung
viel Laufarbeit
häufige Rückkehr
PDA übernimmt zu viel
kaum Abwechslung

Wertung

PC

Ein durchgestylter aber langweiliger Benoit Sokal, wie er im Buche steht.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.