Hospital Tycoon14.06.2007, Mathias Oertel
Hospital Tycoon

Im Test:

Habt ihr an Bullfrogs Klassiker Theme Hospital Spaß gehabt? Könnt ihr euch immer noch an den Sims erfreuen? Seid ihr Fan von Aufbau-Simulationen? Wenn ihr diese drei Fragen mit "Ja" beantworten könnt, ist Hospital Tycoon (ab 12,38€ bei kaufen) vielleicht etwas für euch. Wir klären euch über Risiken und Nebenwirkungen auf...

Die gute alte Zeit

Geht es euch auch so? Von Zeit zu Zeit überkommt mich die Langeweile. Ich sitze vor dem PC oder den Konsolen und weiß nicht, was ich jetzt zum Zeitvertreib heranziehen soll. Und dann passiert es: Fernab von steiler Grafikschraube, fernab von der nächsten oder gegenwärtigen Spiele-Generation zieht mich meine Laune in die eigene Vergangenheit. Und urplötzlich lande ich bei Spielen wie Diablo (1), Ridge Racer (PSone) oder Bullfrog-Klassikern wie Theme Park oder Theme Hospital.

Willkommen in der Klinik eurer (Alb-)Träume!
Sicher: Nach heutigen Maßstäben haben alle diese Titel Schwächen, sei es nun optisch oder inhaltlich. Und doch macht es hin und wieder Spaß, in die eigene Spielehistorie abzutauchen.

Das haben sich in den letzten Monaten zahlreiche Entwickler gedacht und modernisierte Fassungen von all diesen Klassikern abgeliefert. Diablo findet sich in Titan Quest oder Loki wieder erwacht. Ridge Racer hat mit seinen schnellen Driftrennen nicht nur mittlerweile sich selber in Teil 7 auf der PS3 neu erfunden, sondern auch den Grundstein für die Erfolge der Need for Speed-Serie gelegt. Lady Lara Croft wurde zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Premiere ebenfalls in ein neues Licht gerückt.

Der leicht retroversierte Blick in die Spielezukunft ist in. Das dachten sich auch die Tycoon-Experten von Deep Red und beleben die Theme Hospital-Idee neu. Haben sie die Chance genutzt und ein altes Konzept fit für die Zukunft gemacht? Oder ist der dreidimensional aufbereitete Ausflug in die Vergangenheit nur ein mauer Versuch, sich als Konzept-Trittbrettfahrer zu verdingen?

Schatten der Vergangenheit

Ich mag Tycoon-Spiele im Allgemeinen. Ich mochte seinerzeit (und spiele es wie gesagt, immer noch hier und da) Theme Hospital. Ich habe auch andere Deep Red-Titel wie Tycoon City New York oder Vegas gerne gespielt. Und doch habe ich Schwierigkeiten, langfristig mit der humoristischen Krankenhaus-Sim warm zu werden. Dabei fängt eigentlich alles viel versprechend an.

Die eingestreuten Sims-Elemente werden genauso verschenkt wie viele andere kleine Details...
Im Stile einer Sitcom werde ich mit der Belegschaft der ersten von drei Kliniken, die ich im Karriere-Modus zu leiten habe, bekannt gemacht. Klingt recht hoffnungsvoll. Nur: Dieses Sitcom-Element wird in den insgesamt zwölf Abschnitten nur unzureichend fortgeführt. Zu selten und wenn überhaupt, dann meist völlig zusammenhanglos und zu gezwungen komisch wird versucht, hier eine Karikatur von Serien wie "General Hospital" zu schaffen.

Andererseits kann man froh sein, dass die Story-Elemente misslingen, auch wenn dieser Begriff die Geschehnisse Lügen straft, da von Geschichte nicht viel zu sehen ist.

Denn so hat man Gelegenheit, sich auf das eigentliche Spielkonzept zu konzentrieren: Den Aufbau und die Leitung eines funktionierenden Krankenhauses. Und hier bietet Hospital Tycoon grundsolide Kost, deren Spaßnährstoffgehalt eingesessenen Spielernährungs-Wissenschaftlern zwar Sorge hinsichtlich von Mangelerscheinungen bereitet, man muss aber nicht medikamentös behandelt werden.

Oder um es kurz zu machen: Hospital Tycoon entfaltet den typischen Reiz von Spielen dieser Art, ohne großartig Neues zu probieren oder gar frische Wege zu beschreiten.

Räume müssen gebaut, Krankheiten erforscht und bekämpft, Personal angeheuert und entlassen werden. Ich muss für ein sauberes Spital sorgen, kann z.B. über Getränkeautomaten zusätzliches Geld in die Kasse spülen lassen und und und. Hört sich alles sehr umfangreich an. Doch irgendwie läuft alles nach Schema F.

    

Dies wird sowohl in der Karriere als auch vor allem im Sandkasten-Modus deutlich: Ihr baut erste spezialisierte Stationen (Radiologie, Apotheke etc.), Untersuchungszimmer, Warteareale, Verschönerungen wie Pflanzen, Brunnen etc. Erste Patienten trudeln ein, werden untersucht, ggf. müsst ihr Räumlichkeiten und neue Gerätschaften zur Behandlung anschaffen, die Patienten werden kuriert, gehen nach Hause und zahlen einen Obolus. Nach und nach kommen neue Krankheiten dazu und der Kreislauf aus Bauen sowie Akquise von Räumen, Geräten und Personal beginnt von neuem. Das ist kurzfristig auf

Ob es dem Patienten nach dieser Tortur-Behandlung wirklich besser geht?
jeden Fall und mittelfristig zumindest noch ansatzweise unterhaltsam. Aber dieses sagenumwobene "Eine Stunde geht noch"-Gefühl kam nie in mir auf.

Alles wird gut...

Da die Angestellten größtenteils autark handeln, kann ich mich in späteren Spielstadien zwar gemütlich zurücklehnen. Das bedeutet jedoch auf der anderen Seite, dass ich kaum gefordert bin, sobald ich den Dreh für eine funktionierende Grundversorgung der Patienten raus habe.

Auch das Element, dass Pfleger und Ärzte mit jeder erfolgreichen Behandlung Erfahrung hinzugewinnen (und dementsprechend schneller Patienten abarbeiten können) läuft weitestgehend automatisch ab und kann von mir nur beeinflusst werden, indem ich sie zum klinikinternen Training schicke.

Bleiben noch die Beziehungen der Angestellten untereinander, die Spielen wie der Sims-Serie entliehen wurden und die auch schon in Titeln wie Playboy - The Mansion eingesetzt wurden.

Dass sich Arzt und Schwester besser um ihre Schützlinge kümmern können, wenn sie gut miteinander auskommen, ist klar. Doch um auf lange Sicht bei mir für Abwechslung, oder gar Motivation sorgen zu können, sind die Entscheidungsmöglichkeiten, die ich als Klinikleiter meinen Untergebenen aufzwingen kann, zu gering. Zudem sind die Ergebnisse (sowohl positiv als auch negativ) weder so umfangreich noch so stilsicher karikiert wie beim Maxis-Vorbild noch sind sie ansehnlich genug, um für mehr als zehn Sekunden Unterhaltung sorgen zu können. Ein gutes Beispiel, wie ein an sich gutes Element zum Selbstzweck ausgeschlachtet wird, anstatt das Krankenhauserlebnis zu bereichern.

Technik-Spritze

Okay: Humor kann ich weitestgehend abhaken. Kann ich mit leben. Auch mit den sich immer wiederholenden Kreisläufen der Mechanik komme ich gut klar, wenn ich nicht länger als sagen wir mal: 90 Minuten am Stück spiele. Doch diese Zeit hätte mit einer verbesserten Technik etwas verlängert werden können. Vor allem die Akustik-Abteilung gehört

Wer will, kann sogar bis auf Ego-Sicht in jede Figur zoomen. Das ist allerdings spielerisch vollkommen unerheblich...
anästhetisiert. Was hier an gezwungen fröhlichen Melodien aus den Boxen schallt, würde selbst bei einem Kaufhaus-Fahrstuhl mit unheilbarem Hang zu Easy-Listening entweder zu Brechreiz oder zum Schrei nach einer Krankenschwester oder wenigstens zu Oropax führen.

Die Sim´sche Sprachausgabe mit ihren unkenntlichen Sprechfetzen ist ebenfalls unter aller Kanone. Wie kann man eigentlich eine Sprache, die keine ist, so verstümmeln, dass man Ohrenschmerzen davon bekommt?

Bei den übrigen Effekten hat man sich zwar mehr ins Zeug gelegt, doch spätestens wenn eine Horde flatulierender Patienten auf der Suche nach Heilung durchs Krankenhaus wankt, dreht man den Ton abermals ab...

An der Kulisse gibt es wenig auszusetzen. Allerdings gibt es auch wenig zu loben. Solide. Grundsolide. Alle wesentlichen Merkmale sind da: Übersichtliche Benutzerführung, sauber strukturierte Menüs (wenngleich mit etwas zu wenig Verlinkungen untereinander), saubere, teil durchaus witzige Animationen, solide Texturen, eine dreh- und zoombare Kamera. Alles da, was man braucht - aber auch nicht mehr. Kein Millimeter. Und schaut man ganz genau hin, schleicht sich auch der eine oder andere Fehler ein. So z.B. der Patient, der trotz Heilung immer noch mit den Krankheitsanimationen durch die Flure marschiert, bevor die wundersame Kur zu wirken beginnt. Oder die Krankenschwestern, deren üppige Oberweite wie angezimmert aussieht und damit dem Begriff "Holz vor der Hüttn" neue Bedeutung verleiht.

Als Bonus kann man in jede Figur, ganz gleich ob Angestellter oder Patient, hineinschlüpfen und das Krankenhaus aus der Ego-Sicht betrachten. Doch auch dies hat mich nur anfänglich fasziniert, da spielerisch überhaupt kein Nutzen aus dieser Perspektive gezogen werden kann und sie nur dazu da zu sein scheint, um zu zeigen "He, wir können das auch..." Und komischerweise fühlte ich mich immer wieder zu den zu Ausstellungszwecken aufgebauten Plastik-Skeletten hingezogen. Denn lässt man diese ein paar Minuten unbeobachtet, wechseln sie immer wieder ihre Position. Doch dieses nett gemeinte Detail kann auch nichts mehr reißen...

Fazit

Viele gute Ideen stecken in Hospital Tycoon. Das Problem: Keine ist von Deep Red. Natürlich kann man sagen: Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht. Aber: Das Vorlagen gebende Theme Hospital fasziniert heutzutage trotz 2D-Iso-Ansicht fast immer noch mehr als dieser dreidimensionale Ableger. Denn auch die an sich interessante Ego-Perspektive und die Sims-Einschläge sowie der rudimentäre Sitcom-Ansatz werden nur unzureichend genutzt und noch weniger in die Spielmechanik eingebunden. Dennoch macht es kurzzeitig immer wieder Spaß, sich mit verrückten Krankheiten und noch verrückteren Angestellten herumzuschlagen - dem nicht totzukriegenden Aquarium-Effekt sei Dank. Wer allerdings die empfohlene Dosis von nicht mehr als 120 Minuten pro Woche überschreitet, wird schnell an Übersättigung leiden und vermutlich durch die unterirdische Akustik einen Hörsturz erleben. Grundsolide Aufbaukost, die sich leider fern von Risiken und Nebenwirkungen präsentiert und zudem an Detailmängeln leidet.

Pro

einfache Steuerung
saubere Animationen
klassische Aufbau-Sim
Angestellte gewinnen Erfahrung
Sandkastenmodus
Aquarium-Effekt

Kontra

nervtötende Musik
übles Sims-Kauderwelsch
viele automatisierte Abläufe
Kulisse insgesamt nur durchschnittlich
kaum fordernder Schwierigkeitsgrad

Wertung

PC

Grundsolide Aufbau-Sim, die mit technischen und inhaltlichen Detailmängeln ihr Potenzial nicht ausnutzt...

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.