StarCraft 2: Wings of Liberty30.07.2010, Marcel Kleffmann
StarCraft 2: Wings of Liberty

Im Test:

Nach fast zwölf Jahren bekommt StarCraft, das gemeinhin als bestes Echtzeit-Strategiespiel aller Zeiten gehandelt wird, seinen Nachfolger - als Dreiteiler! Den Anfang der Trilogie machen die Terraner mit der Kampagne "Wings of Liberty". Jim Raynor begibt sich auf seinen persönlichen Rachefeldzug und trifft auf alte Bekannte sowie neue Schrecken. Dabei pulverisiert er ganz nebenbei alle bisher gekannten Möglichkeiten, eine Geschichte in einem Strategiespiel zu erzählen...

Wings of Liberty

Ha, Mission geglückt! Die Revolution gegen Diktator Arcturus Mengsk ist einen wichtigen Schritt voran gekommen und 125.000 Credits als Bezahlung sind eine feine Sache. Sogar Matt Horner, Kapitän der Hyperion und zugleich der treueste Terraner der Welt, 

Eine Ingame-Zwischensequenz: Jim Raynor gönnt sich eine Zigarre...
gönnt sich zusammen mit Jim Raynor, dem Alkohol und Missmut nach den Ereignissen aus StarCraft und Brood War sichtbar zugesetzt haben, eine dicke Zigarre nach dem jüngsten Erfolg. Beide sitzen gemeinsam in der Schiffsmesse des Schweren Kreuzers, paffen genüsslich und freuen sich über den geglückten Schachzug gegen den Erzrivalen. Ihnen huscht ein flüchtiges Lächeln über die Lippen. Sie wirken kurzzeitig befreit, als könnten sie die "Schwingen der Freiheit" spüren, doch die Zukunft sieht nach zwei Dritteln des Story-Feldzuges nicht allzu rosig aus. Die Zerg haben sich nach längerer Pause wieder ausgegraben und befallen die Planeten wie eine alles verschlingende Pest. Im Schlepptau folgt eine Prophezeiung der Protoss, die das Auftreten der Zerg wie ein Kindergeburtstag ausschauen lässt. "Krieg zieht auf mit all seiner Pracht..."

Erstklassige Story-Präsentation

Auch wenn sich StarCraft II auf dem Schlachtfeld als klassisches und konventionelles Echtzeit-Strategiespiel entpuppt: Die Kampagne und die Präsentation der Story sind erstklassig in diesem Genre und bieten vielfältigen Handlungsraum. Das Bindeglied zwischen den Missionen ist das Raumschiff Hyperion, das in vier Bereiche aufgeteilt ist (Arsenal, Brücke, Messe, Labor). Die Räume kann man jederzeit wechseln und überall warten verschiedene Interaktionsmöglichkeiten, da man Charaktere, Musikbox, Computer-Konsolen, Pinnwände, etc. wie in einem Adventure anklicken kann. Am besten stellt man sich dies wie bei Wing Commander vor.

Auf der Brücke der Hyperion verwaltet man die zur Verfügung stehenden Missionen.
 Neben liebevollen Einheiten-Beschreibungen/-Modellen im Arsenal und vielen kleinen Details an jeder Ecke im Raumschiff sind die Gespräche mit der Crew der Höhepunkt der Story-Präsentation, egal ob man mit dem rauen Tychus Findlay oder der Forscherschönheit im Labor spricht. Je nach abgeschlossener Mission kommentieren diese Charaktere in schicker Spielgrafik (zu bemerken am fehlenden Anti-Aliasing) die soeben  geschehenen Ereignisse und schaffen es so, die Geschichte fortzuführen und dabei Persönlichkeiten zu entwickeln. Zwar rutscht man gelegentlich in die Klischeekiste ab, so z.B. beim pickligen Jung-Wissenschaftler, doch viele Protagonisten wirken ohnehin leicht überzeichnet und winken augenzwinkernd mit Sci-Fi-Anspielungen. Dabei sind Mimik, Gestik sowie generell die Animationen der virtuellen Persönlichkeiten auf sehr hohem Niveau und erinnern qualitativ an Mass Effect, jedoch ohne dessen Dialog-Auswahlmöglichkeiten oder die daraus resultierenden Konsequenzen anzubieten. Der Umfang dieser Gespräche ist beachtlich, da es nach jeder Mission häufig mehrere neue Personen mit Redebedarf gibt, egal ob es um Vertrauen, Rachemotive, Zusammenhalt, richtige Entscheidungen, Schicksal oder Anekdoten geht.
Weiterführende Informationen:

-Specials: Terraner, Zerg, Protoss

Weitere Gespräche in dieser aufwändigen Form gibt es vor (Briefing) und nach jedem Einsatz. Gemeinsam mit der Nachrichtensendung, die das totalitäre Herrschaftssystem und die Zensur der Medien fast schon parodiert und die angespannte Lage im Universum betrachtet, entfaltet StarCraft II ein überzeugendes Universum mit atmosphärischer Tiefe, das weder Command & Conquer mit realen Filmsequenzen oder Supreme Commander 

Die Nachrichtensendung informiert über neue Ereignisse...
mit quasselnden animierten Einheiten-Portraits in dieser Form gelingt. Das Spiel von Blizzard liegt in dieser Disziplin zwei oder drei Klassen vor jeglicher Konkurrenz in diesem Sektor und zeigt abermals, dass komplexe Geschichten und tiefgehende Charaktere kein Ding der Unmöglichkeit in einem Echtzeit-Strategiespiel sind. Zudem ist das Dialogsystem in der jetzigen Form eine logische Weiterentwicklung des alten StarCraft. Damals haben mehrere animierte Einheiten-Portraits in einem Konferenzbildschirm vor den Missionen miteinander gesprochen und diese Unterhaltungen werden jetzt Auge in Auge an Bord der Hyperion geführt. Natürlich kann man all diese Dialoge überspringen und sich in die Schlachten stürzen, doch das kommt Frevel gleich. Zu bemängeln sind lediglich einige störende Lautstärke-Schwankungen zwischen den Umgebungseffekten und der Sprachausgabe auf der Hyperion in der deutschen Version. Zusätzlich zu den Gesprächen gibt es rund 13 Minuten erstklassige Render-Zwischensequenzen. Diese werden abgesehen vom Intro allerdings erst in der fortgeschrittenen Kampagne vorgeführt.

Forschung und Upgrades

Welches Upgrade darf es denn sein?

Die Hyperion ist nicht nur die Bühne für Gespräche, sondern Dreh- und Angelpunkt der Kampagne, wobei Einzel- und Multiplayer-Modus strikt voneinander getrennt sind. So gibt es im Singleplayer-Feldzug diverse bekannte Einheiten, die nicht im Multiplayer-Modus zur Verfügung stehen; z.B. Sanitäter, Goliath (zweibeiniger Mech), Adler, Feuerfresser und mehr. Diese strikte Trennung ist zwingend nötig, da man in der Kampagne permanente Upgrades für die Truppen kaufen kann. Als Währung fungieren Credits, die man als Bonus für die Missionen bekommt. Jede Einheit lässt sich jeweils zweimal erweitern und man kann selbst entscheiden, was man kauft. Sollen die Marodeure mit betäubender Schockmunition ausgestattet werden? Ist es sinnvoll, dass die Belagerungspanzer weniger Kollateralschaden anrichten oder sollen alle Terraner-Gebäude mit einem Brandschutz plus Selbstreparatur bis 50% versehen werden? Jedes Technik-Upgrade wird mit einem kleinen Video illustriert, um die positiven Effekte zu zeigen.

Des Weiteren darf man Forschung im Labor betreiben, solange man genug Protoss-Relikte oder Zerg-Genproben in den Missionen auftreibt - teilweise versteckt, andernorts unübersehbar. Bei jeweils fünf gesammelten Proben muss man sich für ein Forschungsprojekt entscheiden. 

Protoss und Zerg-Forschung; hier das Forschungsschiff.
Es stehen immer zwei Technologien bereit und nur eine kann ausgewählt werden. Beispiel: Sollen im Hauptgebäude künftig zwei Weltraumbaufahrzeuge (WBF) parallel gebaut werden können oder sollen die Vespingas-Quellen ohne WBFs als Transporter auskommen? Die Entscheidung ist endgültig und verführt dazu, die Kampagne erneut zu spielen, um alle Forschungsupgrades zu sehen. Neben Versorgungsdepots, die direkt aus dem Orbit auf der Oberfläche platziert werden können, sind Einheiten wie "Forschungsschiff" oder "Raven" bzw. "Predator" (Anti-Infanterie) oder "Herkules" (großer Truppentransporter) in diesem Techtree versteckt.

Forschung und Upgrades schieben die Kampagne immer wieder motivierend an, da neue Technologien und Verbesserungen zur Verfügung stehen. Besonders am Anfang des Feldzugs ist dieses System wichtig, weil die Geschichte vergleichsweise langsam in Fahrt kommt. Da außerdem die Missionen immer wieder neue Einheitentypen versprechen bzw. freischalten, wird an dieser Stelle für zusätzliche Motivation gesorgt.

Missionsdesign

Die Präsentation der Kampagne zwischen den Missionen ist erstklassig und sucht ihresgleichen, zugleich verführen Forschung und Upgrades zum Weiterspielen. Doch wie sieht es in den Einsätzen aus? Wie wird die Geschichte dort erzählt?

Dieser Zug der terranischen Liga muss aufgehalten werden. Schade nur, dass die Kameraperspektive immer so nah am Geschehen ist und sich nicht weiter entfernt platzieren lässt.
 Die 26 bzw. 29 Missionen lange Terraner-Kampagne lebt von Funksprüchen, seitlich eingeblendeten Videobotschaften, animierten Einheiten-Portraits und geskripteten Ereignissen, die zu den ohnehin hervorragend gestalteten Einsätzen für Dynamik sorgen. Die Designer bei Blizzard sagten einmal, dass jede Mission auf ihre Art und Weise einzigartig sein und ein erinnerungswürdiges Element bieten soll. Dieses Versprechen konnten die Entwickler fast gänzlich halten: Hier gibt es regelmäßig ansteigende und alles vernichtende Lava, dort Übergriffe von mutierten Terranern in der Nacht. Es warten Kommandomissionen mit Phantomen, Zug-Überfällen, Ressourcenwettläufen oder der ständigen Flucht vor einer Flammenwand. Nahezu alle Missionen haben ein einzigartiges Element und offenbaren so viel Abwechslung wie in keinem anderen Echtzeit-Strategiespiel mehr seit WarCraft III. Von der Kreativität der Einsätze könnten C&C und Co jahrelang zehren, obgleich es im Prinzip gut versteckte Zeitlimits (z.B. die Feuerwand) oder Zerstörungsaufträge sind. Einige wenige Schauplätze, vor allem am Anfang, wirken dagegen etwas dröge und sind zu einfach gestrickt, jedoch darf man nicht vergessen, dass diese als Tutorial konzipiert sind. Apropos Tutorial: Mit Hilfetexten, Einheiten-Datenbank, Videos und speziellen Missionen werden Neulinge gebührend empfangen.

Kleinere Inszenierungs-Schwächen im Rahmen von Kontinuitätsfehlern zeigen einige geskriptete Sequenzen am Levelende: Dort wird nicht das derzeitige Level mit meinen Einheiten und meiner Basis als Vorlage verwendet, was zu Irritationen führen kann. Ein Beispiel: Wenn ich in einer Mission die Zerg komplett von der Karte putze und im Endvideo die gerade vernichteten Gebäude wieder stehen, passt das so gar nicht zur ansonsten hochklassigen Inszenierung und reißt einen unnötig aus dem Geschehen.

Entscheidung: Wollt ihr diese Kolonie beschützen oder sie säubern?
 Erwähnenswert sind zudem drei Missionen, in denen man mitten im Briefing vor die Wahl gestellt wird, wie man vorgehen will. Achtung: Mini-Spoiler: Auf einem Planeten leben von Zerg verseuchte Terraner und die Infektion breitet sich aus. Die Protoss wissen von dem Problem und bereiten eine Säuberung vor. Hilft man den Protoss bei der Vernichtung der infizierten Siedlung oder vertraut man Dr. Hanson, die händeringend nach einem Heilmittel sucht? Dann muss man allerdings gegen die Protoss antreten, die keinesfalls an eine Heilung glauben. Die Belohnung des Einsatzes ist vorher verdeckt und fällt je nach Entscheidung anders aus. Mini-Spoiler Ende. Diese drei Entscheidungsmissionen bringen weiteren Pepp in den ohnehin großartig angelegten Feldzug, wobei die Kampagne bis zu einem bestimmten Grad nichtlinear aufgestellt ist. Man hat häufig die Wahl, welche Mission man zu welchem Zeitpunkt bestreiten will und kann die Reihenfolge (z.B. nach Belohnung) selbst bestimmen, ohne allerdings Auswirkungen auf die Story zu haben.

 

Fakten in Kurzform:

-Nach der Installation muss der CD-Key an einen Battle.net-Account gebunden werden.

-Die deutsche Version ist ungeschnitten.

-Sprach-Pakete für die englische Fassung können aus dem Battle.net runtergeladen werden.

-Es gibt einen Offline-Modus für Kampagne, Gefechte und Szenarios, der eine einmalige Aktivierung benötigt, allerdings mit Kinderkrankheiten zu kämpfen hat und nicht bei jedem Spieler funktioniert. Erfolge sind im Offline-Modus deaktiviert.

Schwierigkeitsgrad

Keine Blöße gibt sich der vierstufige Schwierigkeitsgrad: Einfach, Normal, Schwer und Brutal. Auf "Normal" sind die Missionen für Beta-Kenner oder fortgeschrittene StarCrafter ein Klacks, für Neulinge oder RTS-Gelegenheitsspieler genau richtig - nicht zu schwer, nicht zu druckvoll, nicht zu fies. Auf "Schwer" hingegen sieht die Sache anders aus und ich war überrascht als ich eine Mission von "Normal" auf "Schwer" erneut angegangen bin. Nehmen wir z.B. den dritten Einsatz: Hier muss man eine Stellung circa 20 Minuten lang halten, bevor der Rettungstransporter eintrifft. Im normalen Modus stehen einem viele Zerglinge sowie Hydralisken und Mutalisken in niedrigen Stückzahlen gegenüber. Eine Stufe höher auf "Schwer" sind es wesentlich mehr Feinde und neuerdings Schaben, die natürlichen Todfeinde der Space Marines. Und da man am Anfang der Kampagne keinen Zugriff auf andere Truppentypen hat, müssen kreative (Bunker-)Taktiken her...

Tychus Findlay stöbert im Video-Archiv und wird fündig...

Kampagnenverlauf

Trotz der durchweg guten Missionen, den motivierenden Upgrades und der erstklassigen Präsentation zieht sich die Kampagne in der ersten Hälfte etwas in die Länge. Die anfängliche Geschichte rund um die Artefakte  und das Rekrutieren der weiteren Crewmitglieder weiß zu überzeugen, fällt danach aber in ein kleines Loch, in dem die Story langsam oder kaum merklich fortgesetzt wird, während man fleißig Upgrades sammelt und Einheiten freischaltet. Erst mit den Protoss-Missionen, die ein integraler Bestandteil der Terraner-Kampagne sind und ohne die die Story nicht funktionieren würde, nimmt die Erzählung Fahrt auf und legt richtig los. Die vier Protoss-Missionen enden mit einer vernichtenden Schlacht und einem unerwarteten Paukenschlag, bevor die Story um Mengsk, seinen Sohn und Kerrigan wieder die Vorreiterrolle übernimmt. Nach diesem kleinen Hänger im ersten Drittel dreht die Geschichte dank des Protosskniffes spürbar auf, die Intensität kocht hoch und die Reaktionen der Protagonisten werden emotionaler, auch wenn sie nicht ganz an das Niveau von WarCraft III heranreichen.

Klassische Echtzeit-Strategie

Doch jetzt reicht es mit dem Umfeld. Wie sieht es mit dem Kern, den Echtzeit-Schlachten aus? Kritische Stimmen könnten behaupten, StarCraft II wäre nicht mehr als ein aufpolierter Aufguss von StarCraft und im Zusammenhang mit den Kämpfen ist dies oberflächlich betrachtet 

Stachelkrabbler der Zerg attackieren die kompakt stehenden Streitkräfte.
nicht von der Hand zu weisen. Ausführlicher hingeschaut gibt es im Detail jedoch  mehr als genug Veränderungen, neue Einheiten, Spezialfunktionen, Stärken/Schwächen und Optionen als beim Vorgänger. Allerdings sind diese abgesehen vom erhöhten Spieltempo meist nicht so offensichtlich. Trotzdem fallen die Schlachten mit Basisbau, Ressourcen sammeln (Mineralien, Gas, Einheiten-Beschränkung), hohem Mikromanagement-Faktor und exzessivem Schere-Stein-Papier-Konzept relativ konventionell aus - trotz des derzeitig grassierenden Kürzungs- und Vereinfachungswahns rund um C&C4 mit dem katastrophalen Endergebnis.

Muss das Bewahren alter Grundsätze zwangsweise schlecht sein? Nein! Es passt zur Vorlage und trotz oder gerade wegen fehlender Automatismen sind die Gefechte taktisch höchst anspruchsvoll und sogar im Singleplayer rasant. StarCraft dreht sich um das aggressive Vorrücken, den Kampf an der Front mit sinnvollen Einheiten-Kombinationen und das ständige Anpassen der Gefechtstaktik auf die Aktionen des Feindes (Stichwort: "harter Konter"). Das ist StarCraft und prinzipiell ist das nichts Neues. Aber wie es Blizzard bereits mit anderen Titeln gezeigt hat, befindet sich alles auf einem bekannten, extrem hohen Level. Wirklich neu im StarCraft-Universum sind nur die Art der Story-Präsentation sowie das Erlangen von Upgrades.

Reizvolles und nerviges Mikromanagement

Einige Echtzeit-Strategiespieler werden das Fehlen bestimmter Automatismen bzw. Komfortfunktionen bemängeln. Mich hingegen stört das Mikromanagement weniger, weil die Truppenmassen nicht so groß wie bei Supreme Commander sind und der Reiz 

Das Video zeigt Ausschnitte aus den beiden Terraner-Missionen "Welcome to the Jungle" und "The Dig", allerdings ohne die Musikuntermalung.von StarCraft ebenso in der Bewältigung und dem effektiven Nutzen des Mikromanagements liegen. Jeder der schon mal ein Dutzend Zerglinge mit einem Hellion per "Kiten" (wegfahren und feuern) gegrillt hat, weiß was ich meine. Allerdings bleibt Folgendes festzuhalten: Es gibt keine einheitliche Marschgeschwindigkeit und bunt zusammengestellte Truppenverbände reihen sich wie eine Perlenschur auf. Formationen oder Einheiten-Haltungen (Passiv, Aggressiv, etc.) fehlen und in den Kasernen/Fabriken können maximal fünf bzw. acht Einheiten in Reihe produziert werden.

StarCraft II ist also wie der Vorgänger stark auf Mikromanagement ausgelegt, zieht allerdings viel Reiz daraus und vereinfachende Automatismen würden meiner Meinung nach eher schaden als positive Effekte nach sich ziehen. Sogar wenn es damit endet, dass man mehrere Aktionen gleichzeitig machen muss, z.B. einen Angriff führen, mit den Spezialfähigkeiten der Truppen haushalten und währenddessen neue Einheiten oder Gebäude errichten. Es ist hektisch und es erfordert zwischendurch eine große Portion an Babysitting. Man ist als aktiver Kommandant gefordert und nicht als passiver Armeeverwalter zum Zuschauen verdammt.

Trotzdem hätte es nicht geschadet, wenn es eine völlig optionale und nur im Singleplayer-Modus verfügbare Option für eine einheitliche Marschgeschwindigkeit geben würde oder sich zumindest die Unterstützungs-Einheiten intelligent positionieren würden.  Dass Sanitäter z.B. 

In dieser Mission frisst sich eine Feuerwalze langsam über den Planeten. Zum Glück können die terranischen Gebäude abheben...
andauernd vor den Space Marines laufen und sie heilen, halte ich für unsinnig. Die Sanitäter sollten sich lieber hinter den Reihen aufhalten und da sie das nicht von alleine tun, muss man stets eingreifen. Dieses kleine Manko ist übrigens bei allen Support-Einheiten zu finden.

Typische Schwachstellen

Vor den typischen Echtzeit-Strategie-Macken ist auch StarCraft II nicht gefeit und kränkelt z.B. an der Wegfindung. Wenn Rächer, die eigentlich Klippen hoch- und runterspringen können, vor dem Berg warten und die Arbeit verweigern oder manche Truppen aus purer Feuerlaune stehen bleiben, eine Reihe aus Schützen bilden und alle Einheiten dahinter blockieren, dann packt man sich schon mal vor den Kopf und muss vollkommen unnötig eingreifen. Der Höhepunkt des Wegfindungschaos ist erreicht, wenn sich eine Baueinheit irgendwo an einer Klippe oder zu nahe an einem anderen Gebäude "eingebaut" hat und nach Abschluss des Bauprojektes nicht mehr von der Stelle kommt - dies passiert sowohl Protoss als auch Terranern; bei den Zerg dank der Larven und der Gebäudemutation taucht dieses Problem selten auf. Dennoch geht die Wegfindung trotz Macken unter dem Strich in Ordnung und zumindest wenn sich eine Einheit durch eine große Armee durchdrängeln muss, klappt das meist problemlos und hinterlässt kein heilloses Chaos.

Das Protoss-Mutterschiff (Purifier) rottet eine Siedlungsanlage aus.

Singleplayer-Optionen und die KI

Abseits der Kampagne warten neun Szenarios mit speziellen Herausforderungen, die auf die Multiplayer-Duelle vorbereiten sollen - quasi als Training. Dort wird man aufgefordert, passende Konter-Einheiten zu den attackierenden Truppen zu bauen, mit vielen Einheiten vom gleichen Typ möglichst viel Schaden anzurichten oder bloß mit Hotkeys zu spielen. Eigene Spiele (Skirmish oder Gefechte) mit oder gegen andere Computergegner sind außerdem möglich und hier zeigt sich die Computerintelligenz von der guten Seite.

Auf "Normal" solltet man mit ein bisschen Erfahrung kaum Probleme gegen den KI-Feind haben, obwohl dieser sinnige Kombinationen aus Einheiten baut und angemessen die Technikstufen erhöht. Die normale KI zieht sich bei Gegenwehr auffällig schnell zurück und hat Probleme mit getarnten Einheiten. Auf "Schwer" oder gar "Hart" ist es hingegen anders: Der Gegner setzt einen früh unter Druck, baut geschickte Truppenmischungen, setzt wirklich sämtliche Spezialfunktionen ein und kennt die Gegenmittel für getarnte Einheiten. Mir persönlich ist die Schwierigkeitsgrad-Steigerung im Gefecht von "Normal" auf "Schwer" etwas zu hoch. Fordernd und schaffbar sind die Matches aber allemal und nach "Hart" wartet eine weitere KI-Stufe. Allerdings sind die Partien gegen die KI nicht mit den Multiplayer-Duellen im Battle.net zu vergleichen: Die Mehrspieler-Schlachten sind meistens sehr Rush-lastig (Konterchance besteht immer), aggressiv geführt und ohne weit reichende Aufklärung hat man keine Chance. Zudem kann es vorkommen, dass man auf die vollkommen falsche Taktik setzt und die Gegner einen auf dem falschen Fuß erwischen und übermannen. Zum Glück helfen aufgezeichnete Wiederholungen (Replay) bei der Fehleranalyse.

Der Mehrspieler-Modus

Die Multiplayer-Schnittstelle von StarCraft II ist das neue Battle.net und das Interface ist so gestaltet, dass das automatische Matchmakingsystem nur einen Mausklick entfernt ist, während die frei gestaltbaren Partien und die Coop-Matches gegen den Computergegner ein paar Klicks mehr erfordern. Das Matchmakingsystem bzw. die "Suche nach Gegner/Gruppe"-Funktion lässt einen die Spezies wählen, den Matchtyp festlegen

Der Nuklearschlag mitten in die gegnerische Flotte war eine gute Idee.
 (1vs1, 2vs2, 3vs3, 4vs4, Jeder-gegen-Jeden) und anschließend werden etwaige Mit- bzw. Gegenspieler gesucht - sehr einfach und sehr komfortabel. Andere Spielmodi als Team-/Deathmatch gibt es leider nicht. Diese automatischen Matches werden "gewertet". Soll heißen, man bekommt Punkte bzw. Minuspunkte für Sieg oder Niederlage und findet sich in einer der fünf Ligen wieder; zuvor müssen fünf Platzierungsmatches zur Einstufung abgeschlossen werden. Nach vier Siegen und einer Niederlage bin ich beispielsweise in die Gold-Liga eingestuft worden und die aus Siegen/Niederlagen entstehende Einstufung/Bewertung beeinflusst zugleich auf welche Gegner (Stärke der Spieler) ihr trefft. Dabei ist mir in einem guten Dutzend Matches aufgefallen, dass das Matchmaking besser als in der Beta funktioniert und ich weitaus öfters auf "Ausgeglichene Gegner" oder "Leicht favorisierte Gegenspieler" getroffen bin als in der Beta, wo der Ligaunterschied manchmal größer war als die Anzahl meiner Space Marines. 

Kooperative Gefechte gegen die Computerintelligenz oder "Eigene Matches" werden nicht gewertet und haben keinen Einfluss auf die Liga-Platzierung. Mit dem mächtigen Editor erstellte Modifikationen oder Karten können bei "Eigenes Match" gestartet bzw. eingesehen werden, wobei es aktuell nicht möglich ist, die Matches individuell zu benennen. 

Die kompakt stehenden Terraner sind ein gefundenes Fressen für die Kolosse.
 Passwörter für eine eigene bzw. private Sitzung können nicht festgelegt werden, dafür lassen sich Partien erstellen, die nicht öffentlich sichtbar sind und in die man ausgewählte Personen einladen kann.

Freundesliste und andere Baustellen

Freunde sind Dreh- und Angelpunkt der Multiplayer-Partien. Mit ihnen baut man Gruppen auf (wie in einem Online-Rollenspiel) und kann gemeinsam auf Gegnersuche gehen. Freunde lassen sich durch Charaktername plus Identifikationsnummer (z.B. ZergToss.011) entweder manuell oder durch die Ingame-Dialoge (Punktestatistik) hinzufügen oder indem man die eMail-Adresse oder den Facebook-Account (völlig optional) als Kontaktdaten angebt. Was ich jedoch vermisse, ist eine Option für permanente Clans und eventuell ein entsprechendes Ligasystem mit Clanwars.

Ansonsten gleicht das Nachrichtensystem einschlägigen Instant-Messengern à la ICQ, in dem man seinen Status angeben kann (Anwesend, AFK, DND; plus Statusmeldung) und sieht, welche Leute online sind. Mit ihnen kann man via Textchat reden, was sogar spielübergreifend funktioniert, d.h. es ist möglich, mit Personen in World of WarCraft zu chatten, während man sich in StarCraft II befindet und umgekehrt. Abgesehen von dem Text- oder Gruppen-Chats gibt es keine öffentlich zugänglichen Chat-Kanäle (wie Allgemein; Deutsch; Neulinge; Off-Topic; usw.), in denen man auf andere Personen treffen kann. Dieses Feature möchte Blizzard einige Zeit nach der Veröffentlichung hinzufügen, genauso wie Matchmöglichkeiten mit Personen aus Amerika und Asien.

Fazit

Hype und Battle.net-Gemotze hin oder her: StarCraft II - Wings of Liberty ist das beste Echtzeit-Strategiespiel seit Jahren und liefert erstklassige Schlachten sowohl für Solisten als auch in den Mehrspieler-Duellen. Die Kampagne sucht ihresgleichen, vor allem die Präsentation der Story an Bord der Hyperion ist eine Wohltat und überzeugt mit einem liebevoll gestalteten Umfeld, bemerkenswerten Charakteren,  vielen Dialogen sowie Ingame-Zwischensequenzen. Dabei vergisst man fast, dass die Story etwas zu langsam in Fahrt kommt und nicht ganz an die Qualität von WarCraft III heranreicht. Doch mit Beginn der Protoss-Missionen dreht die Intensität mächtig auf und arbeitet auf einen lohnenswerten Höhepunkt hin. Auch die Aufteilung der drei Kampagnen auf drei Spiele stört mich nicht, denn Story und Umfang sind in Wings of Liberty mehr als ausreichend. Forschung, Söldner und Upgrades sowie das ganze Drumherum machen aus dem Feldzug ein einmaliges Erlebnis. Erste Sahne ist ebenfalls das Missionsdesign, das mit viel Abwechslung auftrumpft und nur sporadisch Schwächen zeigt. Die Echtzeit-Schlachten sind zwar sehr konventionell gehalten und orientieren sich am Vorgänger, weisen aber viele Veränderungen auf (u.a. höheres Tempo) und erfordern reizvolles Mikromanagement. Es gibt kaum unnötige Automatisierungen oder Vereinfachungen, man muss als Kommandant viel selbst erledigen. Dabei stören allerdings gelegentliche Wegfindungs- und Positionierungsprobleme, da man in den Kämpfen bereits genug zu tun hat, ohne sich als Positions-Babysitter betätigen zu müssen. Dennoch: Die ausgezeichnete Balance, die enorme taktische Bandbreite und die Möglichkeit jede Aktion zu kontern, all das ist im Singleplayer bereits Oberklasse und wird im Mehrspieler-Modus perfektioniert. Das automatisches Matchmaking mit angeschlossenem Ligasystem macht es kinderleicht, an Online-Duellen teilzunehmen, auch wenn man ein großes Maß an Frustresistenz mitbringen sollte und an manchen Stellen das Battle.net noch Verbesserungsbedarf hat (Clans, Chats, etc.). Doch all das ist nur meckern auf hohem – nein: sehr hohem Niveau!

Pro

sehr hohe taktische Tiefe
drei höchst unterschiedliche Fraktionen
bemerkenswerte Charaktere und packende Story
außergewöhnlich gute Einheiten-Balance
exklusive Einheiten für die Singleplayer-Kampagne
über alle Zweifel erhabenes Kampagnen-Design
anheuerbare Söldner-Truppen im Feldzug
einzigartiges Umfeld: Weltraum-Kreuzer Hyperion
umfangreiche Kampagne
kreative und abwechslungsreiche Missionen
Atmosphäre wird mit Unterbrechungen bis zum Ende hin aufgebaut
nichtlineare Passagen mit Wahlmöglichkeiten in der Kampagne
zahlreiche Detail-Verbesserungen bei den Rassen
motivierende Forschung und Upgrades
ausgesprochen gut abgestimmter Schwierigkeitsgrad
keine übertriebenen Vereinfachungen oder Automatismen
forderndes Mikromanagement
Singleplayer-Gefechte gegen KI; Szenarien
umfangreiches Tutorial
sehr ordentliche deutsche Übersetzung und Vertonung
großartiger Soundtrack
herausragender Mehrspieler-Modus
Fairness und Nachvollziehbarkeit aufgrund Replay-Funktion
automatisches Matchmaking, Liga-System
mächtiger Karten-Editor

Kontra

Kampagne kommt langsam in Fahrt
Kamera ist zu nah am Geschehen
Wegfindungs
und Positionierungsprobleme
polygonarme Grafik der Echtzeit-Schlachten
fehlender Clan-Support
kleinere Inszenierungs-Schwächen
Soundabmischung nicht optimal (Sprecher manchmal zu leise)
prinzipiell nur Team-/Deathmatch im Multiplayer
lange Ladezeiten bei wenig RAM
Offline-Modus-Probleme mit dem Authentifizierungskey

Wertung

PC

StarCraft II - Wings of Liberty ist das beste Echtzeit-Strategiespiel seit Jahren und bietet erstklassige Singleplayer- und Multiplayer-Schlachten.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.