Silent Hill: Book of Memories02.11.2012, Jan Wöbbeking
Silent Hill: Book of Memories

Im Test:

Vorsicht, Genre-Wechsel: Vita-Besitzer mit einer Vorliebe für subtilen Horror sollten bei Silent Hill: Book of Memories (ab 99,95€ bei kaufen) nicht blind zugreifen. Bis auf Gegner wie die Krankenschwester oder Pyramid Head hat das Spiel so gut wie nichts mit den Vorgängern gemein. Stattdessen steckt Action von Way Forward hinter dem Titel.

Die Arcade-Profis schwächeln

Eigentlich steht der Name Way Forward für Qualität: Shantae: Risky's Revenge ist ein Highlight für den DS und mit LIT haben die Kalifornier sogar einen cleveren Grusel-Knobler auf die Beine gestellt. Gute Voraussetzungen also für vergnügliches Monsterschnetzeln? Leider nein.

Das erste Problem ist die lieblose Präsentation der Geschichte: In einem simpel gestrickten Intro bringt der Postbote der im Editor erstellten Hauptfigur ein mysteriöses Buch. Statt einem Absender stehen nur die krakeligen Worte Silent Hill auf dem Paket. Im Wälzer hat jemand die komplette Lebensgeschichte des Protagonisten niedergeschrieben. Als er beim Schmökern auf eine unangenehme Erinnerung stößt, greift er spontan zu Radiergummi und Bleistift, um die Geschichte umzuschreiben. Als er kurz darauf einnickt, findet er sich in einer Welt voller metallener Kerker wieder, unter denen brodelnde Lava kocht. Hier kann er offenbar seine Vergangenheit ändern – und zwar, indem er generische Monster metzelt.

Arbeit statt Angst

Die faden Kulissen und die steif animierten Horrorviecher erinnern technisch beinahe an einen PSP-Titel.
Die faden Kulissen und die steif animierten Horrorviecher erinnern technisch beinahe an einen PSP-Titel.

Obwohl die Hauptfigur ab und zu alte E-Mails findet oder in seinen Gedanken ein wichtiges Telefongespräch abspult, ist die Action aber kaum mit der Handlung verknüpft. Stattdessen steht wieder und wieder das gleiche öde Programm auf der Tagesordnung: Man erforscht eine überschaubare Karte nach zufallsgenerierten Räumen, drischt auf Gegner ein und erfüllt kleine Herausforderungen wie das Erledigen eines mutierten Leichensacks, welcher endlos neue Gegner produziert. Man verbessert diverse Werte des Charakters, steigert die Durchschlagskraft seiner Waffen und bewegt die Leiste für Karma-Attacken in die gewünschte Richtung.

Leider wirken die meisten Aspekte des Spiels lieblos zusammengeschustert. Schon nach wenigen Stunden hatte ich keine Lust mehr, auf die ewig gleichen, steif animierten Gegner wie Schweine und fliegende Dämonen einzudreschen. Auch die zufallsgenerierten Dungeons langweilen schnell mit ihren immer gleichen Gittern und klobig designten Kommoden. Die Steuerung funktioniert zwar, trotzdem fühlen sich die Kämpfe ein wenig träge an. Das Ausweichen mit dem Deckungsknopf, das Aufschalten mit dem rechten Stick, der Rhythmus von Schlagkombos: All das flutscht in brenzligen Situationen nicht immer flüssig. Beim Survival-Horror könnte das immerhin für ein Gefühl der Bedrohung sorgen, doch Book of Memories baut mit seinem Action-Fokus und der unwichtigen Rahmenhandlung keinerlei Spannung auf.

Zerbrechliche Waffen

Vorsicht, lästiger Flattermann!
Vorsicht, lästiger Flattermann!

Auch die Zerbrechlichkeit von Waffen wie Holzplanken und Metallrohren soll eine Verbindung zum klassischen Überlebenskampf der Serie herstellen. Während der Gefechte nervt es aber, dass sich die Messer und Hackebeile so schnell abnutzen – und dass man nach dem Kauf der Rücksackerweiterung kaum Waffen darin ablegen kann. Auch die in den Zonen versteckte Revolver-Munition ist begrenzt. Wenn man eine spezielle Herausforderung meistert, bekommt man ab und zu eine stärkere Waffe wie einen legendären Dolch.

Doch selbst wenn man sie viel einsetzt und ab und zu mit Reperaturwerkzeug instand setzt, dauert es lange, sie aufzumotzen. Allgemein sorgt die geringe Menge an Todbringern, leistungssteigernden Artefakten und Beute nicht für die gleiche Sammelsucht wie z.B. in einem Torchlight 2. Immerhin etwas Abwechslung bringen die Karma-Fähigkeiten ins Spiel. Je nachdem, ob man die Überreste von Blut- oder Lichtkreaturen einsammelt, lassen sich unterschiedliche Spezialattacken starten, mit denen man den Gegnern z.B. per Rückseiten-Touchpad Lebensenergie stiehlt.

Abklappern statt entdecken

Eine Taschenlampe wirft zwar einen fein abgestuften Lichtkegel auf die dunklen Wände, verrät nebenbei aber auch die Verstecke von Gegenständen wie Schlüsseln, Heilpaketen, Munition und der spielinternen Währung „Erinnerungsrückstand“, mit der man in einem Laden diverse Upgrades und Extras kaufen kann. Das Ergebnis ist Fleißarbeit statt Neugier: Man klappert schlicht und einfach die Wände nach rot reflektierenden Gegenständen ab, bis man alle Schlüssel, Puzzleteile und Notizen beisammen hat und sich ans Abschlussrätsel wagt.

Unausgegoren: Der Online-Koop für vier Spieler.
Unausgegoren: Der Online-Koop für vier Spieler.

Leider wirken sogar die Puzzles uninspiriert – wirklich verwunderlich, wenn man bedenkt, welch ideenreiche Labyrinthe Way Forward sich seinerzeit für LIT ausgedacht hat. Meist müssen einfach Figürchen auf einem Spielfeld platziert werden. Bildhafte formulierte Notizen geben Hinweise auf Himmelrichtungen und andere Details; zur Not kennzeichnet ein Schalter falsch platzierte Figuren.

Fehlerhafter Online-Koop

Wer möchte, kann man eine Zone auch zu viert übers Internet angehen, um sich die Arbeit zu teilen und sich gegenseitig mit nützlichen Gegenständen zu unterstützen. Zumindest theoretisch: In der Praxis funkte bei uns oft die Technik dazwischen. Mal flogen wir vom Server, mal der beigetretene Spieler von unserem. Ein Verbindungsabbruch während des Spiels ist besonders ärgerlich: Wenn man vorher bereits 20 Minuten gekämpft aber noch keinen Speicherpunkt gefunden hat, war der komplette Fortschritt umsonst. Einfaches Ein- oder Aussteigen während eines Spiels wird nicht unterstützt. Auch im Alleingang kann es nerven, wenn man von einer fiesen Falle erwischt wird und noch nicht speichern konnte.

Fazit

Das sieht Way Forward gar nicht ähnlich: Nach all den kleinen Arcade-Perlen für Nintendo-Systeme hätte ich den Kaliforniern gar nicht zugetraut, ein solch fades Hack and Slay abzuliefern. Bei LIT passte die nur angedeutete Geschichte gut zu den mysteriösen Puzzles, doch hier wirkt die schlicht präsentierte Rahmenhandlung aufgesetzt. Auch spielerisch wird nur ein mageres Light-Programm geboten: Die ewig gleichen Monster langweilen genau so schnell wie die sich ähnelnden Dungeons. Durch das beschränkte Repertoire an zerbrechlichen Waffen und den Mangel an Beute wird auch der Sammeltrieb kaum befriedigt. Hinzu kommen viele kleine Macken wie das unübersichtliche Menü und das fehlerhafte Koop-Spiel übers Internet. Book of Memories ist zwar kein Totalausfall: Wer einfach nur ein wenig unkompliziert Monster metzeln will, wird noch ausreichend bedient. Trotzdem fielen mir kaum positive Punkte ein. Es gibt kaum Dinge, die das Spiel besonders gut macht.

Pro

Interessanter Story-Ansatz...
bedrückende Piano- und Orchester-Melodien...
atmosphärische Beleuchtung und glänzende Oberflächen

Kontra

...simple Story-Schnipsel aber kaum mit Action vernüpft
...welche sich aber schnell wiederholen
weder suchterzeugend noch spannend oder gruselig
monotone Kerker mit grob texturierten Kommoden
ewig gleiche Gegner
verschachtelte Menüs
etwas schwerfällige Steuerung
lange Ladezeiten
unpraktisches Speichersystem
fehlerhafter Online-Koop

Wertung

PS_Vita

Weder Fisch noch Fleisch: Das monotone Monstermetzeln besitzt weder Suchtpotential noch gruselige Momente und hat mit vielen kleinen Macken zu kämpfen.

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