Im Test: Rückkehr nach Erebonia
Frostiger Neuanfang
Seit den Ereignissen von Trails of Cold Steel ist ein Monat vergangen, als Rean Schwarzer am 29. November 1204 in den abgeschiedenen Bergen der Eisengard Range im Beisein von Celine und Valimar zu sich kommt. Wer sich nicht mehr daran erinnern kann, wie sie hier gelandet sind bzw. den Vorgänger nicht zu Ende oder gar nicht gespielt hat, kann sich über separat aufrufbare Story-Rückblicke und Charakterdatenbanken noch vor Spielbeginn auf den aktuellen Stand bringen.
Doch zurück zur aktuellen Episode: Da Reans Heimatdorf Ymir nicht weit ist, macht er sich zunächst auf den Weg dorthin, begleitet von Tutorials, die ihn schnell und unkompliziert mit alten und neuen Spielelementen vertraut machen. Auch wenn man bei vielen Dingen wie dem Sammeln von Quartzen, Kochrezepten oder Angelerfolgen wieder ganz von vorn anfängt, hat sich Rean andere Fortschritte hingegen bewahrt und startet zum Beispiel gleich auf Charakterstufe 40 samt entsprechender Fertigkeiten. Veteranen mit vorhandenem Abschlussspielstand des Vorgängers dürfen sich zudem über angehobene Statuswerte, besondere Gegenstände und zusätzliche Unterhaltungen freuen. Einen entscheidenden Vorteil hat man durch diese Boni aber nicht.
Den Schwierigkeitsgrad bestimmt man sowieso selbst und wer an einem Gegner scheitert, kann den Kampf wie gewohnt beliebig oft wiederholen und bei Bedarf sogar den Kontrahenten sukzessive schwächen. Auch das Speichern des Spielstands ist abseits von Kampfhandlungen, Storysequenzen und Dialogen nach wie vor jederzeit möglich. Herausforderungen gibt es trotzdem genug - vor allem, wenn Boss- und Spezialgegner auf den Plan treten und sich mit fiesen Kräfteschüben und Statusbeeinträchtigungen vorstellen.
Einer für alle, alle für einen
Reans Hauptziel ist zu Beginn die Wiedervereinigung der zersprengten Militärschulklasse VII, um dem tobenden Bürgerkrieg in und um Erebonia mit vereinten Kräfte entgegenzuwirken, auch wenn sich das aufgrund verzwickter Interessenskonflikte und Machtquerelen noch schwieriger gestaltet als ohnehin befürchtet. Immerhin kann man dieses Mal auf bis zu 18 spielbare Charaktere zurückgreifen. Darunter sowohl altbekannte als auch neue Kampfgefährten. Auch in die Gegnerriege reihen sich einige frische Gesichter ein. Hinzu kommen neue oder durch den Bürgerkrieg veränderte Schauplätze, wobei der etagenweise Abstieg ins alte Schulhaus des ersten Teils der Erkundung antiker Tempelruinen gewichen ist.
Darüber hinaus ist man nicht länger nur auf Pferd und Zug angewiesen, um schneller voran zu kommen, sondern kann neuerdings auch per Motorrad oder Luftschiff reisen - und das ab einem gewissen Zeitpunkt zudem wesentlich freier als das noch im strikt linearen Vorgänger der Fall war. Im verschneiten Ymir sind sogar preisträchtige Snowboard-Rennen möglich. Individualisten können auch aus verschiedenen Brettdesigns und Motorradlackierungen wählen. Am interessantesten dürfte aber die Möglichkeiten sein, fortlaufend neue Crewmitglieder für das Luftschiff zu rekrutieren, die dann an Bord verschiedene Aufgaben übernehmen, Geschäfte eröffnen und Dienstleistungen anbieten.
Wer will, kann sich die Zeit auch wieder mit Kochen, Angeln, Lesen oder Kartenspielen vertreiben, wobei Letzteres dank neuer Sonderkarten selbst Veteranen zurück an den Spieltisch lockt. Wer freie Zeit mit seinen Freunden verbringt, stärkt dadurch auch wieder die Beziehungen zueinander, wodurch man im Kampf öfter Unterstützung erhält. Wie diese aussieht, hängt von der jeweiligen Paarung ab. Mal besteht die Chance, gegnerische Angriffe abzufangen oder zu kontern, mal können Verletzungen geheilt oder verbrauchte Energiereserven aufgefrischt werden.
Vertrautes Taktieren
Das rundenbasierte Kampfsystem wurde dabei fast unverändert aus dem Vorgänger übernommen und bietet eine gute Mischung aus Taktik und Dynamik. Die Zugfolgenleiste zeigt dabei nicht nur an, wer wann an der Reihe ist und welche Aktionen welche Verschiebungen bewirken, sondern lotst auch bestimmten Zugpositionen Boni zu, die es durch geschicktes Agieren möglichst für sich in Anspruch zu nehmen gilt. Das Spektrum reicht von einfachen Heilungen und Energieauffrischungen über kritische Treffergarantien und Statusbeeinträchtigungen bis hin zu kostenlosen Sofortzaubern. Der Einsatz von Magie ist sonst nämlich eher kostspielig und mit Wirkzeiten behaftet, während der man vom Gegner unterbrochen werden kann.
Neben Zaubern und Standardangriffen stehen je nach Ausrüstung und Energiepegel auch diverse Spezialangriffe zur Auswahl. Wer all seine Spezialenergie auf einmal opfert, kann sogar ungeachtet der Zugfolge ins Geschehen eingreifen, wertvolle Boni kassieren und verheerenden Schaden anrichten. Viele Angriffe haben spezielle Stoßrichtungen oder Flächenwirkungen. Auch Formationen können geändert, Kampfpartner und Gruppenmitglieder gewechselt werden.
Kampfvorteile kann man sich aber auch schon vor Schlachtbeginn verschaffen, indem man umher streunenden Gegnern z. B. in den Rücken fällt oder sie mit passenden Waffen kurzzeitig lähmt oder bewusstlos schlägt. Auch im Kampf selbst spielen Waffen-, Elementar- und Statusanfälligkeiten sowie oft von Kontern begleitete Ausweich- und Trefferwahrscheinlichkeiten eine große Rolle, während es im Anschluss leistungsbezogene Erfahrungsboni gibt. Schwächen und Stärken der Gegner werden in den Kämpfen wieder erst nach und nach offengelegt, was sich aber auch durch Zauber, Items oder Spezialfertigkeiten beschleunigen lässt. Anschließend wird alles in praktischen Datenbanken verewigt, die man für Vorbereitungszwecke nutzen kann.
Neue Mächte
Neu hinzu gekommen ist ein Overdrive-Pegel, der sich durch erfolgreiche Kampfleistungen auffüllt und bei Aktivierung, nicht nur einen Energieschub liefert, sondern auch automatisch drei aneinandergereihte Aktionen mit kritischer Treffergarantie und Sofortzauberwirkung erlaubt. Zudem sind neuerdings auch individuelle Kampfherausforderungen und lohnende Kampfverkettungen gegen mehrere in der Nähe befindliche Gegnergruppen möglich. Mit ausreichend Energie kann man sogar Valimar vorübergehend herbeirufen und ein paar Runden für sich kämpfen lassen.
Diese Aufeinandertreffen stehen nicht nur wesentlich häufiger als im Vorgänger auf dem Programm, sie bieten auch zusätzliche Facetten wie den Einsatz magischer Kampfpartner oder das Schmieden und Einbauen leistungssteigernder Kristalle. Auch Rean und seinen Gefährten kann man durch das individuelle Bestücken ihrer Arcus-Apparaturen mit Quartzkristallen wieder besondere Eigenschaften und Fähigkeiten verleihen. Die oft bestimmten Quartzarten vorbehaltenen Steckplätze haben im Vergleich zum Vorgänger leider nicht zugenommen und müssen für den Einsatz besonders seltener Quartze sogar mehrfach kostspielig entsperrt werden. Die Kombinationsmöglichkeiten sind aber nach wie vor ungemein vielfältig.
Üppige Vielfalt
Der erneut von ortspezifischen Pflicht- und Nebenaufgaben geleitete Spielverlauf wartet immer wieder mit überraschenden Ereignissen und charmanten Details auf. Auch das Spektrum an Schauplätzen und Aufgaben ist angenehm vielseitig, der Umfang abermals enorm. Ambitionierte Sammler und Ausrüstungsperfektionisten können jedenfalls wieder Dutzende Stunden in und um Erebonia verbringen, Enzyklopädien vervollständigen, Rekorde verbessern und versuchen, bis ans Ende der militärischen Karriereleiter zu klettern.
Was nach wie vor fehlt, ist jedoch eine Option auf japanischen Originalton sowie deutsche Untertitel. Sowohl Texte als auch Sprachausgabe sind auch dieses Mal nur auf Englisch verfügbar. Zudem wirkt die Vertonung abermals sehr willkürlich. Teils sind wichtige Story-Passagen überhaupt nicht mit Sprachausgabe unterlegt, teils wird sie mitten in einem Gespräch einfach ausgesetzt. Auch die Technik wurde kaum verbessert und hat nach wie vor mit unschönen Rucklern, Pop-Ups sowie vielen zehrenden Ladeunterbrechungen zu kämpfen, während Aufgabenlösungen zu oft auf dem Silbertablett serviert werden. Zudem hätte man den Touchscreen mal mehr als nur für optionale Kartenaufrufe und Kamerazentrierungen einbinden können.
Fazit
Trails of Cold Steel 2 setzt das Anfang des Jahres mit Teil eins etwas zäh eingeleitete Bürgerkriegsdrama spannend fort. Es eignet sich trotz implementierter Rückblicke aber nur bedingt für Neueinsteiger, da viele Zusammenhänge und Beziehungen nur schwer indirekt zu vermitteln sind. Wer seinen alten Spielstand vom Ende aufgehoben hat, wird hingegen mit netten Boni wie zusätzlichen Dialogen belohnt. Zudem sind dieses Mal fast zwanzig spielbare Charaktere an Bord und auch das rundenbasierte Kampfsystem wurde um weitere taktische Facetten ergänzt. Vor allem die Mech-Kämpfe haben spürbar an Reiz und Häufigkeit zugelegt. Das flexible Skill-System bietet nach wie vor jede Menge Freiheiten bei der Charakteranpassung, der deutlich straffere Spielverlauf immer wieder charmante Details und Überraschungen. Auch der Weg ans Ziel lässt sich freizügiger gestalten. Viele Aufgaben bleiben optional, der Schwierigkeitsgrad individuell anpassbar. Nur hinsichtlich Technik und Vertonung zuzüglich Lokalisierung besteht nach wie vor Nachholbedarf. Doch davon sollte man sich das Anime-Epos der Ys-Macher, dessen dritter Teil sich bereits in Entwicklung befindet, nicht vermiesen lassen.
Pro
Kontra
Wertung
PS_Vita
Rundentaktisches Anime-Rollenspiel der Ys-Macher nimmt Fahrt auf.
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