DTM Race Driver02.09.2002, Mathias Oertel
DTM Race Driver

Im Test:

Rennspiele haben Hochkonjunktur. Doch da es auf der PS2 bereits mehr als genug hervorragende Racer gibt, muss man schon etwas Besonderes bieten. Wie wäre es denn zum Beispiel mit der Fortsetzung einer der realistischsten Rennspiel-Serien aller Zeiten? Denn nichts anderes ist DTM Race Driver (ab 18,51€ bei kaufen) von Codemasters: der Nachfolger der kultigen TOCA-Spiele. Gespannt, ob der neueste Ableger des Renn-Zirkus in Sachen Spaß und Realität mit den Vorgängern mithalten kann, oder ob vielleicht sogar neue Standards gesetzt werden können, haben wir uns hinter das Lenkrad geklemmt und DTM Race Driver einem intensiven Test unterzogen.

Die Rache der Rennfahrer

Ryan McKane muss mit ansehen, wie sein Vater bei einem Unfall auf der Rennstrecke ums Leben kommt. 15 Jahre später sucht ein Rennstall-Besitzer einen neuen Fahrer, woraufhin Ryans Bruder Donnie, ebenfalls ein Rennfahrer, vermittelnd einspringt und Ryan einen Job als Fahrer besorgt. Und genau hier kommt Ihr ins Spiel. Als Ryan McKane müsst Ihr Euch durch zahlreiche Wettbewerbe nach oben fahren, um schließlich die Weltmeisterschaft zu gewinnen.

Man fängt klein an

Obwohl es auch die Möglichkeit gibt, freie Rennen zu veranstalten oder per Splitscreen einen weiteren menschlichen Fahrer zum Duell herauszufordern, steht der Karriere-Modus mit seiner Geschichte im Mittelpunkt.

Im Wesentlichen sind die Rennen in drei Klassen aufgeteilt: Die Super Sports-Klasse mit Rennen aus zum Beispiel der TOCA- und der Americas-Series, die Power Racing-Klasse, in der zum Beispiel die deutsche DTM oder die australische V8 Supercars ausgefahren werden und die LOLA Weltmeisterschaft. Schafft Ihr es, LOLA zu gewinnen, müsst Ihr nur noch die nötige Menge an Siegprämien mitbringen (acht Millionen Dollar) und Ihr könnt an den Elite-Rennen teilnehmen, die wie alle Serien aus sechs bis sieben Rennen bestehen.

Doch bis es so weit ist, vergehen einige Stunden, denn nur wenn Ihr in den verschiedenen Serien genügend Punkte angesammelt habt, öffnet sich die nächste Klasse.

Alles schön und gut - aber...

Konzentrieren wir uns auf die Rennen. Gleich zu Beginn fällt negativ auf, dass es keine Qualifikationsmöglichkeit gibt, die den Startplatz festlegt. Die Startreihenfolge wird per Zufall festgelegt, wobei es uns nach stundenlangem Spiel in keiner Serie bei keinem Wettbewerb vergönnt war, von Platz 1 zu starten.

Dafür jedoch könnt Ihr vor den Rennen im weitreichenden Setup herumwerkeln, was das Zeug hält und Euer Fahrzeug auf die Strecke abstimmen.

Erfreulicherweise machen sich die Auswirkungen des Setups auch deutlich auf der Strecke bemerkbar, was für die im Allgemeinen sehr gute Fahrphysik der über 40 Rennwagen spricht.

Auch das Schadensmodell ist außerordentlich gut gelungen und optisch eine wahre Pracht. Nur: bis sich die Schäden wirklich auf die Fahrweise auswirken, dauert es einfach zu lang. Es kann einfach nicht sein, dass ein Wagen, dem sämtliche Außenkarosserie-Teile fehlen, aerodynamisch immer noch die gleiche Straßenlage hat, wie ein vollkommen unbeschädigtes Fahrzeug. Ein weiteres Beispiel: Ein Fahrzeug, das mit nur noch drei Rädern unterwegs ist, schafft es locker auf Tempo 130 zu kommen!!

Die KI hält auch nicht immer das, was der Begriff "Intelligenz" vollmundig verspricht. Nehmen wir noch einmal das Beispiel des dreirädrigen Tempo-130-Fahrzeuges: Obwohl klar schneller, weigerten sich die CPU-Fahrer, das deutlich angeschlagene Fahrzeug zu überholen. Erst als wir uns aufs Gras zurückzogen, haben sich die Fahrer bequemt, an unserem Totalschaden vorbeizuziehen.

Gute KI stelle ich mir wirklich anders vor.

Leider lässt die groß angelegte Story um Ehrgeiz und Rache im Endeffekt ebenso zu wünschen übrig: Plakativ, stereotyp und im Endeffekt äußerst berechenbar werden hin und wieder Sequenzen eingespielt, welche die Geschichte vorantreiben. Einflussmöglichkeiten hat man außer der Wahl des Teams für die nächste Rennserie jedoch keine. Ebenso ist es unabhängig, in welcher Serie man sich gerade befindet. An Punkt X, sagen wir mal Rennen Nummer 7 wird Sequenz Y abgespielt.

So bekommt man nicht gerade Lust, das Spiel noch einmal durchzuspielen, um vielleicht andere, leider nicht vorhandene, Story-Verzweigungen oder gar eine andere Endsequenz zu erspielen.

Dabei ist das Drumherum absolut motivierend gestaltet: 38 internationale Rennstrecken und die mehr als 40 Fahrzeuge locken genau so zum Joypad wie die Fahrphysik und das Schadensmodell.

Was soll denn das?

Hat man sich per Telefon (natürlich unverschämter Weise eine kostenpflichtige 0190-Nummer) ein paar der so genannten Bonus-Codes geholt, fällt man jedoch fast vom Stuhl. Denn auf einmal hat man einen Code für "realistischen Schaden" oder "realistische Fahrphysik" in der Hand.

Nur: so "realistisch" wie es sich anhört, sind die Auswirkungen dann doch nicht.

Sowohl fahrtechnisch als auch im Bereich Schaden ist man immer noch weit davon entfernt, vollends realistisch zu sein.

Da hatten die alten Spiele der TOCA-Serie deutlich mehr zu bieten.

TOCA für Anfänger

So drängt sich nach und nach der Verdacht auf, dass man mit DTM Race Driver ein größtmögliches Publikum ansprechen wollte. Denn der Schwierigkeitsgrad ist im Gegensatz zu den Vorgängern auf einem sehr angenehmen Level gehalten und wird zudem noch durch die Arcade-Einschläge in den Bereichen Fahrphysik, Lenkung und Schaden begünstigt.

Profi-Fahrer werden nach den hohen Erwartungen, die nicht zuletzt durch die exzellenten Vorläufer-Modelle geschürt wurden, recht schnell auf den Boden der Tatsachen geholt.

Multiplayer-Meisterschaft

Hat man schließlich alle Meisterschaften gewonnen, ist es an der Zeit, menschliche Gegner herauszufordern.

Hier ist positiv anzumerken, dass man sich aus allen Strecken eine eigene Meisterschaft zusammenstellen kann und bei Bedarf das Fahrerfeld noch mit bis zu vier CPU-gesteuerten Wagen auffüllen kann, um die Meisterschaft spannender zu gestalten.

Bei drei oder vier Mitspielern fällt diese Möglichkeit zwar weg, doch das rein menschliche Duell bietet auch so genügend Meisterschafts-Spannung.

Die Steuerung der Fahrzeuge kann ebenfalls glänzen. Sowohl mit Pad als auch mit Lenkrad reagieren die Rennwagen schnell und genau auf die Eingaben - wobei der leichte Arcade-Touch wieder ein deutlicher Kompromiss an den Gelegenheitsspieler ist, dem Spaß aber nicht schadet.

Wälder im Baukastensystem

Eines muss man dem Entwickler-Team lassen: Die Fahrzeuge sehen verteufelt gut aus und auch das detaillierte Schadenssystem macht optisch einiges her.

Leider können die Umgebungen nicht mit dieser Grafikpracht mithalten: Obwohl die Landschaften detailliert sind und auch der Asphalt mit zum Besten gehört, was wir bisher bei einem PS2-Rennspiel gesehen haben, gibt es doch ein gewaltiges Manko, das die Optik penetrant zum Negativen hin beeinflusst: Grandioses Aufpoppen der Objekte am Straßenrand.

Sicher: Die Berechnung von 14 Fahrzeugen auf der Strecke samt Schadensmodell schluckt massive Resourcen. Doch selbst auf einem Oval, das nun sicherlich nicht große Anforderungen an die Grafik stellt, poppen die Tribünen auf, dass es eine wahre Pracht ist.

Vielleicht hätte man hier lieber den Kompromiss wählen sollen und die Wagen mit weniger Polygonen versehen sollen, anstatt diese Pop-Orgie zu veranstalten - zumal das Spiel trotzdem in seltenen Fällen nicht vor Rucklern gefeit ist.

Doch mit Ausnahme der wenigen Bildfrequenz-Störungen ist die Spielgeschwindigkeit hervorragend und vermittelt ein schönes Speed-Gefühl.

Die stimmungsvollen Zwischensequenzen in Spielgrafik sind ebenfalls gelungen: Die Animationen der Figuren sind weitestgehend überzeugend und hat man die Spielsprache in den Optionen auf Englisch gestellt, bekommt man lippensynchrone Sprache geboten.

Lynyrd Skynyrd und Thin Lizzy: viel zu kurz

Musikalisch wurden einige großartige Lizenzen eingekauft, so zum Beispiel "Sweet Home Alabama" von Lynyrd Skynyrd oder Songs von Thin Lizzy, Al Green oder Ash.

Und trotzdem muss man auf musikalische Untermalung fast vollständig verzichten. Denn die Songs kommen nur in den Zwischensequenzen kurz zum Einsatz.

Dafür können die Motorengeräusche jedoch auftrumpfen. Jeder Wagen klingt anders und dröhnt sonor aus den Lautsprechern. Habt Ihr die PS2 an ein Dolby-System angeschlossen, könnt Ihr zudem puren Streckenrealismus genießen, denn in Dolby Pro Logic II seid Ihr mitten im Geschehen und bekommt bei einem Crash das unweigerliche Gefühl, den Kopf einziehen zu müssen, damit Euch kein herumfliegendes Metall erwischt.

Die deutsche Sprachausgabe ist ebenfalls gut gelungen und sorgt in den Story-Sequenzen für entsprechende Atmosphäre. Besonders im Vergleich mit der englischen Fassung fällt auf, mit wie viel Sorgfalt die Sprecher zu Werke gegangen sind.

Fazit


DTM Race Driver wird keinesfalls den hohen Erwartungen gerecht, die durch die Vorgänger aufgebaut wurden. Dazu finden sich einfach zu viele Ungereimtheiten im Spiel. Schadensmodell, Fahrphysik und Steuerung sind zwar gut und locken zum Spielen, doch der verschenkte Story-Modus, das fehlende Qualifying und große Probleme mit der KI nehmen dem Race Driver den Pepp und (fast) jeglichen Simulations-Anspruch. Zudem reduziert das Pop-Up-Problem die eigentlich hervorragende Grafik auf ein Anhängsel, das wesentliche Verbesserungen hätte vertragen können. DTM Race Driver ist nicht der erhoffte Überflieger, aber in jedem Fall ein überdurchschnittliches Rennspiel, das sich vor allem an Einsteiger richtet und das nach erfolgreichem Ende mit einem spannenden Multiplayer-Modus bei der Stange hält.

Pro

<li>über 40 Fahrzeuge</li><li>38 Strecken</li><li>13 Wettbewerbe</li><li>detailliertes Schadensmodell</li><li>grandiose Fahrzeugoptik</li><li>gut reagierende Steuerung</li><li>gelungene Fahrphysik mit Arcade-Touch</li><li>gute Sprachausgabe</li><li>sehr gute Motorengeräusche und Soundeffekte</li><li>überzeugende Spielgeschwindigkeit</li><li>unterstützt Dolby Surround Pro Logic II</li><li>spannender Multiplayer-Modus</li>

Kontra

<li>Story-Modus ohne Einflussmöglichkeiten</li><li>kein Qualifying</li><li>Musik kommt kaum zum Einsatz</li><li>„realistischer“ Schaden und Fahrphysik nur per Cheat (0190-Nummer)</li><li>KI mit großen Schwachpunkten</li><li>Pop-Up-Orgie par Excellence</li><li>Schäden mit kaum spürbaren Auswirkungen</li>

Wertung

PlayStation2

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