Grand Theft Auto 428.04.2008, Paul Kautz
Grand Theft Auto 4

Im Test:

Ich könnte mir das Leben so einfach machen: Ich könnte hier im Einstieg lang und breit über die Geschichte von GTA labern, über seine Vogelperspektiven-Anfänge bei DMA-Design, über die 3D-Wucht, mit der GTA 3 die Spielelandschaft für immer verändert hat, über die Erwartungen, die GTA 4 nach den brillanten Vorgängern Vice City und San Andreas angestaut hat. Mache ich aber nicht.

Ein neues Gesicht

Niko Bellic ist kein guter Mensch. Das war bislang kein GTA-Protagonist, aber Niko ist etwas Besonderes: Ein nicht näher definierter Osteuropäer, der aus der Heimat flüchtet - er hat dort zu viel Dreck am Stecken, zu viele Leute verärgert, zu viele Leichen im Keller. Amerika scheint das Land der Träume zu sein, schließlich hat es sein Cousin Roman dort auch schon zu etwas gebracht. Palast, Sportwagen,

Bellic, Niko Bellic. Coole Sau und der Antiheld schlechthin.
Supermodels tagein, tagaus - jedenfalls behauptet er das. Die Realität entpuppt sich als zwielichtiges Taxi-Depot, er steigt in einer versifften Bude ab und gewinnt die Erkenntnis, dass auch in Amerika nicht alles so ist, wie es zu sein scheint. Oder wie Niko es zusammenfasst: »This place is not much of a fucking holiday«.

Niko hat eine Mission: »The Special Someone« finden und eine offene Rechnung begleichen, die mit seiner immer nur vage angedeuteten Vergangenheit in seiner Heimat zu tun hat. Der Weg zu seiner Erlösung ist gepflastert mit Leichen sowie den serientypischen Missionen. Er muss Schutzgelder kassieren, Nebenbuhler exekutieren, einen explosiven Truck zum Feind fahren und zünden, einen Drogendeal per Scharfschützengewehr überwachen, einen Erpresser identifizieren und ausschalten, zwei relativ tote Körper zu einem zwielichtigen Arzt transportieren oder mafiöse Gewerkschaftsbosse auf einer gut bewachten Baustelle erledigen - und das sind nur ein paar der Story-Aufträge. Während ihr gemütlich durch Liberty City cruist, bekommt ihr immer wieder die Möglichkeit, nebenher Geld zu verdienen - indem ihr etwa spezielle Wagen klaut und abliefert, euch als Drogenkurier verdingt oder den Fahrer für maulende Passanten macht. Viele Aufträge erfordern ein ungewohntes Maß an Vorbereitung, nicht alle sind unmittelbar nach dem Start auch machbar. Um etwa an einen schmierigen Anwalt ranzukommen, müsst ihr erst via E-Mail eine Bewerbung bei der Kanzlei einreichen, euch einen schnieken Anzug zulegen und pünktlich zum Bewerbungsgespräch erscheinen, bevor die Uzi gezückt werden kann. Kennern der bisherigen GTA-Spiele bietet das Missionsdesign keine brachialen Überraschungen, aber auch keine Tiefpunkte: Das gewohnte Gangster-Spektrum wird optimal und abwechslungsreich abgedeckt.

Den gerade eben in einem Halbsatz abgehandelten E-Mails kommt übrigens sehr große Bedeutung zu: Auf allen Inseln gibt es »Tw@«-Internetcafes, in denen ihr gegen geringe Gebühr nach Herzenslust surfen dürft. Hier gibt es Nachrichten zu lesen (die oft genug von euch selbst gemacht werden)oder eine Partnerbörse zu durchwühlen, in der ihr Freundinnen und Freunde kennenlernen sowie kiloweise Körbe kassieren könnt. Ihr könnt überteuerte Klingeltöne für euer (Spiel-)Handy runterladen, einen Myspace-Klon durchforsten und

Liberty City ist eine gigantisch große Stadt - die wie keine andere das Gefühl vermittelt, tatsächlich mehr als nur leblose Kulisse zu sein.
jede Menge E-Mails schreiben. Neben diversem Spam warten auch Nachrichten von eurem Cousin und vielen Geschäftspartnern, ihr bekommt Autoklau-Anfragen und immer wieder mal eine Nachricht von Mutti, die sich nach eurem Zustand erkundigt - süß. Alleine dieser an sich völlig unnütze Bereich bietet mehr als genug Gelegenheit, viele Stunden sinnlos zu verblasen; großartig!

Das Geld liegt auf der Straße

Die GTA-Serie hat das »Sandbox«-Spielprinzip groß gemacht; die Art von Design, die dem Spieler die größtmöglichste Freiheit bei der Wahl der Vorgehensweise lässt. Wenn man GTA 4 spielt, wird man das Gefühl nicht los, dass all die bisherigen Teile, all die Innovationen und Ideen nur einen einzigen Zweck hatten: Perfektioniert in diesem Spiel zu landen. Denn wie gewohnt könnt ihr auch hier strikt dem roten Faden der Storymissionen folgen, die wichtigsten Personen kennenlernen, die wichtigsten Kills erledigen. Das Wort »durchhetzen« liegt nahe, wäre aber fehl am Platze: Mit einer Minimum-Durchspielzeit von 30 Stunden für den reinen Story-Modus verweist GTA 4 die meisten so genannten epischen Rollen- und sonstigen Spiele kalt lächelnd auf die Ränge.              

Aber das ist ja, wie gewohnt, nur die eine Hälfte, denn den weitaus größeren Teil eurer Zeit dürft ihr auch mit Nebenaufträgen verbringen. Außerhalb der Hauptstory kann Niko Bellic u.a. Folgendes tun: Darts spielen. Oder Pool. 

GTA 4 bietet euch eine Tonne an Freizeitaktivitäten - u.a. dürft ihr euch am Dartbrett austoben.
Arcade-Automaten benutzen. Bowlen. Straßenrennen fahren. Prostituierte anheuern. Klingeltöne einstellen. Im internen Internet surfen. Klamotten shoppen. Stand Up-Comedians stundenlang zusehen. Essen gehen. Einen Stripclub besuchen. Oder eine Kabarett-Show. Das »3D-Tetris« QUB3D zocken. »Unique Stunts« suchen und fahren. Flugratten suchen und erledigen. Spezielle Autos klauen und verticken. Verbrecher im Polizeicomputer suchen und jagen. Als Taxifahrer etwas Taschengeld nebenbei verdienen. Stundenlang fernsehen. Einen Ausflug im Helikopter machen. Oder im Powerboot. Und vieles, vieles, vieles, vieles mehr. Kann er. Muss er aber nicht.

Die Wunder der Kommunikationsgesellschaft

Eurem Handy, das ihr gleich zu Spielbeginn von Roman in die Hand gedrückt bekommt, kommt zentrale Bedeutung zu: Hier werden neue Kontakte gespeichert, Termine gemacht, SMS gelesen - ihr könnt sogar den Klingelton ändern und das Gerät auf Vibration schalten, woraufhin das Gamepad brummt, wenn ein Anruf kommt (und falls ihr gerade Radio hört, gibt es auch die typischen dabb-da-dabb-da-dabb-Störgeräusche). So weit, so unaufregend - das Großartige an dem Handy ist, wie es euer Sozialleben im Spiel bestimmt! Denn je mehr Personen ihr kennen lernt, desto mehr müsst ihr dafür sorgen, eben diese bei Laune zu halten. Klar könnt ihr eingehende Anrufe einfach ignorieren oder jede »Hey, lass uns mal einen Stripclub besuchen!«-Anfrage ignorieren. Aber irgendwann haben die Leute keine Lust mehr auf ständige Absagen und beschränken die Kommunikation mit euch auf ein absolutes Minimum - woraufhin euch die Geschenke entgehen, die sie euch zukommen lassen, wenn ihr richtige Freude seid! Der eine sorgt z.B. für kostenlose Taxifahrten, der andere hält jederzeit einen fröhlich schnurrenden Helikopter für euch bereit, der nächste sorgt für günstige Waffen. Die Kontaktpflege ist weit mehr als nur Makulatur, und wird entsprechend sorgsam präsentiert: Ruft ihr z.B. eure Freundin mitten in der Nacht an, gähnt sie euch am Telefon was entgegen und verweist euch murmelnd auf einen späteren Zeitpunkt. Es ist fast schon erschreckend, wie oft man mitten in einer Fahrt einfach 

Neben dem Auto ist das Motorrad euer wichtigstes Fortbewegungsmittel - außerdem dürft ihr noch mit Boot und Helikopter durch Liberty City brausen.
nur so das Handy zückt (die Bedienung ist sehr simpel gehalten) und sich Dinge wie »Och, ich könnte eigentlich mal wieder eine Runde Darts mit Little Jacob spielen« denkt. Bizarr. Aber großartig!

Aber allem technischen Schnickschnack zum Trotz dreht sich ein Spiel namens »Grand Theft Auto« nicht primär um das Telefonieren, sondern um das Klauen von Autos - Mittel zum Zweck, denn irgendwie müsst ihr ja zum Einsatzort und vor allem auch möglichst schnell von dort wieder weg kommen. Beides gestaltet sich weitaus schwieriger als vorher: Zum einen sind die Zivilisten, deren Autos ihr euch unter den Nagel reißt, nicht mehr die willfährigen Opfer wie noch in den vorherigen Teilen. Im Idealfall reißt ihr die Tür auf, fuchtelt ein wenig mit eurer Waffe herum, helft bei Bedarf noch mit einer gut gezielten Faust nach und braust davon. Wie gesagt - im Idealfall. Oft genug greift der Fahrer aber selbst zu den Waffen, zerrt euch wieder aus seinem Wagen und braust davon. Oder er hängt dermaßen an seiner Karre, dass er gar nicht loslassen möchte, selbst wenn ihr schon auf dem Highway seid. Hin und wieder passiert es auch, dass die künftig Beklauten einfach auf das Gaspedal steigen, sobald ihr zum Diebstahl ansetzt - das Allermindeste ist in jedem Fall ein herzhafter Fluch in eure Richtung.      

Die Bullen sind immer und überall

Habt ihr den Wagen, habt ihr auch ein viel größeres Problem: Die Polizei. Die sieht zum einen Diebstahl nicht gerne, so dass ihr besser keine Wagen klauen solltet, wenn ein Blaumann gerade in eurer Nähe spaziert oder ein Dienstwagen hinter euch parkt. Die Liste der grundsätzlichen »NoNo«s ist sehr lang, wildes Ballern in der Öffentlichkeit steht 

Der Autoklau ist nach wie vor elementarer Bestandteil des Spieldesigns - allerdings geben die Besitzer ihre Karren jetzt nicht mehr ganz so wehrlos her...
genauso darauf wie wilde Schlägereien oder Verweigerung der Obolus-Zahlung an der Brückenstation. Haben die Gesetzeshüter ein Auge auf euch geworfen, umgibt euch ein kleiner blauer Kreis, aus dem ihr relativ leicht entkommen könnt: So lange euch kein Cop zu sehen bekommt, flüchtet ihr einfach aus dem Radius, haltet kurz die Füße still und seid wieder ein freier Bürger. Falls ihr allerdings während eurer Flucht einem Polizeiwagen begegnet, zentriert sich der Kreis wieder um euch, das Spiel beginnt von vorn. Wie gewohnt wird euer Fahndungsstatus mit sechs Sternen visualisiert: Einer ist wirklich ein Klacks, zwei sind auch noch problemlos machbar. Ab dreien wird der Fahndungskreis schon sehr groß, und wenn ihr es irgendwie hinkriegt, so viel Chaos, Mord und Totschlag hinzubekommen, dass alle Armeen dieser Welt hinter euch her sind, dann ist das Spiel im Normalfall vorbei - der Kreis nimmt die halbe Karte in Beschlag, ein Entkommen ist de facto unmöglich, ihr werdet aus allen Richtungen unter Beschuss genommen, alle Einheiten feuern präzise und oft. Ihr könnt euch auch nicht mehr in ein beliebiges Haus retten und abwarten, wie das noch früher möglich war - die Bullen sind dieses Mal geduldig. In einer derartigen Situation kann nur noch ein guter alter »Pay'n'Spray«-Shop helfen, der aber mittlerweile nur noch die Karre umfärbt, wenn ihr beim Einfahren nicht von der Polizei beobachtet werdet - was bei einem derartigen Gesucht-Level ein Ding der Unmöglichkeit ist. In den Waffenläden dieser Welt könnt ihr euch wie gewohnt eine schusssichere Weste zulegen, frische Lebensenergie gibt es überall: Hier ein Biss in den Hähnchenschenkel, da ein  Haps vom Hot Dog, hier ein erfrischendes Schläfchen, da ein kurzer Kontakt mit einer Prostituierten...

Die Cops sind aktiver als je zuvor: Das neue Fahndungssystem erschwert die Flucht, die Gesetzeshüter sind sehr schnell mit der Waffe zur Hand.
Geht ihr also drauf, dann bedeutet das nicht wie früher den unvermeidlichen Griff zum vorherigen Savegame - lediglich wenn ihr von der Polizei erwischt werdet, werdet ihr aller wertvollen Waffen entledigt. In jedem anderen Fall wacht ihr vor einem Krankenhaus wieder auf, zwar etwas ärmer als zuvor, aber sonst vollständig erhalten. Wart ihr davor in einer Mission, erhaltet ihr eine SMS, die euch anbietet, das Vermasselte nochmal zu wiederholen, was in den allermeisten Fällen eine gute Idee ist. Allerdings müsst ihr das nicht immer tun: Geht euch ein Auftrag auf die Nerven, habt ihr u.U. die Möglichkeit, ihn einfach zu übergehen. Allerdings verbaut ihr euch im schlimmsten Fall mit derartiger Ignoranz zukünftige Missionen. Wenn z.B. eine Kontaktperson getötet wird und ihr damit kein Problem habt, dann wird ein folgender Missionsstrang mit der nun toten Person unmöglich gemacht - für gewissenhafte Durchspieler natürlich ein unhaltbarer Zustand! Darüber hinaus hat Rockstar aus früheren Frustmomenten gelernt und präsentiert euch ein durchdachtes Checkpunkt-System, das vor und nach jeder Mission automatisch den Spielstand sichert - allerdings, entgegen früheren Infos, nicht innerhalb längerer Aufträge. So oder so ist das Ganze eine erhebliche Erleichterung des Gangsterlebens, dessen Tagesabschluss jetzt nicht mehr darin bestehen muss, zurück ins »Safehouse« zu fahren und abzuspeichern. Obwohl ihr das natürlich auch nach wie vor tun dürft.

»Please make a u-turn when safe. Bing-bang.«

Die im Vergleich zu anderen Spielen zum Teil unfassbare Größe war von Anfang an eines der Markenzeichen der GTA-Serie, das in San Andreas auf die 

Die Liebe zum Detail ist in GTA 4 ausgeprägt wie in keinem anderen Spiel: Überall ist ständig etwas los, die Bewohner Liberty City gehen glaubwürdig ihren Tagesgeschäften nach.
Spitze getrieben wurde - wenn man alleine zum Umrunden der ganzen Spielwelt eine knappe halbe Stunde im Auto braucht, dann hat man etwas Gigantisches vor sich. Für GTA 4 hat Rockstar zwei Gänge zurückgeschaltet und »nur« eine ganze Stadt nachgebildet: Liberty City. Auch bekannt als »New Yorks Schwippschwager«, denn Touristenattraktionen, Straßenverlauf oder typische Gebäude kommen dem NY-Kenner verdächtig bekannt vor, wenn auch unter anderem Namen. Die Spielwelt an sich ist also kleiner als bisher, was aber relativ ist - denn sie ist weitaus dichter als zuvor, es gibt irre viel zu sehen und noch mehr zu befahren. Die jederzeit aufrufbare Übersichtskarte ist also wie gewohnt ein Segen, das brandneue GPS-System verleiht dem Ganzen den Heiligenschein: Ihr könnt jeden Punkt auf der Karte, ob Sehenswürdigkeit oder nicht, nach Belieben markieren, woraufhin euch eine auffällige Linie den optimalen Weg da hin weist - perfekt für Übersichtlichkeits-Noobs. Noch besser wird's in den etwas besseren Wagen, in denen ihr entweder von einer überenthusiastischen Männer- bzw. dezent gelangweilten Frauenstimme entsprechende Richtungsanweisungen angesagt bekommt.      

Das Ganze ist insofern ungemein nützlich, als dass Liberty City wirklich, wirklich groß ist und irre viel bietet: Die Stadt besteht aus dreieinhalb großen Inseln, die mit einander verbunden sind - der Serientradition folgend dürft ihr euch anfangs nur auf einer tummeln, die anderen werden nach und nach freigeschaltet. Das bringt neben aufgezwungener Übersichtlichkeit auch einen leider ebenfalls serientypischen Nachteil mit sich, nämlich den des unerwünschten Schwerverbrecherdaseins:

Die Figuren, deren ihr während der Story begegnet, sind zum Teil herrlich durchgeknallt. Wie hier im Bild gut zu sehen, dürft ihr Niko auch frische Klamotten verpassen - nicht so ausufernd viele wie noch in San Andreas, aber genug, um der Sache einen persönlichen Touch zu verleihen.
Wie in San Andreas gibt es unsichtbare Grenzen, die, wenn man sie überschreitet, was bei einem freiwilligen Ausflug im Heli oder einem unfreiwilligen über die Kante einer Brücke sehr schnell passiert, einem sofort sechs »Gesucht«-Sterne verpasst, was, wie bereits erwähnt, ein mittelsicheres Todesurteil ist. Das ist doof. Eine »Alter, dreh sofort um - du hast noch 20 Sekunden Zeit!«-Warnung wäre nett gewesen.

Niko und die Frauen

Rockstar Games ist eine Firma, die sehr viel Geld in Marktforschung investiert. Eines der Resultate dieser Spitzeleien war, dass die meisten Spieler die Massen an Personalisierungs-Möglichkeiten in San Andreas schlichtweg ignoriert haben. Resultat: Der »Pimp my wirklich alles«-Faktor wurde erheblich zurückgekurbelt: Ihr könnt nach wie vor Klamotten kaufen, aber deutlich weniger als zuvor. Es gibt kein Autotuning mehr, kein Bodybuilding, kein Fettwerden, kein Aufmöbeln der Motorradfahr-Skills. Dafür könnt ihr nach wie vor einige Freundinnen haben: Die lernt ihr entweder per Verkupplung von anderen Figuren oder per Internet kennt. Bevor sie euch allerdings auf einen »Warm Coffee« einladen, stehen euch diverse Dates ins Haus, die ihr via Handy ausmachen könnt und besser einhalten solltet - bei einer Verabredung sitzen gelassen zu werden soll ja bei Frauen nicht so irre gut ankommen. Die Auswahl der künftigen Gespielinnen ist bemerkenswert umfangreich: Von der naiven Jura-Studentin über die gelangweilte Porno-Darstellerin bis hin zur zuchtfreudigen Madam reicht die Auswahl.

Generell hat Rockstar Games mal wieder unter Beweis gestellt, dass keiner so gut herrlich kaputte Figuren auf die Reihe bekommt wie sie: Der unfassbar durchgeknallte Mikhail, die hysterische Wuchtbrumme Elizabeta, der völlig unverständliche Jamaikaner Little Jacob (mit seinem noch weitaus unverständlicheren Kumpel Badman), die Labertasche Roman, der das ist, was man im Englischen wohl als »Full of shit« bezeichnen würde oder der vor Testosteron nur so platzende Fitness-Junkie Brucie, der hibbeliger ist als ein Kolibri mit Red Bull-Überdosis, sind nur ein paar Beispiele aus dem reichhaltigen Fundus der Skurrilitäten. Und Niko? Der hat eine mysteriöse Vergangenheit in der Armee und behauptet von sich selbst, die englische Sprache nur schlecht zu sprechen. Aber er nutzt ohnehin andere Wege, um sich verständlich zu machen.

»We all make dumb things - that's what makes us human!«

Unabhängig vom Alter ist GTA 4 ein Spiel, das man auch genießen kann, wenn man nichts macht. Man muss es nur ansehen: Wie die Sonne auf dem Wasser glitzert. Oder der Mond, während man selbst in einem Motorboot die Stadt umkreist und ob der 

Die Fahrzeugsteuerung wurde gegenüber den Vorgängern komplett umgearbeitet: Es mag nun realistischer sein, erfordert aber auch mehr Gewöhnung.
beeindruckenden Skyline die Kinnlade kaum wieder hochgeklappt bekommt. Wie der Himmel die Umgebung anfangen sich zu verfärben, wenn ein Unwetter naht. Wie die Leute panisch die Jacken über den Kopf ziehen oder die Regenschirme auspacken, wenn dichter Regen einsetzt. Wie die vielen, vielen Leute und Fahrzeuge auf den Straßen miteinander interagieren. Wie Polizisten Streifzettel verteilen, wie morgens die Müllmänner ihre Runden drehen. Mir fällt kein anderes Spiel ein, in dem man sich irgendwo hinstellen und einfach abwarten und die Aussicht genießen kann, während um einen herum tatsächlich immer etwas Sinnvolles los ist! Weder Assassin's Creed  noch San Andreas  noch Crackdown haben ein Vergleichbar »echtes« Gefühl einer glaubwürdigen Großstadt auf die Fernseher bannen können, die nicht wie mit dem Lineal gezogen, sondern organisch, ungerade, ungehobelt wirkt - ein bemerkenswerter Aquariums-Effekt, gewissermaßen wie »Die Siedler« in der Großstadt. Allerdings hat diese Illusion auch ihre Grenzen: Es gibt z.B. nur eine sehr beschränkte Anzahl an Gebäuden, die man frei betreten kann - nicht mal Gaststätten oder Bars sind außerhalb spezieller Missionen bzw. Verabredungen mit Freunden nutzbar. Das ist nicht schlimm, aber es wirkt wie ein schwarzer Fleck auf einem makellosen Gemälde.       

Wie makellos das wirklich ist, merkt man gar nicht beim ersten Blick: Der ist ohne Frage beeindruckend, wird aber in der heutigen Zeit, in der es Prachtgrafik zu den Cornflakes gratis dazu gibt, niemanden spontan aus den Latschen kippen. Das passiert erst, wenn man die unendlich vielen Details bemerkt, die die Welt tatsächlich lebendig machen: Fährt man

Die Regeneffekte sind einfach wunderschön - nicht nur wegen der Dichte und des Pladderns, sondern wegen der toll gemachten Inszenierung, die schon mit den ersten aufziehenden Wolken anfängt.
z.B. einen Polizeiwagen und macht seine Sirene ein bisschen kaputt, ertönt nicht mehr das typische »Jaaaaaaaaaaauuuuuuuuuujaaaaaaaaaaauuuuu«, sondern eine wilde Kakophonie, an der Freunde von Zwölftonmusik ihre Freude hätten. Oder wenn man ins Wasser plumpst, schäumt es nicht nur gewaltig, es bilden sich auch große Wellen, die Niko erst einmal eine Weile schaukeln lassen. Oder man kann im Taxi verlangen, den Radiosender zu wechseln, auf den sich Niko dann auch namentlich bezieht. Oder wie anbetungswürdig die Straße bei Regen glitzert, während sich die Vehikel nicht nur deutlich schwerer steuern lassen, sondern auch dichte Gischtwolken hinter sich her ziehen. Oder die Visualisierung des Betrunken-Seins, die so drastisch noch in keinem Spiel dargestellt wurde: Nach einer ordentlichen Sauftour torkeln Niko und sein Begleiter wie Giraffen auf hoher See und kaum kontrollierbar durch die Gegend, das Bild wird irre verzerrt, man stolpert über die eigenen Beine. Ins Auto zu steigen ist schon aus Polizei-Gründen keine gute Idee, die Gesetzeshüter erkennen die typischen Schlangenlinien sofort - denn natürlich habt ihr keine Chance, auch nur ansatzweise geradeaus zu fahren. Also ist der Griff zum Taxi das Mittel zur Wahl, nur wird jetzt nicht gepfiffen, sondern ein dezentes »DÄÄÄÄÄÄGSIIIIIII!!11« von sich gegeben. Völlig durchgeknallt. Oder das Echtzeit-Intro, in das die Credits perfekt eingebunden sind. Das Schönste daran: Es wird nur zu Beginn ein Mal kräftig geladen und dann nur kurz zu Beginn und Ende der Missionen. Ansonsten steht euch die Stadt jederzeit in voller Größe zur Verfügung.

Und dabei haben wir noch nicht mal ein Wort an die jenseits von Gut und Böse befindlichen Zwischensequenzen verloren: Pedanten mögen ganz richtig bemerken, dass die Mimik der Figuren zwar gut, aber nicht so richtig irre ist. Stimmt schon. Aber alles andere ist pure Liebe: Das Skript, die Perfektion der Dialoge, die Sprecher, die unglaubliche Animationsfülle - all das lässt sich mit dem Wort »Geil!« ziemlich zutreffend zusammenfassen. So etwas gab es bisher einfach nicht zu sehen. Und ich möchte wetten, dass es das so schnell auch nicht wieder geben wird. Die Qualität, die Liebe zum Detail ist einfach unerreicht. Generell hat man keine Wahl, als z.B. auch die Sprachausgabe mal wieder in den

Die Zwischensequenzen sind fantastisch inszeniert, die Dialoge exzellent geschrieben, die Dramaturgie lässt keine Wünsch offen. Mehr als je zuvor brilliert GTA als spielbarer Actionfilm.
höchsten Tönen zu loben: So viele Sprecher, so viel zu sprechen, und alles in derartig hoher Qualität - Wahnsinn! Der englischen Zunge nicht mächtige Zeitgenossen sollten sich nicht nur schämen, sondern können auch solide deutsche Untertitel aktivieren, die Sprachausgabe bleibt in jedem Fall Englisch. Oder besser: »Fremdsprachig«. Denn hier gibt es verdammt viele Sprachen zu hören: Englisch, Russisch, Deutsch, Jamaikanisch (dochdoch, glaubt mir - wenn ihr Little Jacob mal gehört habt, dann akzeptiert ihr das als eigene Sprache!) und viele mehr versorgen euer Gehirn mit einem Informations-Overkill. Bemerkenswert ist, dass für Standardsituationen wie eine lange Autofahrt zu einer Mission mehrere Dialoge aufgenommen wurden: Während ihr früher nach einem fehlgeschlagenen Versuch immer dieselben Sprüche zu hören bekamt, gibt es jetzt mehr Abwechslung. Nicht sehr viel mehr, aber mehr als vier Versuche für eine Mission sollte man ohnehin nicht brauchen. Und falls euch das immer noch nicht reicht, dann wird euch vielleicht die Info den Rest geben, dass ihr mittlerweile unter 18 Radiosendern wählen könnt, die nicht nur mehr als 200 Songs, sondern auch jede Menge der mittlerweile berühmten DJ-Sprüche, Anrufer und vor allem Werbungen spielen. Persönliche Highlights: babiesovernight.com (»Nine months is just too long! Have you seen what vaginas look like after having a baby?«), und »America's Top Hooker«. Wer keine Lust auf Sprüche und Musik hat, kann das Ganze auch komplett abschalten - aber warum sollte man etwas derart Verwerfliches tun? Vielleicht, wenn man großer Drum-n-Bass-Fan ist, diese Musikrichtung kommt dieses Mal nämlich zu kurz. Ansonsten wird wirklich jeder Geschmack bedient, vom Speed Metal zum Jazz, vom russischen Pop (Vladiwostok FM!) zum Gangsta-Rap.         

Ich kann fliegen!

Obwohl ihr auch Boote fahren und Helikopter fliegen könnt, verbringt ihr doch die meiste Zeit in Autos bzw. auf Motorrädern. Die Vehikel, deren Design deutlich von bekannten Marken inspiriert ist, ohne deren Namen zu tragen, sind wunderschön modelliert, reflektieren die Umgebung in Echtzeit und verfügen über ein glaubwürdiges Schadensmodell - das geht sogar so weit, dass ein schwerer Crash die Karre komplett absaufen lässt. Und obwohl das Fahrmodell weit von Realismus-Schwergewichtigen wie Forza oder Gran Turismo entfernt ist, distanziert es sich auch deutlich von dem Arcade-Modell der Vorgänger: Die Vehikel steuern sich deutlich anspruchsvoller, besonders die Benutzung der Handbremse will mittlerweile wohl überlegt sein; war früher ein

Eine Seefahrt, die ist technisch beeindruckend: Die Wassersimulation in GTA 4 ist besser als je zuvor; es schwappt und blubbert herrlich erfrischend.
Hochgeschwindigkeitsturn in eine 90°-Kurve kein Problem, bewirkt dieselbe Aktion mittlerweile eine heftig rotierende Karre. Vielleicht sogar schon etwas zu übertrieben, wie ich finde. Immerhin zwingt einen dieser neu gewonnene Realismus zu etwas mehr Zurückhaltung auf dem Gaspedal und mehr Kontrolle. Motorräder betrifft das logischerweise genauso: Ein Wheelie ist mittlerweile ein Kraftakt, besonders, wenn er mehr als zehn Meter betragen soll. Und wer mit Höchstgeschwindigkeit die Stabilität einer solide wirkenden Mauer testen will oder in ein parkendes Fahrzeug rast, kann interessiert verfolgen, wie die Gesetze der Physik auf dem brachial durch die Luft geschleuderten und von einem heftigen Schrei begleiteten Körper von Niko wirken. Gewinnt die Schwerkraft schließlich die Oberhand, purzelt Niko wie ein tentakeliger Sack auf die Fahrbahn, wird meterweit herumgerollt und bleibt schließlich als verknotetes Häufchen Fleisch auf der Straße liegen. Immerhin war der direkt davor gezeigte Geschwindigkeits-Verzerreffekt wirklich beeindruckend. PS3-Spieler haben immer wieder die Gelegenheit, statt den Analogstick per Sixaxis die Kontrolle zu übernehmen: Wheelies ausführen, Helikopter fliegen oder eine Bowlingkugel werfen. Es funktioniert zwar besser als bei Spielen wie Lair, ist aber dennoch nicht optimal - mit den Sticks seid ihr in allen Fällen besser beraten. Apropos PS3: Vor dem Spielen steht die mittlerweile übliche Installation, die eurer Festplatte knapp drei GB Platz klaut. Das Datenschaufeln geht aber schnell vonstatten, außerdem verkürzt das Ganze die späteren Ladezeiten ein wenig.

GTA 4 brilliert mit wunderschönen Effekten - die sorgen allerdings dafür, dass die Geschwindigkeit gelegentlich in die Knie geht.
Natürlich ist nicht alles das Schönste vom Schönsten: Bei hoher Geschwindigkeit oder vielen Explosionen auf dem Bildschirm geht die Framerate schon spürbar in die Knie. Die GTA-typischen Streaming-Probleme, die dafür sorgen, dass sich manche Straßen als verwuschelter Matsch präsentieren oder gelegentlich Personen und Gegenstände wie durch Zauberhand mitten im Bild erscheinen, gibt es ebenfalls nach wie vor. Und die an sich beeindruckenden Echtzeit-Schatten sind etwas krümelig, was auf weite Distanz für ein etwas unruhiges Bild sorgt - jedenfalls auf der 360. Die PS3-Schatten sind weicher, das Anti-Aliasing wirkt intensiver, dafür kommt mir das Bild einen Tick ruckeliger vor; allerdings nicht in Dimensionen, die den Spielspaß beeinträchtigen würden. Außerdem müssen PS3-Gangster mit etwas weniger kraftvollen Farben leben, das 360-Bild wirkt in sich harmonischer. Doch das sind Kleinigkeiten, im Großen und Ganzen sehen beide Spiele identisch aus. Unabhängig von der Plattform ist das Spiel ziemlich dunkel, auch tagsüber gibt es einige Missionen, die ohne zugezogene Vorhänge kaum spielbar sind - ich empfehle nachdrücklich, die Helligkeit im Optionsmenü hochzuschrauben. Und schließlich ist Niko selbst zweifelhaft animiert: Grundsätzlich ist er sehr langsam unterwegs. Etwas schneller wird's mit dem Trab, noch flotter geht's mit dem kurzen Sprint voran - der allerdings sieht aus, als würde Niko all seine Waffen im Rektum mit sich führen.

Der Hangelmeister

In Sachen Steuerung ist grundsätzlich alles beim Alten - allerdings gibt es ein paar Neuzugänge. Nummer eins ist das Kontersystem: Mit gutem Timing könnt ihr einem Nahkampfangriff ausweichen und eine mächtige Konterattacke zurückgeben; prinzipiell eine praktische Sache, allerdings kommt es nur selten tatsächlich zum Nahkampf. Zweitens gibt es jetzt zwei Zielmethoden, automatisch und manuell. Bei

Ihr könnt neuerdings hinter jedem soliden Objekt Deckung suchen, und sowohl gezielt als auch blind daraus feuern.
Ersterer zieht ihr den linken Trigger komplett durch, der nächstbeste Gegner wird ins Visier genommen, um das Fadenkreuz herum seine Lebensenergie eingeblendet - per Richtungsangabe mit dem linken Stick könnt ihr unterschiedliche Körperteile anvisieren, mit dem rechten Hebel wechselt ihr zum nächsten Feind. Bei der anderen Variante haltet ihr die Taste nur halb gedrückt, könnt dafür aber auch völlig frei zielen; das ist allerdings nicht nur ziemlich unpraktikabel, sondern auch dezent sinnlos.

Neuerdings dürft ihr auch einen großen Teil der Umgebung als Deckung nutzen: Ein Druck auf den rechten Schulterbumper, und schon klettet sich Niko an das Nächstbeste, was solide genug aussieht, um ihm Schutz zu geben. Von hier aus könnt ihr gezielt oder auch blind feuern, was den Gefechten eine unerwartet taktische Note verleiht. Ähnliches könnte man auch von der Möglichkeit sagen, aus dem Auto in alle Richtungen feuern können - würde man aber nicht, da sich das sehr fummelig steuert und dankbarerweise auch kaum gebraucht wird. Genauso wenig wie das Hangeln und Schwimmen.      

Findige Fans hatten schon der PC-Version von GTA 3 neben einem Haufen cooler Mods auch einen rudimentären Mehrspielermodus auf den Leib geschneidert, im Laufe der Zeit wurde auch Rockstar selbst aktiv: San Andreas bot einige Koop-Missionen, auf der PSP gab's bei Liberty City Stories  schließlich einen echten Modus für bis zu sechs Spieler, die mit Autos, MGs und Raketenwerfern gegeneinander antreten durften. Insofern ist die Nachricht, dass GTA 4 jetzt von Haus aus auch mit Multiplayermodus daherkommt, nur eine mittelschwere Sensation. Aber: Die Entwickler haben da alles reingepackt, was bislang möglich war, und mal kräftig umgerührt!

Im Mehrspielermodus dürfen bis zu 16 Online-Gangster in fast ebenso vielen Spielvarianten gegeneinander antreten.
Da es in GTA 4 kein Hauptmenü gibt, in dem »Multiplayer« stehen könnte, wählt ihr den Mehrspielerspaß in der Story vom Handy aus. Falls ihr keine Ahnung habt, was dieser ganze Schnickschnack mit vielen Menschen sein soll, könnt ihr euch kurzes Tutorial geben, das aber im Normalfall so nützlich wie ein Gürteltierkatapult ist. Unter einem separaten Menüpunkt dürft ihr euer virtuelles Alter Ballero noch ein wenig personalisieren, dann geht's auch schon nach Onlineistan: Satte 14 Spielmodi erwarten eure Aufmerksamkeit. Standards wie (Team-) Deathmatch oder Rennen (auch mit Waffeneinsatz) bedürfen wohl kaum näherer Erläuterung, auch »Turf War« ist nur ein neuer Name für das gute alte »Domination« - ihr besetzt wie in Battlefield 2142 markierte Gebiete; das Team, das schlussendlich mehr in seiner Gewalt hat, gewinnt. Kreativere Spielvarianten sind da schon »Car Jack City« (wo ihr spezielle Autos klauen müsst) oder »Cops'n Crooks«, wo ein Team entkommen muss, während die Aufgabe des anderen ist, genau das zu verhindern. Je besser ihr euch in den einzelnen Spielen anstellt, desto mehr Geld gibt es in der Schlussabrechnung - und je mehr Geld ihr habt, desto schneller steigt ihr im Online-Rang auf.

Von Gangsterhand zu Gangsterhand

Die meisten Spielmodi erlauben die Anwesenheit von bis zu 16 Pixelgangstern. Als Host habt ihr viele Möglichkeiten: Ihr könnt die Größe der Karte variieren (Liberty City in seiner Gesamtheit zu nutzen ist zwar möglich, aber kaum sinnvoll), könnt das automatische Zielen deaktivieren, Zivilisten auf den Straßen erlauben oder in Rennen eine bestimmte Fahrzeugklasse festlegen. Drei spezielle Modi sind lediglich für maximal vier Spieler ausgelegt, die dann aber auch kooperativ arbeiten müssen: In »Hangman's NOOSE« ist es z.B. eure Aufgabe, einen Verbrecherboss auf dem Flughafen vor heranstürmenden

Einige spezielle Modi sind nur für vier Spieler, die allerdings kooperativ Missionen gegen die KI erfüllen müssen.
Spezialeinheiten zu beschützen. Klappt das eine Zeit lang, muss einer ein Fahrzeug besorgen, woraufhin das gesamte Team reinspringt, und sich zur sicheren Zone durchkämpfen muss, die logischerweise am anderen Ende der Karte liegt. Drei Schwierigkeitsgrade sorgen hier genauso für eine ordentliche Herausforderung wie in »Bomb Da Base II«: Auch hier müsst ihr zusammenarbeiten; erst einen Transporter mit Sprengstoff kapern, mit dem dann in einen Helikopter springen und zu einem Schiff fliegen. Dort teilt ihr euch auf und kämpft euch zu zwei Punkten durch - platziert ihr hier das Explosivmaterial, habt ihr den Sieg in der Tasche. Was kein Kinderspiel ist, denn pro Nase habt ihr nur wenige Leben.

Einige Mehrspielermodi sind echte Gewinner, andere weniger. Gerade die Deathmatch-Varianten kranken daran, dass a.) man jederzeit sehen kann, wo die Gegner sind (was das Überraschungselement nimmt) und b.) einige Waffen übermächtig sind - wer z.B. das Scharfschützengewehr kassiert und sich auf eine Anhöhe stellt, ist von anderen Waffen nur schwer zu treffen. Immerhin stimmt die Technik: Selbst wenn die Kader bis zum letzten Platz gefüllt sind, ist kein Lag oder Ruckeln bemerkbar.

Fazit

Jede Dekade, jede Spielergeneration bekommt IHR Spiel: Einen Ausnahmetitel, wie es ihn nur ein Mal gibt, ein Game, von dem man auch in folgenden Generationen noch schwärmen wird - Spiele wie Tetris, The Secret of Monkey Island oder Doom, die ein Genre entscheidend prägten und für immer in die Spielgeschichte eingingen. Und wenn nicht in den nächsten beiden Jahren durch irgendeinen Zufall Duke Nukem Forever erscheint und alles wegrotzt, was irgendwie mit interaktiver Unterhaltung zu tun hat, dann verwette ich meine drei Nieren, dass GTA 4 diese Ehre zuteil wird. Es ist groß, es ist breit, es ist laut, es ist tief, es ist episch, es ist... brillant! Im Test von San Andreas schrieb ich »San Andreas ist ein Ohne-Wenn-Und-Aber-Muss für jeden Actionfreund; ein zynisches Meisterwerk jenseits von Gut und Böse, ein Game, das man eigentlich nur kniend spielen dürfte.« - und dieses auch heute noch sehr gute Spiel verblasst gegen GTA 4! Die Detailverliebtheit, die bizarren Figuren, die irrsinnigen Massen an Nebentätigkeiten, die brillanten Dialoge, die perfekt inszenierten Zwischensequenzen - es dürfte gegenwärtig und auch auf lange Zeit hinaus kein Spiel geben, das derart vor Genialität und Wahnsinn strotzt. Es hat seine Macken, genau genommen die gleichen Macken, die bislang noch jeden Teil plagten. Und man mag auch gerne negativ anmerken, dass sich die Reihe spielerisch seit dem dritten Teil eigentlich kaum weiterentwickelt hat. Stimmt. Aber das ist mir so egal wie nur selten zuvor - ich brauche ohnehin schon seit langem neue Knieschoner. GTA 4 bietet euch eine perfekt designte, durchgestylte, beeindruckende Welt; einen grimmigen und beispiellosen Atmosphäre-Overkill.

Was würde herauskommen, wenn sich zwei Regie-Schwergewichte wie Michael Bay und Martin Scorsese zusammen täten, um ein Drehbuch zu schreiben? Vermutlich so etwas wie Grand Theft Auto 4. Der erneute Abstecher in die Stadt der Freiheit ist ein dramaturgisches Meisterwerk, in dem die ausgefeilten Charaktere rund um Niko Bellic ein düsteres Bild des amerikanischen Traums zeichnen. Neben glaubhafter Mimik und exzellenter englischer Sprachausgabe ragt ein weiteres Merkmal heraus: Die lebendige, atmende Stadt Liberty City, die mit ihren unterschiedlichen Stadtvierteln den perfekten Hintergrund für die mal wuchtige, mal melodramatische Story sowie die im Vergleich zu den Vorgängern bodenständigere Action bietet. Angesichts dieser erzählerischen Kraft nehme ich technische Mankos wie Fade-Ins oder Pop-Ups sowie die ständig an der Untergrenze des Erträglichen schrammende Bildwiederholrate in Kauf. Ebenso kann ich über kleinere spielerische Inkonsequenzen oder den insgesamt eher zaghaften Fortschritt der altbekannten Spielmechanik hinwegsehen. Denn es gibt immer etwas zu tun, immer etwas zu sehen: Die Missionen motivieren und selbst eine halbe Stunde an einer Kreuzung auszuharren und die Bevölkerung zu beobachten, macht Laune. Bemerkenswert ist auch, dass Grand Theft Auto zwar aus seinen poppigen »Over the top«-Kinderschuhen herausgewachsen ist, aber der kennzeichnende beißende Humor sowie die Anspielungen auf moderne Pop-Kultur sind nach wie vor erkennbar. Ist das neue Rockstar-Epos das definierende Spiel für diese Konsolen-Generation, wie EAs John Riccitiello vor einigen Wochen mutmaßte? Dafür sind Xbox 360 und PS3 meiner Meinung nach immer noch zu jung, noch zu weit weg von technischer Perfektion. Fest steht allerdings, dass GTA IV es wieder einmal geschafft hat, meine Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern sie sogar zu übertreffen: Der Ausflug nach Liberty City setzt neue Standards, an denen sich manch zukünftiges Open World-Spiel messen lassen muss.

Pro

gigantischer Umfang
dichte, glaubwürdige Welt
coole Story
über weite Teile fantastisches, nicht-lineares Missionsdesign
brillant inszenierte Zwischensequenzen
beeindruckende Dramaturgie
einige sehr witzige Mehrspielermodi
technisch solider Online-Modus
schweinecoole Dialoge
fantastische (englische) Sprachausgabe
großartige Grafik
hervorragende Animationen
intuitive Steuerung
hervorragender Soundtrack
rasantes Geschwindigkeitsgefühl

Kontra

krümelige Echtzeit-Schatten (360)
gewöhnungsbedürftige Fahrzeugsteuerung
fummelige Waffennutzung aus Fahrzeugen heraus
spürbare künstliche Grenzen

Wertung

360

PlayStation3

GTA 4 bietet eine perfekt durchgestylte, beeindruckende Welt, einen beispiellosen Atmosphäre-Overkill. Ein Action-Meilenstein!

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