Im Test: Chaotischer Tentakelterror
Der wabbelige Wahnsinn geht weiter!
Einst war es nur ein bizarres Studentenprojekt – jetzt haben die Entwickler ihrem wackeligen Helden ein „ausgewachsenes“ Spiel gewidmet. Octodad: Dadliest Catch (ab 13,99€ bei kaufen) ist bereits der zweite Teil der Kraken-Saga. Wer den kostenlosen Vorgänger ausprobiert hat, bemerkt sofort, dass sich der väterliche Held mittlerweile ein ganzes Stück geschmeidiger steuern lässt. Natürlich ist es immer noch eine gewaltiger Balanceakt, durch den Alltag zu torkeln – darauf basiert schließlich die Herausforderung.
Das Spiel beginnt am größten Tag des Protagonisten: Nachdem er sich eine Scheinidentität als menschlicher Familienvater aufgebaut hat, will er nun vor den Traualtar treten. Auf dem Weg dorthin stehen natürlich jede Menge wackelige Dinge, die für einen Oktopus zu sensiblen Hindernissen werden: Gedeckte Tische, Geschenke, Spiegelrückwände – all das zerlege ich auf meinem Weg versehentlich mit den herumwabbelnden Tentakeln.
Glibbriger Balanceakt
Die Steuerung erinnert an den Comedy-Klassiker „Ministry of Silly Walks“ aus Monthy Python’s Flying Circus. Behutsam strecke ich abwechselnd das linke und rechte Hosenbein in die Luft, in die das Weichtier seine knochenlosen Tentakel gezwängt hat. Der linke Trigger hebt das linke Bein, der rechte das andere. Dann muss ich bloß noch den linken Stick nach vorne bewegen und schon stolpert der Krakenvater elegant vorwärts.
Das chaotische Herumspinnen gehört zu den unterhaltsamsten Elementen und wird zum Glück nur dann bestraft, wenn ich mich extrem dämlich in der Öffentlichkeit anstelle. Ein paar versehentliche Tritte ins Gesicht anderer Figuren und schon füllt sich die Tintenanzeige. Ist sie voll, löst das aber keinen Alarm aus wie in einem Schleichspiel. Stattdessen geht es zurück an einen der großzügig verteilten Checkpoints.
Multifunktions-Saugnapf
Lustig ist auch das Grabschen mittels Saugnapf: Ich kann mit einer Hand-Tentakel vor mir herumrudern und per Knopfdruck Dinge greifen. Dann öffne ich Türen, verschütte die Hälfte des Kaffeepulvers auf dem Weg zur Maschine oder schleife irgendwelchen nutzlosen Krempel mit mir herum, den ich versehentlich mit dem Saugnapf erwischt habe.
Geschicklichkeit statt Schleich-Einlagen
Schade, dass die Schleichsequenzen so simpel gestrickt sind: Meist muss ich lediglich über einen sichtgeschützten Umweg balancieren oder z.B. durch Tricks einen Alarm auslösen. Trotzdem macht es Spaß, kurzzeitig wie Solid Snake unter einer Kiste umher zu watscheln. Ab und zu gestaltet sich die Action übertrieben fummelig, z.B. im Bosskampf gegen den fiesen Koch, der Octodad ständig verfolgt.
Auch beim Erklimmen einer Rolltreppe musste ich die Tentakeln wie ein Gestörter nach vorne wuchten, um sie schnell genug in die Höhe zu schleudern. Solche Momente nerven zwar, rufen allerdings auch ins Gedächtnis, dass alltägliche Dinge wie Treppen für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte zur mühsamen Barriere werden können.
Alberne und leise Töne
Meist bewegt sich der Schwierigkeitsgrad aber ohnehin auf einem einsteigerfreundlichen Level. Wer mehr Herausforderung braucht, kann versteckte Objekte suchen oder die Levels mit Timer in Rekordzeit meistern. Oder aber man zerrt einen Freund vor die Konsole und steuert den Kraken gemeinsam. Einer hebt das linke Bein, der andere das rechte. Das gestaltet sich zwar noch wackeliger als ohnehin schon, sorgt aber für ein lustiges Wirrwarr und panische Kommandos. Sind genügend Freunde und Controller vorhanden, kann man sogar zu viert loslegen.
Gelungene PS4-Umsetzung?
Technisch müssen PS4-Besitzer leider leichte Einbußen in Kauf nehmen: Trotz der von Haus aus etwas kargen 3D-Kulissen kommt es ab und an zu leichten Ruckel-Einlagen, so z.B. im Supermarkt. Auch die Schattenkanten wirken auf der Konsole ein wenig unsauberer. Inhaltlich gleichen sich beide Fassungen bis auf Details. Die Maussteuerung fällt auf der PS4 natürlich weg. Ein großer Verlust ist das aber nicht: Schon auf dem PC flutschte das Laufen mit den L- und R-Triggern des Controllers ein wenig intuitiver. Ein größerer Einschnitt ist das Wegfallen der User-Levels, die man sich auf dem PC aus dem Steam-Workshop herunterladen darf. Neu dabei hingegen die Move-Steuerung, welche wir mangels PS4-Kamera noch nicht ausprobieren konnten.
Fazit
Glückwunsch an die Young Horses: Beim ersten Blick auf den Trailer habe ich Octodad als albernes Experiment abgehakt, doch der charismatische Kraken hat mich positiv überrascht. Nach einer Gewöhnungsphase ist es herrlich durchgeknallt und herausfordernd, mit dem wackeligen Mollusken durch den Alltag zu torkeln und ganz nebenbei die halbe Welt auseinanderzunehmen. Ab und zu wird der Spießroutenlauf zwar zu fummelig; meist überwiegt aber die Freude über das Bezwingen zerbrechlicher Gerüste und über Octodads albernes Geblubber. Auch in der Geschichte kommt es trotz allem Slapstick immer wieder zu rührenden Momenten, in denen mir Octodad und seine Familie ans Herz gewachsen sind. Das Spiel ist zwar kein ausgewachsener Randale-Simulator wie Rabbids Go Home, aber als kurzer Arcade-Snack hat er aber für richtig gute Laune gesorgt. Bei der Umsetzung hätten sich die Entwickler aber ruhig etwas mehr Mühe geben können - kleine Ruckeleinlagen auf der PS4 sollten bei technisch derart schlichten Kulissen nun wirklich nicht nötig sein.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Durchgeknallt, knifflig und liebenswert: Der wacklige Balanceakt auf acht Beinen ist eine Riesengaudi - trotz einer nicht optimalen Umsetzung.
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