Under Night In-Birth - Exe:Late22.02.2018, Michael Krosta

Im Test: Eine schwierige Geburt

Under Night In-Birth – Exe: Late – uff, was für ein sperriger Name! Aber zumindest „Late“ scheint in dieser experimentierfreudigen Wörter-Anreihung treffend, denn die PS4-Version ist in der Tat spät dran: In der Spielhalle trafen die Animé-Recken zur „Hollow Night“ schon im Jahr 2012 aufeinander, die Umsetzung auf die PS3 erfolgte in Japan zwei Jahre später - also zu einem Zeitpunkt, als die PS4 bereits existierte. Doch erst jetzt hat es Arc System Works geschafft, den Prügler für die aktuelle Sony-Konsole in den Kampf zu schicken. Lohnt sich ein Blick?

Ich versteh nur Bahnhof

Schon das Intro dürfte japanophile Prügelfans in Verzückung versetzen: Stilecht wird hier die Riege an Anime-Kämpfern vorgestellt und dabei von typischen J-Pop-Klängen (inklusive Gesang) begleitet. Viel von der Hintergrundgeschichte rund um die Hollow-Night erfährt man hier noch nicht, die sich um „Voids“ genannte Schattenwesen und ihrer Suche nach einer Kraft namens „Existence“ (EXS) dreht. Dazu attackieren sie besondere Menschen, die ihre Präsenz wahrnehmen können. Sind sie erfolgreich, werden die Opfer entweder vollkommen von den Voids aufgesogen oder verlieren ihren Verstand. Die wenigen, die den Angriffen widerstehen können, werden In-Birth genannt. Sie existieren fortan in einer Ebene zwischen Leben und Tod, bekommen im Gegenzug aber die Fähigkeit, EXS zu kontrollieren. Zusätzlich gibt es drei Fraktionen: Während die Yato-Kämpfer in erster Linie die Voids jagen und Mitglieder von Licht Kreis Zivilisten schützen wollen, stellt die Organisation „Amnesia“ sich der angestrebten Ordnung von Yato und Licht Kreis mit Chaos und Anarchie entgegen.

Für Spezialattacken muss die EXS-Leiste gefüllt sein.

Warum die Geschichte so wichtig ist? Weil sich Under Night In-Birth nicht nur als einfaches Beat'em-Up versteht, sondern die Prügeleinlagen mit einer Visual Novel kombinieren möchte. Tatsächlich wird im storyfokussierten Arcade-Modus mit seinen zehn Stufen pro Figur ungewöhnlich viel Hintergrund geboten und jeder der 16 Kämpfer/innen des Aufgebots verfolgt eigene Motive und Verstrickungen mit anderen Charakteren. Das Problem dabei: Stürzt man sich ohne Vorkenntnisse umgehend in die Arcade-Klopperein, wird man am Anfang rein gar nichts von der Handlung verstehen – und das nicht nur, weil die Akteure ausschließlich Japanisch reden und es lediglich englische, aber keine deutschen Untertitel gibt. Aber da wird in den Zwischensequenzen mit Namen, Gruppierungen und Ereignissen jongliert, dass einem zunächst schwindelig wird. Der rote Faden kristallisiert sich erst langsam raus, wenn man mit mehreren Figuren den Arcade-Modus durchspielt – und selbst dann gibt es noch Momente, in denen man sich fragen dürfte, ob die Storyschreiber das alles ernst meinen können. Da verfolgt also eine Tussi ihren „Loverboy“, der ihr die Unschuld geraubt und sich nach der gemeinsamen Nacht einfach aus dem Staub gemacht hat? Und das alles, um ihre Jungfräulichkeit wieder herzustellen? Oooookay...

Neuer Story-Modus

Um hinsichtlich Geschichte und Hintergründe zu den Figuren etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hat Entwickler French Bread der PS4-Umsetzung einen neuen Story-Modus spendiert. Hier warten in den zahlreichen Kapiteln unfassbar zähe Dialoge und Monologe, mit denen man das Universum und seine Charaktere den Spielern näher bringen will. Mich konnte dieses ausschweifende und belanglose Gelaber in Kombination mit den langweiligen Standbildern überhaupt nicht abholen. Trotzdem ist der Story-Modus eine gute Sache für all diejenigen, die tiefer in die Materie eintauchen wollen. Zumindest wird ihnen hier die Möglichkeit dazu gegeben, die man auf der PS3 noch vergeblich gesucht hat.     

Der Sprung ins kalte Wasser

Die Geschichte rund um die illustren Charaktere ist oft viel zu wirr - gerade am Anfang versteht man rein gar nichts.

Ähnlich verwirrend wie die Geschichte präsentiert sich zunächst das Kampfsystem: Zwar teilt man mit den leichten, mittleren sowie schweren Standardangriffen schon ordentlich aus und schafft es auf dem Standardschwierigkeitsgrad auch mit Button-Mashing in Kombination mit geschicktem Blocken recht problemlos ins Finale. Doch für die Feinheiten muss man nicht nur die Move-Liste für jeden Charakter verinnerlichen, sondern auch die vielen Anzeigen abseits der Gesundheit verstehen. Hier ließ einen das Spiel auf der PS3 noch im Stich: Zwar gab es abseits von Arcade-Modus, Versus-Kämpfen (gegen KI oder andere Spieler) und üblichen Verdächtigen wie Time Attack (Kämpfen gegen die Uhr), Score Attack (Kämpfen für Punkte) oder Survival (Überleben mit wenig Gesundheitsregeneration) auch einen Trainingsmodus, doch ein echtes Tutorial suchte man dort vergeblich. Bei French Bread und Arc System Works ist die berechtigte Kritik daran angekommen: Auf der PS4 bekommt das Fighting Game endlich einen Modus, in dem man Schritt für Schritt in das Kampfsystem mit seinen speziellen Leisten und Moves eingeführt wird. Dazu zählt zum einen die EXS-Leiste für das Auführen bestimmter Attacken. Die dynamische GRD-Anzeige ist dagegen dafür gedacht, einen offensiven Spielstil zu fördern, denn nicht nur mit Angriffen, sondern z.B. auch Vorwärtsschritten streiten beide Kontrahenten um die insgesamt zwölf Blöcke, die den Attacken im „Vorpal-Zustand“ mehr Kraft verleihen. Zwar kann man auch ohne diese Details Spaß an der Prügelei haben, doch erst mit der Einbeziehung dieser Feinheiten hebt man sich von den den Kampfsystemen vieler Mitbewerber ab und verpasst ihm darüber hinaus eine taktischere Note sowie die offensiv geprägte Ausrichtung, die Angriffsfreude weiter belohnt. Wie so oft in Prügelspielen gilt auch hier: Es ist einfach zu lernen, aber schwer zu meistern.

Abwechslungsreicher Kader

Darüber hinaus weiß auch das Aufgebot an Kämpfern zu überzeugen, denn die Jungs, Mädels und Kreaturen haben alle ihre Vor- und Nachteile hinsichtlich Kraft, Geschwindigkeit und Reichweite – entsprechend unterschiedlich fühlen sie sich an. Dabei kämpfen viele von ihnen nicht nur mit Händen und Füßen, sondern schwingen auch Waffen wie (Twin-)Schwerter oder nutzen außergewöhnliche Fähigkeiten: Carmine kann z.B. Blut kontrollieren und zu gefährlichen Stacheln formen, während Merkava seinen flatternden Monster-Körper ungewöhnlich dehnen und verändern kann. Alle Figuren stehen von Anfang an zur Verfügung. Darüber hinaus lassen sich über Ingame-Punkte aber auch zahlreiche alternativen Outfits und sogar zusätzliche Menü-Designs freischalten. Darüber hinaus finden sich im PSN Store aber auch eine Reihe an möglichen Mikrotransaktionen, um die Farbpalette und Stimmenoptionen für die Figuren zu erweitern. Allerdings bleibt es bei diesen kosmetischen Inhalten und man kann sich keine Vorteile durch den Echtgeldeinsatz erkaufen.

Während die Sprite-Figuren klasse aussehen und gut animiert wurden, enttäuschen viele Hintergründe durch ihr einfaches, lebloses und grobes Design. Street Fighter II hatte diesbezüglich schon in den Neunzigern mehr zu bieten. Trotz der erhöhten Auflösung wirkt sich auch auch auf der PS4 die Textdarstellung in manchen Bereichen negativ aus: Zwar lassen sich die Untertitel in den Story-Passagen einwandfrei lesen, doch geht es z.B. um die Kästen mit

Nur dumm rumstehen? Keine gute Idee: Das Kampfsystem belohnt offensive Aktionen.

Hintergrundinfos zu den Charakteren, hilft nur der Griff zur Lupe. Und dazu noch ein schneller Griff, denn viele der Einblendungen verschwinden extrem flott, bevor man überhaupt eine Chance hat, sie zu lesen. Durch die Flut an Informationen im neuen Story-Modus lässt sich dieser Umstand auf der PS4 aber eher verschmerzen.  

Gute Online-Performance

Zwar geht nichts über lokale Reibereien, doch zum Glück bietet der Online-Modus hier eine gute Alternative: Wie manch andere Prügelspiele leidet zwar auch Under Night In-Birth hin und wieder unter ärgerlichen Lags, die den Schlagabtausch massiv beeinträchtigen und negativ beeinflussen können. Die meiste Zeit präsentiert sich der rudimentär gestrickte Online-Modus aber erfreulich souverän. Besitzer von älteren Arcade-Sticks dürfte es zudem freuen, dass auch dieses Fighting Game den Legacy-Modus unterstützt und daher auch betagtere Prügel-Hardware der vorherigen Konsolengeneration weiter verwendet werden kann.

Fazit

Wer auf pixelige 2D-Retroprügeleien in Anime-Verpackung steht, sollte sich von dem sperrigen Namen Under Night In-Birth – Exe: Late nicht abschrecken lassen: Trotz dieser ungewöhnlichen Aneinanderreihung von Worten und der späten Umsetzung bekommt man hier ein klassisches Beat'em-Up mit einem ansprechenden Kader sowie einem interessanten Kampfsystem, an dessen Tiefgang und Feinheiten man auf der PS4 endlich mit Hilfe eines umfangreichen Tutorials herangeführt wird. Außerdem wurde die Visual Novel durch den neuen Story-Modus mächtig aufgebohrt, auch wenn mich die langen und zähen Dialoge im Zusammenspiel mit der japanischen Sprachausgabe eher abgeschreckt haben, mich intensiver mit der recht komplexen Hintergrundgeschichte zu befassen. Ohne Englisch- oder Japanischkenntnisse steigt man angesichts der fehlenden Lokalisierung aber ohnehin nicht durch. Als Gesamtpaket bekommt man hier trotzdem einen guten Retro-Prügler, der mit einem offensiv geprägten und durchaus erfrischenden Kampfsystem sowie abwechslungsreichen Stilen der einzelnen Figuren überzeugt – und das sowohl offline als auch online. Dank der sinnvollen Erweiterungen, insbesondere das überfällige Tutorial, schlägt sich die PS4-Version sogar noch etwas besser als das PS3- und Spielhallen-Original.

Pro

gute Kämpferauswahl
flottes, außergewöhnliches und durchaus taktisch geprägtes Kampfsystem
Animé-Flair
gutes Tutorial
überwiegend störungsfreie Online-Partien
massig Freischalt-Kram
Legacy-Modus für Verwendung älterer FightSticks

Kontra

wirre und zähe Storyeinlagen
mäßige Hintergrundgrafiken / Schauplätze
keine deutschen Untertitel
mitunter extrem kleine und kurze Textdarstellung

Wertung

PlayStation4

Gute Retro-Prügelei mit einem interessanten Kampfsystem, das allerdings eine gewisse Einarbeitung erfordert, um alle Feinheiten zu nutzen und zu verstehen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
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