Salt and Sanctuary17.03.2016, Jörg Luibl
Salt and Sanctuary

Im Test: Dark Souls in 2D

Wie vertreibt man sich die Wartezeit auf Dark Souls 3? Natürlich mit DarkMaus! Was, ihr habt keinen PC? Oder mit der tapferen Maus schon alle Bosse besiegt? Dann versucht es mit Salt and Sanctuary auf der PlayStation 4. Die Ska Studios (The Dishwasher: Vampire Smile, Charlie Murder) haben sich das große Abenteuer von From Software sehr genau angeschaut und es mit teilweise verblüffenden Déjà-vus in einen 2D-Plattformer übertragen. Mehr dazu im Test.

Reinkarnation in zweiter Dimension

Es vergeht kaum eine Pressemitteilung, in der nicht von "Souls-like" die Rede ist. Egal ob explosive Zwei-Stick-Action oder episches Rollenspiel: In den letzten Jahren schien sich jeder zweite Entwickler mit dem Begriff schmücken zu wollen, selbst wenn es noch so grotesk war oder die Spielrealität mit Dark Souls letztlich wenig zu tun hatte - es hätte mich nicht gewundert, wenn auch Assetto Corsa oder Pokémon Tekken so gnadenlos sind, dass die PR den prestigeträchtigen From-Software-Stempel zückt. Unter all den entfernt Entlehnten, halbgar Plagiierten oder Free-to-play-Trash wie Slashy Souls gibt es sehr wenige kreative Interpretationen, die es für Soulsfans vorzustellen lohnt.

Eine davon ist bereits erschienen und heißt DarkMaus, eine andere kommt noch und heißt Eitr. Aber vielleicht ist die beste Interpretation gerade im PlayStation Network erschienen: Salt and Sanctuary. Wenn man die Soulsreihe kennt und hier kämpft, wird man nicht nur von charmanten Déjà-vus verfolgt, die einen immer wieder schmunzeln lassen. Das Spiel selbst fühlt sich so an, als hätte From Software zu Amiga-Zeiten ein Castlevania alter Schule entwickelt - man schlitzt, sammelt

Salt and Sanctuary ist die Reinkarnation von Dark Souls als Plattformer.
und zaubert sich mit seinem handgezeichneten Helden durch vernebelte Wälder und düstere Labyrinthe voller Plattformen, Fallen, Geheimnisse und Monster. Nur sammelt man keine Seelen, sondern Salz. Stirbt man oft? Oh ja. Kann man das Salz am Ort des Todes zurückgewinnen? Ja.

Aber jetzt erstmal einen ganzen Sack voll davon in die Lokalisierungswunde: Die deutsche Übersetzung ist eine peinliche Katastrophe, die mit ihrem Kauderwelsch auch gut als Vorlage für das Indogermanisch in Far Cry Primal  hätte herhalten können. Und man kann nicht mal in den Optionen die Sprache wechseln, sondern muss tatsächlich die PlayStation 4 im System auf Englisch stellen - arghs. Aber der umständliche Wechsel lohnt sich.

Dark Souls als Plattformer

Schon bei der Charaktererstellung, in der man vom Ritter über den Dieb bis zum Magier aus mehreren Klassen wählen kann, weht der Wind nicht nur aufgrund der

Gibt es mächtige Bosse? Öhm, ja...allerdings werden die Kämpfe gegen sie irgendwann zur Routine.
damit verknüpften Fähigkeiten oder des Menüdesigns so stark aus Richtung Dark Souls, dass man die Copyright-Bauchschmerzen von Hidetaka Miyazaki fast hören kann - selbst Kleinigkeiten wie die eine Gabe gehören dazu. Viel wichtiger sind die systemischen Parallelen: Sechs Attribute von "Endurance" bis "Wisdom" wirken sich spürbar auf den Kampf sowie den ausgeteilten Schaden aus, wobei jede Waffe auf andere Attribute reagiert. Wer eine Axt führt, profitiert z.B. besonders von "Strength" und "Dexterity", die ein "Scaling A" besitzen. Spielt Traglast eine Rolle? Eine große: Wer zu schwere Rüstungen trägt, kriecht wie ein gepanzerter Lindwurm dahin. Sogar die Balance hat einen eigenen Wert. Satte 600 Gegenstände von Klingen, Keulen, Hämmern, Peitschen und Sicheln bis hin zu Schild, Helm & Co warten auf euch.

Der Kampf selbst ist Dark Souls pur, denn man muss auf seine Ausdauer sowie Abstände achten. Es gibt leichte und schwere Hiebe, die man zu ansehnlichen Stafetten kombinieren kann. Hinzu kommt das Wegrollen, mehr Schaden durch Sprünge von oben sowie der Einsatz von Feuerbomben, Wurfdolchen, Pfeilen etc. Und das Beste: Man kann nicht nur einfach blocken, sondern auch die coole Riposte einsetzen. Schafft man es, kurz vor dem gegnerischen Treffer den Schild zu schwingen, öffnet sich nach einem tiefen Klang samt Zoom ein kurzes Zeitfenster, für einen verheerenden Konter. Aber Vorsicht: Einfache Untote, Wölfe oder Dämonen kann man damit vielleicht sofort in blutige Brocken verwandeln, aber Ritter muss man mehrmals mit dieser Riposte bekämpfen. Sind das harte Zwischenbosse wie jene in Dark Souls, die dann verschwinden? Genau die.

Erinnerungen an Castlevania

Der Schwierigkeitsgrad ist nicht wählbar, sondern vom Start weg knallhart. Zwar dienen die ersten Abschnitte der Übung, wobei die vielen Schriftrollen mit ihren Hinweisen auf charmante Art an das Nachrichtensystem der Soulsreihe erinnern - freut euch auf einige nicht ganz unbekannte Sprüche. Anders als im Abenteuer von From Software ist man allerdings deutlich akrobatischer unterwegs, hüpft über Abgründe, seilt sich ab oder klettert einen Sims nach dem anderen hinauf. Irgendwann sorgen die labyrinthischen Level allerdings für Orientierungsprobleme - da hätte eine Karte nicht geschadet. Trotzdem darf man über Teleports bequem in bekannte Gebiete zurück.

Schon im Einstieg kann man schneller sterben als einem lieb ist. Heilung ist rar und das Leveldesign ist gespickt mit

Man fühlt sich angesichts der handgezeichneten Kulissen fast wie in Amiga-Zeiten.
Überraschungen: Fallen springen plötzlich im Unterholz auf, Plattformen brechen weg, giftiger Schleim lässt sich von Bäumen fallen oder tiefe Schwärze verbirgt plötzlich den Weg, so dass man auf eine Fackel zugreifen muss und nur noch einhändig kämpfen kann - sehr stimmungsvoll! Besonders knifflig wird es auch dadurch, dass einen Feinde aus der Distanz mit Pfeilen beharken, dass sie selbst blocken und einen sogar in andere Abschnitte verfolgen - man darf sich also nie sichern sein. Hätten doch nur die alten Castlevanias diesen situativen Anspruch im Kampf gehabt!

Heiligtümer der Götter

Umso dankbarer ist man, wenn man einen der idyllischen Zufluchtsorte findet und dort in Analogie an die Feuer in Dark Souls vielleicht den Altar entzündet, um zu gesunden und Vorräte zu füllen. Je nachdem welchen Göttern man huldigt, kann man diese Hauptquartiere ausbauen. Es gibt zwar keine Lady, aber man kann dort über das Platzieren kleiner Statutetten diverse Nichtspielercharaktere ansiedeln: Wer den Söldner installiert und anspricht, darf zwar nicht online, aber lokal mit einem Freund kooperativ loslegen oder den PvP-Modus aktivieren, um gegen andere Spieler anzutreten. Aber Vorsicht: In der Team-Variante wird es zwar statistisch kniffliger in der Spielwelt, weil u.a. Feinde mehr Schaden verursachen, aber man kann so gerade gegen Bosse wesentlich komfortabler siegen. Man kann auch Händler oder Schmiede anlocken, um Waren zu handeln oder Klingen und Rüstungen aufzuwerten oder umzuwandeln. Braucht man dafür spezielle Zutaten? Ja. Nur wer entsprechende Artefakte wie Perlen, Ohren, Haarlocken etc. dabei hat, kann seine

Cool ist die lokale Koop-Funktion: Man kann über eine Söldner-Statue einen Freund zum Mitspielen einladen - oder den PvP-Modus aktivieren, um andere Spieler zu besiegen.
Klinge oder sein Kettenhemd veredeln. Findet man auch Kleidungskombos wie etwa für den Dieb oder Kleriker à la...? Natürlich.

Apropos Götter: Gleich zu Beginn kann man in kleinen Dialogen seinen Glauben festlegen, indem man sich als Jünger der großen Drei, des Lichts etc. ausgibt - wer sich dort stur weigert, kann auch gottlos antreten und für die "Iron Ones" losziehen. Selbst bösen Kulten und damit verbundenen Sünden kann man frönen, wenn man an einem Opferhain entsprechend antwortet. Keine Bange, man kann dem auch wieder abschwören. Es gibt also auch eine Art von Moral auf dieser geheimnisvollen Nebelinsel. Ähnlich wie im Vorbild beschränkt sich das Storytelling aber auf Gespräche mit wenigen Figuren - es gibt keine klassische Regie, die einen durch Quests führt, man muss alles selbst erforschen und durchdringen. Für einen ebenso mosaikhaften wie stimmungsvollen Hintergrund sorgen auch einige der Waffen- und Gegenstandsbeschreibungen, die manchmal von alten Kulten oder Orden berichten.

Salz statt Seelen

Noch wichtiger an den Heiligtümern ist die Charakterentwicklung: Das eroberte Salz kann man in einen Aufstieg investieren sowie Fähigkeiten freischalten. Und hier überrascht dieses kleine Abenteuer mit einem auf den ersten Blick sehr unüberschaubaren Baum an Möglichkeiten: Von

In den düsteren Labyrinthen helfen Fackeln.
der Basis seiner Klasse aus kann man sich quasi in alle Richtungen entwickeln und nicht nur seine Attribute erhöhen, sondern z.B. die Anzahl der tragbaren Heiltränke, die Art der tragbaren Waffen und Rüstungen sowie Kampfstile von der Pike bis zum Großschwert oder der Büchse. Egal ob man sich auf zweihändige Schwerter oder arkane Angriffe aus der Distanz spezialisieren oder eher einen Allrounder entwickeln will - man hat freie Wahl.Im Gegensatz zur Soulsreihe kann man aber nicht grundsätzlich jede Waffe wie etwa eine Armbrust führen, sondern muss die entsprechende Fähigkeit erst freischalten.

Diese Entwicklung ist auch sehr wichtig, selbst wenn die knapp 20 Bosse bis zum Finale irgendwann keine allzu große Herausforderung mehr darstellen. Sehr schön übrigens: Es gibt auch ein Bestiarium, in dem dei knapp hundert Kreaturen samt Portrait und Eigenheiten aufgelistet werden. Ähnlich wie in Etrian Odyssey wachsen die Informationen bei mehrfachen Begegnungen mit ihnen an. Rechnet für das Durchspielen mindestens fünfzehn bis zwanzig Stunden ein.

Fazit

Ja, die deutsche Übersetzung ist eine peinliche Katastrophe und man kann nicht in den Optionen die Sprache wechseln, sondern muss tatsächlich die PlayStation 4 im System auf Englisch stellen - arghs. Aber was ist das für eine liebevolle Hommage an Dark Souls! DarkMaus war schon sehr gut, das hier geht hinsichtlich der Komplexität und Kulisse noch weiter. Es fühlt sich stellenweise so an, als hätte From Software zu Amiga-Zeiten ein Castlevania alter Schule entwickelt. Wer die Abenteuer der Japaner schätzt, wird dieses kleine, feine und vor allem gnadenlose Action-Adventure mit einem Dauergrinsen genießen. Der brachiale Plattformer von Ska Games mutet fast wie eine digitale Seelenwanderung an: Von der Charakterstellung über die Hinweise, vom Waffeneinsatz bis zum Konter, vom Aufstieg bis zum Bosskampf, von der Regie bis zum Sound - überall warten grafische, akustische und spielerische Déjà-vus für Soulsfans. All das zusammen ergibt keine Kopie, zumal man neben all den Entlehnungen über die etwa 15 bis 20 Stunden auch genug Neues en detail sowie in der Spielmechanik findet - wie etwa die Kletterakrobatik, den Fähigkeitenbaum oder das Götterprinzip. Das ist eine wunderbare Interpretation von Dark Souls im Stile der alten Castlevanias.

Pro

liebevolle Dark-Souls-Interpretation
hübsch animierte Figuren und Kulissen
anspruchsvoller 2D-Plattformer alter Schule
sehr präzise Kampf- und Sprungsteuerung
tolles Block- und Kontersystem
umfangreiche Charakterentwicklung
Nah- & Fernkampf, dazu Magie & Co
Waffen werden je nach Attribut schlagfertiger
zig Waffen, Rüstungen, Tränke, Artefakte etc.
fiese Fallen und Bosskämpfe
verschachtelte Welt mit Abkürzungen & Geheimnissen
stimmungsvolle Soundkulisse
komfortable Teleportfunktionen
Bestiarium mit Monsterdetails
Zwei-Spieler-Koop, PvP-Modus aktivierbar

Kontra

katastrophale deutsche Texte, keine Sprachoptionen
manche Soundeffekte wiederholen sich zu oft
Bossgefechte werden irgendwann zu leicht
etwas unübersichtlicher Fähigkeitenbaum
trotz verschachtelter Labyrinthe keine Kartenfunktion

Wertung

PlayStation4

Salt and Sanctuary ist Dark Souls als knallharter Plattformer in 2D - eine wunderbare Interpretation im Stile der alten Castlevanias.

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