Dead Rising 407.12.2017, Mathias Oertel
Dead Rising 4

Im Test: Die Kettensäge unterm Tannenbaum

Vor etwa einem Jahr konnte Capcom Dead Rising 4 (ab 11,90€ bei kaufen) auf Xbox One als erstes Spiel der Serie hierzulande offiziell veröffentlichen. Eine Steam-Version folgte im Frühjahr. Passend zur Aufhebung der Beschlagnahmung des ersten Abenteuers geht es in diesem Winter auch für PlayStation-4-Spieler nach Willamette - den Ort, wo alles begann. Und man hat in "Franks Komplettpaket" nicht nur alle bisherigen Inhalte geschnürt, sondern auch einen neuen Modus hinzugefügt. Ob das alles hilft, den bislang befriedigenden Eindruck zu verbessen, verraten wir im Test.

Neuer alter Held

Er ist ein Held wider Willen. Ein Held, den man hierzulande eigentlich gar nicht kennen dürfte. Der Fotojournalist Frank West eckte in seinem ersten Auftritt auf der Xbox 360 mit dem deutschen Jugendschutz an - die seinerzeit noch von Keiji Inafuna produzierte Zombie-Action wurde staatsanwaltschaftlich beschlagnahmt und erst vor wenigen Tagen auf die Indizierungsliste B gesetzt . Das war jedoch nicht der Grund, weswegen sich Blue Castle Games (mittlerweile Capcom Vancouver) für die Fortsetzung auf einen neuen Helden stürzte – den Motorrad-Champion Chuck Greene. Der konnte jedoch auch nichts an der folgenden Indizierung ändern. Genauso wenig wie der Protagonist aus Teil 3, Nick Ramos, der in der fiktiven Stadt Los Perdidos versuchte, einer Verschwörung auf die Spur zu kommen. Dass die Entwickler einen Narren am Ur-Helden gefressen hatten, wurde spätestens dann deutlich, als ein Wii-Ableger sowie eine alternative Version des zweiten Teils mit Frank West als Hauptdarsteller erschienen – natürlich sind beide hierzulande ebenfalls indiziert.

Auch wenn Frank West in Willamette wieder mal zwischen alle Fronten gerät, ist er als Figur meilenweit von der Charakterzeichnung der Vorgänger entfernt.
Dass Dead Rising 4 dieses Schicksal erspart blieb und der Veröffentlichung auf Xbox One im europäischen Ausland im Dezember 2016 nur ein paar Wochen später die offizielle deutsche Fassung mit USK-Freigabe folgte, war eine Überraschung. Andererseits schlägt die Zombie-Action mittlerweile andere Töne an: Zwar setzt auch diese Untotenhatz abermals auf den Reporter Frank West, seine Kamera und seine flappsigen Sprüche, die sich allerdings mittlerweile grob an Bruce Campbells Figur Ash Williams aus Evil Dead orientieren. Damit wiederum hat man hinsichtlich der Grundstimmung im Vergleich zum ersten Ausflug nach Willamette eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen. War Teil 1 noch düster, bedrohlich und mitunter verstörend (diese Elemente wurden in allen Teilen in unterschiedlichen Portionen angewendet), ist davon kaum noch etwas übrig geblieben. Und das, obwohl man nahezu alles integriert hat, mit dem auch die Vorgänger motivieren konnten - angefangen von Zombiehorden, Bossen und Psychopathen, über die Möglichkeit, Waffen zu kombinieren und damit besonders potente Todbringer herzustellen, visuelle Gewalt, bis hin zum Fotografieren und dem Pflügen durch Massen an Untoten mit Fahrzeugen. Die neu gewonnene Leichtigkeit, die man mit etwa einjähriger Verspätung auch auf PlayStation 4 erfahren darf, gab bei der Prüfkommission vermutlich den Ausschlag.

Fehlzündung

Hier begann alles. Dead Rising 4 führt die Spieler wieder zurück an den Standort des ersten Dead Rising, dessen Beschlagnahmung vor kurzem aufgehoben wurde. Mittlerweile ist der Titel "nur noch" auf Liste B indiziert.
Doch der Funke will innerhalb dieser Leichtigkeit trotz des merkwürdig passenden Humors nicht immer überspringen. Ja: Teil 2 hatte mit einem neuen Helden zu kämpfen. Teil 3 mit anfänglichen technischen Macken sowie einer nochmals weiter geöffneten Spielwelt. Dennoch ist es ihnen mit nur geringen Abstrichen gelungen, an wesentlichen Kernmerkmalen der Serie festzuhalten. Und dazu gehört nun mal auch ein gehobener Schwierigkeitsgrad. Selbst heute habe ich bei Teil 1 und 2 immer noch massive Probleme mit einigen Gegnern. Davon kann in Dead Rising 4 nicht die Rede sein: Das Kampfsystem wurde einerseits massiv vereinfacht und könnte mittlerweile auch als eine Variante der Musou-Prügler von Omega Force durchgehen, während gleichzeitig vor allem die Kombowaffen an Durchschlagskraft und Lebensdauer gewonnen haben. Und dadurch hat man weder mit den Zombiehorden Probleme – es sei denn, man bringt sich unabsichtlich in eine Sackgasse – noch mit den menschlichen Kontrahenten und nur selten mit den Psychopathen bzw. Bossen. Sehr schade ist in dem Zusammenhang übrigens, dass die Psychos außerhalb der auf sieben Kapitel verteilten Story liegen und damit quasi als optionale Gegner verheizt werden. Andererseits sind sie auch nie so packend inszeniert wie in allen Vorgängern, so dass sie mitunter beiläufig und als Lückenfüller wirken.

Mit dem Exo-Anzug kann man die Zombies gleich reihenweise ausschalten.
Da man sowohl für Wurfgeschosse, Nahkampf- und Fernkampfwaffen genug Slots zur Verfügung hat und diese Plätze sogar noch komfortabel aufstocken darf, kommt man nur in absoluten Extremsituationen in die Gefahr, den Feinden unbewaffnet  gegenüber treten zu müssen. Zudem kann man mittlerweile überall Kombowaffen zusammenschrauben, insofern man die beiden erforderlichen Zutaten vorweisen kann oder eine davon auf der Straße findet. Sprich: Für Spannung sorgende Wege zur Werkbank, wie sie Chuck Greene mit einem äußerst knappen Inventar noch auf sich nehmen musste, gehören der Vergangenheit an. Überhaupt wirkt hier vieles zu sehr auf „Wohlgefallen“ und belangloses Zombie-Metzeln optimiert: Der Kombozähler schießt hier beinahe ebenso schnell nach oben schießt wie bei Dynasty Warriors & Co. Und obwohl mit den „frischen“ Zombies ein neuer Typ angreift, der rasend schnell auf einen zu läuft, sind auch diese Untoten wenig mehr als Kanonenfutter. Der sich auf vier Bereiche ausdehnende und relativ schnell füllende Entwicklungsbaum von Frank sorgt ebenfalls dafür, dass das Anforderungsprofil für einen Titel dieser Serie exorbitant niedrig angesetzt ist.

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Der primitive Metzel-Spaß

Und dennoch bin ich nach etwa einer Stunde an den Punkt gekommen, an den mich diese primitiv gestaltete sowie schnell durchschaute Welt gefangen nehmen konnte. Großen Anteil daran hat die klar strukturierte Geschichte, die Frank mit Hilfe seiner Kamera auch in Form von an Batman angelehnten Beweis-Sammlungen zusammenträgt: Hier muss man Beweise fotografieren, dazu mitunter die Tatorte penibel durchkämmen und von den Sichtfiltern der Kamera (unter anderem Infrarot) Gebrauch machen, um alles zu entschlüsseln. Das ist zwar weder innovativ noch besonders anspruchsvoll, aber dennoch eine willkommene Tempo-Änderung. Hangelt man sich nur an den Zielen entlang, die für den Hauptstrang nötig sind, entgehen einem zwar die Psychopathen und die einer oder andere durchaus interessante Nebenaufgabe. Allerdings fällt einem bei dieser Schleuse dann nicht auf, dass das Potenzial der offenen Welt abseits von irgendwelchen Audiologs, bestimmten Fotos, die man schießen sollte oder neuen Blaupausen für Waffen (sprich: der übliche Sammelkram) hier weitaus weniger genutzt wird als noch im Vorgänger. Neben der Story hat auch die zur Schau gestellte und mittlerweile vollkommen überhöhte Gewalt ihren Anteil daran, dass ich mich durch die knapp acht bis zehn Stunden gemetzelt habe. Obwohl es mitunter hektisch werden kann, ist es für mich beinahe wie Zen Gaming: Man kann wunderbar entspannen und den Kopf komplett abschalten, während man die Untoten nach allen Regeln der Kunst zerlegt und tiefrote Pixelpfützen auf der Straße zurück lässt.

Im überraschend unterhaltsamen frischen Modus "Capcom Heroes" wird auf klassische Waffen sowie Figurenaufwertung verzichtet. Statt dessen schnappt man sich Kostüme bekannter Helden wie z.B. Dante und nutzt ihre Spezialfähigkeiten.
Leider ist das Fotografieren samt Selfie-Funktion, für das man Frank sogar verschiedene Gesichtsausdrücke zuweisen kann, fernab der Beweisaufnahme nur ein beiläufiges Element. Hier bleibt mindestens so viel Potenzial ungenutzt wie bei der Struktur der offenen Welt oder der Technik im Allgemeinen. Obwohl nominell der gleiche Entwickler wie beim Vorgänger verantwortlich ist und die Welt kleiner scheint, nutzt die Kulisse auch auf PlayStation 4 ihr Potenzial nicht aus. Hält man Willamette neben das San Francisco des letztjährigen Watch Dogs 2, sind die Unterschiede deutlich. Schade: Aus einem Open-World-Pionier auf der 360, der gekonnt japanisches Bosskampf-Design mit westlichen Elemente vermengen konnte, ist mittlerweile nur noch ein Mitläufer geworden. Anstatt auch nur in irgendeinem Bereich neue Standards setzen zu können, bietet man zwar kompromiss-, aber auch gehalt-, hirn- sowie anforderungslose Action von der Stange.  

Alle Inhalte integriert

Neben einigen Kostümen aus Street Fighter darf Frank auch als Mega Man auf Zombiejagd gehen.
Immerhin beinhaltet Franks Komplettpaket alle seit der Premiere veröffentlichten Download-Inhalte. Und dazu gehören nicht nur kosmetische Ergänzungen oder neue Waffen wie die X-Fäuste oder die Zuckerstangen-Armbrust, sondern auch neue Spielmodi. Bei Super Ultra Dead Rising 4 Mini Golf z.B. ist der Name Programm: Auf überdimensionierten Kursen mit Rampen und anderen Versatzstücken  versucht man mit bis zu vier Spielern nicht nur, die Zombies in Schach zu halten und damit den Kill-Zähler nach oben zu treiben, sondern auch noch mit möglichst wenigen Schlägen einzulochen, damit man sich mit seiner Punktzahl an die Spitze der Tabelle setzen kann. Mit sechs Kursen á vier Löchern ist der Umfang zwar nicht besonders üppig. Dennoch sorgt die teils explosive sowie mit Untoten prall gefüllte Jagd auf Bogeys und Birdies für kurzweilige Unterhaltung. Ebenfalls gelungen ist die zeitlich nach dem Story-Ende angesiedelte Mini-Kampagne „Frank steht auf“, deren englischer Titel „Frank Rising“ einfach schmissiger klingt. Aus Spoiler-Gründen ist es schwierig, genauer darauf einzugehen. Doch mechanisch und inhaltlich ist dieses Kapitel eines der interessantesten der Kampagne, die man vorher tunlichst gespielt haben sollte, da Kenntnisse über bestimmte Ereignisse vorausgesetzt bzw. in kurzen Rückblenden bruchstückhaft angerissen werden.

Mit "Frank Rising" und dem sich ebenfalls nicht ernst nehmenden "Super Ultra Dead Rising 4 Mini Golf" werden zwei weitere unterhaltsame Arcade-Modi angeboten.
Zu guter Letzt darf man mit Franks Komplettpaket auch den Modus „Capcom Heroes“ im Dead-Rising-4-Universum willkommen heißen. Auf Xbox One und PC wird dieser Modus übrigens mit dem aktuellen Patch zur Verfügung gestellt. Hier erlebt man ebenfalls die Hauptkampagne, hat aber weder einen Fähigkeitenbaum zum Verbessern zur Verfügung noch darf man Waffen aufsammeln. Stattdessen schlüpft man in über 30 Kostüme bekannter Capcom-Helden, darunter nicht nur diverse Street-Fighter-Figuren wie Ryu oder Bison, sondern auch Figuren wie Dante, Viewtiful Joe oder Mega Man. Und mit jedem Kostüm gibt es ein neues Set an aufladbaren Fähigkeiten, die neben den je nach Figur unterschiedlichen Nahkampfangriffen genutzt werden können. Allerdings hat man nicht uneingeschränkt Zugriff auf alle Verkleidungen. Zum einen müssen die Capcom-Helden erst alle freigeschaltet werden, bevor man an Spielhallen-Automaten das jeweilige Helden-Outfit angelegt werden darf. Und zum anderen ist die Tragedauer zeitlich begrenzt, bevor man wieder zu Frank wird. Als Alternative zum herkömmlichen Story-Modus hat mir diese überkandidelte Variante tatsächlich besser gefallen. Vor allem auch, da der Arcade-Charakter, der Dead Rising 4 von Anfang bis Ende durchzieht, hier seitens Capcom komplett ausgelebt und gefeiert wird – ein Eindruck, der auch durch neue Sets an Sammelkram wie zu fotografierenden Capcom-Postern usw. verstärkt wird. Prinzipielle Probleme hinsichtlich Inszenierung, Technik etc. haben zwar auch hier weiterhin Bestand. Doch die Heldenriege sowie die Art und Weise, wie sie eingesetzt wird, ist sehr sympathisch und wertet das Gesamtpaket auf  – auch wenn man sich damit noch weiter vom eigentlichen Kern der Dead-Rising-Serie entfernt.

Fazit

Wesentliche Defizite, die schon die Erstveröffentlichung von Dead Rising 4 vor etwa einem Jahr auf Xbox One plagten, sind weiterhin vorhanden. Dazu gehört z.B. die Entscheidung, sich zunehmend von den  ernsten Grundtönen der Vorgänger zu entfernen und Frank West zu einem flapsigen "Bruder im Geiste" von Ash Williams (Bruce Campbells Charakter in Evil Dead) zu machen. Und das geht hier für mich beinahe ebenso wenig auf wie bei der TV-Serie Ash vs Evil Dead, die mich überhaupt nicht abholen konnte. Auch die Reduzierung der Action auf fast schon Musou-hafte Massenprügeleien war und ist für mich ein Schritt in die falsche Richtung – auch wenn man weiterhin an exzessiver Gewaltdarstellung festhält. Das Potenzial der offenen Welt bleibt damit ebenfalls zwangsläufig weiterhin ungenutzt, während die technische Seite im Bestfall Durchschnittswerte einfährt. Dennoch kann man auch auf PlayStation 4 einige interessante Stunden solider Zombie-Metzelei erleben - dank "Franks Komplettpaket" mit noch mehr Inhalten. Denn sowohl Frank Rising als auch die Minigolf-Variante und insbesondere der neue Modus "Capcom Heroes", der auf One und PC per Patch eingepflegt wird, betonen den arcadigen Charakter von Dead Rising 4, das sich deutlich von den Ursprüngen als knallhartes Action-Adventure mit gesellschaftskritischen Bezügen entfernt hat.

Pro

dutzende Kombowaffen und Fahrzeuge
hunderte Zombies füllen die Straßen
hektoliterweise Pixelblut
passabel erzählte Story
Charakterentwicklung in vier Bereichen
Beweisaufnahme ähnlich wie in Rocksteadys Batman
ungemein passender Weihnachts-Soundtrack
alle Download-Inhalte inklusive
neuer Modus Capcom Heroes unterstreicht Arcade-Charakter
"Frank Rising" ist eine spannende Mini-Kampagne

Kontra

niedriges Anforderungsprofil
technisch eher bieder
Fotografieren nur wenig mehr als schmückendes Beiwerk
bis auf wenige Ausnahmen schwache Bosskämpfe
Potenzial der offenen Welt wird kaum genutzt

Wertung

PlayStation4

Prinzipielle Designschwächen sind weiterhin vorhanden, doch der "frische" Arcade-Charakter der Zombiehatz wird durch die neuen Inhalte wie Capcom Heroes oder Minigolf wunderbar ergänzt und gestärkt.

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