Rogue Trooper Redux19.10.2017, Mathias Oertel
Rogue Trooper Redux

Im Test: Unspektakuläre Rückkehr eines Geheimtipps

Noch bevor James Cameron blauhäutige Helden in den Kampf um Planeten schickte, hat Rebellion (Sniper Elite) bereits Kriege mit muskelbepackten Elitesoldaten ausgefochten. 2006 und damit drei Jahre vor Avatar veröffentlichte man die auf dem gleichnamigen 2000AD-Comic basierende Adaption Rogue Trooper auf der vorletzten Konsolengeneration. Jetzt ist die Schulterperspektiven-Action wieder zurück. Was die so genannte Redux-Version auf dem Kerbholz hat, verraten wir im Test.

Unbekannte Kampfschlümpfe

Wenn man über Comics redet, bleibt man zwangsläufig bei den großen Publishern wie Marvel, DC oder Image Comics (Todd McFarlane, Robert Kirkman) hängen. Doch auch in Großbritannien gibt es einen Verlag, der seit gut 40 Jahren publiziert und dessen größter Star der skrupellose Mega-City-Cop Judge Dredd ist: 2000AD. Eine weitere recht erfolgreiche Serie der Briten ist Rogue Trooper, die allerdings in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten ist. Seinen letzten namhaften Auftritt außerhalb von Comics hatte der blauhäutige genetische Infanterist (GI) im Jahr 2006, damals noch auf PS2 und Xbox. Entwickler und Publisher in Personalunion war damals Rebellion, die sich zuvor u.a. mit Aliens vs. Predator oder BattleZone einen Namen gemacht haben und danach vor allem mit Zombie Army und Sniper Elite auf sich aufmerksam machten. Was nur wenige Spieler wissen: Rebellion ist seit einigen Jahren auch stolzer Besitzer von 2000AD. Doch zurück zu Rogue Trooper: Das Ergebnis der ungewöhnlichen Third-Person-Action waren seinerzeit 83% (zum Test), die drei Jahre später auf Wii veröffentlichte Adaption Rogue Trooper: Quartz Zone Massacre konnte sich immerhin noch 79% verdienen (zum Test).

Die Redux-Version hat visuell im Vergleich zum elf Jahre alten Original natürlich einen Sprung nach vorne gemacht - doch in manchen Bereichen ist das Alter immer noch spürbar.
Mit der Redux-Version soll Rogue samt seiner Kameraden einem neuen Publikum schmackhaft gemacht werden. Dementsprechend handelt es sich hier um keine Reboot-Version – inhaltlich und mechanisch ist es eine Umsetzung des Ur-Rogue-Troopers, für die man sich die Dienste von Tick Tock Games (The Metronomicon: Slay the Dancefloor) gesichert hat. Allerdings hat man hinsichtlich der Steuerung leichte Optimierungen vorgenommen und die Kulisse auf HD getrimmt. Letzteres ist im Vergleich zum elf Jahre alten Original durchaus gelungen: Die kargen, immer wieder an Meteroriten und Mondlandschaften erinnernden sowie weitläufigen Umgebungen oder militärische Einrichtungen, in denen man mit Rogue in den Krieg zieht, sehen im Vergleich zum Original definitiv mindestens eineinhalb Klassen besser aus. Zeitgemäß sind sie allerdings dennoch nicht. Unter dem Strich sorgen die visuellen Verbesserungen wie neue Effekte, höher aufgelöste Texturen  oder die dynamische Beleuchtung aber dafür, dass Rogue Trooper Redux (ab 5,99€ bei kaufen) wie ein Titel aus der Spätphase der PS3- bzw. Xbox-360-Ära aussieht.  Es gibt allerdings auch Bereiche, bei denen man nicht so akkurat modernisiert hat, wie z.B. die Physik, Ablebeanimationen sowie einige Bewegungs-Übergänge beim Protagonisten. Getötete Gegner fallen mal wie ein Sack Kartoffeln in sich zusammen, dann wiederum wechseln sie nach dem finalen Treffer vom Status "stehend" direkt in den Status "liegend" und bleiben nach Granatentreffern auch mal in der Umgebungsgeometrie hängen. Das hätte besser gelöst werden müssen, ebenso die gelegentlich ruckhaften und dann massiv störenden Übergänge bei bestimmten Aktionen von Rogue. Vor elf Jahren hatte die Kulisse zwar auch ab und mit Problemen z.B. bei der Bildrate zu kämpfen. Doch insgesamt hinterließ sie einen runderen Eindruck – auch wenn die Engine mittlerweile alles flüssig darstellt.

Ein-Mann-Armee mit Persönlichkeitsspaltung

Die Comic-Welt von Rogue Trooper ist düster und explosiv.
Dass man trotz sichtbarer Verbesserungen aus der Technik mehr hätte herausholen können, ist das eine. Doch wie sieht es inhaltlich und mechanisch aus? Immerhin konnte Rogue Trooper bei seiner Premiere vor elf Jahren dem Action-Adventure bzw. der Third-Person-Action einige interessante Elemente hinzufügen, die aus dem Abenteuer einen Geheimtipp machten und teilweise erst spät von anderen Spielen aufgegriffen wurden – wenn überhaupt. Erzählerisch folgt man zwar einem klassischen Gut-gegen-Böse-Schema, doch nicht nur durch die Team-Dynamik der Ein-Mann-Armee wurde dem Ganzen eine witzige Note hinzugefügt. Was wie ein nicht aufzulösender Widerspruch klingt, ist einfach aufgelöst und war mit die Ursache dafür, dass die Geschichte seinerzeit für einen BAFTA nominiert wurde: Im Rogue-Trooper-Universum können die GIs, deren Persönlichkeit auf einem Chip gespeichert ist, nicht nur weitgehend problemlos im Labor wieder hergestellt werden. Man kann sie auch bei anderen Troopern in Gegenstände einsetzen. Bei Rogue sind dies das Gewehr, in dem der Chip von Gunner Platz findet, der Rucksack (Bagman) und der Helm, in dem der Chip des ebenso getauften GI eingestöpselt wird. Sie alle können besondere Funktionen übernehmen.

Gunner z.B. kann in Rogues Waffe nicht nur mit verschiedenen Aufsätzen wie Pumpgun etc. aufgerüstet oder zum Scharfschützen-Gewehr umfunktioniert werden. Er lässt sich auch als Geschütz platzieren und sogar über größere Entfernungen aktivieren, um Gegner auch ohne Rogues Zutun unter Beschuss zu nehmen. Helmet wird nicht nur genutzt, um Türen zu knacken, sondern kann auch Hologramme aktivieren, mit denen man die Feinde ablenken kann. Und Bagman hingegen sorgt dafür, dass man nicht nur Minen legen, sondern mit den Rohstoffen, die man in den Arealen finden oder von getöteten Feinden recyceln kann, sowohl seine Ausrüstung upgraden als auch Munition, Granaten oder Gesundheitspacks herstellen kann. Schade ist allerdings weiterhin, dass man nur selten taktische Entscheidungen treffen und sich entscheiden muss, ob man nun lieber Munition oder einen Erste-Hilfe-Kasten herstellt. Im Normalfall hat man immer genug Rohstoffe zur Verfügung.

Viele Wege führen ans Ziel

Interessant ist nach wie vor, dass die drei immer wieder das aktuelle Geschehen kommentieren und an bestimmten Stellen geskriptete Zwiegespräche halten.  Im letzten Drittel verliert sich der bis dahin vorherrschende Sprachwitz etwas, der allerdings auch in Deutsch dank der nach wie vor ordentlichen Lokalisierung zündet.

Es gibt viele Wege, den gegnerischen Nort den Garaus zu machen, darunter natürlich die direkte Konfrontation.
Innerhalb der offenen Levelstrukturen hat man zahlreiche Möglichkeiten, an sein jeweiliges Missionsziel zu kommen. Man kann es schleichend versuchen, wobei die zur Verfügung stehenden Mechaniken eher rudimentär sind und vorrangig im Zusammenspiel mit den Ablenkungsmöglichkeiten oder als Versuch, die Gegner in die Gunner-Geschützturm-Falle zu locken reizvoll sind. Man kann versuchen, ballernd und sich von Deckung zu Deckung vorwärts bewegend die Gegner einen nach dem anderen auszuschalten. Und selbstverständlich kann man sich auch nur auf Gunner verlassen und die frontale Konfrontation suchen, die einem aber bereits auf dem normalen Schwierigkeitsgrad einiges abverlangt. Denn obwohl sich Rebellion auf die Redux-Fahne geschrieben hat, die Steuerung verbessert zu haben, wirkt vieles für heutige Verhältnisse erstaunlich träge. Das Verlassen des neuen Deckungssystems z.B., das Rogue automatisch in eine entsprechende Position bringt, wenn man sich in Richtung des Schutzwalls bewegt, den man nutzen möchte, wirkt zu hakelig für 2017.

Dieser Gegner ist gefährlich. Es sei denn, man beharkt die schwach reagierende KI aus der Distanz.
Zudem ist es überraschend uneinheitlich umgesetzt: Selbst in sicher scheinender Position wird man merkwürdigerweise von gegnerischen Projektilen getroffen. Dazu gesellt sich eine nach modernen Standards enorm hohe Trägheit beim Anlegen und Zielen, während der Nahkampf zwar mächtig, aber unspektakulär ist. Und dass man sich beim manuellen Einstellen der Wurfweite nicht bewegen kann, ist nach heutigen Maßstäben ebenfalls befremdlich und erfordert innerhalb der ansonsten auf größtmögliche Dynamik setzenden Rogue-Trooper-Welt Eingewöhnung. Doch das größte Problem, dass der Titel mittlerweile hat, ist die KI. Schon damals grenzwertig, gab es in den letzten elf Jahren in diesem Bereich doch einige Fortschritte, die komplett an den Norts vorübergezogen sind. Die Gegner reagieren bei Schleichversuchen zwar ordentlich, wenn man sich in ihren Sichtkegel bewegt, doch bei den Gefechten sind sie nur wenig schlauer als Moorhühner. Selbst ein schwer gepanzerter „Mech“ ließ sich über eine stattliche Entfernung mit einem stationären Geschütz ausschalten, weil er partout nicht in Deckung oder zumindest außer Reichweite gehen wollte. Apropos: Auch mit Railsequenzen wird erfolgreich versucht, das Action-Adventure aufzupeppen. Doch nachdem in den letzten zehn Jahren nahezu jeder erfolgreiche First- oder Third-Person-Shooter mit ähnlichen Mitteln Abwechslung einzubinden versucht, ist dies natürlich keine Überraschung mehr.

Flucht oder Festung

Schwere Bosskämpfe, Schleicheinlagen, Rail-Seqeuenzen: Rogue Trooper bietet abwechslungsreiche Action.
Überhaupt hat Rogue Trooper trotz der nach wie vor interessanten Ansätze und der Vermischung der verschiedenen Elemente mit seiner Redux-Version etwas an Faszination und Qualität eingebüßt. Es macht immer noch Spaß und ist auch für Neulinge interessant, die vielleicht Lust auf einen etwas anderen Shooter haben. Doch es ist auch sehr speziell, mittlerweile etwas spröde und in den Bereichen, die es damals zu einem ungeschliffenen Diamanten machten, immer noch nicht poliert genug. Immerhin hat man die Möglichkeit, sich auch abseits der umfangreichen Kampagne kurzweilige Duelle mit den Nort zu liefern – bei Bedarf auch kooperativ mit bis zu drei anderen Spielern.

Zwei in diversen Bereichen konfigurierbare Modi stehen hier auf einer Hand voll Karten zur Verfügung: Flucht und Festung. Während man bei erstgenanntem aus einem schwer verteidigten Gebiet entkommen soll, muss man bei Letzterem seinen Standort gegen nicht enden zu scheinende Wellen schützen. Man muss zwar sowohl auf PS4 als auch auf Xbox One erst einmal Geduld mitbringen, um Spieler zu finden. Und dann muss man sich immer noch mit den mechanischen Defiziten vor allem im Bereich des Deckungssystems herumschlagen, die sich auch online bemerkbar machen. Aber dafür laufen die Gefechte ohne nennenswerte Lags ab.

Fazit

Es wundert mich nicht, dass Rebellion sich für eine Redux-Neuauflage des PS2- bzw. Xbox-Geheimtipps Rogue Trooper entschieden hat. Der seinerzeit gekonnt verschiedene Elemente zu einem explosiven, aber im letzten Drittel etwas redundanten Action-Mix verbindende Titel hat inhaltlich viel seiner Faszination bewahrt. Man hat viel Freiheit, um seine Ziele sowohl wild um sich ballernd als auch schleichend oder als Mischform zu erreichen. Dass all dies mittlerweile nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal ist, schadet Rogue und seinen drei Kameraden auf ihrem hinsichtlich der Geschichte seinerzeit BAFTA-nominierten Rachefeldzug jedoch weniger, als die in manchen Bereichen halbherzige Modernisierung. Während die im Prinzip elf Jahre alte Kulisse mit all ihren Verbesserungen zwar immer noch nicht vollends zeitgemäß wirkt, aber über einen Großteil wenigstens hohe PS3- und 360-Standards erreicht, sorgen die überarbeiteten Steuerungs- und Deckungssysteme immer wieder für unnötigen Frust: Sei es durch Trägheit beim angelegten Zielen oder dem hakeligem Verlassen der ohnehin unzuverlässig und eher nach Zufallsprinzip ihren Dienst verrichtenden Deckung.  Zudem hätte die KI, die schon beim Original ein Stein des Anstoßes war, ebenfalls Überarbeitung vertragen können, damit sich die Gegner auch abseits des Äußeren von Moorhühnern unterscheiden. Mit der ständig zwischen Run & Gun sowie Stealth & Kill hin und her tanzenden Mechanik kann man aber immer noch eine Menge Spaß haben. Unter dem Strich ist Rebellion und Tick Tock Games eine solide Umsetzung eines Klassikers gelungen.

Pro

visuell aufbereitete Neuauflage eines Geheimtipps der PS2- bzw. Xbox-Ära
interessante Story
gelungenes Recycling-System für Upgrades, Munition und Gesundheits-Packs
dynamisches Deckungssystem...
interessante geskriptete "Team"-Gespräche
zahlreiche Möglichkeiten, ans Ziel zu kommen
explosive Soundkulisse
gute Lokalisierung
großräumige Abschnitte
Koop-Modi für bis zu vier Spieler

Kontra

wenig spontane Interaktion der Trooper
schwache Kampf-KI der Gegner
trotz Verbesserungen Kulisse nicht zeitgemäß
... das aber bei Trefferschutz und Verlassen der Deckung unsauber arbeitet
rudimentäre Schleichmechanik
Probleme mit Physik und Kollisionsabfrage
Steuerung mitunter zu träge

Wertung

XboxOne

Solide HD-Umsetzung eines PS2-/Xbox-Geheimtipps, bei dem einige Elemente verschlimmbessert wurden.

PlayStation4

Solide HD-Umsetzung eines PS2-/Xbox-Geheimtipps, bei dem einige Elemente verschlimmbessert wurden.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.