Im Test: Nostalgie kann so erfrischend sein
Wow, sieht das hübsch aus!
Wenn man Pokémon seit seiner Kindheit nur auf dem Handheld erlebt hat, kann man sich an den strahlenden Farben und der stark überarbeiteten Grafik gar nicht satt sehen. Besonders wenn man das Gameboy-Original von 1999 kennt, kommt einem der Sprung gigantisch vor. Die zahlreichen Pixelhaufen sind tollen 3D-Modellen der Pokémon gewichen und Pikachus Pausbacken, die man im Streicheln-Modus auch zum Wackeln bringen kann, sahen noch nie so süß aus! Bis auf seltene Framerate-Einbrüche läuft Let's Go Pikachu/Evoli durchgehend flüssig über den Switch-Bildschirm (720p Handheld-Modus, 1080p Dock-Modus), so dass man sich in Ruhe der Erkundung widmen kann.
Neue Art zu leveln und freilaufende Pokémon
Bis ich endlich selbst Hand an die finale Version von Let's Go legen konnte, war ich sehr skeptisch, was die von Pokemon Go übernommenen Änderungen angeht. Doch schon nach den ersten Spielminuten empfand ich das neue Prinzip unheimlich erfrischend und ärgerte mich über meine Bedenken. Erstmals sind alle wilden Pokémon zu jeder Zeit sichtbar. Das nimmt
einem zwar den Überraschungseffekt, aber wenn man mal ehrlich ist, nervten diese Zufallskämpfe in der Regel mehr, als dass man sich wirklich über sie freute. Schon damals hab ich möglichst viele „Schutz“-Sprays gekauft, um zumindest für eine gewisse Zeit meine Ruhe zu haben. So hat man jetzt die Möglichkeit genau das Pokémon zu fangen, für das man sich interessiert und kann Wesen aus dem Weg gehen, falls man gerade etwas anderes zu tun hat. Außerdem ist es ein tolles Gefühl auf dieser Reise, die beste Trainerin der Kanto-Region zu werden, immer von den zahlreichen Monstern in der Spielwelt umgeben zu sein.
Jedoch musste ich schnell feststellen, dass ich meine Routine, nur die Pokémon zu fangen, die ich irgendwann trainieren will, schleunigst verändern sollte. Denn neben Kämpfen gegen zahlreiche Trainer und die Arenaleiter, levelt man in Pokémon Let's Go Pikachu/Evoli, wie bei Pokémon Go, über das Fangen der Wesen. Eine Sache, die Pokémon-Fans alter Schule im Gespräch über das Spiel sichtlich verwirrte: „Aber wie levelt man denn dann im Spiel?“
Jedes Mal, wenn ihr auf ein wildes Pokémon zugeht, könnt ihr es einfangen. Zum Kampf kommt es nicht, außer bei einigen besonderen Pokémon wie Relaxo, die zuerst besiegt und dann eingefangen werden können. Um besonders viele Erfahrungspunkte für euer Team und das beste Rating „Fabelhaft“ für euren Wurf zu erhalten, muss der Ring, der um das Pokémon herum schwebt, die Größe des geworfenen Pokéballs erreichen. Am Ende erhält man verschiedene Multiplikatoren dafür, wie neu das Pokémon war, wie schnell man das Wesen gefangen hat etc. Je besser man sich anstellt, desto schneller kann man seine Monster aufleveln.
Unpräzise Fangversuche
Nostalgie trifft auf frische Ideen
Kenner der alten Version werden die Geschichte rund um die bösen Machenschaften von Team Rocket sowie die Gebiete inklusive Arenaleiter bereits in und auswendig kennen. Dennoch war ich durchgehend erstaunt, wie viele kreative neue Ideen GameFreak in Let's Go Pikachu/Evoli eingebracht hat.
Das fängt bei den VMs an, die wie bei Sonne & Mond keine Attacken-Slots mehr blockieren. In Let's Go erlernt das Partner-Pokémon Pikachu oder Evoli einfach alle dieser so genannten „Geheimtechniken“. Nach und nach lernt man „Spaltschnitt“ (Zerschneider), „Himmelsritt“ (Fliegen), oder „Wellenspurt“ (Surfer), die toll inszeniert werden. Beim Surfen saust man mit Pikachu oder Evoli auf einem Surfbrett übers Wasser, während man beim Fliegen auf einem von Luftballons angetrieben Fahrrad abgeholt wird. Diese Fähigkeit erhält man übrigens nur, wenn man einem zufällig an der Arcadehalle herumlungernden Wissenschaftler erlaubt, über seine neue Erfindung zu reden. Ein Nintendo-Spiel erlaubt einem, dass man
was Wichtiges verpasst? Wow!
Und auch beim Klassiker Fahrrad gibt es Neuerungen, denn dieses wurde nämlich durch reitbare Pokémon ersetzt. In Let's Go ist es möglich jedes Team-Pokémon aus seinem Ball zu befreien und hinter sich herlaufen zu lassen. Besitze ich ein Reitbares, wie zum Beispiel ein Snobilikat, saust man automatisch auf seinem Rücken über Wiesen und Trampelpfade. Eine tolle Überraschung, die die Wege nicht nur enorm verkürzt, sondern einfach tierischen Spaß macht.
Anspruch für Profis
Einer meiner Hauptkritikpunkte an den letzten Pokémon-Teilen war jedes Mal der zu niedrige Anspruch und die zu schwachen Trainer. Als ich mit meinem Team bei Let's Go schon beim dritten Arenaleiter versagte und ich erst mal eine Weile trainieren musste, staunte ich nicht schlecht: Ich komme in einem aktuellen Pokémon-Spiel nicht einfach so weiter? Wow! Auch der Pokémon-Turm in Lavandia stellte mit seinen zahlreichen an Geisha erinnernden Beschwörerinnen eine schöne Herausforderung dar.
Sämtliche Trainer, die man danach zufällig in der Spielwelt trifft, haben ein hohes Level und nutzen sinnvolle Attacken, anstatt
nur unnütze Status-Verstärkungen einzusetzen, wie es mir zuletzt immer wieder bei Pokémon: Sonne & Mond passierte. Wem die zahlreichen in der Spielwelt verteilten Trainer nicht ausreichen, kann sich an speziellen besonders starken Gegnern versuchen, die einen vorher extra fragen, ob man wirklich gegen sie kämpfen will.
Und hat man das Spiel abgeschlossen, die Top Vier und den Champ besiegt, kommt noch mehr Herausforderung: Denn dann erscheinen so genannte Meister-Trainer, die ein hohes Level von mindestens 65 besitzen und sich auf das Training eines einzelnen Pokémon spezialisiert haben. Will man gegen sie antreten, muss man selbst das passende Taschenmonster besitzen. Denn in den 1vs1-Kämpfen treten immer die gleichen beiden Wesen gegeneinander an. Dies motiviert zusätzlich möglichst viele zu fangen, um sich im Idealfall den „Meistertitel“ von jedem erhältlichen Pokémon zu holen.
Schade ist, dass erneut auf eine richtige Online-Lobby wie zuletzt bei Pokémon: X&Y verzichtet wurde. Allerdings kann man immerhin mit seinen Freunden lokal und online Pokémon tauschen und Einzel- als auch Gruppenkämpfe austragen. Die Verbindung kommt dabei stets problemlos zu Stande und das Spiel läuft so flüssig wie offline. Erst im Kampf gegen einen menschlichen Spieler konnte ich die letzten Schwächen meines Teams wirklich raus arbeiten. Umso blöder, wenn man
niemanden kennt, der Let‘s Go spielt. Ich denke aber, dass man über das Internet schnell neue Freunde kennenlernen und Raumcodes (für die Symbole von Pokémon genutzt werden) austauschen kann. Hier stößt einem aber erneut das nervige Austauschen des langen und altmodischen Freundescodes auf, der es Spielern erschwert „sich mal eben schnell für ein paar Runden anzufreunden“.
Über zahlreiche Bonbons kann man die Statuswerte der Pokémon diesmal besonders umfangreich pimpen. So gibt es spezielle Pikachu-Bonbons, oder welche, die Lebenspunkte ab einem bestimmten Level dauerhaft erhöhen oder den Angriff anheben. Bonbons erhält man beispielsweise, wenn man dem Professor regelmäßige Pokémon, die man nicht behalten will, zu Forschungszwecken schickt. Ein weiterer motivierender Grund, um möglichst viele Monster zu fangen!
Hilfestellung für Anfänger
Ihr habt gerade erst mit Pokémon angefangen, oder habt Sorge, dass eure Kinder überfordert sein könnten? Kein Problem, denn auch für Einsteiger gibt es Möglichkeiten, das Spiel an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Durch das Schütteln des zweiten Joy-Cons kann erstmals jederzeit ein zweiter lokaler Koop-Spieler gerufen werden. Die Kontrolle übernimmt zwar immer noch der erste Spieler, aber man kann zusammen in der der Welt herumlaufen, fangen und Kämpfe austragen. Zu zweit ist das natürlich viel einfacher als alleine, da man im Kampf grundsätzlich mit zwei Monstern antritt, während der Gegner nur eines steuert.
Zudem ist es möglich vielen der zufälligen Trainer einfach auszuweichen und sich auf das Fangen wilder Pokémon zu konzentrieren. Werfen beide Spieler dabei gleichzeitig ihre Bälle, kann es passieren, dass sie zu einem besonders starken Ball zusammenwachsen und somit die Fangwahrscheinlichkeit erhöhen.
Wer die Beziehung zu Pikachu oder Evoli stärkt, in dem man sie im Partner-Pokémon-Menü fleißig streichelt oder mit Beeren
füttert, erhält nützliche Vorteile, um den Kampf zu vereinfachen. So überstand mein Pikachu immer wieder fatale Attacken mit einem Lebenspunkt, oder wachte sofort aus dem Schlaf auf, mit der Begründung „mir nicht zu Last fallen zu wollen“. Das löste nicht nur jedes Mal freudiges Quieken bei mir aus, sondern vermittelte das Gefühl, dass es wirklich sinnvoll ist, sich um seine Pokémon zu kümmern. Vertieft wird diese Verbindung, wenn man den Pokéball Plus besitzt, in dem man seine Pokémon spazieren führen und den individuellen Schreien im Ball lauschen kann (mehr dazu im Test).
Noch mehr Pokémon via Pokemon Go
Endlich ergibt das Fangen von Pokémon Go für mich einen motivierenden Sinn, denn durch Let's Go Pikachu/Evoli ist es möglich die Wesen des Handyspiels auf die Switch-Version zu übertragen (wie genau, erklären wir hier). Sobald man Fuchsania-City erreicht, was leider erst recht spät passiert, kann man den GO-Park besuchen, um die gewünschten Monster zu übertragen. Hat man einmal verstanden, wo man die dafür benötigten Einstellungen auf Switch und Handy findet, was zu Beginn etwas verwirrend und unübersichtlich ist, klappt der Transfer jedes Mal schnell und problemlos. Erhaltene Pokémon
landen dann automatisch auf der zuvor ausgewählten Wiese (Poké-Park) und müssen eingefangen werden, um sie auf der Switch zu nutzen.
Wer 25 mal dasselbe Pokémon besitzt, kann außerdem ein Fangminispiel starten, bei dem es gilt alle Monster innerhalb von drei Minuten ins Ziel zu bringen. Als Belohnung winken dann Bonbons. Eine nette kleine Spielerei, wenn man die Klone sowieso bei Pokémon Go rumliegen hat. Extra so viele dafür fangen, lohnt sich allerdings nicht, da man Bonbons auch auf einfacherem Wege erhält.
Fazit
Egal ob Anfänger (zum Einsteiger-Guide) oder Trainer-Ass: Die Entwickler von GameFreak haben es geschafft, die Edition mit der viele Fans ihre Pokémon-Reise damals begonnen haben, so zu verändern, dass die nostalgische Essenz zwar erhalten bleibt, zahlreiche kreative Neuerungen allerdings für ein frisches Gefühl sorgen. Vor allem durch den teils herausfordernden Anspruch, der mir in jedem der letzten Teile fehlte, hatte ich einen Riesenspaß mit Pokemon: Pikachu Let's Go! Neben dem Leveln über Kämpfe stellt das Fangen von Pokémon eine schöne Abwechslung dar. Besonders gelungen ist hier, dass auch die Spielwelt einen immer wieder motiviert und dafür belohnt, möglichst viele verschiedene Pokémon zu jagen - etwas, das ich bisher nicht als besonders anstrebenswert empfand. Das Übertragen von Pokémon Go auf Let‘s Go sowie die Online-Kämpfe, die man leider nur gegen Freunde austragen kann, funktioniert tadellos. Schade ist außerdem, dass die Mechanik des Fangens immer wieder etwas unpräzise ausfällt und man, egal ob mit Joy-Con oder Pokeball Plus, nicht das Gefühl hat, wirklich Kontrolle über den Ball zu haben. Da ich eh am liebsten im Handheld-Modus spiele, ist das ein Fehler, den ich diesem charmanten Pokémon allerdings sehr leicht verzeihen kann. Was eine tolle Pokémon-Jungfernfahrt auf der Nintendo Switch!
Pro
Kontra
Wertung
Switch
GameFreak hat es geschafft, die Nostalgie des alten Spiels mit kreativen Neuerungen aufzupeppen. Für Profi-Trainer als auch Anfänger gibt es gleichermaßen coole Anreize und die neue Fangmechanik ist eine coole Abwechslung zum Sammeln von Erfahrungspunkten.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Das 151. legendäre Mew erhält man nur, wenn man den Pokéball Plus besitzt.
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