Metroid: Other M03.09.2010, Jörg Luibl
Metroid: Other M

Im Test:

Am 2. Juni 2009 wurde in Los Angeles ein neues Metroid von Team Ninja angekündigt. Ich erinnere mich genau an meine erste Reaktion: "Ach du Scheiße!" Bei allem Respekt vor der Kreativität der Japaner im Bereich Beat'em Up und Hack'em down: Ich verbinde mit Samus' Abenteuern alles andere als Tittengehopse und Ninjageschlitze. Zu viel der Skepsis? Gerade wenn sie groß ist, kommt ja am Ende manchmal überraschend Großartiges heraus.

Angst um Samus

Samus als junge Kadettin bei der Galaktischen Föderation: Zum ersten Mal erfährt man mehr über ihre Biografie.
Mein Standpunkt nach einer langjährigen, natürlich rein ludologischen Beziehung mit Samus Aran: Ich liebe diese Frau als geheimnisvolle Heldin. Ich liebe dieses Spiel als Irrgarten futuristischer Abenteuer. Es hat als Action-Adventure in vielen Bereichen Maßstäbe gesetzt - nicht nur was Leveldesign und Bosskämpfe angeht. Vielmehr weil es sowohl das außerirdisch Mysteriöse als auch das technisch Faszinierende an der Science-Fiction bündelte, weil es sowohl das Gefecht als auch die Erkundung in einer fremden Welt unheimlich motivierend gestaltete.

Ich kann verstehen, dass die Retro Studios nach dieser Trilogie eine kreative Veränderung suchen und dass Nintendo die Marke nicht einfach ruhen lassen kann - Metroid Prime gehört zu den Kronjuwelen des Hauses. Für mich als Spieler gehört

Platinserie bei 4Players.de:

Metroid Prime (GC), 2003: 93%

Metroid Prime 2: Echoes (GC), 2004: 94%

Metroid Prime 3: Corruption (Wii), 2007, 92%es aufgrund seines einzigartigen Designs zu den besten Action-Adventures aller Zeiten. Und Samus zähle ich zu den interessantesten Videospiel-Ladies, gerade weil sie so wenig von sich preis gab und nicht auf das sexy Babe reduziert wurde. Keine andere Reihe konnte mich über die Jahre hinweg so begeistern, so klar Platin gewinnen - kein Mario, kein Link. Kann Team Ninja daran anknüpfen?

Das Kind ruft die Mutter

Worum geht es? Das Abenteuer spielt zeitlich nach Metroid Prime 3: Corruption (Wii, 2007) und knüpft erzählerisch direkt an die Ereignisse aus Super Metroid (SNES, 1994). Die Kopfgeldjägerin Samus Aran bekommt Notsignale von einer entfernten

Samus trifft auf einer Raumstation zunächst alte Bekannte aus ihrer Zeit bei der Armee.
Raumstation - Codename: Baby's Cry. Ist das eine Falle? Oder handelt es sich tatsächlich um die seltsame Larve, die sie zunächst beschützen konnte, aber dann in einer riesigen Explosion im Kampf gegen Mother Brain verloren hatte? Hegt Samus etwa noch Muttergefühle für dieses parasitäre Lebewesen aus der Spezies der Metroids? Sie bringt ihr Raumschiff jedenfalls auf Kurs und folgt dem Schrei.

Auf der gespenstisch wirkenden Station findet sie aber kein Metroid-Kind, sondern einen Stoßtrupp der Galaktischen Föderation, der dort zwischen ersten Leichen nach Ursachen für die verwahrloste Situation sucht. Wo sind die Forscher? Was ist hier passiert? Zufälligerweise ist ein alter Bekannter, Vorgesetzter und Schwarm von Samus dabei: Adam Malkovich. Und genau hier setzt Team Ninja an, um mehr über die bisher schweigsame Kopfgeldjägerin und ihr Leben zu verraten. Das Verhältnis zwischen den beiden wird über einige Rückblicke aus der Sicht von Samus beschrieben, so dass man mehr über ihre Vergangenheit sowie ihre Gefühle zu dem Mann erfährt, der sie früher "Lady" nannte und jetzt das Kommando führt. All das wird ansehnlich inszeniert und ist bis hierher eine gute Idee, um mehr über diese geheimnisvolle Frau zu erzählen.

          

Ausbilder, Schwarm & Vaterersatz

Das technisch sehr gute Intro macht noch neugierig und Lust auf mehr.
Aber wer über mehrere Jahre hinweg mit ihr gegen Weltraumpiraten und Riesenmonster kämpfte, hat vielleicht mehr an Eigenwilligkeit und Charakter erwartet, was Figurendesign und Biografie angeht. Team Ninja präsentiert im Einstieg bloß ein blondes 90-60-90-Babe, das mit seinem hübschen Rehblick in jedem Anime auftauchen könnte - eine Disneyschönheit ohne Ecken und Kanten. Schade, dass man diese Kämpferin hier so schnell entmystifiziert. Aber dafür bietet man endlich Hintergründe aus ihrem Leben: Das Techtelmechtel zwischen ihr und Adam wird zum zentralen Thema des Einstiegs.

Zum ersten Mal spricht Samus ihre Gedanken aus und blickt zurück in die Zeit, als sie die ebenso naive wie rebellische Kadettin und er der attraktive Ausbilder plus Vaterersatz für sie war - schließlich hatte sie ihre Eltern verloren. Spätestens an dieser Stelle hat man dann auch alle schnulzigen Klischees beisammen. Immerhin: Es gibt zum ersten Mal ein Metroid mit Sprachausgabe, allerdings nur in Englisch mit optionalen deutschen Untertiteln. Nach all den schweigsamen Jahren wird der Kopfgeldjägerin jetzt eine Stimme verliehen - sehr jugendlich, sehr verletzlich und fast schon naiv, was gar nicht zu ihrer bisherigen Laufbahn als starke Individualistin passen will.

Adam befiehl, ich folge dir!

Remote waagerecht: Samus nutzt in dieser Perspektive die automatische Zielfunktion. Man muss nur draufhalten und ausweichen. 
Genau so wenig wie ihre Unterwürfigkeit gegenüber Adam: Sollte man von einer Frau, die auf eigene Faust durchs Weltall reist und gegen Piraten kämpft, nicht etwas mehr Trotz, Stärke und Selbstbewusstsein erwarten? Als Samus auf der Raumstation landet, verwandelt sie sich jedenfalls in eine artige Befehlsempfängerin. Obwohl sie erfahrener und kampfstärker ist als der ganze Trupp vor Ort. Obwohl sie nicht offiziell zur Armee gehört und keine Untergebene ist. Diese erzählerischen Schwächen reichen bis hin zu peinlichen Logiklücken, als es um den Einsatz ihrer Waffensysteme geht.

Immerhin hat man übel zugerichtete Leichen auf der Raumstation gefunden, irgendjemand hat die Computersysteme zerstört und es gibt seltsame Laborkäfige ohne Inhalt: Die Situation ist heikel, aber Adam verlangt von Samus, dass sie ihre Waffen erst dann einsetzt, wenn er es befiehlt. Wer jetzt denkt, dass sie als selbstbewusste Lady wenigstens etwas Einspruch erheben oder gar protestieren würde, sieht sich getäuscht: Sie nickt artig und segnet seine Befehle ab. Und dann darf sie, die Mother Brain und hunderte Weltraumpiraten im Alleingang vernichtet hat, nur den einfachen Beam und die kleine Morphballbombe benutzen - mehr ist nicht drin, weil es der Chef der Operation nicht erlaubt? Was ist das für eine schwache Begründung?

Da ist viel Feuer, aber Eis gibt's nicht?

Remote senkrecht zum Bildschirm: Samus muss in Egosicht still stehen, kann sich lediglich umschauen und Raketen abfeuern.
Da steht man später vor einer verschlossenen Tür, die nur mit Super-Missiles geöffnet werden kann, die man ja eigentlich besitzt, aber trotzdem nicht einsetzen darf - und das, obwohl Adam einen auf Schritt und Tritt über seinen Monitor beobachtet und theoretisch alle Sackgassen und Probleme sieht. Wenn das wenigstens zu einer aktiven Kommunikation führen würde, in der beide um den Waffeneinsatz streiten oder verhandeln würden, aber Papa Adam meldet sich quasi nur, wenn Samus stirbt.

Das Ganze wird spätestens dann lächerlich, wenn Samus in die Lavaregion gerät und die Kreaturen dort nicht von selbst mit ihrem Eis-Beam attackieren oder auf ihren Anzug mit Hitzeresistenz wechseln darf - erst wenn sie die Erlaubnis bekommt, darf sie ihr Leben effizient schützen. Geht's noch bescheuerter? Immerhin wird ein gewisser dramaturgischer Effekt erreicht: So baut man sehr schnell eine sehr große Aggression gegen Adam im Besonderen (wieso sieht er eigentlich aus wie Bison aus Street Fighter?) und die Story samt ihrer Logiklücken im Allgemeinen auf. Aber Team Ninja bekommt später tatsächlich den schwierigen Spagat hin, aus diesem hanebüchenen Einstieg noch eine spannende Geschichte zu stricken. Und dann wirkt zwar nicht alles, aber einiges wenigstens nicht mehr ganz so dilettantisch, wie es den Anschein hat.

    

Die Tücken der Steuerung

Spätestens bei agilen Feinden, die einen Raketenbeschuss verlangen, ist der Stillstand tödlich.
Aber die anfänglich naive Charakterzeichnung von Samus ist gar nicht das Hauptproblem des Spiels. Die vermurkste Steuerung ist viel entscheidender: Team Ninja macht weder von den Möglichkeiten des Nunchuk noch von der erhöhten Präzision der WiiMotion Plus Gebrauch - man beschränkt die Bewegung komplett auf das Digikreuz und die Knöpfe der Remote. Während Nintendo sein Zelda in dieser Hinsicht weiter entwickelt und Link noch mehr Möglichkeiten spendiert, baut man die Steuerung von Samus ab. Und das führt umgehend zu kleinen Komforttücken beim Wechseln zur Karte, wenn man auf das Plus-Zeichen in der Mitte übergreifen muss.

Das ist noch ein verschmerzbarer Rückschritt und wäre noch nicht einmal so schlimm, wenn man damit auch konsequent zurück zu den 2D-Wurzeln von Super Metroid gehen würde - hey, das war ein klasse Spiel! Aber das tun die Entwickler nicht, denn sie bieten mir zum einen nicht die Möglichkeit, den Classic-Controller zu benutzen - damit würde man alle Steuerungstücken umgehen, alle Knöpfe wären bequem zu erreichen und das klassische Gefühl wäre perfekt. Aber sie gehen faule Kompromisse ein, indem sie zum anderen eine Mischung aus Retro und Moderne servieren: Sobald man die Remote nicht mehr waagerecht vor sich hält, sondern zum Bildschirm zeigt, wechselt die Perspektive in die Egosicht. Und hier beginnen die echten Probleme.

Statik statt Dynamik

Samus im asiatischen Stil: Manche Attacken und Finisher erinnern an Ninjitsu, Karate & Co.
Theoretisch ist der Perspektivwechsel eine gute Idee, aber in diesem Moment kann sich Samus tatsächlich nicht mehr bewegen! Sie kann lediglich stehend die Umgebung erkunden und Raketen abfeuern. Dass man für das Absuchen der Gegend verharrt, ist ja noch in Ordnung, aber sobald man von agilen Feinden oder später großen Bossen attackiert wird, die ein Ausweichen samt anschließendem Beschuss erfordern, ist der Stillstand spätestens dann frustrierend, wenn man durch ihn auch noch stirbt. Dynamik im Kampf? Fehlanzeige, sobald man in die Egosicht wechselt. Wegrollen und Rakete abfeuern in einer Perspektive? Nicht möglich! Wer sich per Steuerkreuz zur Seite rettet, wird wieder in die schräge Ansicht zurückgeworfen. Was ist das für ein Rückschritt gegenüber den bisherigen Metroids?

Hier opfert man die Kampfdynamik und beraubt Samus ihrer akrobatischen Möglichkeiten. Die hat sie nur dann in einer fließenden Bewegung ohne Kamerawechsel, wenn man in der waagerechten Haltung und Pseudo-2D bleibt: Dann zeigt sie fast schon Ninja-Attacken, wenn sie Feinden auf den Rücken springt oder in letzter Sekunde mit einem kleinen Zeitlupeneffekt ausweicht.

Sobald man jedoch aus der Egosicht heraus versucht, schnell die Haltung der Remote zu ändern, zeigen sich auch Umschaltprobleme in der Anzeige: Manchmal klappt es flüssig, manchmal zickt der Perspektivwechsel - und das darf nicht sein! Ich weiß nicht, was sich Team Ninja bei diesem System gedacht hat, denn es ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Wenn man schon back to the roots will, dann bitte richtig! Aber selbst Freunde von Super Metroid werden ernüchtert, wenn sie in der waagerechten Haltung von links nach rechts oder von oben nach unten kämpfen.

Nichts Halbes, nichts Ganzes

Wer an den Terminals umschaltet, bekommt die Illusion einer weitläufigen Biosphäre.
Denn erstens kommt es in dieser an Super Metroid erinnernden Perspektive immer wieder dazu, dass man ohne Sicht nach vorne in einen Tunnel oder zur Seite rennt und blind auf Feinde ballert. Wer sich umsehen will, muss ja erstmal umschalten und stehen bleiben. Zweitens schießt Samus in dieser Haltung nahezu automatisch auf die Feinde um sie herum: Man muss hier nicht gezielt diagonal oder nach unten bzw. oben zielen, wie noch im Klassiker, sondern ballert den Beam einfach im Dauerfeuer um sich, da die Richtung angepasst wird. Das führt natürlich dazu, dass sich dieses Metroid schneller und arcadiger anfühlt als die Vorgänger - man kann schon mal blind den Power-Beam aufladen und losfeuern.

Immerhin mutiert das Abenteuer trotz dieser Anflüge nicht zur Buttonmashing-Orgie: Man muss in späteren Abschnitten durchaus clever ausweichen, rechtzeitig schießen und im richtigen Moment zum Finisher ansetzen - Samus kann Monstern z.B. auf den Nacken springen und ihnen aus dieser Position einen tödlichen Schuss verpassen. Mal müssen Feinde auch erst mit Eis eingefroren oder per Rakete bewegungsunfähig geschossen werden, bevor man sie fertig machen kann. Und wenn Samus kurz vor einem heran stürmenden Feind zur Seite rollt, während sie den Beam auflädt, sorgt sie nach einer kurzen Zeitlupe für mächtigen Schaden.

  

Arenakämpfe bis die Tür aufgeht

Auch als Morphball ist Samus wieder unterwegs.
Wie in Ninja Gaiden werden einige Arenakämpfe inszeniert, wenn man ein paar Feindwellen besiegen muss, bevor sich irgendwo Türen öffnen. Das macht zwischendurch durchaus Laune, zumal auch recht früh etwas größere Wurm-, Vogel- und Saurierviecher auftauchen, aber es ist alles andere als packend. Obwohl Team Ninja für anspruchsvolle Gefechte à la Ninja Gaiden bekannt ist, kann man sicher hier relativ locker durch die gewöhnlichen Feinde schießen - es gibt ja eine automatische Zielhilfe und man kann seine Energie sowie Raketen jederzeit aufladen, wenn man stehen bleibt.

Frust kommt nicht auf und es gibt sehr kurze Rücksetzpunkte, so dass das unterm Strich auch keine langen Wege anfallen, wenn man einen Gegner nicht auf Anhieb erledigt. Das ist gerade bei gescheiterten Bosskämpfen ein Pluspunkt gegenüber Metroid Prime, wo man teilweise weite Abschnitte wiederholen musste. Die flotte Action sieht auch ganz gut aus, wenn Feinde bunt explodieren, aber sie sieht nicht besser als in Metroid Prime 3 vor knapp drei Jahren - im Gegenteil: Obwohl es einige Partikeleffekte gibt, kommt die Kulisse hinsichtlich des Artdesigns nicht an den eindrucksvollen Vorgänger heran: Man läuft durch botanische Gärten oder Lavakulissen, die nur auf den ersten Blick ansehnlich sind. Bei genauerem Hinsehen schwächeln nicht nur die Texturen, man begegnet auch vielen recycelten Elementen. Dass einen die Kulisse nicht gerade umhaut, liegt auch am faden Kreaturen- und Monsterdesign: Im Vergleich zu früheren Metroids wirken Flora, Fauna und Feinde meist austauschbar.

Im Lavelevel geht es gegen feurige Monster zur Sache, während Samus Lebensenergie verliert.
Lediglich besondere Kreaturen, wie das seltsame kleine Wesen mit dem weißen Fell, sorgen zwischendurch für Neugier. Die wird aber nicht befriedigt, denn wer diese Welt wirklich entdecken und mehr über ihre Bewohner erfahren will, bekommt hier kein Feedback - Team Ninja hat das Scannen so weit kastriert, dass man nur noch rudimentäre Informationen bekommt. Wer das kleine Wesen oben entdeckt, kann es nicht analysieren, indem er selbst heran zoomt und wie in den Vorgängern biometrische Daten bekommt - es gibt lediglich automatische Untersuchungsszenen.

Kein Stöbern, kein Archiv

Im Bereich der Erkundung verliert Metroid Prime unheimlich an Reiz, zumal es auch kein Archiv mehr gibt: Man kann sich lediglich die schnöden Informationen über die bisherige Handlung sowie die anderen Soldaten anzeigen lassen - aber es gibt keine Updates, was Pflanzen oder Kreaturen angeht, keine 3D-Modelle und keine Beschreibungen oder gar eine statistische Fortschrittsanzeige über den Grad der bisherigen Entdeckungen. Das Hauptmenü ist im Vergleich zu den Vorgängern eine sterile Enttäuschung; selbst Samus' Waffensysteme werden nur so kurz beschrieben, als wäre das ein Arcadeshooter und kein futuristisches Abenteuer.

Team Ninja raubt dem Spiel nicht nur hier sein ganz besonderes Flair, auch die Karte ist nur noch ein Abklatsch alter Zeiten: Konnte man sich früher durch ein komplexes 3D-Labyrinth mit detaillierten Anzeigen über die Art der Türen sowie Erhebungen im Gelände zoomen, gibt es hier eine platte 2D-Ansicht. Da leuchten zwar manchmal versteckte Items blau auf, Zielort und Speicherstationen werden markiert, aber wer wirklich Übersicht im Gelände sucht, wird hier nicht fündig. Denn verschlossene Türen werden lediglich in der Minimap, aber nicht auf der großen Übersicht rot markiert.

Aufgezwungener Stillstand

Wie kommt man dort hin? Samus kann akrobatische Sprünge nutzen und in engen Schächten per diagonalem Seitsprung sehr weit nach oben kommen.
Da es weniger Informationen durch Scans und weniger geografische Details über die Karte gibt, kommt es auch häufiger zu Sackgassen: Wo soll man jetzt bloß lang, wo man doch alle Feinde vernichtet und alle Räume freigeschaltet hat? Warum geht es gerade nicht weiter? Manchmal steht Samus wie angewurzelt, was in einigen aufgezwungenen Erkundungsphasen fast Bugcharakter hat: Als sie und ein paar andere Soldaten die Überreste eines zerfetzten Opfers analysieren, wechselt die Perspektive in die Egosicht und verharrt, ohne dass ich mich bewegen oder mit den Jungs reden kann. Ich muss auf ihre Rücken glotzen, ohne dass jemand spricht oder Adam eine Anweisung gibt.

Jetzt muss ich so lange aus dieser Position heraus die Umgebung untersuchen, bis ich einen Hinweis finde, den ich wie in früheren Scans ins Visier nehme. Wer den nicht findet, steht da eine gefühlte Ewigkeit, ohne dass er die Gegend zu Fuß erkunden könnte. Leider hilft einem hier auch keine Kommunikation mit Adam oder sonstwem, denn die ist nicht möglich. Auch hier ist Team Ninja nicht konsequent, denn man hätte auf innere Monologe setzen und wenigstens Samus Gedanken mit kleinen Hinweisen einstreuen können, als das Spiel in völliger Stille einzufrieren. Unheimlich nervend sind dann die Passagen, in denen sie aus sehr naher Schultersicht manchmal kleine Bereiche wie etwa eine Art Toilette erkunden darf - auch hier Statik pur: Obwohl sie einen Missile-Container in dem Klosett hinter der leicht angelehnten Tür sehen kann, darf sie sie nicht von der Seite aufstoßen, was natürlich wäre, sondern muss erstmal brav frontal auf die Tür zugehen, damit sie das Item aufnehmen kann.

    

Kopierte zeitlose Klasse

Team Ninja hätte auf diese Statik in Egosicht ganz verzichten und sich konsequent für ein Remake entscheiden sollen.
Immerhin ist das Leveldesign nicht ganz so eingleisig, sondern teilweise angenehm, jedoch bei weitem nicht so ausufernd verschachtelt wie in Metroid Prime: Es gibt zu viele geradlinige Schläuche, die einen auf Einbahnstraßen nur noch vorne führen, ohne dass man seitlich etwas erkunden könnte. Zwischendurch kann man aber immer wieder als Morphball durch Röhren rollen und kleine Nebenräume erreichen oder per Akrobatik ganze Schächte hinauf springen - all das geht flott von der Hand. Hindernisse werden als Morphball mit Bomben beseitigt und manchmal kann man sich wie in einem Flipper über weite Strecken in andere Kartenbereiche schießen. Ansonsten sammelt man wie gehabt Erweiterungen für die Raketen, die Kraft des Kampfanzugs sowie Bauteile, die wiederum bei vier Stück die Energie des Vital Suit erhöhen - im Laufe des Abenteuers bekommt Samus noch den Varia- und den Gravity-Anzug.

Ersterer verhindert endlich das automatische Absinken ihrer Energie in Lavagebieten; Letzterer macht einen unter Wasser schneller und widerstandsfähiger. Wenn man bestimmte Bereiche der Karte aufdeckt, erlaubt Adam auch die Nutzung anderer Waffen: Ice-, Wave-, Plasma- und Grapple-Beam. Irgendwann darf der Morphball auch endlich normale und die Power-Bomben nutzen, die für Bereichsschaden und die Öffnung verschlossener Gebiete sorgen.

Etwas Restknobelei

Als Metroid-Fan freut man sich zwar über die biografischen Hintergründe, aber das Spiel ist das bisher schlechteste der glorreichen Reihe.
Ein leichter Hauch von Rätselflair kommt über die Terminals ins Spiel, die nach der Aktivierung z.B. die Illusion einer scheinbar freien, aber mit unsichtbaren Grenzen versehenen Dschungelwelt zerstören und das tatsächliche Bild der Raumstation zeigen - futuristische Innenräume mit ein paar Pflanzen hier und da. So erkennt man die Absperrungen ganz genau, aber manchmal muss man auch wieder am Terminal in die Naturansicht schalten, um Interferenzen und Störungen zu finden: Leider weist aber kein Scan auf diese porösen Stellen hin, so dass viele Spieler wohl schon am Ende des ersten Levels in einer Sackgasse landen werden - denn weder Adam noch Samus reden in solchen Situationen des Stillstandes. Die Lösung: Wer dort mit dem Morphball eine Bombe platziert, kann einen Gang frei sprengen.

Aber keine Bange, denn anspruchsvoll sind die Rätsel nicht, denn ansonsten gilt: Alles, was leuchtet, sollte beschossen werden - das macht Wege frei. Das ist kein Vergleich zu den kreativen Kopfnüssen früherer Metroids, in denen man ganze Anlagen in Betrieb bringen musste, aber sorgt immerhin für Abwechslung. Die Bosskämpfe gehören auch noch zu den unterhaltsamen Highlights des Abenteuers, weil es hier endlich in mehreren Phasen zur Sache geht. Allerdings erinnern einige Gefchte gegen mittlere Feinde auch an Lightgunduelle, wo man erneut zum Stillstand verdonnert wird: Samus liegt überwältig von einem Monster am Boden und muss in Egosicht dessen Stachelschwanz treffen, der die ganze Zeit wie wild über ihr hin- und her jagt.

    

Fazit

Glückwunsch, Team Ninja: Das ist das schlechteste Metroid, das ich bisher gespielt habe! Ihr habt aus einem der faszinierendsten Abenteuer der Spielegeschichte eine inkonsequente Mischung aus Retro und Moderne gemacht. Ihr habt die Steuerung kastriert und die Kampfdynamik mit dem unsäglichen Stillstand in der Egosicht ad absurdum geführt. Ihr habt die Erkundungsreize auf ein Minimum reduziert, das Scannen und Archivieren gestrichen und das besondere Flair der Serie vernichtet. Und was gibt es dafür? Anstatt eine starke Lady serviert man eine verletzliche 90-60-90-Blondine, die erstmal zur Befehlsempfängerin degradiert wird und freiwillig auf ihre Waffensysteme verzichtet - gut, dass sie nicht noch von Papa Adam zum Beachvolleyball verdonnert wird. Dass das kein Verriss wird, liegt nur daran, dass die kopierten Spieldesignelemente, also das was Team Ninja nicht versaut, immer noch zeitlos gut sind: Man kämpft sich Stück für Stück durch ein verschachteltes Leveldesign und gewinnt an Fähigkeiten, um großen Bossen den Garaus zu machen. Sobald man im Gravity-Suit steckt, den Ice-Beam abfeuert oder am Greifbeam hin und her schwingt, blitzt die Stärke alter Zeiten kurzfristig auf. Und die anfangs dümmlich pathetische Story kann zum Ende hin tatsächlich noch etwas überraschen, so dass man solide unterhalten wird. Aber unterm Strich hatte ich hier als langjähriger Metroid-Fan mehr Schmerzen als Freude. Zum ersten Mal habe ich mich ohne dieses angenehme Kribbeln im Nacken durch die faden Kulissen geballert. Wenn dieses Spiel irgendwann 1998 nach Super Metroid und vor Metroid Prime erschienen wäre, hätte es wenigstens eine kreative Existenzberechtigung zwischen Klassik und Moderne. Aber so werden Fans nach einer ausgezeichneten Trilogie mit einem Mischmasch abgespeist, der keinem der beiden Spielstile gerecht wird. Bitte nicht mehr davon!

Pro

Hintergründe über Samus
Story nimmt später Fahrt auf
ein paar gute Bosskämpfe
rasante Arcade-Gefechte
schnörkellose Akrobatikeinlagen

Kontra

- viel Kitsch, viel Klischee
Samus als naive Befehlsempfängerin- nervige Steuerungswechsel
keine Scans, kein Archiv, kaum Rätsel
frustrierender Stillstand in Egosicht
Logiklücken bei Waffenbeschränkung
karges Waffen
& Ausrüstungsmenü

Wertung

Wii

Vermurkste Steuerung, dazu ein inkonsequentes Spieldesign zwischen Retro und Moderne - das bisher schlechteste Metroid.

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