Captain Toad: Treasure Tracker02.01.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Klein aber oho!

Bereits in Super Mario 3D World waren Toads Bonus-Levels ein echter Geheimtipp – jetzt bekommen die Drehpuzzles ein eigenes Spiel. Nur wer die würfelförmigen Levels immer wieder um die Mittalachse dreht, findet alle Schalter, Mechanismen und Schätze. Überzeugt das Minigame auch als vollwertiges Spiel?

Entschleunigter Rätsel-Ausflug

Offiziell und im eShop erscheint das Spiel erst heute, manch ein Händler hatte den Titel allerdings schon vor Weihnachten parat; in Großbritannien wurde der Verkaufsstart der Retail-Fassung sogar offiziell vorgezogen. Das Prinzip hat sich im Vergleich zum Ursprung natürlich nicht verändert – trotzdem steckt mehr im Spiel als nur ein Minigame zum Mid-Price: Als ich zum Vergleich ein paar alte Bonus-Levels startete, kamen die mir plötzlich erstaunlich karg vor. Auch das Spielgefühl hat Nintendo gründlich umgekrempelt: Endlich gibt es keinen unerbittlich tickenden Countdown mehr, wodurch alles viel entspannter wird. Hier bestimmt jeder sein eigenes Rätseltempo. Ich lasse in aller Ruhe das Level rotieren, schaue in alle Ecken und wackele dann gemütlich mit Toad über die mit Fallen gespickten Plattformen.

Tödlich und nützlich zugleich: Die seitlich trippelnden Baumstümpfe lassen sich auch als laufende Plattformen benutzen.

Springen kann Nintendos kleiner Pilz nicht – stattdessen muss er immer wieder Schalter umlegen, damit Brücken ausklappen, sich Plattformen absenken oder mannigfaltige Mechanismen den Weg freigeben. Ziel des Ausflugs ist wie bei Mario der goldene Stern, auf dem Weg können aber bis zu drei Diamanten eingesammelt werden, welche später zum Freischalten neuer Areale genutzt werden. Das sorgt nicht nur für Extra-Motivation, sondern verhindert auch Frust beim entspannten Entdecken: Im Ernstfall überspringe ich einfach ein, zwei Levels, wenn ich anderswo genügend Klunker gefunden habe.

Der besondere Dreh

Das Coolste am Spiel ist natürlich der Drehmechanismus: Die Kamera lässt sich frei um das würfelförmige Level herum bewegen, so dass ich immer wieder neue Winkel entdecke. Wo eben noch ein Block den Blick versperrte eröffnet sich kurz danach ein Schlupfloch, durch dass ich mit Toad hindurch tapse. Dass der kleine Held nicht springen kann, kompensiert er durch andere Fähigkeiten: Er zerrt wie in Super Mario Bros. 2 auf Knopfdruck Rüben aus dem Boden. Mal verwandeln sie sich in einen Superpilz, anderswo in einen der drei Edelsteine. Auch als Wurfgeschoss lässt sich das Gemüse nutzen.

Manche Levels fallen deutlich größer aus und benötigen geschicktes Vorausplanen.

Auf dem Weg zum Ziel gibt es unheimlich viel zu entdecken: Ich renne z.B. mit gedrückter Beschleunigungstaste vor einer Reihe Kondoren entlang, damit sie aggressiv auf ein paar Blöcke einhacken, welche den Weg zu einer Leiter versperren. Nachdem ich hinaufgeklettert bin, balanciere ich über eine Metalltonne. Als sie ein Stückchen zur Seite gerollt ist entdecke ich ein kleines Loch, durch dass ich in den Bauch der Tonne plumpsen kann, um den goldenen Stern zu erreichen. Vorher balanciere ich aber noch ein Stückchen weiter - vorsichtig an den übrigen Kondoren vorbei bis zum Rand des Abgrunds. Durch meinen Balanceakt habe ich die Unterseite der Tonne nach oben befördert, auf der mich ein weiterer Edelstein anfunkelt – bingo! Auf der anderen Seite des Abgrunds wartet außerdem ein glänzendes Münzhäufchen auf mich.

Kleiner Pilz auf großer Reise?

Die eingestreuten Geschicklichkeitseinlagen sorgen dafür, dass das Entdecken hier seltener ermüdend wird als in reinen Puzzlespielen. Durch das ständige Hantieren mit Schaltern und Mechanismen erinnert das Spielgefühl ein wenig an die mechanischen Rätselkästchen von The Room oder an die vertrackten Wege-Puzzles von Hamilton's Great Adventure. Dank Nintendos routinierter Qualitätskontrolle wirkt hier aber alles noch runder und professioneller ausbalanciert. Die Rätsel gestalten sich zwar einsteigerfreundlich, die Extra-Herausforderungen bieten aber genügend zusätzliche Motivation. Mal muss z.B. ein geheimer Pilze gefunden, anderswo eine Mindestzahl von Münzen ergattert werden. Die Szenarien bieten ähnlich viel Abwechslung wie ein ausgewachsenes Mario-Jump-n-Run: Ich erforsche die verschlungenen Pfade auf einem langen sibirischen Zug, lasse mich über brodelnde Lavaseen katapultieren, laufe in idyllischen Gärten über absenkbare Ziergitter und öffne immer wieder kleine Durchgänge zur Unterseite des Würfels.

Ein Turm, viele Aufzüge: Manche Schalter erreicht man hier nur, indem man eine magische Kirsche einsammelt und zwei Helden gleichzeitig steuert.

Schade, dass man nicht stufenlos zoomen darf, denn die zwei vorgegebenen Stufen bieten nicht immer den perfekten Blick auf alle Geheimnisse. Auch die dreckig kichernden Boo-Hoo-Geister bekommen einen Auftritt. In einigen Spukhäusern beamt sich Toad durch zahlreiche Teleporter-Türen. Besonders befriedigend ist es, auf dem obersten Balkon zu landen und einen lästigen Turm von Gumbas unter sich zu begraben: Plopp, plopp, plopp, plopp, plopp!

Polierte Technik

Technisch liefert Nintendo wieder ein sehr sauberes und ansehnliches Ergebnis ab: Die gleißende Beleuchtung verleiht den Gärten, Kerkern und mechanischen Konstrukten eine idyllische Plastizität. Außerdem sind der Grinse-Pilz und seine Widersacher knuffig animiert. Auch der unbeschwerte Soundtrack sorgt von Beginn an für die Nintendo-typische Wohlfühl-Atmosphäre. Bei der minimalistischen Geschichte bleiben die Japaner sich ebenfalls treu: Statt die Rätsel mit einer unterhaltsamen Geschichte zu unterfüttern, gibt es lediglich eine schlichte Rahmenhandlung um die Entführung von Toadette. Auch der Umfang ist ein Schwachpunkt: Nach nur rund vier Stunden ist das Abenteuer bereits vorbei – der Bosskampf gegen einen feurigen Drachen wird sogar recycelt.

Auch die putzige Toadette avanciert später zum spielbaren Charakter.

Im Gegenzug gibt es aber einige gelungene Minispiele wie schnelles Münzsammeln oder eine Lorenfahrt: Per Gamepad ziele und ballere ich hier auf die Boni im Stollen. Für eine angenehme Abwechslung sorgen auch die Bonus-Levels: Ihr Aufbau basiert auf den Jump-n-Run-Levels aus Super Mario 3D World, sie wurden allerdings auf Toads Fähigkeiten zugeschnitten. In den scrollenden Abschnitten wuseln deutlich mehr aufdringliche Gegner herum als in den Standard-Levels, wodurch sich der Spielablauf stärker auf die Geschicklichkeit konzentriert. Gesellige Spieler kommen übrigens nur bedingt auf ihre Kosten: Es gibt weder Mehrspielermodi noch Bestenlisten. Trotzdem macht es Spaß, sich zu zweit vor den Schirm zu setzen – vier Augen entdecken schließlich mehr Geheimtüren als zwei.

Fazit

Captain Toad: Treasure Tracker war für mich der ideale Titel für die Feiertage: Es gibt kaum etwas Entspannenderes, als mit Nintendos knuffigem Pilz auf Schatzsuche zu gehen und die würfelförmigen Levels in aller Ruhe um ihre Achse zu drehen, bis man auch die letzten Geheimtüren, Schalter oder Verstecke entdeckt hat. Mit rund vier Stunden ist das Puzzle-Abenteuer zwar recht kurz, im Gegenzug sprüht es aber vor Abwechlung. In den würfelförmigen Levels steckt unheimlich viel Liebe zum Detail: Neben den einsteigerfreundlich platzierten Edelsteinen gibt es auch jede Menge Goldmünzen, versteckte Pilze und andere Geheimnisse zu entdecken. Auch die idyllische Kulisse trägt viel zum Charme bei: Ähnlich wie bei The Room konnte ich gar nicht aufhören, all die ausgeklügelten kleinen Mechanismen auszukundschaften, um schließlich sicher ans Ziel zu wackeln. Glückwunsch an Nintendo zu diesem starken Start ins Jahr 2015!

Pro

fesselndes Knobel-Prinzip mit drehbaren Levels
toll versteckte Geheimnisse, Durchgänge und Mechanismen
hochgradig knuffig animierte Biester und Schatzsucher
ungemein gemütliche Atmosphäre ohne Zeitdruck
viel Abwechslung
zahlreiche Zusatz-Herausforderungen, versteckte Extras und Bonus-Levels
gute Mischung aus Rätseln und Geschicklichkeit
farbenfrohe, auch technisch ansehnliche Areale
quietschvergnügte Abenteurer-Musik
unterhaltsame Minispiele bieten eine willkommene Abwechslung
ungeliebte Levels lassen sich mit Diamanten überspringen

Kontra

nur rund vier Stunden kurz (ohne versteckte Extras und Bonus-Levels)
kein Mehrspieler-Part oder weltweite Vergleichsmöglichkeiten
kein stufenloser Zoom
manche Bosskämpfe werden recycelt
belanglose Story

Wertung

Wii_U

Kurzer aber herrlich entspannter und abwechslungsreicher Knobelausflug mit fesselnder Drehmechanik.

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