Outcast - Second Contact21.11.2017, Jörg Luibl
Outcast - Second Contact

Im Test: Ohne Voxel, ohne Magie

Verdammt lang her, aber ich erinnere mich sehr genau. Denn 1999 war ein besonderes Spielejahr, weil vor allem Outcast für ein exotisches Abenteuer der besonderen Art sorgte. Wie viele andere war ich mit Cutter Slade in einer exotischen Parallelwelt namens Adelpha unterwegs und fühlte mich wie ein Pionier. Was damals das Faszinierende war, habe ich in einem Rückblick sowie einem Video bereits erläutert. Was heute das Ernüchternde an der Neuauflage von Big Ben Interactive und Appeal ist, die sowohl digital als auch in der Box veröffentlicht wird, erkläre ich im Test.

Sag mir, wo die Voxel sind?

Ich habe mich auf Outcast - Second Contact (ab 5,97€ bei kaufen) gefreut. Aber spätestens im leidlich animierten Comic der Einleitung manifestierte sich die Skepsis, dass man gerade die exotischen Reize dieses Abenteuers heutzutage nicht mehr replizieren kann. Manchmal ist es auch spielehistorisch besser, bei der Primärquelle zu bleiben und den Klassiker im Original statt modernisiert zu erleben. Ganz einfach, weil sich der besondere Charakter dieses Spiels natürlich im Kontext seiner Zeit zeigen konnte - also im Vergleich mit dem, was man 1999 mit Voodoo-Grafikkarten noch so erleben konnte. Und das war u.a. Age of Empires 2, EverQuest, Grand Theft Auto 2 oder Ultima IX.

Man startet mit kleinen Übungen: Schleichen, Schwimmen, Schießen. Leider sind subtile Manöver später nahezu überflüssig...
Das herausstechende Merkmal von Outcast war ja vor allem eines: Die visuelle Magie der Voxel und die für damalige Verhältnisse enorme Freiheit und Rätselhaftigkeit in der Spielwelt. Was Artdesigner Franck Sauer damals inszenierte, hatte magische Sogkraft. Denn egal ob in Sumpf, Wüste oder Arktis: Adelpha lockte mit weiter Sicht, tollem Wasser und angenehm sanftem Gelände, wobei die Farben und Formen ineinander zu fließen schienen – es entstand eine ganz andere grafische Wahrnehmung, in der nicht einzelne Punkte, sondern Flächen im Vordergrund standen, fast wie bei einem animierten Aquarell. Diese visuelle Magie ist mit den gewöhnlichen Polygonen verflogen. Und was damals Weite sowie Exotik suggerierte, wirkt heute nicht nur räumlich beschränkt.

Wüste, Schnee und Sumpf

Auch wenn die Landschaft dieser Neuauflage gut aussieht, auch wenn es je nach Region fruchtbar oder verschneit, sumpfig oder sandig sein kann, das Wasser schön glitzert und die zwei Monde in der Ferne für außerirdisches Flair sorgen, ist die

Man braucht angesichts der trägen Steuerung starke Nerven, um solche Höhen zu erklimmen. Obwohl Appeal alles von der Bewegung bis zum Kampf modernisieren wollte, fühlt es sich nicht so an...
Kulisse trotz intensiver Farben nichts Besonderes mehr, zumal es auch auf PlayStation 4 Pro nicht komplett flüssig läuft. Es gibt eine fast schablonenhafte, weil exakt dem Original nachempfundene Topographie, nur sporadisch Tiere und nicht mal einen Tag- und Nachtwechsel. Auch wenn man den Einwohnern bei der Arbeit zusehen kann: Man fühlt sich zu schnell wie an einer bunten Oberfläche, die mit jedem Kontakt mehr Risse bekommt und einen komplett veralteten Kern offenbart. Wenn die Talaner lippenasynchron reden, sich wie Roboter drehen oder hüftsteif bewegen versinkt Outcast im Zeitalter von Destiny 2 oder Horizon Zero Dawn nicht nur stilistisch und technisch im grafischen Mittelmaß.

Viel schlimmer als die erwartbare visuelle Ernüchterung ist nämlich, dass auch die Story sowie das Spieldesign so ernüchtern. Cutter Slade hat sich zwar seinen rauen Charme mit der Stimme von Manfred Lehmann (Bruce Willis) bewahrt, aber er ist als Charakter ein plumper Klotz der 80er, wiederholt sich viel zu oft in seinen Ansprachen wie "Hey Zwerg, komm mal her!" und seine Sprüche wirken genauso wie die Gespräche mit den immer gleich aussehenden Talanern im besten Fall eher unfreiwillig komisch als interessant. Und man muss leider sehr viel mit den meist nervig vertonten Aliens quatschen. Das Dialogsystem ist ohne rhetorische Interaktionen auf eine simple Auswahl an Begriffen beschränkt, aber lebt wie schon der Klassiker vom Reiz des Fremden: Was haben Ulukaï, Krakit, Sankaari oder Magwa zu bedeuten? Warum werden Schmiede hier Fühler genannt?

Die Magie der Voxel aus dem Original ist verflogen...
Während man als Commander der US-Navy die fremde Welt erkundet, um dort drei Wissenschaftler zu finden, eine Sonde zu reparieren und ein Schwarzes Loch zu schließen, muss man die seltsamen Begriffe, die Gesellschaft sowie die Hierarchie der Außerirdischen erstmal verinnerlichen. Und so füllt sich das Archiv wie ein Sprachlexikon. Trotzdem müsste man selbst diesen fremdsprachlichen Ansatz heutzutage eleganter und vor allem spannender in der Übersetzung lösen - das ist alles viel zu automatisiert, viel zu schnell durchschaut. Damals hatte ich sofort Lust, mir seitenweise Notizen zu machte, heute fühlt sich das an wie eine linguistische Update-Datei, die einfach nebenbei läuft. Außerdem sind die Menüs zu steril designt, auf Konsolen erkennt man zudem kaum den Unterschied zwischen offenen und ausgegrauten erledigten Aufträgen.

Miese Kamera, steife Bewegungen

Sobald man Cutter in der zunächst viel zu nahen, dann automatisch etwas entfernteren Schultersicht bewegt, hat man das Gefühl, einen übergewichtigen Rentner zu steuern. Vieles an der "modernisierten" Steuerung ist nicht mehr zeitgemäß. Selbst die hakelige Kamera scheint ihm in Räumen nur unfreiwillig zu folgen - anders sind die seltsamen Schwenks und Perspektivprobleme dort nicht zu erklären; mitunter kam sogar ein Schwindelgefühl auf, das ich sonst nur von VR kenne. Da ist man fast froh, dass man sich nicht bücken muss und aus der Ferne blinkende Rohstoffe sowie Munition wie in einem Arcade-Spiel aufnimmt, indem man einfach drüberläuft. Trotzdem ist dieses beiläufige Einsammeln natürlich ein stilistischer Fremdkörper, der eher zu einem Top-Down-Shooter passen würde. Zudem sorgt die sofort zugängliche Karte, die alle Feinde zeigt (!) für eine Entzauberung - das kann man immerhin in den Optionen abschalten.

Die Gebiete unterscheiden sich klimatisch - von Schnee bis Wüste ist alles dabei.
Das Schwimmen und Tauchen ist noch okay, zumal man auch unter Wasser einiges finden kann. Aber das Klettern sieht furchtbar steif aus und das Springen ist nicht mal so präzise wie im ersten Tomb Raider - wenn man Türme über Planken hinauf springen soll, freut man sich über das jederzeit mögliche Speichern, damit man das bloß nicht nochmal versuchen muss. Dagegen wirkt selbst das hüftsteife Elex wie eine elegante Akrobatiksimulation. Immerhin kann man die zweibeinigen Twon Ha besteigen, um auf ihnen zu reiten. Zumindest punktuell kommt durchaus soetwas wie Nostalgie für Veteranen auf. Apropos speichern: Schön ist, dass man mehrere Plätze zur Verfügung hat; ärgerlich ist, dass es so viele Fehler beim automatischen Speichern gibt - mal musste ich ohne Chance versinkend im Sumpf, mal schwimmend im Boden vor einer Hütte starten. Da half lediglich das Laden eines manuellen Spielstandes.

Dumme Gegner, banale Aufgaben

Den Tiefpunkt erreicht die Motivation dann in den Kämpfen. Über die schrecklich inszenierten Nahkämpfe und ihr Puppentheater verliere ich lieber keine Worte. Aber wenn man mit einer der sechs komplett überarbeiteten Feuerwaffen über

Auch aus dem Reiten heraus kann man schießen. Leider verdirbt einem die dämliche KI schnell den Spaß in den Gefechten - die Shootermechanik ist steinzeitlich.
die Distanz kämpft, fühlt man sich wie in einem billigen Moorhuhn-Shooter: Selbst mit der einfachen Pistole ohne Aufrüstungen kann man die Feinde über gefühlt zwei Kilometer treffen, selbst simpel ausweichen und über schnelle Feuerstöße töten. Und wie verhalten sich die Gegner? Dämlich. Einfach nur dämlich. Sie flankieren nicht, sie laufen wie blöde um Häuser und lassen sich nacheinander aufreiben. Zwar versuchen sie auch mal in Deckung zu gehen und nutzen z.B. so etwas wie Mörser, aber man kann selbst eine Übermacht in einer Festung oder eine Meute tigerartiger Gamor kinderleicht ausmerzen, indem man sie alle immer wieder rauslockt. Wir haben die viel zu leichten Gefechte und KI-Probleme in Far Cry Primal oder Horizon Zero Dawn kritisiert - das hier ist Steinzeit dagegen, obwohl die Lead Designer noch betonten "viel Arbeit in die künstlichen Intelligenz" investiert zu haben. Ja wo denn?

Zwar wird man in den über Teleporter erreichbaren anderen Gebieten etwas stärker gefordert, so dass auch mal ein Granat- oder Flammenwerfer nützlich sein kann, aber die KI bleibt ein Graus, so dass auch das von Beginn an mögliche Schleichen oder andere subtile Manöver nahezu sinnlos sind. Trotzdem gibt es immerhin dank Minen, Fernzündern und Bewegungsmeldern alternative Methoden, die Dumpfbacken oder die umher krabbelnden Monster auszumerzen. Weil Cutter auch darauf sofort Zugriff hat und einfach zu schnell mächtig ist, torpediert das natürlich auch den einzigen Reiz der Charakterentwicklung. Er kann ja keine Fähigkeiten erlernen, sondern lediglich weitere Gadgets wie die temporäre Unsichtbarkeit oder Waffen finden und diese in drei Stufen aufrüsten, um z.B. Magazin, Feuerrate oder Giftdosis zu erhöhen. Immerhin gibt es keine unbegrenzte Munition, so dass man Materialien sammeln und beim Schmied in Auftrag geben muss. Trotzdem herrscht kein Mangel an Magazinen, weil man überall viel zu viel findet.

Das Menüdesign wurde gegenüber dem Klassiker komplett überarbeitet - aber nicht immer ist die neue Transparenz hilfreich.
Wenn die Gefechte weitgehend banal sind, was bleibt dann? Richtig: Die Quests. Schon der Klassiker konnte damals keine kreativen Zeichen setzen und auch die Neuauflage inszeniert viele Haupt- und Nebenmissionen, die nicht mehr als ein stetiges Holen und Bringen, Suchen und Zerstören bieten. Für etwas Anspruch sorgt, dass man nicht mit modernen Zielmarkern auf die Lösungen gestoßen wird, auch mal selbst etwas suchen und zuhören muss, wenn man Artefakte irgendwo einsetzen soll. Außerdem kann man die Laufwege nicht nur über das Reiten, sondern auch über manuell fixierbare Teleportpunkte verkürzen. Trotzdem ist man weniger mit interessanten Quests als vielmehr mit dem Suchen spezieller Talaner beschäftigt, deren Namen immerhin nach dem ersten Kontakt auf der Karte angezeigt werden und nach denen man aktiv fragen kann. Veteranen werden sich zudem über einige neue Gebiete freuen.

Man muss den Entwicklern bei aller Kritik zugute halten, dass sie sich um eine glaubwürdige Ökonomie bemüht haben, die z.B. die Versorgung oder Schlagkraft der Besatzer in Statistiken anzeigt, die man auch aktiv schwächen kann. Hinzu kommt gegenüber dem Klassiker ein neues System des Ansehens, das je nach Cutters Aktionen steigen oder fallen kann - man kann auch nachfragen, was die Bewohner über einen denken. Aber unterm Strich trägt gerade diese neue Transparenz der Werte und die Sichtbarkeit aller Dinge auch dazu bei, dieses Outcast weiter zu entzaubern. Die Entwickler haben, vermutlich um Einsteigern das Erlebnis zu erleichtern, einige faule Kompromiss gemacht.

Fazit

Outcast - Second Contact ist das beste Beispiel dafür, wie schlecht manche Spiele altern. Das Abenteuer, das mich 1999 noch so fasziniert hat, in dem ich mich wie ein Entdecker, Sprachforscher und Held gefühlt habe, sorgt heute in seiner modernisierten Neuauflage für komplette Ernüchterung. Das liegt nicht nur daran, dass die visuelle Magie der Voxel und damit das grafische Charakteristikum verflogen ist, sondern vor allem daran, dass die Spielmechanik im Zeitalter offener Welten mit Rollenspielflair so schrecklich veraltet ist. Obwohl Appeal erklärte, nahezu alles verbessert zu haben, fühlt sich nichts wirklich gut an: Steuerung und Kamera sind träge, das automatische Speichern ist verbuggt, der Kampf ist angesichts der dämlichen KI eher ein Moorhuhnschießen, die Dialoge nerven ebenso wie Cutters Sprüche und die meisten Quests inszenieren gewöhnliches Holen und Bringen. Ja, das Spiel sieht ansehnlich aus. Ja, das Fremdartige wird über die Sprache immer noch spürbar. Und ja, es gibt noch einige nostalgische Déjà-vus. Aber hinzu kommt, dass die Entwickler die außerirdische Parallelwelt über viel zu viele Informationen und Automatismen sowie überflüssige Statistiken aufgeplustert haben. Angeblich wollten sie für mehr Transparenz bei neuen Spielern sorgen, aber letztlich wurde Adelpha damit noch weiter entzaubert. Gerade durch das Angleichen an aktuelle Bedürfnisse wird das ehemals exotische Spielerlebnis nur gewöhnlicher. Genau die andere Richtung hin zu mehr Rätselhaftigkeit und weniger, dafür anspruchsvolleren Kämpfen wäre die bessere Designstrategie gewesen. Hätte man diesen Klassiker mal besser in Frieden ruhen lassen.

Pro

im Ansatz interessante Parallelwelt-Story
ansehnliche Landschaft
schwimmen und tauchen
exotisches Flair dank fremder Sprache
komfortable Teleports
keine Zielmarker für Quests
viele Hilsanzeigen abschaltbar
deutsche Sprachausgabe und Texte
manuelles Speichern

Kontra

schwaches Intro
strunzdumme KI und banale Kämpfe
Pistole zu Beginn viel zu mächtig
zu viel Munition, Minen etc.
nervige Kamera mit Perspektivfehlern in Räumen
träge Steuerung beim Springen
viele gewöhnliche Hol-und-Bring-Quests
baukastenartige Topographie, kaum Leben
hölzerne Mimik und Gestik
nur simple Stichwort-Dialoge
zu viele Informationen und Automatismen
arcadiges Rohstoffsammeln
verbuggtes automatisches Speichern
einige skurrile neue Bugs (schwimmen in Erde etc.)
nicht alle alten Bugs ausgemerzt
keine Charakterentwicklung, nur neue Waffen
kein Tag/Nachtwechsel

Wertung

XboxOne

Outcast - Second Contact ist das beste Beispiel dafür, wie schlecht manche Spiele altern. Hätte man diesen Klassiker mal besser in Frieden ruhen lassen.

PlayStation4

Outcast - Second Contact ist das beste Beispiel dafür, wie schlecht manche Spiele altern. Hätte man diesen Klassiker mal besser in Frieden ruhen lassen.

PC

Outcast - Second Contact ist das beste Beispiel dafür, wie schlecht manche Spiele altern. Hätte man diesen Klassiker mal besser in Frieden ruhen lassen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.