Im Test: Bye-bye!
Das Geheimnis des Kellers
Zugegeben: Dieser gute Anfang, den gibt es nur auf dem Papier, in dem Designdokument, das von adaptiver KI spricht, von dynamischer Stealth-Action mit zahlreichen Lösungswegen und von unvorhersehbaren Situationen. Immerhin dringt man in das Haus eines Nachbarn ein, der daraufhin Fallen aufstellt und Kameras installiert, um dem heimlichen Treiben ein Ende zu bereiten.
Warum man überhaupt einbricht? Weil sich irgendetwas im Keller des Nachbarn abspielt. Zwei Kinder aus der Umgebung werden vermisst und man hört sogar Schreie! Also zerschlägt man in den Häusern und Kellern des finsteren Gesellen Fensterscheiben, sucht Schlüssel und betätigt Hebel, um dem Geheimnis buchstäblich näherzukommen.
Weil der Nachbar währenddessen durch sein Anwesen spaziert, muss man ständig auf der Hut sein, denn ist man einmal entdeckt, rennt man entweder weite Wege oder wird sofort gefasst. Dann heißt es zwar nicht „Game Over“, man behält zudem alle gesammelten Gegenstände und bis auf reparierte Fenster wird auch die Umgebung nicht zurückgesetzt. Trotzdem sind die Neustarts entmutigend.
Trial & Error statt dynamisches Schleichen
Obwohl oft mehrere Wege ans Ziel führen, fühlt sich das schnelle Hin und Her nämlich mehr nach Trial & Error statt abwechslungsreicher Stealth-Action an. Zum einen gibt es keinen Übergang zwischen dem Verstecktsein und Entdecktwerden, es fehlt also das für Stealth-Spiele typische Katz-und-Maus mit dem Nachbarn, während er aktiv nach dem Eindringling sucht. Das Betreten von Schränken ist dadurch etwa nahezu überflüssig, zumal man dort ohnehin fast immer entdeckt wird, wenn der Nachbar einmal weiß, dass man sich in der Nähe befindet.
Zum anderen sind Steuerung, Physik, Rätsel sowie auch das normale Verhalten des Hausbesitzers richtig schlecht! Hello Neighbor fühlt sich einfach nicht wie ein ausgewachsenes Spiel an, sondern wie ein kleines Experiment, das Modder in aller Kürze aus dem Boden gestampft haben.
Teilchenbeschleuniger und Fragezeichen
Als ich ganz am Anfang z.B. auf die Idee kam, mal auf das Dach des Hauses zu klettern, hat sich das so falsch angefühlt – man wird direkt nach dem Absprung in eine Richtung weg vom Haus gedrückt, falls man sich beim Springen schon in eine Richtung bewegt – dass ich mir sicher war, ich würde dort nur einen Programmfehler ausnutzen und habe den Versuch deshalb abgebrochen. Ungefähr eine geschlagene Stunde später wurde mir erst klar, dass dieses „Klettern“ doch tatsächlich genau so gedacht ist.
„Witzig“ auch, wie der Nachbar auf Veränderungen in seiner Umgebung reagiert, nämlich entweder gar nicht, selbst wenn man einen Stuhl direkt neben ihn schmeißt, oder indem er unmittelbar dorthin sprintet, von wo aus man einen Gegenstand warf – obwohl er das Werfen gar nicht mitbekommen hatte. Ich wurde jedenfalls entdeckt, während ich außerhalb seiner Sichtlinie in einer Ecke stand.
Was dagegen ganz hervorragend funktioniert ist direkt hinter seinem Rücken auf und ab zu springen oder unmittelbar hinter ihm hin und her zu rennen – logisch! Man hört den Nachbarn übrigens auch so schlecht, dass man vorsichtiges Schleichen oft ohnehin vergessen kann. Er springt außerdem ständig durch seine eigenen (geschlossenen) Fenster, anstatt Türen zu benutzen. Geworfene Gegenstände prallen nicht zuletzt von Böden und Wänden ab, als hätte man sie mit einem gigantischen
Stealth-Action auf Speed
Es macht einfach keinen Spaß, dieses Spiel zu spielen. Und es macht auch keinen Spaß, es erst mal zu entziffern. So sehr ich es liebe, Geheimnisse ohne Hinweispfeile zu entdecken, so schlecht sind in Hello Neighbor Umgebung und Gegenstände „lesbar“. Sprich, ein Rätsel überhaupt als solches zu erkennen, ist manchmal schon reines Glücksspiel. Dabei gibt es gute Ideen, wenn man metallene Gegenstände z.B. mit einem Magneten zu sich heranzieht. Wenn man sich aber fragt, ob man einen Hebel nicht bedienen kann, weil das grundsätzlich nicht geht oder weil man schlicht und ergreifend nicht auf die Idee kam, vorher auf ein Hindernis zu springen, auf das man im Normalfall nie springen würde, dann ergibt das spielerisch leider keinen Sinn.
Man probiert ständig nur, ob eine Aktion überhaupt möglich ist und versucht herauszufinden, was sie bewirkt, während einen der Nachbar ständig zurücksetzt, weil man ihm nicht schnell genug entweichen kann – oder weil es halt schneller geht, sich fangen zu lassen, um anschließend wieder ans Ziel zu sprinten, als darauf zu warten, dass er den Raum verlässt. Dass man dabei gelegentlich mal wenige Sekunden von Fallen aufgehalten oder von Kameras entdeckt wird, macht überhaupt keinen Unterschied: Anschließend rennt man eben noch mal von vorne los.
Fazit
Es fühlt sich einfach nicht gut an, dieses unausgegorene Experiment zu spielen! Die Steuerung ist schwammig, die Aufgaben schwer als solche zu erkennen und das im Vordergrund stehende Verhalten des titelgebenden Nachbarn wird dem Anspruch an dynamische Stealth-Action überhaupt nicht gerecht. Natürlich ist es interessant, dass er Kameras installiert und Fallen aufstellt, so dass man hin und wieder einen alternativen Weg suchen muss – schön, dass das geht. Weil er aber entweder gar nicht oder mit der Aufmerksamkeit eines hypersensiblen Programmfehlers auf den menschlichen Einbrecher reagiert, verkommt die hervorragende Spielidee schon in den ersten Minuten zu einer Art High-Speed-Variante von staubtrockenem Trial & Error. Hello Neighbor – und bye-bye!
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Steuerung, KI und Spieldesign sorgen für staubtrockenes Trial & Error - Spaß macht diese Stealth-Action zu keinem Zeitpunkt.
PC
Steuerung, KI und Spieldesign sorgen für staubtrockenes Trial & Error - Spaß macht diese Stealth-Action zu keinem Zeitpunkt.
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