"This war of mine" hat eine clevere Marketingstrategie: Als klassischer Vertreter des Survival-Genres hätte es keine Chance. Grafisch hat man sehr schnell alles gesehen, akkustisch noch schneller alles gehört, mechanisch quasi binnen fünf Minuten alles ausprobiert. Crafting ist eine Menge Pflicht ohne Kür, der Alltag leblos, das Ausplündern der Nachbarschaft repetitiv.

Deswegen möchte 11 bit sein Werk als "Anti-Kriegs-Spiel" verstanden wissen, das außerdem kein Spiel sein soll. Der Spieler darf auch keinen Spaß haben. Konfortable Bedienung? Tutorials? Feedback? Das alles würde nicht zum Szenario passen?!

Eine Grenzerfahrung sollen wir machen, und was würde das besser simulieren als Grenzen? Grenzen in der 2D-Welt, die keinen Sinn machen, aber ist Krieg nicht völlig sinnlos? Figurenverhalten, neben dem das Umherschwirren von Glühwürmchen komplex und planvoll wirkt, aber so sind nun mal Menschen im Krieg? Eine allnächtliche Begleitmechanik von Ereigniskarten, die dafür sorgen, dass man auch wirklich immer verliert, vergleichbar mit Würfeln, die immer nur Einsen zeigen: Man hat es schon nicht leicht im Bürgerkrieg. Und dass man die wichtigsten Ereignisse so grundsätzlich nur als Textfenster sieht: Im Krieg hast Du halt keine Kontrolle! Der Tag hat nur fünf Minuten, in denen wir es nicht mal schaffen, für drei Leute zu kochen? Krieg ist hektisch?.

? wie schon gesagt, das Marketing ist geradezu unfehlbar. Das kann man vom Spielerlebnis leider nicht sagen - es fehlt ausgerechnet die Ebene, mit der man tatsächlich eine Grenzerfahrung machen würde, die emotionale, menschliche Seite. Ausgerechnet diese verläßt kaum jemals die Oberfläche, bleibt plakativ und prätentiös.
Durch kurze, generische und völlig unpersönliche Tagebucheinträge, eine Handvoll Statusmeldungen (ein bisschen krank) und als Sprechblasen eingefügten Einzeilern (Wir brauchen mehr Nahrung) sollen Geschichten erzählt werden ? das ginge übrigens, würde aber deutlich mehr Talent erfordern, als hier am Werk war.
?Papers please? oder auch ?Gone Home? haben mit vergleichbaren erzählerischen Mitteln Marken gesetzt, vor denen sich ?This war of Mine? verschämt verstecken müsste. Seine Figuren bleiben auch auf dieser Ebene schwarz-weisse Schatterisse ihrer selbst, und sie fallen auch sonst nicht dadurch auf, über das absolute Minimum hinaus ausgearbeitet worden zu sein.

Zur mangelhaften Ausgestaltung der Geschichten gesellt sich zudem die Art von Unlogik, die nicht mal der Krieg erklären kann: Nicht nur bleibt das Entsetzen über die eigenen Taten meist folgenlos, es kann auch durchaus sein, dass der Tod eines Mitbewohners mehr oder weniger ignoriert wird, die Überlebenskünstler dann aber die Arbeit einstellen, weil sie keine Zigaretten mehr haben. Wobei: Beim zweiten Anklicken arbeiten sie dann halt weiter, und hier bekommt man dann nicht mal mehr eine Sprechblase.

"This War of Mine" ist daher wie gemacht für Kritiker, die eigentlich wenig mit Computerspielen am Hut haben ? und zwar sowohl, was die Erfahrung damit angeht als auch die generelle Einstellung zum Medium: Je kritischer, desto besser. Wer Gamer und Games verachtet, hat es deutlich leichter, das hier für eine Perle halten, der Feuilleton der ZEIT lässt grüssen.

Wo ich eine nicht mal mittelmässige Kriegs-Simulation sehe, die bar jeder Eleganz ihr weder innovatives noch detailreiches Szenario bei jeder Gelegenheit sabotiert, um den gewünschten Schwierigkeitsgrad zu erzeugen, werden diejenigen, die es nötig haben, eine "Anti-Kriegs-Simulation" entdecken, wenn nicht gar ein Anti-Spiel-Spiel.

Wo ich nur ein mittelmässiges Survival-Abenteuer mit stilisierter, auf tragisch geschminkter Grafik, schwacher Soundkulisse, erzählerischer Ödnis und immersionszerstörender Spielmechanik sehe, werden andere einen strahlenden Diamanten vorfinden, dessen tiefgründiges Gameplay nur noch durch das Ausschalten des Computers gesteigert werden kann:

So zumindest habe ich dann doch noch meine finale Bürgerkriegserfahrung gemacht.