Rollenspiel
Entwickler: Bioware
Publisher: Microsoft
Release:
20.03.2009
14.05.2009
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ab 7,00€
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Durchschnittswertung

89%Gesamt
90%
88%

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Lesertest von Mr. A

"Kaufen Sie Mass Effect - weil mit starren Polygongesichtern zu reden spannender ist als Moorhuhnschießen!"
Abgelehnter Bioware-Werbeslogan

Einst hätte ich nie gedacht, dass ich mich jemals mit Mass Effect anfreunden könnte. Klar, Bioware stand drauf. Bioware stand für träge bis extrem verkopfte Rollenspielkost, doch das war nicht das Problem. Ich hatte einst Jade Empire gespielt und eigentlich recht positive Erfahrungen mit dem Entwickler gemacht. Nein, schuld war ein anderes Stigma: Shooter. Das verbotene Genre. Ich kann mit ihnen einfach nichts anfangen. Das einzige Wummenspiel, das ich zuvor gespielt und gemocht hatte, war Metroid Prime, und, wir wissen doch alle, dass Metroid Prime mit einem Shooter nicht vergleichbar ist. Wie oft hatte ich mir also gedacht: Wie gern würde ich doch Mass Effect spielen, wenn es nur kein Shooter wäre! Als ich mir vor einiger Zeit endlich einen Ruck gegeben habe, war ich wirklich positiv überrascht. Denn ob Mass Effect ein Shooter ist oder nicht, ist völlig irrelevant.

Mass Effect kann man nämlich genießen, ohne sich mit mit der Spielmechanik auseinandersetzen zu müssen. Ist es ein Shooter? Oder ein Rollenspiel? Nichts dergleichen! Mass Effect ist eine AAA-Dialogklickomania! Was interessieren mich taktisches Positionierungsspiel und Charakterentwicklung? Das, was mich ca. 35 Stunden lang an den PC gefesselt hat, waren einzig und allein die grandios geschriebenen und vertonten Dialoge mit den Nebencharakteren des Spiels. Ich habe selten so charmante Charaktere erlebt wie in Biowares Weltraumoper. Jedes Gruppenmitglied und jeder Questgeber hat etwas Interessantes zu sagen. Wirkliche Statisten sind nur die, die nicht zu Wort kommen, selbst die Hintergründe der unwichtigsten Dienstboten sind detailliert ausgearbeitet.

All diese Hintergrundinformationen fügen sich nahtlos in ein eine lebendige Spielwelt zusammen, in die ich mich gerne verloren habe. Eine so glaubwürdige und umfangreiche Galaxie zu schaffen ist ein schwieriges Unterfangen, aber Bioware war so weise und nahm sich die Zeit, die dafür nötig ist. Mass Effect IST träge. Träge und erhaben. Durch das exzessive Worldbuilding wird das Spiel episch, da man die Konflikte wirklich begreift, und einem die zu rettende Welt ans Herz wächst. Das bedeutet aber auch, dass man in den ersten drei Stunden fast nur in einer Stadt von A nach B läuft, sehr viele Dialogquests absolviert und sich auch später noch enorm viele Dialoge anhören muss. Das ist alles jedoch so gut geschrieben, so gut vertont und so faszinierend, dass ich gerne auf spannendes Gameplay verzichte, und mir lieber noch ein paar Codex-Einträge anhöre, anstatt loszuziehen und Aliens zu jagen.

Der größte Trumpf von Mass Effect ist natürlich die berühmte Entscheidungsfreiheit in der Story. Der Spieler wird jederzeit eingebunden ? oder besser gesagt: Ihm wird suggeriert, eingebunden zu sein. In jedem einzelnen Dialog habe ich mehrere Antworten zur Auswahl. Tatsächlich hat fast keine davon eine wirkliche Auswirkung auf den Spielablauf. Alle Shepards der Welt bereisen dieselben Planeten und besiegen die selben Roboter. Aber der Unterton ist jedes Mal ein anderer. Manche retten eine aussterbende Rasse vor dem Untergang, manche schlagen einer Reporterin während des Interviews ins Gesicht. Manche verlieren sogar ein Gruppenmitglied für immer. All diese Details erzeugen die Illusion echter Entscheidungsfreiheit. Das Gefühl, nicht irgendeine, sondern die eigene, ganz persönliche Geschichte zu erleben.

Dieses gigantische erzählerische Grundgerüst ist stark genug, um den Spieler durch das Erlebnis zu tragen. Die einzige Anforderung an die Spielmechanik ist es, dabei nicht zu stören. Und nachdem ich mich eingewöhnt hatte, konnte der Spaß sich ungetrübt entfalten.

Als einen echten Shooter würde ich Mass Effect letztendlich doch nicht bezeichnen, eher als Squadbasiertes Taktik-Tohuwabohu. Sobald man weiß, wie man die strunzdumme Begleiter-KI babysitten muss, und wie man die ebenso dämlichen Gegner am besten vor die Schrotflinte lockt, spielt sich das Spiel von alleine. Klassische Rollenspiel-Spieltiefe kommt ebenfalls nicht auf. Man muss nur einen Techniker und einen Biotiker ins Team packen, Singularität skillen, sowie sich nach jeder Mission durch tonnenweise unnütze Beute quälen und sich fragen, welche Upgrades man jetzt schon fünfmal hat und welche nicht. Letztere spielen ohnehin nur auf dem obersten Schwierigkeitsgrad eine Rolle und können, falls gewollt, getrost ignoriert werden. Letztendlich interessierten mich diese Rollenspielreste nicht, ich freute mich weniger auf die Missionen selbst als auf die Gespräche, die ich danach mit Garrus führte.

Fazit: Ich kann meine Begeisterung nicht verhehlen: Mass Effect ist die epischte Weltraumoper, die ich je erlebt habe. Sie ist träge und spielt sich eigensinnig, aber belohnt ihre Zuhörer mit einer spannenden Geschichte, interessanten Charakteren und einer faszinierenden Welt. Mass Effect ist ganz großes Kino!
Pro
  • Grandios geschriebene und (englisch) vertonte Dialoge
  • Überaus sympatische und vielschichtige Nebencharaktere
  • Simple, aber klasse erzählte Geschichte
  • Glaubwürdige Illusion von Entscheidungsfreiheit
  • Geschichte fühlt sich persönlich an
  • Exzessiv beschriebenes SciFi Szenario
  • Interessante und gut vertonte Codex Einträge
  • Viele Schwierigkeitsgrade
  • Sechs Charakterklassen mit unterschiedlichen Spielweisen und unterschiedlichem spielerischem Anspruch
  • Auch ohne spielerischen Anspruch genießbar
  • Empfehlung für: Jeden, der auch nur im Ansatz etwas mit einer guten Geschichte anfangen kann. Lasst euch nicht von eventuellen Genre-Berührungsängsten abschrecken!
Kontra
  • Deutsche Vertonung erreicht die Qualität des Originals nicht
  • Trägheit und Dialoglastigkeit nicht zwingend jedermanns Sache
  • Wenig (Rollen-)Spieltiefe
  • TONNENWEISE unnütze Beute, viel unnötiges Mikromanagement
  • Für einen Shooter recht träge Gefechte
  • Fähigkeiten am Anfang recht schwach, am Ende jedoch übermächtig
  • Dämliche Gegner und Begleiter KI
  • Nebenquests ohne Dialoge fallen an Qualität stark ab
  • Eintönige Mako-Abschnitte, öde Planetenoberflächen
  • Nicht empfohlen für: Jeden, dem eine gute Geschichte egal ist, und nur ein fetzig inszeniertes Actionspiel sucht.
 

Mass Effect

Mass Effect
Mr. A
Mr. A 13.10.2014 PC 
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