Kolumne

hundertprozent subjektiv

KW 36
Freitag, 09.09.2005

Deutsch und EverQuest II


Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, als eine große mächtige Spielefirma sich mit großen Worten und noch größeren Versprechen an die Spielerschar in Deutschland wendete und sagte: Sehet her, ich bringe euch die Freude und den Spielspaß ins Haus. Höret und staunet, denn es wird gesprochen und viel getextet in dem Spiel. Doch fürchtet euch nicht, es wird alles auch in Deutsch zur Verfügung stehen. Und die Spieler waren froh und freuten sich, glaubten sie sich doch diesmal nicht vergessen und übergangen. Und wenn sie nicht was anderes spielen, dann warten sie noch heute.

So könnte das Märchen von der deutschen Übersetzung von EverQuest II (EQ2) lauten. Es ist nun fast ein Jahr her, da kam EQ2 mit viel Getrommel und viel Getöse auf den Weltmarkt. Ein sauberer und vor allem weltweiter Start haben Sony Online Entertainment (SOE) großes Lob von vielen Seiten eingebracht. Kein Geheimnis dabei ist, dass der Start für das Spiel noch ein wenig zu früh kam und daher warnte SOE schon vor, dass die deutsche Lokalisierung noch nicht perfekt sei. Gleichzeitig wurde versprochen, diese in wenigen Wochen oder Monaten komplett nachzuliefern. Wie bei Märchen üblich, ist das eine schöne Geschichte, aber nicht die Wahrheit.

Egal wem SOE wie viel für die Übersetzung gezahlt hat, es war zuviel und es ging in die falschen Hände. Manche der anfänglichen sehr grausamen Übersetzungsfehler wurden inzwischen behoben, aber noch immer gibt es auch spielentscheidende Fehler. So herrscht bei manchen Klassen ein heilloses Durcheinander bei den Bezeichnungen: Mal ist ein Hexer ein "Warlock", mal ein "Wizard" und gerade bei der entscheidenden Wahl für den weiteren Weg hat man die Entscheidung zwischen "Hexer" und "Hexer". Wer sich falsch entscheidet, der darf noch einmal von vorne anfangen.

Leidgeprüft sind auch Generationen von Spielern, die bestimmte Monster suchen, die es gar nicht gibt. Deren Name steht zwar in der Aufgabenbeschreibung, doch leider heißen diese Monster in der Welt von EQ2 dann anders. Manchmal gibt es auch einfach unterschiedliche Monster, die den gleichen Namen tragen. Welcher der vielen Greife ein "Griffin" oder "Griffon" ist, das bleibt dem findigen Spieler überlassen. Wer sich als Handwerker betätigt, der hat immer wieder ein schönes Rätsel vor sich: Wie mag denn der englische Name des Rezepts zu dem deutschen Zauberspruch lauten, den ich mir anfertigen will? Gleiches gilt auch für viele Rohstoffe und andere Dinge.

Aber vielleicht will uns SOE ja nur ein wenig das harte Leben in der zerstörten Welt von Norrath versüßen? Könnte das der Grund sein, warum man bei seinen Reisen durch EQ2 auf infantile Habichte, Fleischbrauer und gepeinigte "/get12355{get}" trifft? Vielleicht will SOE der PISA geplagten Spielergeneration ein wenig unter die Arme greifen, wenn auf einmal Petitionstexte nur in Französisch zu lesen sind oder in einem Text mit 34,4 Worten ein dutzend Mal von Deutsch auf Englisch und zurück gewechselt wird? Böse Zungen behaupten hier wären Übersetzer am Werk gewesen, die nie etwas mit einer Fantasy-Welt zu tun hatten, geschweige denn auf die abwegige Idee gekommen wären, einmal einen Blick in EQ2 zu werfen.

Als wäre das nicht genug, quälen sich die deutschen Spieler noch mit anderen Nebeneffekten der verkorksten Lokalisierung. Beispielsweise gehört es zum Standard von aktuellen MMORPGs, dass man Gegenstände in den Chat ziehen kann und die Itembeschreibung dann als klickbarer Link zu sehen ist. Es überrascht bei dem babylonischen Sprachenchaos eigentlich nicht, dass diese kleine, aber sehr fundamentale Funktion, im deutschen EQ2 größtenteils nicht funktioniert.

Traurig ist, dass SOE seit mehreren Wochen und Monaten nicht gewillt ist, der deutschen Spielergemeinde Abhilfe zu verschaffen. Zitat des Entwicklers: "Das Problem an sich, dass die Links nicht gelesen werden können, kann innerhalb von zwei Minuten behoben werden, darum geht es uns aber nicht. Wir wollen keine wischi-waschi Lösung, sondern das Grundproblem muß behoben werden." Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Lokalisierung den Eindruck einer "wischi-waschi Lösung" macht, ist diese Aussage nach Wochen des Wartens und einer Verschlimmerung des Problems, ein Schlag ins Gesicht der deutschen Spieler.

Bleibt am Ende die Frage: Was macht SOE falsch? Warum gibt es immer
noch so ein Sprachwirrwarr, vor allem wenn Konkurrenzprodukte wie World of Warcraft zeigen wie schön Fantasy in Deutsch sein kann? Diskutiert man das Problem mit fachkundigen Menschen, so herrscht der einheitliche Tenor, dass SOE eine Technik für die Umsetzung der Lokalisierung gewählt hat, die an der Mauer der Grammatik zerschellt.

Es bleibt zu hoffen, dass SOE bald ein Einsehen hat und nicht mehr den Aufwand scheut, sein System zu ändern. Bis dahin dürfte eine Besserung nicht in Sicht sein. Im Gegenteil: Mit dem im September erscheinenden Add-On Die Wüste der Flammen dürfte die Lokalisierung weiter in Rückstand geraten. Mal sehen, ob uns dann "verwirrte Wüstenpinguine" und "rasende Oasenschrimps" erwarten…

Sebastian Rosendorfer
CM Online Gaming

 

Kommentare

Merandis schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben: Oder meinst du, dass wir die noch mal neu anteasern sollten, wenn es entsprechende Budget-Versionen gibt?
So in etwa war das angedacht. Es muss nichtmal eine Budget-Version erscheinen. Würde reichen das selbe Spiel + aktuellen Patchstand nochmal zu spielen und das Spiel nach heutigen Standart noch bewerten ob es immer noch einen Kauf wert wäre.
4P|T@xtchef hat geschrieben: Zu komplett neuen Tests fehlen und leider Zeit und Manpower.
Aber das hat sich nun eh erldigt ;) Danke fürs Lesen.
Noch was zum "Topic": Ich kann mich noch gut erinnern das es bei DAoC auch ewigkeiten Probleme gab mit der Übersetzung und gerad in Bezug auf Quests war das ärgerlich. Aber habe EV2 nich selbst gespielt daher kann ich auch keine Vergleiche ziehen.
Aber in der Regel lernt man aus Fehlern. Beim nächsten SOE-Spiel wird man den Versprechungen (fall es welche gibt) nicht mehr glauben. Zumindest wird man vorsichtiger, oder? :roll:
Mo-2 schrieb am
Und schönes Wochenende auch von mir.
(verfluchtes Doppelposten)
Mo-2 schrieb am
Spielt ihr die Spiele eigentlich nach einem Patch nochmal an?
Ich denk da ja beispielsweise an die Gamestar, die evtl die Wertung nochmal ändert. Und ja, ich weiss, die haben mehr Manpower. Bests Beispiel ist ja Bet on Soldier. 59 mit Patch ist halt schon ein klarer Grund, es nicht zu kaufen. Aber angenommmen, der nächste Patch beseitigt alles und macht das Spiel durch irgendein Feature deutlich besser (jaja, unwahrscheinlich, aber man wird ja träumen dürfen). Sind dann die 59 Prozent immer noch in Stein gemeißelt?
Ich mein, ihr als Online Magazin habt doch den großen Vorteil gegenüber Print, dass ihr relativ einfach Daten ändern oder anpassen könnt.
ogami schrieb am
Mehr wollte ich nicht hören Jörg ;)
Und ich wünsche ebenfalls ein schönes Wochenende ^^
Jörg Luibl schrieb am
Ja, du hast Recht: Die Lokalisierung spielte keine große Rolle. Nach einem Jahr zeigt sich, dass man da vielleicht nicht nur skeptischer, sondern auch ausführlicher hätte rangehen müssen.
Aber wir sind ja lernfähig. :wink:
Schönes Wochenende!
schrieb am