Sebastian
Spiel oder Ernst? Erpressung in WoWEine Kolumne von Sebastian, 03.03.2006
Blizzard hat mit dem „Krieg in Silithus“-Event versucht, allen Abenteurern in World of WarCraft die Wartezeit bis zum ersten Add-On zu versüßen. Bei diesem Event sollen Spieler der Allianz und der Horde helfen, den Kampf mit den Ahn'Qiraj in deren Heimatgebiet zu tragen. Die große Aufgabe kann nur bewältigt werden, wenn die Spieler unglaubliche Mengen von Vorräten spenden und zusätzlich im Zuge einer schweren Quest ein besonderes Szepter wieder zusammengesetzt wird. Nach Wochen des Sammelns und viel investierter Spielzeit hätten am vergangenen Samstag auf dem Server "Frostwolf" eigentlich die Tore zum Reich der Ahn'Qiraj geöffnet werden können...

...aber nichts passierte. Zwei Gilden spielten nicht mit und haben damit für einige Aufregung gesorgt. Die Affenjungs, die der Gilde Cede Maiori angehören, und die Grandmaster hatten zwar die Quest gelöst und das wertvolle Szepter neu erschaffen. Doch sie dachten nicht daran, die fremde Spielwelt einfach so zu öffnen, auf die sich alle gefreut hatten. Nein, man sollte ihnen erst die beachtliche Summe von 5000 Goldstücken überweisen.

Ein dreister Erpressungsversuch in einer Online-Rollenspielwelt? Die Idee ist nicht mal originell, denn eine Gilde auf einem US-Server hatte dies kurz davor auch versucht. Hier war die Aktion aber bereits vor Ablauf des Ultimatums daran gescheitert, dass die Beiträge zu dieser Aktion aus den Foren gelöscht wurden. Die Gilde versuchte dann mit der Begründung „War nur ein Scherz“ ihr Gesicht zu wahren. In den USA scheint man von offizieller Seite nicht sehr begeistert über dieser Aktion gewesen zu sein.

Nun kann man sehr gut verstehen, dass die übrigen Spieler, die einen beträchtlichen Teil zum Erfolg des Events beigetragen hattenen, von dieser Forderung der zwei Gilden wenig begeistert waren. Im Forum ging es daher ziemlich rund, wobei die Beschimpfungen auf der einen Seite der Arroganz auf der anderen Seite in keiner Weise nachstanden. Auffallend war das Schweigen von offizieller Seite. Keiner der sonst so pingeligen Verantwortlichen für das Forum zeigte sich geneigt, den deutlichen Verstößen gegen die Forenregeln Einhalt zu gebieten. Warum nicht?

Am Abend des Montags war dann der Spuk vorbei, denn die Tore wurden geöffnet. Mit einem Logfile belegen die beiden Gilden jetzt, dass Blizzard bzw. ein Gamemaster ihnen zugesagt hätte, dass die Offiziellen nicht eingreifen würden, wenn die Gilde ihre fragwürdige Aktion durchführen würde. Die beiden Gilden stellen diese Öffnung nun als geplant dar, als Scherz, als Machtdemonstration und PR-Aktion .

Nun stellt sich die Frage, ob diese virtuelle Erpressung, eine ohne Zweifel moralisch und ethisch mehr als fragwürdige Aktion, wirklich so bedenkenlos ist, dass man sie jetzt unter dem Deckmantel des Spiels quasi als Teil des Spiels abhaken kann. Oder ist es möglich, darin mehr zu sehen? Einen Juristen juckt es natürlich in den Fingern, wenn er von so einem Fall hört und gemäß dem Motto „Was nicht sein darf, dass nicht sein kann“ begibt sich seine Nase auf die Suche in Gesetzen, Nutzungsbestimmungen und Verhaltensregeln.

Könnte hier Blizzard versäumt haben, zu handeln? Sofort schwebt einem der warme Geldsegen eines US-Schmerzensgeldprozesses vor Augen oder vielleicht auch Bilder von den bösen Spielern, wie sie mit gebeugtem Haupt in Handschellen in einen Streifenwagen verfrachtet werden. Das erregte Spielerherz schlägt Purzelbäume und die Phantasie macht Überstunden.

Wir haben Dr. Andreas Lober von der Anwaltskanzlei Schulte zu Rate gezogen und ihn gebeten, sich Gedanken zu dem Thema zu machen. Dass gewisse Handlungen im Spiel auch reale Konsequenzen haben können, das hält er für grundsätzlich möglich, wie auch eine Pflicht für den Spielbetreiber für Ruhe und Ordnung zu sorgen:

„Prinzipiell können natürlich Handlungen aus dem Spiel in der realen Welt Konsequenzen haben, auch für Spieler, beispielsweise in Betrugsfällen. Umgekehrt wird Blizzard sicher, zumindest als vertragliche Nebenpflicht, in gewissen Grenzen dafür Sorgen müssen, dass das gedeihliche Zusammenleben im Spiel gewährleistet ist.“

Der Spielbetreiber bekommt von den Spielern auch sein Geld dafür, dass er ein gewisses Maß an Spielfreude bietet. Wenn Blizzard nicht Konsequenzen gefürchtet hätte, warum wäre sonst die ähnliche Aktion in den USA mehr oder weniger offiziell unterbunden worden? Wozu gibt es all die vielen Bestimmungen über Verhalten, Namensregelungen und zuletzt die Aufregung über die Verwarnung einer Gilde, die damit warb, homo-, bi- und transsexuellen Spielern gegenüber aufgeschlossen zu sein?

„Wo hier die Grenze verläuft, ist eine extrem diffizile Frage, zumal die Lizenz- und Nutzungsvereinbarungen für die Spieler sicher nicht in allen Punkten rechtsverbindlich sind, selbst wenn sie diesen zugestimmt haben. Ganz grob läuft es wohl darauf hinaus, inwieweit Blizzard "Polizei" spielen muss."

Diese Frage wird erst einmal unbeantwortet bleiben, denn auch wenn sie besonders für Juristen interessant ist: Beispielfälle gibt es nicht. Doch wenn so ein Verhalten Schule macht und sich eine Verrohung der Sitten unter den Spielern weiter ausbreitet, dann werden wir wohl nicht mehr lange darauf warten dürfen. Was für schöne neue Phantasiewelten haben uns da die MMORPGs beschert. Werden sie bald von den Schatten der realen Welt eingeholt?

Sebastian Rosendorfer
4Netplayers.de
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