Jörg Luibl
Die Hakenkreuz-HysterieEine Kolumne von Jörg Luibl, 01.08.2007
Pfui! Böse Hakenkreuze. Ganz böse Hakenkreuze. Kaum taucht eines in Deutschland auf, klingeln die Glocken der sensationsgeilen Neugier im Takt mit der profilaktischen Abscheu. Und kaum taucht eines in einem Spiel auf, beginnt die Magie des staatlichen Verbotes bei vielen zockenden Bürgern zu wirken: Was? Ihr habt eines gesehen? Nein, wirklich? Wo denn? Und wie viele? In der Uncut? Coool. Was, am Kiosk? Oh je...

Nehmen wir The Darkness : In vielen Foren geht es den Leuten weniger um die Qualität des Shooters, sondern eher darum, an welcher Stelle, wie viele Hakenkreuze in der ungeschnittenen Variante zu sehen sind - dabei kommen sie im Spiel gar nicht vor, sondern nur im Bonusmaterial! Woher kommt diese stupide Faszination? Keinen Zocker in unseren Nachbarländern interessiert das. Und die Hysterie um ein Symbol kann idiotische Ausmaße annehmen: Die aktuelle PC PowerPlay muss aus dem Handel gezogen werden, weil im Video zu Turning Point: Fall of Liberty  tatsächlich für ein paar Sekunden ein Hakenkreuz zu sehen ist - ach Gottchen, da geraten die Grundfesten unserer Demokratie ins Wanken!

Warum diese drastischen Maßnahmen? Juristisch ist die Antwort klar: Gesetz ist Gesetz, Verbot ist Verbot - genauer gesagt: ist das Abbilden strafbar nach §§ 86a, 86Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 des Strafgesetzbuches. Ja, die Geschichte. Ja, Adolf Hitler. Ja, auf der Straße will ich Hakenkreuze auch nicht sehen. Aber muss man nicht mal losgelöst von allen Jugendschutzdebatten eine logische Antwort auf die Frage geben können, warum ich sie als Erwachsener in Spielen nicht sehen darf? Diese Bevormundung schreit zum Himmel! Die staatliche Zensur eines Symbols für ein virtuelles Medium ist Unfug - selbst meine Tochter darf sie in Was-ist-was-Büchern sehen!

In Jugendbüchern sind Hakenkreuze kein Problem. Im Schulunterricht sind sie kein Problem. In Archiven und Museen sind sie kein Problem. In Filmen auch nicht. Aber in Spielen. Zwischen PC und Konsole lauert scheinbar die große Gefahr der uralten Swastika. Die Angst vor dem Symbol war den Germanen, Kelten, Römern und Indern schon vor tausenden Jahren ebenso fremd wie heute den Amerikanern, Brasilianern und Israelis. Auch die Senegalesen und die Simpsons kennen sie laut aktuellen Hochrechnungen nicht.

Warum auch? Das einfache, anno dazumal noch "Winkelmaßkreuz" genannte Symbol galt Jahrtausende als Sonnenrad, als Fruchtbarkeits- und Glückszeichen. Das letzte Hakenkreuz habe ich übrigens am Wochenende in Schleswig gesehen, in einer Glasvitrine des Schlossmuseums Gottorf. Es gehörte zu einer Gürtelschnalle eines römischen Legionärs der Kaiserzeit.

Wie kann man ein Symbol in einem Medium so tabuisieren? Merkt man denn gar nicht, welche Anziehungskraft es dadurch gerade für junge Deutsche gewinnt? Alles, was man verbietet, wird nur interessanter. Welch abstruse, welch lächerliche Ausmaße das annimmt! Blödsinnige Faszination kann dann schon mal auf große Bildungslücken treffen.

Holländische Spielehändler können ein Lied davon singen: Sie berichten z.B., dass Deutsche über die Grenze gekommen sind, um sich die ungeschnittene Fassung von The Darkness zu besorgen. Als sie das Spiel komplett durch hatten, fuhren sie tatsächlich zurück und wollten es umtauschen, weil sie "keine Hakenkreuze gefunden haben, obwohl die drin sein sollen."

In diesem Land wäre noch nicht mal ein Spiel im Zweiten Weltkrieg möglich, in dem ich als Widerstandskämpfer (!) in einem heroischen finalen Akt ein Hakenkreuz-Symbol mit 100 Kilogramm Dynamit in die Luft sprengen würde! Selbst in der Rolle Stauffenbergs dürfte man den Nationalsozialisten nicht an den authentischen Kragen! Wäre das nicht aktive staatsbürgerliche Aufklärung im Sinne der Verfassung? Aber selbst für das Tragen durchgestrichener Hakenkreuze wurde man hierzulande ja bis vor kurzem noch bestraft - grotesk.

Deutschland? Du bist hysterisch! Eine Verfassung, die Symbole fürchtet, ist nicht stark genug. Eine Verfassung, die Symbole fürchtet, die in Spielen vorkommen, muss zum Psychiater.


Jörg Luibl
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